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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Faserung des Rückenmarks.
Basis der Hinterhörner ein; sie zeichnen sich noch besonders aus
durch die meist starke Pigmentirung ihres Markes und die zahlrei-
chen vielfach verästelten Fortsätze ihrer Scheide. Die kleinsten Gang-
lienkörper liegen in der substantia gelatinosa und der Umgebung des
Centralkanals oder in der ihn ausfüllenden Masse; sie sind pigment-
los, enthalten oft mehr Zellen, die Ausläufer ihrer Membrane sind bald
mehr bald weniger zahlreich. -- Zwischen den beschriebenen extre-
men Formen finden sich alle möglichen Mittelstufen, namentlich in den
hintern Hörnern eingestreut. -- Die grössten Widersprüche bestehen
rücksichtlich des Vorhandenseins der Eigenschaften und der Verbin-
dung der Ganglienfortsätze. Da die Ganglienkörper bald mit und bald
ohne Fortsätze erscheinen, so erklärt die eine Reihe von Beobachtern
die Fortsatzlosen für verstümmelte Formen, während die andere Reihe
sogenannter Forscher den Fortsatz als ein Kunstprodukt ansieht. --
Die Fortsätze aber, insofern man ihre Existenz nicht bestreitet, erklärt
man, wenn man von der Vorstellung ausgeht, dass die Fortsätze in
die Nerven übergehen, bald für die abgerissenen Nervenröhren, bald
aber auch nur für ein abgerissenes Primitivband; oder aber man hält
sie für Gebilde, die von den Nerven vollkommen unabhängig sind,
und die demnach entweder geschlossen endigen oder sich in die Fort-
sätze der anliegenden Körper münden.

Ueber die Zusammenfügung dieser anatomischen Bausteine im
Rückenmark und ihre Verbindung mit andern Nervenmassen gehen
mehrere Hypothesen. Bei mannigfachen Widersprüchen der sie stüz-
zenden Beobachtungen darf mit einiger Wahrscheinlichkeit als fest-
stehend angenommen werden, dass jede in das Rückenmark eintre-
tende Wurzelröhre durch die zunächst gelegene weisse in die graue
Masse dringt, Stilling. Weiterhin gelangen dann die vorderen
Wurzelröhren
zwischen die grossen vielstrahligen Ganglienkörper,
Kölliker, ziehen von da entweder sämmtlich oder vielleicht nur theil-
weise zur vordern weissen Commissur, Ed. Weber, und laufen in der
entgegengesetzten Rückenmarkshälfte entweder geradezu oder mit-
telst virtueller Fortsetzung (nach einer Unterbrechung) in das Hirn;
auf diesem Wege sind entweder alle oder nur einige Röhren mit einer
Ganglienzelle in solcher Verbindung, dass einer der Fortsätze in die
Nervenröhre unmittelbar übergeht, Schilling. Die hintern Wurzel-
röhren
durchschneiden die feinen Ganglienzellen der gelatinösen Sub-
stanz und kommen somit zwischen die etwas grösseren blassen der
Hinterhörner; ihre Fortsetzung jenseits derselben ist unbekannt.

Nach Stilling und Volkmann bilden den Grundstock des Rückenmarks die
Röhren des intermediären Systems, oder mit andern Worten, Röhren, welche gestrekten
Verlaufes vom Hirn bis zum Schluss des Rückenmarkes gehen und sich an die Ele-
mente der Nervenwurzeln anlegen, ohne in diese überzugehen. Senkrecht gegen
das intermediäre System verlaufen die Elementartheile der Nervenwurzeln, welche
also das Rückenmark vorzugsweise querdurchsetzen, und somit entweder gar nicht

Faserung des Rückenmarks.
Basis der Hinterhörner ein; sie zeichnen sich noch besonders aus
durch die meist starke Pigmentirung ihres Markes und die zahlrei-
chen vielfach verästelten Fortsätze ihrer Scheide. Die kleinsten Gang-
lienkörper liegen in der substantia gelatinosa und der Umgebung des
Centralkanals oder in der ihn ausfüllenden Masse; sie sind pigment-
los, enthalten oft mehr Zellen, die Ausläufer ihrer Membrane sind bald
mehr bald weniger zahlreich. — Zwischen den beschriebenen extre-
men Formen finden sich alle möglichen Mittelstufen, namentlich in den
hintern Hörnern eingestreut. — Die grössten Widersprüche bestehen
rücksichtlich des Vorhandenseins der Eigenschaften und der Verbin-
dung der Ganglienfortsätze. Da die Ganglienkörper bald mit und bald
ohne Fortsätze erscheinen, so erklärt die eine Reihe von Beobachtern
die Fortsatzlosen für verstümmelte Formen, während die andere Reihe
sogenannter Forscher den Fortsatz als ein Kunstprodukt ansieht. —
Die Fortsätze aber, insofern man ihre Existenz nicht bestreitet, erklärt
man, wenn man von der Vorstellung ausgeht, dass die Fortsätze in
die Nerven übergehen, bald für die abgerissenen Nervenröhren, bald
aber auch nur für ein abgerissenes Primitivband; oder aber man hält
sie für Gebilde, die von den Nerven vollkommen unabhängig sind,
und die demnach entweder geschlossen endigen oder sich in die Fort-
sätze der anliegenden Körper münden.

