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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Zweytes Buch. Zweytes Hauptstück.
ungleich war. Es kann seyn, daß eine Verbündung in An-
sehung der Bedingungen gleich, in Ansehung des Bündnisses
ungleich, oder umgekehrt, oder zugleich in beider Rücksicht
gleich oder ungleich sey.

a) Offenbar ist nicht jedes Bündniß ungleich, in welchem die ver-
sprochene Summe der Hülfe ungleich ist, weil die Ungleichheit
der Macht oder des Interesse hier das Gleichgewicht herstellen
kann. Z. B. das Bourbonische Familien-Pact von 1761 oder
die Allianz von 1785 zwischen Frankreich und den vereinigten Nie-
derlanden find nicht darum für ungleich zu halten, weil in jenem
Spanien, in diesem die vereinigten Niederlande weniger Hülfe
als Frankreich versprochen haben. Daß auf der andern Seite
auch die Vortheile sehr ungleich seyn können, wenn gleich die
Hülfe in gleicher Anzahl versprochen wäre, ist offenbar.
§. 56.
Mittel zu Bestärkung der Verträge.

Da die Erfahrung von jeher gelehret hat, daß Mächte
oft bereitwilliger zu Schließung, als zu Erfüllung der Ver-
träge sind, so ist man frühe darauf bedacht gewesen, durch
accessorische Sicherheitsmittel sich der Beobachtung der Ver-
träge besser zu versichern. Einige, ehemahls, wenigstens
selbst unter den Ständen des teutschen Reichs, übliche Mit-
tel dieser Art, sind als abgeschmackt jetzt verworfen z. B.
die Verbindlichkeit zum Schelmschelten, Schandgemählden
u. s. f. Sehr häufig ward ehemahls die Religion mit ins
Spiel gebracht, es sey durch Empfang des Abendmahls, oder
durch Eid a), durch Unterwerfung unter der geistlichen Cen-
sur des Pobsts b), u. s. f. welche Mittel dem letzteren er-
wünschte Gelegenheit gaben sich in die weltlichen Angelegen-
heiten der Staaten zu mischen c). Von diesen Mitteln ist
nur noch der Eid nicht ganz außer Gebrauch, obwohl er seit
dem westphälischen Frieden immer seltener in Verträgen Sou-
verainer Mächte vorkommt d).

Pfand und Hypothek e) kommen noch jetzt, theils in
Verträgen Souverainer Mächte, theils insonderheit bey teut-

schen

Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ungleich war. Es kann ſeyn, daß eine Verbuͤndung in An-
ſehung der Bedingungen gleich, in Anſehung des Buͤndniſſes
ungleich, oder umgekehrt, oder zugleich in beider Ruͤckſicht
gleich oder ungleich ſey.

a) Offenbar iſt nicht jedes Buͤndniß ungleich, in welchem die ver-
ſprochene Summe der Huͤlfe ungleich iſt, weil die Ungleichheit
der Macht oder des Intereſſe hier das Gleichgewicht herſtellen
kann. Z. B. das Bourboniſche Familien-Pact von 1761 oder
die Allianz von 1785 zwiſchen Frankreich und den vereinigten Nie-
derlanden find nicht darum fuͤr ungleich zu halten, weil in jenem
Spanien, in dieſem die vereinigten Niederlande weniger Huͤlfe
als Frankreich verſprochen haben. Daß auf der andern Seite
auch die Vortheile ſehr ungleich ſeyn koͤnnen, wenn gleich die
Huͤlfe in gleicher Anzahl verſprochen waͤre, iſt offenbar.
§. 56.
Mittel zu Beſtaͤrkung der Vertraͤge.

