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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Ehz be via keniam -- darüber muß ich lachen!
Welcher Mann schießt seine Freunde tot?"

"Du bist nicht unser Freund; du bist ein Nasarah!"

"Das wird sich finden. Du gehörst zu den Vorposten
der Kurden?"

"Wer sagt dir das?"

"Ich weiß es; führe mich zu deinem Anführer!"

"Was willst du dort?"

"Mein Gastfreund, der Bey von Gumri, sendet mich
zu ihm."

"Wo ist der Bey?"

"In Lizan gefangen."

Während dieser Verhandlung bemerkte ich recht wohl,
daß noch mehrere Gestalten herbeikamen, die aber hinter
den Bäumen verborgen bleiben wollten. Der Kurde fragte
weiter:

"Du nennst dich den Gastfreund des Bey. Wer
bist du?"

"Ein Emir giebt nur einem Emir Auskunft. Führe
mich zu deinem Anführer, oder bringe ihn her zu mir.
Ich habe als Bote des Bey mit ihm zu reden."

"Herr, gehörst du zu den fremden Emirs, die auch
gefangen worden sind?"

"So ist es."

"Und bist du wirklich kein Verräter, Herr?"

"Katischt, baqua -- was, du Frosch!" rief da laut
eine andere Stimme. "Siehst du denn nicht, daß es der
Emir ist, welcher ohne Aufhören schießen kann? Gehe zur
Seite, du Wurm, und laß mich hin zu ihm!"

Zugleich kam ein junger Kurde hinter einem Baume
hervor, trat mit größter Ehrerbietung zu mir heran und
sagte:

"Allahm d'allah -- Gott sei Dank, daß ich dich

„Ehz be vïa kenïam — darüber muß ich lachen!
Welcher Mann ſchießt ſeine Freunde tot?“

„Du biſt nicht unſer Freund; du biſt ein Naſarah!“

„Das wird ſich finden. Du gehörſt zu den Vorpoſten
der Kurden?“

„Wer ſagt dir das?“

„Ich weiß es; führe mich zu deinem Anführer!“

„Was willſt du dort?“

„Mein Gaſtfreund, der Bey von Gumri, ſendet mich
zu ihm.“

„Wo iſt der Bey?“

„In Lizan gefangen.“

Während dieſer Verhandlung bemerkte ich recht wohl,
daß noch mehrere Geſtalten herbeikamen, die aber hinter
den Bäumen verborgen bleiben wollten. Der Kurde fragte
weiter:

„Du nennſt dich den Gaſtfreund des Bey. Wer
biſt du?“

„Ein Emir giebt nur einem Emir Auskunft. Führe
mich zu deinem Anführer, oder bringe ihn her zu mir.
Ich habe als Bote des Bey mit ihm zu reden.“

„Herr, gehörſt du zu den fremden Emirs, die auch
gefangen worden ſind?“

„So iſt es.“

„Und biſt du wirklich kein Verräter, Herr?“

„Katiſcht, baqua — was, du Froſch!“ rief da laut
eine andere Stimme. „Siehſt du denn nicht, daß es der
Emir iſt, welcher ohne Aufhören ſchießen kann? Gehe zur
Seite, du Wurm, und laß mich hin zu ihm!“

Zugleich kam ein junger Kurde hinter einem Baume
hervor, trat mit größter Ehrerbietung zu mir heran und
ſagte:

„Allahm d'allah — Gott ſei Dank, daß ich dich

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[534/0548] „Ehz be vïa kenïam — darüber muß ich lachen! Welcher Mann ſchießt ſeine Freunde tot?“ „Du biſt nicht unſer Freund; du biſt ein Naſarah!“ „Das wird ſich finden. Du gehörſt zu den Vorpoſten der Kurden?“ „Wer ſagt dir das?“ „Ich weiß es; führe mich zu deinem Anführer!“ „Was willſt du dort?“ „Mein Gaſtfreund, der Bey von Gumri, ſendet mich zu ihm.“ „Wo iſt der Bey?“ „In Lizan gefangen.“ Während dieſer Verhandlung bemerkte ich recht wohl, daß noch mehrere Geſtalten herbeikamen, die aber hinter den Bäumen verborgen bleiben wollten. Der Kurde fragte weiter: „Du nennſt dich den Gaſtfreund des Bey. Wer biſt du?“ „Ein Emir giebt nur einem Emir Auskunft. Führe mich zu deinem Anführer, oder bringe ihn her zu mir. Ich habe als Bote des Bey mit ihm zu reden.“ „Herr, gehörſt du zu den fremden Emirs, die auch gefangen worden ſind?“ „So iſt es.“ „Und biſt du wirklich kein Verräter, Herr?“ „Katiſcht, baqua — was, du Froſch!“ rief da laut eine andere Stimme. „Siehſt du denn nicht, daß es der Emir iſt, welcher ohne Aufhören ſchießen kann? Gehe zur Seite, du Wurm, und laß mich hin zu ihm!“ Zugleich kam ein junger Kurde hinter einem Baume hervor, trat mit größter Ehrerbietung zu mir heran und ſagte: „Allahm d'allah — Gott ſei Dank, daß ich dich

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/548>, abgerufen am 26.04.2024.