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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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wenig Vernunfft/ wann man sich von dem
Zorn übernehmen läst/ als wann man sich
mit Wein überfüllet.

XLV.

Es ist allezeit viel sicherer/ seinem Feinde
zu vergeben als sich an denselben zu rächen/
und es brauchet nicht weniger Beschwer-
lichkeit. Du kanst die Schmach/ die du
erlitten hast/ verzeihen/ ohne einigen Schritt
zu thun/ da du hergegen viel thun/ und tau-
send Gefahren ausstehen must/ ehe du deine
Passion vergnügen kanst.

XLVI.

Man darff von einem Todten keine Ant-
wort/ und von einem Geitzigen keines rech-
ten Dancks gewärtig seyn. Die Begier-
de/ die er hat/ allezeit zu nehmen/ macht/ daß
er die Gedächtnüß dessen/ so er empfangen
hat/ verliehret. Wann er nehmen soll/ so
düncken ihn auch die allergrössesten Sachen
gar gering zu seyn: Aber wann er geben soll/
so düncken ihn die allergeringsten Sachen
sehr köstlich und vortreflich zu seyn.

XLVII.

Oeffne dein Hertz dem Geitz nicht/ wann
du nicht unlustig und elendig seyn wilt/ in-
dem sich andere ergötzen. Wann du dieser

ver-

wenig Vernunfft/ wann man ſich von dem
Zorn uͤbernehmen laͤſt/ als wann man ſich
mit Wein uͤberfuͤllet.

XLV.

Es iſt allezeit viel ſicherer/ ſeinem Feinde
zu vergeben als ſich an denſelben zu raͤchen/
und es brauchet nicht weniger Beſchwer-
lichkeit. Du kanſt die Schmach/ die du
erlitten haſt/ verzeihen/ ohne einigen Schritt
zu thun/ da du hergegen viel thun/ und tau-
ſend Gefahren ausſtehen muſt/ ehe du deine
Paſſion vergnuͤgen kanſt.

XLVI.

Man darff von einem Todten keine Ant-
wort/ und von einem Geitzigen keines rech-
ten Dancks gewaͤrtig ſeyn. Die Begier-
de/ die er hat/ allezeit zu nehmen/ macht/ daß
er die Gedaͤchtnuͤß deſſen/ ſo er empfangen
hat/ verliehret. Wann er nehmen ſoll/ ſo
duͤncken ihn auch die allergroͤſſeſten Sachen
gar gering zu ſeyn: Aber wann er geben ſoll/
ſo duͤncken ihn die allergeringſten Sachen
ſehr koͤſtlich und vortreflich zu ſeyn.

XLVII.

Oeffne dein Hertz dem Geitz nicht/ wann
du nicht unluſtig und elendig ſeyn wilt/ in-
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ver-
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[77[67]/0078] wenig Vernunfft/ wann man ſich von dem Zorn uͤbernehmen laͤſt/ als wann man ſich mit Wein uͤberfuͤllet. XLV. Es iſt allezeit viel ſicherer/ ſeinem Feinde zu vergeben als ſich an denſelben zu raͤchen/ und es brauchet nicht weniger Beſchwer- lichkeit. Du kanſt die Schmach/ die du erlitten haſt/ verzeihen/ ohne einigen Schritt zu thun/ da du hergegen viel thun/ und tau- ſend Gefahren ausſtehen muſt/ ehe du deine Paſſion vergnuͤgen kanſt. XLVI. Man darff von einem Todten keine Ant- wort/ und von einem Geitzigen keines rech- ten Dancks gewaͤrtig ſeyn. Die Begier- de/ die er hat/ allezeit zu nehmen/ macht/ daß er die Gedaͤchtnuͤß deſſen/ ſo er empfangen hat/ verliehret. Wann er nehmen ſoll/ ſo duͤncken ihn auch die allergroͤſſeſten Sachen gar gering zu ſeyn: Aber wann er geben ſoll/ ſo duͤncken ihn die allergeringſten Sachen ſehr koͤſtlich und vortreflich zu ſeyn. XLVII. Oeffne dein Hertz dem Geitz nicht/ wann du nicht unluſtig und elendig ſeyn wilt/ in- dem ſich andere ergoͤtzen. Wann du dieſer ver-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 77[67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/78>, abgerufen am 26.04.2024.