Da die Erfahrung von jeher gelehret hat, daß Maͤchte
oft bereitwilliger zu Schließung, als zu Erfuͤllung der Ver-
traͤge ſind, ſo iſt man fruͤhe darauf bedacht geweſen, durch
acceſſoriſche Sicherheitsmittel ſich der Beobachtung der Ver-
traͤge beſſer zu verſichern. Einige, ehemahls, wenigſtens
ſelbſt unter den Staͤnden des teutſchen Reichs, uͤbliche Mit-
tel dieſer Art, ſind als abgeſchmackt jetzt verworfen z. B.
die Verbindlichkeit zum Schelmſchelten, Schandgemaͤhlden
u. ſ. f. Sehr haͤufig ward ehemahls die Religion mit ins
Spiel gebracht, es ſey durch Empfang des Abendmahls, oder
durch Eid a), durch Unterwerfung unter der geiſtlichen Cen-
ſur des Pobſts b), u. ſ. f. welche Mittel dem letzteren er-
wuͤnſchte Gelegenheit gaben ſich in die weltlichen Angelegen-
heiten der Staaten zu miſchen c). Von dieſen Mitteln iſt
nur noch der Eid nicht ganz außer Gebrauch, obwohl er ſeit
dem weſtphaͤliſchen Frieden immer ſeltener in Vertraͤgen Sou-
verainer Maͤchte vorkommt d).

Pfand und Hypothek e) kommen noch jetzt, theils in
Vertraͤgen Souverainer Maͤchte, theils inſonderheit bey teut-

ſchen
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[66/0094] Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. ungleich war. Es kann ſeyn, daß eine Verbuͤndung in An- ſehung der Bedingungen gleich, in Anſehung des Buͤndniſſes ungleich, oder umgekehrt, oder zugleich in beider Ruͤckſicht gleich oder ungleich ſey. a⁾ Offenbar iſt nicht jedes Buͤndniß ungleich, in welchem die ver- ſprochene Summe der Huͤlfe ungleich iſt, weil die Ungleichheit der Macht oder des Intereſſe hier das Gleichgewicht herſtellen kann. Z. B. das Bourboniſche Familien-Pact von 1761 oder die Allianz von 1785 zwiſchen Frankreich und den vereinigten Nie- derlanden find nicht darum fuͤr ungleich zu halten, weil in jenem Spanien, in dieſem die vereinigten Niederlande weniger Huͤlfe als Frankreich verſprochen haben. Daß auf der andern Seite auch die Vortheile ſehr ungleich ſeyn koͤnnen, wenn gleich die Huͤlfe in gleicher Anzahl verſprochen waͤre, iſt offenbar. §. 56. Mittel zu Beſtaͤrkung der Vertraͤge. Da die Erfahrung von jeher gelehret hat, daß Maͤchte oft bereitwilliger zu Schließung, als zu Erfuͤllung der Ver- traͤge ſind, ſo iſt man fruͤhe darauf bedacht geweſen, durch acceſſoriſche Sicherheitsmittel ſich der Beobachtung der Ver- traͤge beſſer zu verſichern. Einige, ehemahls, wenigſtens ſelbſt unter den Staͤnden des teutſchen Reichs, uͤbliche Mit- tel dieſer Art, ſind als abgeſchmackt jetzt verworfen z. B. die Verbindlichkeit zum Schelmſchelten, Schandgemaͤhlden u. ſ. f. Sehr haͤufig ward ehemahls die Religion mit ins Spiel gebracht, es ſey durch Empfang des Abendmahls, oder durch Eid a), durch Unterwerfung unter der geiſtlichen Cen- ſur des Pobſts b), u. ſ. f. welche Mittel dem letzteren er- wuͤnſchte Gelegenheit gaben ſich in die weltlichen Angelegen- heiten der Staaten zu miſchen c). Von dieſen Mitteln iſt nur noch der Eid nicht ganz außer Gebrauch, obwohl er ſeit dem weſtphaͤliſchen Frieden immer ſeltener in Vertraͤgen Sou- verainer Maͤchte vorkommt d). Pfand und Hypothek e) kommen noch jetzt, theils in Vertraͤgen Souverainer Maͤchte, theils inſonderheit bey teut- ſchen

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/94>, abgerufen am 26.04.2024.