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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Viertes Buch. Drittes Hauptstück.
a) Daß es Fälle gebe, in welchen eine Nation wegen eintretender
Hungersnsth eine andere zwingen könne, ihr von ihrem Ueber-
flusse zu verkaufen, ist wohl unläugbar. Aber in Friedenszeiten
läßt sich von der Menschlichkeit der europäischen Mächte nicht
erwarten, daß es desfalls eines Zwangs bedürfen werde; viel-
mehr giebt die neuere Geschichte auffallende Beweise der in sol-
chen Fällen bezeugten Willfährigkeit. Vattel d. d. gens L. II.
chap.
1. § 5.
b) Sofern lassen sich also nicht nur Zölle, sondern auch Stapelrecht,
Stadteinlagerrecht, auch die brittische Navigationsacte von 1660,
das schwedische Productplacat von 1724 u. s. f. nach dem allge-
meinen Völkerrecht rechtfertigen.
c) Wenn diejenigen Staaten die Colonien in anderen Welttheilen
angelegt haben, sich den mehresten Handel derselben ausschließ-
lich beylegten, so ist dieß nicht aus dem Völkerrecht, sondern
aus dem besondren Verhältnisse der Unterwürsigkeit derselben
gegen das Mutterland zu erklären.
d) Ueber die Völker die dieses zum Besten der vereinigten Nieder-
lande gethan siehe Kluit hist. federum T. II. p. 339. u. f.
§. 137.
Geschichte des Handels.

Nach der Zerstöhrung des occidentalischen Kaiser-
thums, gerieth der auswärtige Handel der Europäer in und
außerhalb Europa theils durch die unaufhörlichen Placke-
reyen denen er zu Wasser und zu Lande ausgesetzet war,
theils durch die Verachtung mit welcher der des Kriegs
gewohnte Freye auf ihn herabsah, theils selbst durch die
Beschaffenheit und Lage derer die ihn trieben in tiefen Ver-
fall. Wenn hin und wider frühe Zölle, Stapelrecht u. s. f.
angelegt wurden, so lag dabey mehr Haß und Bedrückung
gegen den Ausländer a), als eine vernünftige Handelspo-
litik des um den Handel wenig bekümmerten Regenten zum
Grunde. Als aber die Kreuzzüge die Völker Europens
an asiatischen Luxus gewöhnt, die Erfindung des Compasses
die Schiffarth erleichtert, das Beyspiel einiger spanischen
und italienischen Handelsstädte und seit, dem 13ten Jahrhun-

dert
Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
a) Daß es Faͤlle gebe, in welchen eine Nation wegen eintretender
Hungersnsth eine andere zwingen koͤnne, ihr von ihrem Ueber-
fluſſe zu verkaufen, iſt wohl unlaͤugbar. Aber in Friedenszeiten
laͤßt ſich von der Menſchlichkeit der europaͤiſchen Maͤchte nicht
erwarten, daß es desfalls eines Zwangs beduͤrfen werde; viel-
mehr giebt die neuere Geſchichte auffallende Beweiſe der in ſol-
chen Faͤllen bezeugten Willfaͤhrigkeit. Vattel d. d. gens L. II.
chap.
1. § 5.
b) Sofern laſſen ſich alſo nicht nur Zoͤlle, ſondern auch Stapelrecht,
Stadteinlagerrecht, auch die brittiſche Navigationsacte von 1660,
das ſchwediſche Productplacat von 1724 u. ſ. f. nach dem allge-
meinen Voͤlkerrecht rechtfertigen.
c) Wenn diejenigen Staaten die Colonien in anderen Welttheilen
angelegt haben, ſich den mehreſten Handel derſelben ausſchließ-
lich beylegten, ſo iſt dieß nicht aus dem Voͤlkerrecht, ſondern
aus dem beſondren Verhaͤltniſſe der Unterwuͤrſigkeit derſelben
gegen das Mutterland zu erklaͤren.
d) Ueber die Voͤlker die dieſes zum Beſten der vereinigten Nieder-
lande gethan ſiehe Kluit hiſt. federum T. II. p. 339. u. f.
§. 137.
Geſchichte des Handels.

