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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Neuntes Buch. Von dem Untergange
Neuntes Buch.
Von dem Untergange erworbener Rechte der
Völker gegen einander.


§. 334.
Untergang ursprünglicher Rechte der Völker.

Die ursprünglichen Rechte der Völker sind so unzertrenn-
lich mit dem Wesen derselben verknüpft, daß ein Volk selbige
nicht in ihrer ganzen Ausdehnung verlieren kann, ohne auf-
zuhören ein freyes Volk zu seyn; aber es kann Theile dieser
Rechte durch Verträge zum Besten eines anderen Staats
aufopfern, oder sich einschränken lassen; auch können Ver-
letzungen desselben berechtigen diese zu kränken.

§. 335.
Untergang erworbener Rechte 1) erworben durch Occupation.

Rechte welche eine Nation durch Occupation erworben
hat, können für sie wie für Privatpersonen verloren gehn
1) durch den Untergang des Gegenstands derselben; 2) durch
Dereliction, so fern diese mit hinreichenden Zeichen der Ab-
sicht nicht mehr Eigenthümer zu seyn verbunden ist; 3) durch
Uebertragung auf einen andern. Wiefern aber 4) der bloße
unwillkührliche Verlust des Besitzes, die entferntere Hofnung
zu demselben wieder zu gelangen, der bloße Nichtgebrauch
den Verlust solcher Rechte nach sich ziehn könne, ist aus dem
zu beurtheilen was oben von den Gründen des Eigenthums
(§. 29 u. f.) und von der Verjährung bemerkt worden.

§. 336.
2) Durch ausdrückliche Verträge.

Wiefern Vertragsrechte erlöschen oder aufgehoben wer-
den können, ist zwischen Völkern nach eben den Grundsätzen
wie zwischen Privatpersonen zu beurtheilen.


Der
Neuntes Buch. Von dem Untergange
Neuntes Buch.
Von dem Untergange erworbener Rechte der
Voͤlker gegen einander.


§. 334.
Untergang urſpruͤnglicher Rechte der Voͤlker.

Die urſpruͤnglichen Rechte der Voͤlker ſind ſo unzertrenn-
lich mit dem Weſen derſelben verknuͤpft, daß ein Volk ſelbige
nicht in ihrer ganzen Ausdehnung verlieren kann, ohne auf-
zuhoͤren ein freyes Volk zu ſeyn; aber es kann Theile dieſer
Rechte durch Vertraͤge zum Beſten eines anderen Staats
aufopfern, oder ſich einſchraͤnken laſſen; auch koͤnnen Ver-
letzungen deſſelben berechtigen dieſe zu kraͤnken.

§. 335.
Untergang erworbener Rechte 1) erworben durch Occupation.

Rechte welche eine Nation durch Occupation erworben
hat, koͤnnen fuͤr ſie wie fuͤr Privatperſonen verloren gehn
1) durch den Untergang des Gegenſtands derſelben; 2) durch
Dereliction, ſo fern dieſe mit hinreichenden Zeichen der Ab-
ſicht nicht mehr Eigenthuͤmer zu ſeyn verbunden iſt; 3) durch
Uebertragung auf einen andern. Wiefern aber 4) der bloße
unwillkuͤhrliche Verluſt des Beſitzes, die entferntere Hofnung
zu demſelben wieder zu gelangen, der bloße Nichtgebrauch
den Verluſt ſolcher Rechte nach ſich ziehn koͤnne, iſt aus dem
zu beurtheilen was oben von den Gruͤnden des Eigenthums
(§. 29 u. f.) und von der Verjaͤhrung bemerkt worden.

§. 336.
2) Durch ausdruͤckliche Vertraͤge.

Wiefern Vertragsrechte erloͤſchen oder aufgehoben wer-
den koͤnnen, iſt zwiſchen Voͤlkern nach eben den Grundſaͤtzen
wie zwiſchen Privatperſonen zu beurtheilen.


Der
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[376/0404] Neuntes Buch. Von dem Untergange Neuntes Buch. Von dem Untergange erworbener Rechte der Voͤlker gegen einander. §. 334. Untergang urſpruͤnglicher Rechte der Voͤlker. Die urſpruͤnglichen Rechte der Voͤlker ſind ſo unzertrenn- lich mit dem Weſen derſelben verknuͤpft, daß ein Volk ſelbige nicht in ihrer ganzen Ausdehnung verlieren kann, ohne auf- zuhoͤren ein freyes Volk zu ſeyn; aber es kann Theile dieſer Rechte durch Vertraͤge zum Beſten eines anderen Staats aufopfern, oder ſich einſchraͤnken laſſen; auch koͤnnen Ver- letzungen deſſelben berechtigen dieſe zu kraͤnken. §. 335. Untergang erworbener Rechte 1) erworben durch Occupation. Rechte welche eine Nation durch Occupation erworben hat, koͤnnen fuͤr ſie wie fuͤr Privatperſonen verloren gehn 1) durch den Untergang des Gegenſtands derſelben; 2) durch Dereliction, ſo fern dieſe mit hinreichenden Zeichen der Ab- ſicht nicht mehr Eigenthuͤmer zu ſeyn verbunden iſt; 3) durch Uebertragung auf einen andern. Wiefern aber 4) der bloße unwillkuͤhrliche Verluſt des Beſitzes, die entferntere Hofnung zu demſelben wieder zu gelangen, der bloße Nichtgebrauch den Verluſt ſolcher Rechte nach ſich ziehn koͤnne, iſt aus dem zu beurtheilen was oben von den Gruͤnden des Eigenthums (§. 29 u. f.) und von der Verjaͤhrung bemerkt worden. §. 336. 2) Durch ausdruͤckliche Vertraͤge. Wiefern Vertragsrechte erloͤſchen oder aufgehoben wer- den koͤnnen, iſt zwiſchen Voͤlkern nach eben den Grundſaͤtzen wie zwiſchen Privatperſonen zu beurtheilen. Der

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/404>, abgerufen am 26.04.2024.