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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Von Begehungs-Sünden
thum hinein geführet werde. Erlangest du das
Kleinod, JEsum im Geist, nicht, so nützt dich
dein Beten wenig mehr, als einem Armen sein Bet-
teln, wann er nichts empfangt.

Es lebet, wie ich glaube, noch ein rechtschaf-
fen zu GOtt bekehrter Heyd; diesen fragete jemand,
ob er sich an der Christen Leben, deren ihnen vom
Himmel anvertrauten Lehre er itzo wisse, nicht är-
gere? Worauf er er mit Nein geantwortet und
gesprochen: "Jch spüre bey mir selbst, daß mei-
"ne arge Natur sogleich den Kopff aufstreckt, und
"mit ihren sündlichen Neigungen sich der Herr-
"schafft anmassen will, wann ich vom Gebet ab-
"lasse." Es ist eben, wie wann ein Rebmann
(Weingärtner) die Reb-Schosse im Weinberg
hin und wieder liegen lassen wolte in der Meynung,
daß es schon genug seye, wann sie nur ohnweit von
den Rebstöcken liegen, und nicht bedörffen dem Wein-
stock selbsten eingepfropffet zu seyn, und unausge-
setzt seinen edlen Safft einzusaugen; welchenfalls
er nicht manchen schönen Trauben bekommen und
wenig genug Wein machen würde.

§. 51.

1) Ein kleines Kind/ das ohngefehr im
fünfften Jahr seines Lebens gestorben, pflegte viel-
mal allein zu gehen, auf seine Knie vor GOtt nie-
derzufallen und zu beten: Jn solchem Gebet re-
dete es offt so ernstlich mit dem lieben GOtt, und
weinete so sehr, daß es bisweilen auch denen Nach-
barn nicht konnte verborgen bleiben. (*)

2) Ein
(*) Janneways Exempel-Büchlein, 1 Th. zweytes Exem-
pel. Rambachs Ex. Büchlein p. 188. seqq.

Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
thum hinein gefuͤhret werde. Erlangeſt du das
Kleinod, JEſum im Geiſt, nicht, ſo nuͤtzt dich
dein Beten wenig mehr, als einem Armen ſein Bet-
teln, wann er nichts empfangt.

Es lebet, wie ich glaube, noch ein rechtſchaf-
fen zu GOtt bekehrter Heyd; dieſen fragete jemand,
ob er ſich an der Chriſten Leben, deren ihnen vom
Himmel anvertrauten Lehre er itzo wiſſe, nicht aͤr-
gere? Worauf er er mit Nein geantwortet und
geſprochen: „Jch ſpuͤre bey mir ſelbſt, daß mei-
“ne arge Natur ſogleich den Kopff aufſtreckt, und
“mit ihren ſuͤndlichen Neigungen ſich der Herr-
“ſchafft anmaſſen will, wann ich vom Gebet ab-
“laſſe.‟ Es iſt eben, wie wann ein Rebmann
(Weingaͤrtner) die Reb-Schoſſe im Weinberg
hin und wieder liegen laſſen wolte in der Meynung,
daß es ſchon genug ſeye, wann ſie nur ohnweit von
den Rebſtoͤcken liegen, und nicht bedoͤrffen dem Wein-
ſtock ſelbſten eingepfropffet zu ſeyn, und unausge-
ſetzt ſeinen edlen Safft einzuſaugen; welchenfalls
er nicht manchen ſchoͤnen Trauben bekommen und
wenig genug Wein machen wuͤrde.

§. 51.

1) Ein kleines Kind/ das ohngefehr im
fuͤnfften Jahr ſeines Lebens geſtorben, pflegte viel-
mal allein zu gehen, auf ſeine Knie vor GOtt nie-
derzufallen und zu beten: Jn ſolchem Gebet re-
dete es offt ſo ernſtlich mit dem lieben GOtt, und
weinete ſo ſehr, daß es bisweilen auch denen Nach-
barn nicht konnte verborgen bleiben. (*)

2) Ein
(*) Janneways Exempel-Buͤchlein, 1 Th. zweytes Exem-
pel. Rambachs Ex. Buͤchlein p. 188. ſeqq.
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[222/0240] Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden thum hinein gefuͤhret werde. Erlangeſt du das Kleinod, JEſum im Geiſt, nicht, ſo nuͤtzt dich dein Beten wenig mehr, als einem Armen ſein Bet- teln, wann er nichts empfangt. Es lebet, wie ich glaube, noch ein rechtſchaf- fen zu GOtt bekehrter Heyd; dieſen fragete jemand, ob er ſich an der Chriſten Leben, deren ihnen vom Himmel anvertrauten Lehre er itzo wiſſe, nicht aͤr- gere? Worauf er er mit Nein geantwortet und geſprochen: „Jch ſpuͤre bey mir ſelbſt, daß mei- “ne arge Natur ſogleich den Kopff aufſtreckt, und “mit ihren ſuͤndlichen Neigungen ſich der Herr- “ſchafft anmaſſen will, wann ich vom Gebet ab- “laſſe.‟ Es iſt eben, wie wann ein Rebmann (Weingaͤrtner) die Reb-Schoſſe im Weinberg hin und wieder liegen laſſen wolte in der Meynung, daß es ſchon genug ſeye, wann ſie nur ohnweit von den Rebſtoͤcken liegen, und nicht bedoͤrffen dem Wein- ſtock ſelbſten eingepfropffet zu ſeyn, und unausge- ſetzt ſeinen edlen Safft einzuſaugen; welchenfalls er nicht manchen ſchoͤnen Trauben bekommen und wenig genug Wein machen wuͤrde. §. 51. 1) Ein kleines Kind/ das ohngefehr im fuͤnfften Jahr ſeines Lebens geſtorben, pflegte viel- mal allein zu gehen, auf ſeine Knie vor GOtt nie- derzufallen und zu beten: Jn ſolchem Gebet re- dete es offt ſo ernſtlich mit dem lieben GOtt, und weinete ſo ſehr, daß es bisweilen auch denen Nach- barn nicht konnte verborgen bleiben. (*) 2) Ein (*) Janneways Exempel-Buͤchlein, 1 Th. zweytes Exem- pel. Rambachs Ex. Buͤchlein p. 188. ſeqq.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/240>, abgerufen am 26.04.2024.