Nach der Zerſtoͤhrung des occidentaliſchen Kaiſer-
thums, gerieth der auswaͤrtige Handel der Europaͤer in und
außerhalb Europa theils durch die unaufhoͤrlichen Placke-
reyen denen er zu Waſſer und zu Lande ausgeſetzet war,
theils durch die Verachtung mit welcher der des Kriegs
gewohnte Freye auf ihn herabſah, theils ſelbſt durch die
Beſchaffenheit und Lage derer die ihn trieben in tiefen Ver-
fall. Wenn hin und wider fruͤhe Zoͤlle, Stapelrecht u. ſ. f.
angelegt wurden, ſo lag dabey mehr Haß und Bedruͤckung
gegen den Auslaͤnder a), als eine vernuͤnftige Handelspo-
litik des um den Handel wenig bekuͤmmerten Regenten zum
Grunde. Als aber die Kreuzzuͤge die Voͤlker Europens
an aſiatiſchen Luxus gewoͤhnt, die Erfindung des Compaſſes
die Schiffarth erleichtert, das Beyſpiel einiger ſpaniſchen
und italieniſchen Handelsſtaͤdte und ſeit, dem 13ten Jahrhun-

dert
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[166/0194] Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck. a⁾ Daß es Faͤlle gebe, in welchen eine Nation wegen eintretender Hungersnsth eine andere zwingen koͤnne, ihr von ihrem Ueber- fluſſe zu verkaufen, iſt wohl unlaͤugbar. Aber in Friedenszeiten laͤßt ſich von der Menſchlichkeit der europaͤiſchen Maͤchte nicht erwarten, daß es desfalls eines Zwangs beduͤrfen werde; viel- mehr giebt die neuere Geſchichte auffallende Beweiſe der in ſol- chen Faͤllen bezeugten Willfaͤhrigkeit. Vattel d. d. gens L. II. chap. 1. § 5. b⁾ Sofern laſſen ſich alſo nicht nur Zoͤlle, ſondern auch Stapelrecht, Stadteinlagerrecht, auch die brittiſche Navigationsacte von 1660, das ſchwediſche Productplacat von 1724 u. ſ. f. nach dem allge- meinen Voͤlkerrecht rechtfertigen. c⁾ Wenn diejenigen Staaten die Colonien in anderen Welttheilen angelegt haben, ſich den mehreſten Handel derſelben ausſchließ- lich beylegten, ſo iſt dieß nicht aus dem Voͤlkerrecht, ſondern aus dem beſondren Verhaͤltniſſe der Unterwuͤrſigkeit derſelben gegen das Mutterland zu erklaͤren. d⁾ Ueber die Voͤlker die dieſes zum Beſten der vereinigten Nieder- lande gethan ſiehe Kluit hiſt. federum T. II. p. 339. u. f. §. 137. Geſchichte des Handels. Nach der Zerſtoͤhrung des occidentaliſchen Kaiſer- thums, gerieth der auswaͤrtige Handel der Europaͤer in und außerhalb Europa theils durch die unaufhoͤrlichen Placke- reyen denen er zu Waſſer und zu Lande ausgeſetzet war, theils durch die Verachtung mit welcher der des Kriegs gewohnte Freye auf ihn herabſah, theils ſelbſt durch die Beſchaffenheit und Lage derer die ihn trieben in tiefen Ver- fall. Wenn hin und wider fruͤhe Zoͤlle, Stapelrecht u. ſ. f. angelegt wurden, ſo lag dabey mehr Haß und Bedruͤckung gegen den Auslaͤnder a), als eine vernuͤnftige Handelspo- litik des um den Handel wenig bekuͤmmerten Regenten zum Grunde. Als aber die Kreuzzuͤge die Voͤlker Europens an aſiatiſchen Luxus gewoͤhnt, die Erfindung des Compaſſes die Schiffarth erleichtert, das Beyſpiel einiger ſpaniſchen und italieniſchen Handelsſtaͤdte und ſeit, dem 13ten Jahrhun- dert

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/194>, abgerufen am 26.04.2024.