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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte.
des Gebiets auf die Ehre und Güter des verurtheilten;
so daß derjenige der in einem Lande für ehrlos erkläret
worden a) in einen andren Lande zwar wohl infamiam
facti
erduldet, aber nicht im Rechtsverstande ehrlos wird b),
daß wer aus einem Lande verbannet worden, in einem an-
dren aufgenommen werden kann c), und das Urtheil das
seine Güter für consiscirt erkläret, nicht die Confiscation der
außerhalb Landes gelegenen nach sich zieht, vielmehr es ein
neues Urtheil und eine neue Strafe enthalten würde, wenn
er in einem andren für ehrlos erklärt, verbannt oder seiner
Güter verlustig erkläret würde.

a) Doch versieht sich übrigens von selbst, daß wer in einem Lande
von dem competenten Richter, seines Adels, seiner Orden u. s. f.
verlustig erkläret würde, in keinem andren Lande sich dieser Vor-
züge mehr würde bedienen können.
b) Engelbrecht de seruitutibus iuris publici p. 98. u. f. Doch ent-
halten die kaiserlichen Avocatorien vom Jahr 1793 hievon ge-
wissermaßen eine Ausnahme.
c) Doch haben die Schweizer Eydgenossen es zu einem Grundver-
trage gemacht, daß wer aus einem Canton verbannet worden,
in keinem der übrigen geduldet werden solle. Simler respublica
Heluetiorum
Th. II. §. XVII. Daß in Teutschland keine Verab-
redung der Art vorhanden sey, ist aus der täglichen Erfah-
tung bekannt. Ueber Holland s. Bynkershoek q. iuris publ. p. 299.
§. 104.
Begnadigungsrecht.

Gleichmäßig hat zwar jeder Regent das Recht einen
Criminal-Proceß aufzuheben, oder den Verbrecher zu be-
gnadigen; dies hindert aber einen fremden Staat nicht die-
sen, er habe in seinem Gebiet das Verbrechen begangen,
oder sich nur betreten lassen, zu bestrafen; will daher ein
Staat verhindern, daß ein Angeklagter in einem andren
Lande nicht zur Strafe gezogen werde, so hat er der Regel
nach keinen andren Weg, als den der gütlichen Vorstel-
lungen; doch sind Fälle gedenkbar wo die offenbare Unschuld
des Angeklagten, oder die offenbare Incompetenz des Rich-

ters,

Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
des Gebiets auf die Ehre und Guͤter des verurtheilten;
ſo daß derjenige der in einem Lande fuͤr ehrlos erklaͤret
worden a) in einen andren Lande zwar wohl infamiam
facti
erduldet, aber nicht im Rechtsverſtande ehrlos wird b),
daß wer aus einem Lande verbannet worden, in einem an-
dren aufgenommen werden kann c), und das Urtheil das
ſeine Guͤter fuͤr conſiſcirt erklaͤret, nicht die Confiſcation der
außerhalb Landes gelegenen nach ſich zieht, vielmehr es ein
neues Urtheil und eine neue Strafe enthalten wuͤrde, wenn
er in einem andren fuͤr ehrlos erklaͤrt, verbannt oder ſeiner
Guͤter verluſtig erklaͤret wuͤrde.

a) Doch verſieht ſich uͤbrigens von ſelbſt, daß wer in einem Lande
von dem competenten Richter, ſeines Adels, ſeiner Orden u. ſ. f.
verluſtig erklaͤret wuͤrde, in keinem andren Lande ſich dieſer Vor-
zuͤge mehr wuͤrde bedienen koͤnnen.
b) Engelbrecht de ſeruitutibus iuris publici p. 98. u. f. Doch ent-
halten die kaiſerlichen Avocatorien vom Jahr 1793 hievon ge-
wiſſermaßen eine Ausnahme.
c) Doch haben die Schweizer Eydgenoſſen es zu einem Grundver-
trage gemacht, daß wer aus einem Canton verbannet worden,
in keinem der uͤbrigen geduldet werden ſolle. Simler respublica
Heluetiorum
Th. II. §. XVII. Daß in Teutſchland keine Verab-
redung der Art vorhanden ſey, iſt aus der taͤglichen Erfah-
tung bekannt. Ueber Holland ſ. Bynkershoek q. iuris publ. p. 299.
§. 104.
Begnadigungsrecht.

Gleichmaͤßig hat zwar jeder Regent das Recht einen
Criminal-Proceß aufzuheben, oder den Verbrecher zu be-
gnadigen; dies hindert aber einen fremden Staat nicht die-
ſen, er habe in ſeinem Gebiet das Verbrechen begangen,
oder ſich nur betreten laſſen, zu beſtrafen; will daher ein
Staat verhindern, daß ein Angeklagter in einem andren
Lande nicht zur Strafe gezogen werde, ſo hat er der Regel
nach keinen andren Weg, als den der guͤtlichen Vorſtel-
lungen; doch ſind Faͤlle gedenkbar wo die offenbare Unſchuld
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ters,
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[127/0155] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. des Gebiets auf die Ehre und Guͤter des verurtheilten; ſo daß derjenige der in einem Lande fuͤr ehrlos erklaͤret worden a) in einen andren Lande zwar wohl infamiam facti erduldet, aber nicht im Rechtsverſtande ehrlos wird b), daß wer aus einem Lande verbannet worden, in einem an- dren aufgenommen werden kann c), und das Urtheil das ſeine Guͤter fuͤr conſiſcirt erklaͤret, nicht die Confiſcation der außerhalb Landes gelegenen nach ſich zieht, vielmehr es ein neues Urtheil und eine neue Strafe enthalten wuͤrde, wenn er in einem andren fuͤr ehrlos erklaͤrt, verbannt oder ſeiner Guͤter verluſtig erklaͤret wuͤrde. a⁾ Doch verſieht ſich uͤbrigens von ſelbſt, daß wer in einem Lande von dem competenten Richter, ſeines Adels, ſeiner Orden u. ſ. f. verluſtig erklaͤret wuͤrde, in keinem andren Lande ſich dieſer Vor- zuͤge mehr wuͤrde bedienen koͤnnen. b⁾ Engelbrecht de ſeruitutibus iuris publici p. 98. u. f. Doch ent- halten die kaiſerlichen Avocatorien vom Jahr 1793 hievon ge- wiſſermaßen eine Ausnahme. c⁾ Doch haben die Schweizer Eydgenoſſen es zu einem Grundver- trage gemacht, daß wer aus einem Canton verbannet worden, in keinem der uͤbrigen geduldet werden ſolle. Simler respublica Heluetiorum Th. II. §. XVII. Daß in Teutſchland keine Verab- redung der Art vorhanden ſey, iſt aus der taͤglichen Erfah- tung bekannt. Ueber Holland ſ. Bynkershoek q. iuris publ. p. 299. §. 104. Begnadigungsrecht. Gleichmaͤßig hat zwar jeder Regent das Recht einen Criminal-Proceß aufzuheben, oder den Verbrecher zu be- gnadigen; dies hindert aber einen fremden Staat nicht die- ſen, er habe in ſeinem Gebiet das Verbrechen begangen, oder ſich nur betreten laſſen, zu beſtrafen; will daher ein Staat verhindern, daß ein Angeklagter in einem andren Lande nicht zur Strafe gezogen werde, ſo hat er der Regel nach keinen andren Weg, als den der guͤtlichen Vorſtel- lungen; doch ſind Faͤlle gedenkbar wo die offenbare Unſchuld des Angeklagten, oder die offenbare Incompetenz des Rich- ters,

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/155>, abgerufen am 26.04.2024.