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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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liegt nicht darin zu begreifen, dass Geld Waare, sondern wie, warum, wo-
durch Waare Geld ist44).

Wir sahen, wie schon in dem einfachsten Ausdruck des Tausch-
werths: x Waare A = y Waare B, das Ding, worin die Werthgrösse
eines andern Dings dargestellt wird, seine Aequivalentform unabhängig von
dieser Beziehung als gesellschaftliche Natureigenschaft zu besitzen
scheint. Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist
vollendet, sobald die allgemeine Aequivalentform mit der Naturalform einer
besondern Waarenart verwachsen oder zur Geldform krystallisirt ist.
Eine Waare scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andern Waaren
allseitig ihre Werthe in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt all-
gemein ihre Werthe in ihr darzustellen, weil sie Geldist. Die vermit-
telnde Bewegung verschwindet in ihrem eignen Resultat und lässt keine
Spur zurück. Ohne ihr Zuthun finden die Waaren ihre eigne Werthge-
stalt fertig vor als einen ausser und neben ihnen existirenden Waaren-
körper. Diese Dinge, Gold und Silber, wie sie aus den Eingeweiden der
Erde herauskommen, sind zugleich die unmittelbare Incarnation aller
menschlichen Arbeit. Daher die Magie des Geldes. Das bloss atomi-
stische Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Produk-
tionsprozess und daher die von ihrer Controle und ihrem bewussten indi-
viduellen Thun unabhängige, sachliche Gestalt ihrer eignen Produk-

44) Nachdem Herr Professor Roscher uns belehrt: "Die falschen
Definitionen
von Geld lassen sich in zwei Hauptgruppen theilen: solche, die
es für mehr, und solche, die es für weniger halten als eine Waare,"
folgt ein kunterbunter Katalog von Schriften über das Geldwesen, wodurch auch
nicht die entfernteste Einsicht in die wirkliche Geschichte der Theorie durch-
schimmert, und dann die Moral: "Zu leugnen ist übrigens nicht, dass die meisten
neueren Nationalökonomen die Eigenthümlichkeiten, welche das Geld von
andern Waaren unterscheiden
(also doch mehr oder weniger als
Waare?) nicht genug im Auge behalten haben ... Insofern ist die
halbmercantilistische Reaktion von Ganilh etc. nicht ganz unbegründet."
(Wilhelm Roscher: "Die Grundlagen der Nationalökonomie.
3. Aufl. 1858", p. 207--10.) Mehr -- weniger -- nicht genug -- insofern --
nicht ganz! Welche Begriffsbestimmungen! Und dergleichen eklektische Pro-
fessoralfaselei tauft Herr Roscher bescheiden "die anatomisch-physiologische Me-
thode" der politischen Oekonomie! Eine Entdeckung ist ihm jedoch geschuldet,
nämlich, dass Geld "eine angenehme Waare" ist.

liegt nicht darin zu begreifen, dass Geld Waare, sondern wie, warum, wo-
durch Waare Geld ist44).

Wir sahen, wie schon in dem einfachsten Ausdruck des Tausch-
werths: x Waare A = y Waare B, das Ding, worin die Werthgrösse
eines andern Dings dargestellt wird, seine Aequivalentform unabhängig von
dieser Beziehung als gesellschaftliche Natureigenschaft zu besitzen
scheint. Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist
vollendet, sobald die allgemeine Aequivalentform mit der Naturalform einer
besondern Waarenart verwachsen oder zur Geldform krystallisirt ist.
Eine Waare scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andern Waaren
allseitig ihre Werthe in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt all-
gemein ihre Werthe in ihr darzustellen, weil sie Geldist. Die vermit-
telnde Bewegung verschwindet in ihrem eignen Resultat und lässt keine
Spur zurück. Ohne ihr Zuthun finden die Waaren ihre eigne Werthge-
stalt fertig vor als einen ausser und neben ihnen existirenden Waaren-
körper. Diese Dinge, Gold und Silber, wie sie aus den Eingeweiden der
Erde herauskommen, sind zugleich die unmittelbare Incarnation aller
menschlichen Arbeit. Daher die Magie des Geldes. Das bloss atomi-
stische Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Produk-
tionsprozess und daher die von ihrer Controle und ihrem bewussten indi-
viduellen Thun unabhängige, sachliche Gestalt ihrer eignen Produk-