Ueber die Zusammenfügung dieser anatomischen Bausteine im
Rückenmark und ihre Verbindung mit andern Nervenmassen gehen
mehrere Hypothesen. Bei mannigfachen Widersprüchen der sie stüz-
zenden Beobachtungen darf mit einiger Wahrscheinlichkeit als fest-
stehend angenommen werden, dass jede in das Rückenmark eintre-
tende Wurzelröhre durch die zunächst gelegene weisse in die graue
Masse dringt, Stilling. Weiterhin gelangen dann die vorderen
Wurzelröhren
zwischen die grossen vielstrahligen Ganglienkörper,
Kölliker, ziehen von da entweder sämmtlich oder vielleicht nur theil-
weise zur vordern weissen Commissur, Ed. Weber, und laufen in der
entgegengesetzten Rückenmarkshälfte entweder geradezu oder mit-
telst virtueller Fortsetzung (nach einer Unterbrechung) in das Hirn;
auf diesem Wege sind entweder alle oder nur einige Röhren mit einer
Ganglienzelle in solcher Verbindung, dass einer der Fortsätze in die
Nervenröhre unmittelbar übergeht, Schilling. Die hintern Wurzel-
röhren
durchschneiden die feinen Ganglienzellen der gelatinösen Sub-
stanz und kommen somit zwischen die etwas grösseren blassen der
Hinterhörner; ihre Fortsetzung jenseits derselben ist unbekannt.

Nach Stilling und Volkmann bilden den Grundstock des Rückenmarks die
Röhren des intermediären Systems, oder mit andern Worten, Röhren, welche gestrekten
Verlaufes vom Hirn bis zum Schluss des Rückenmarkes gehen und sich an die Ele-
mente der Nervenwurzeln anlegen, ohne in diese überzugehen. Senkrecht gegen
das intermediäre System verlaufen die Elementartheile der Nervenwurzeln, welche
also das Rückenmark vorzugsweise querdurchsetzen, und somit entweder gar nicht

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[127/0141] Faserung des Rückenmarks. Basis der Hinterhörner ein; sie zeichnen sich noch besonders aus durch die meist starke Pigmentirung ihres Markes und die zahlrei- chen vielfach verästelten Fortsätze ihrer Scheide. Die kleinsten Gang- lienkörper liegen in der substantia gelatinosa und der Umgebung des Centralkanals oder in der ihn ausfüllenden Masse; sie sind pigment- los, enthalten oft mehr Zellen, die Ausläufer ihrer Membrane sind bald mehr bald weniger zahlreich. — Zwischen den beschriebenen extre- men Formen finden sich alle möglichen Mittelstufen, namentlich in den hintern Hörnern eingestreut. — Die grössten Widersprüche bestehen rücksichtlich des Vorhandenseins der Eigenschaften und der Verbin- dung der Ganglienfortsätze. Da die Ganglienkörper bald mit und bald ohne Fortsätze erscheinen, so erklärt die eine Reihe von Beobachtern die Fortsatzlosen für verstümmelte Formen, während die andere Reihe sogenannter Forscher den Fortsatz als ein Kunstprodukt ansieht. — Die Fortsätze aber, insofern man ihre Existenz nicht bestreitet, erklärt man, wenn man von der Vorstellung ausgeht, dass die Fortsätze in die Nerven übergehen, bald für die abgerissenen Nervenröhren, bald aber auch nur für ein abgerissenes Primitivband; oder aber man hält sie für Gebilde, die von den Nerven vollkommen unabhängig sind, und die demnach entweder geschlossen endigen oder sich in die Fort- sätze der anliegenden Körper münden. Ueber die Zusammenfügung dieser anatomischen Bausteine im Rückenmark und ihre Verbindung mit andern Nervenmassen gehen mehrere Hypothesen. Bei mannigfachen Widersprüchen der sie stüz- zenden Beobachtungen darf mit einiger Wahrscheinlichkeit als fest- stehend angenommen werden, dass jede in das Rückenmark eintre- tende Wurzelröhre durch die zunächst gelegene weisse in die graue Masse dringt, Stilling. Weiterhin gelangen dann die vorderen Wurzelröhren zwischen die grossen vielstrahligen Ganglienkörper, Kölliker, ziehen von da entweder sämmtlich oder vielleicht nur theil- weise zur vordern weissen Commissur, Ed. Weber, und laufen in der entgegengesetzten Rückenmarkshälfte entweder geradezu oder mit- telst virtueller Fortsetzung (nach einer Unterbrechung) in das Hirn; auf diesem Wege sind entweder alle oder nur einige Röhren mit einer Ganglienzelle in solcher Verbindung, dass einer der Fortsätze in die Nervenröhre unmittelbar übergeht, Schilling. Die hintern Wurzel- röhren durchschneiden die feinen Ganglienzellen der gelatinösen Sub- stanz und kommen somit zwischen die etwas grösseren blassen der Hinterhörner; ihre Fortsetzung jenseits derselben ist unbekannt. Nach Stilling und Volkmann bilden den Grundstock des Rückenmarks die Röhren des intermediären Systems, oder mit andern Worten, Röhren, welche gestrekten Verlaufes vom Hirn bis zum Schluss des Rückenmarkes gehen und sich an die Ele- mente der Nervenwurzeln anlegen, ohne in diese überzugehen. Senkrecht gegen das intermediäre System verlaufen die Elementartheile der Nervenwurzeln, welche also das Rückenmark vorzugsweise querdurchsetzen, und somit entweder gar nicht

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/141>, abgerufen am 26.04.2024.