44) Nachdem Herr Professor Roscher uns belehrt: „Die falschen
Definitionen
von Geld lassen sich in zwei Hauptgruppen theilen: solche, die
es für mehr, und solche, die es für weniger halten als eine Waare,“
folgt ein kunterbunter Katalog von Schriften über das Geldwesen, wodurch auch
nicht die entfernteste Einsicht in die wirkliche Geschichte der Theorie durch-
schimmert, und dann die Moral: „Zu leugnen ist übrigens nicht, dass die meisten
neueren Nationalökonomen die Eigenthümlichkeiten, welche das Geld von
andern Waaren unterscheiden
(also doch mehr oder weniger als
Waare?) nicht genug im Auge behalten haben … Insofern ist die
halbmercantilistische Reaktion von Ganilh etc. nicht ganz unbegründet.“
(Wilhelm Roscher: „Die Grundlagen der Nationalökonomie.
3. Aufl. 1858“, p. 207—10.) Mehr — weniger — nicht genug — insofern —
nicht ganz! Welche Begriffsbestimmungen! Und dergleichen eklektische Pro-
fessoralfaselei tauft Herr Roscher bescheiden „die anatomisch-physiologische Me-
thode“ der politischen Oekonomie! Eine Entdeckung ist ihm jedoch geschuldet,
nämlich, dass Geld „eine angenehme Waare“ ist.
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[54/0073] liegt nicht darin zu begreifen, dass Geld Waare, sondern wie, warum, wo- durch Waare Geld ist 44). Wir sahen, wie schon in dem einfachsten Ausdruck des Tausch- werths: x Waare A = y Waare B, das Ding, worin die Werthgrösse eines andern Dings dargestellt wird, seine Aequivalentform unabhängig von dieser Beziehung als gesellschaftliche Natureigenschaft zu besitzen scheint. Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist vollendet, sobald die allgemeine Aequivalentform mit der Naturalform einer besondern Waarenart verwachsen oder zur Geldform krystallisirt ist. Eine Waare scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andern Waaren allseitig ihre Werthe in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt all- gemein ihre Werthe in ihr darzustellen, weil sie Geldist. Die vermit- telnde Bewegung verschwindet in ihrem eignen Resultat und lässt keine Spur zurück. Ohne ihr Zuthun finden die Waaren ihre eigne Werthge- stalt fertig vor als einen ausser und neben ihnen existirenden Waaren- körper. Diese Dinge, Gold und Silber, wie sie aus den Eingeweiden der Erde herauskommen, sind zugleich die unmittelbare Incarnation aller menschlichen Arbeit. Daher die Magie des Geldes. Das bloss atomi- stische Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Produk- tionsprozess und daher die von ihrer Controle und ihrem bewussten indi- viduellen Thun unabhängige, sachliche Gestalt ihrer eignen Produk- 44) Nachdem Herr Professor Roscher uns belehrt: „Die falschen Definitionen von Geld lassen sich in zwei Hauptgruppen theilen: solche, die es für mehr, und solche, die es für weniger halten als eine Waare,“ folgt ein kunterbunter Katalog von Schriften über das Geldwesen, wodurch auch nicht die entfernteste Einsicht in die wirkliche Geschichte der Theorie durch- schimmert, und dann die Moral: „Zu leugnen ist übrigens nicht, dass die meisten neueren Nationalökonomen die Eigenthümlichkeiten, welche das Geld von andern Waaren unterscheiden (also doch mehr oder weniger als Waare?) nicht genug im Auge behalten haben … Insofern ist die halbmercantilistische Reaktion von Ganilh etc. nicht ganz unbegründet.“ (Wilhelm Roscher: „Die Grundlagen der Nationalökonomie. 3. Aufl. 1858“, p. 207—10.) Mehr — weniger — nicht genug — insofern — nicht ganz! Welche Begriffsbestimmungen! Und dergleichen eklektische Pro- fessoralfaselei tauft Herr Roscher bescheiden „die anatomisch-physiologische Me- thode“ der politischen Oekonomie! Eine Entdeckung ist ihm jedoch geschuldet, nämlich, dass Geld „eine angenehme Waare“ ist.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/73>, abgerufen am 27.04.2024.