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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.

Wenn auf solche Weise das Civilrecht anwendbar wird auf den
Staat als den Geschäftsherrn des Schuldigen, so ist damit noch nicht
gesagt, dass er dem Verletzten haftet. Das hängt davon ab, inwie-
weit das Civilrecht Haftungen des Geschäftsherrn bestimmt, die nach
ihren besonderen Voraussetzungen
geeignet sind, den Staat,
eine juristische Person zu treffen32. Uns geht das alles nichts mehr
an: die Geltendmachung dieser Haftung des Staates nach der Art,
wie ihr Gebiet abgegrenzt ist, gehört jedenfalls auch mittelbar nicht
mehr zum Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung. Dafür findet
sich hier eine andere Schadensersatzpflicht des Staates, welche alle
Zweige der öffentlichen Verwaltung durchzieht: die öffentlichrecht-
liche Entschädigung,
ein Verwaltungsrechtsinstitut, das mit der
hier behandelten Haftpflicht nicht zusammengeworfen werden darf. Es ist
nicht wie diese bestimmt, die Schranken zu hüten, die zu überschreiten
Rechtswidrigkeit ist, sondern auf eigenartigen Grundlagen gebaut, fällt
es ganz aus dem Ideenkreise des Rechtsschutzes heraus. Wir werden
es im Zusammenhange der anderen Rechtsinstitute des materiellen
Verwaltungsrechts ausführlich zu behandeln haben.

32 Loening, a. a. O. S. 75 ff. -- Das Civilrecht kann insbesondere die
Haftung des Geschäftsherrn daran knüpfen, dass der Schuldige in einem Dienst-
verhältnisse zu ihm steht. Da hat man nun vielfach gemeint, dass dieser Voraus-
setzung nicht genügt sei durch das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten:
v. Roenne, Ergänzungen z. Allg. L.R. IV S. 54 (Erk. d. O.Tr.); Ducrocq,
droit adm. n. 871 (Erk. d. franz. C.C.H. v. 8. Febr. 1873); Piloty in Annalen
1888 S. 265 ff. Auch Loening, a. a. O. S. 50, S. 83, scheint diese Auffassung zu
teilen. Die Anwendbarkeit dieser Haftungsbestimmungen würde sich dadurch sehr
verengern. Aber es kommt doch nur darauf an, ob der Staat im Verhältnis zu
den Beteiligten civilrechtlich zu beurteilen ist; dann muss auch das, dem civilrecht-
lichen entsprechende öffentlichrechtliche Auftragsverhältnis genügen; wo ein solches
vorliegt, wird allerdings meist auch das Verhältnis zu dem Beschädigten nicht
civilrechtlicher Natur sein. Aber nur meist. Das wird bei jenen Entscheidungen
verwechselt.
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.

Wenn auf solche Weise das Civilrecht anwendbar wird auf den
Staat als den Geschäftsherrn des Schuldigen, so ist damit noch nicht
gesagt, daſs er dem Verletzten haftet. Das hängt davon ab, inwie-
weit das Civilrecht Haftungen des Geschäftsherrn bestimmt, die nach
ihren besonderen Voraussetzungen
geeignet sind, den Staat,
eine juristische Person zu treffen32. Uns geht das alles nichts mehr
an: die Geltendmachung dieser Haftung des Staates nach der Art,
wie ihr Gebiet abgegrenzt ist, gehört jedenfalls auch mittelbar nicht
mehr zum Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung. Dafür findet
sich hier eine andere Schadensersatzpflicht des Staates, welche alle
Zweige der öffentlichen Verwaltung durchzieht: die öffentlichrecht-
liche Entschädigung,
ein Verwaltungsrechtsinstitut, das mit der
hier behandelten Haftpflicht nicht zusammengeworfen werden darf. Es ist
nicht wie diese bestimmt, die Schranken zu hüten, die zu überschreiten
Rechtswidrigkeit ist, sondern auf eigenartigen Grundlagen gebaut, fällt
es ganz aus dem Ideenkreise des Rechtsschutzes heraus. Wir werden
es im Zusammenhange der anderen Rechtsinstitute des materiellen
Verwaltungsrechts ausführlich zu behandeln haben.

32 Loening, a. a. O. S. 75 ff. — Das Civilrecht kann insbesondere die
Haftung des Geschäftsherrn daran knüpfen, daſs der Schuldige in einem Dienst-
verhältnisse zu ihm steht. Da hat man nun vielfach gemeint, daſs dieser Voraus-
setzung nicht genügt sei durch das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten:
v. Roenne, Ergänzungen z. Allg. L.R. IV S. 54 (Erk. d. O.Tr.); Ducrocq,
droit adm. n. 871 (Erk. d. franz. C.C.H. v. 8. Febr. 1873); Piloty in Annalen
1888 S. 265 ff. Auch Loening, a. a. O. S. 50, S. 83, scheint diese Auffassung zu
teilen. Die Anwendbarkeit dieser Haftungsbestimmungen würde sich dadurch sehr
verengern. Aber es kommt doch nur darauf an, ob der Staat im Verhältnis zu
den Beteiligten civilrechtlich zu beurteilen ist; dann muſs auch das, dem civilrecht-
lichen entsprechende öffentlichrechtliche Auftragsverhältnis genügen; wo ein solches
vorliegt, wird allerdings meist auch das Verhältnis zu dem Beschädigten nicht
civilrechtlicher Natur sein. Aber nur meist. Das wird bei jenen Entscheidungen
verwechselt.
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[242/0262] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Wenn auf solche Weise das Civilrecht anwendbar wird auf den Staat als den Geschäftsherrn des Schuldigen, so ist damit noch nicht gesagt, daſs er dem Verletzten haftet. Das hängt davon ab, inwie- weit das Civilrecht Haftungen des Geschäftsherrn bestimmt, die nach ihren besonderen Voraussetzungen geeignet sind, den Staat, eine juristische Person zu treffen 32. Uns geht das alles nichts mehr an: die Geltendmachung dieser Haftung des Staates nach der Art, wie ihr Gebiet abgegrenzt ist, gehört jedenfalls auch mittelbar nicht mehr zum Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung. Dafür findet sich hier eine andere Schadensersatzpflicht des Staates, welche alle Zweige der öffentlichen Verwaltung durchzieht: die öffentlichrecht- liche Entschädigung, ein Verwaltungsrechtsinstitut, das mit der hier behandelten Haftpflicht nicht zusammengeworfen werden darf. Es ist nicht wie diese bestimmt, die Schranken zu hüten, die zu überschreiten Rechtswidrigkeit ist, sondern auf eigenartigen Grundlagen gebaut, fällt es ganz aus dem Ideenkreise des Rechtsschutzes heraus. Wir werden es im Zusammenhange der anderen Rechtsinstitute des materiellen Verwaltungsrechts ausführlich zu behandeln haben. 32 Loening, a. a. O. S. 75 ff. — Das Civilrecht kann insbesondere die Haftung des Geschäftsherrn daran knüpfen, daſs der Schuldige in einem Dienst- verhältnisse zu ihm steht. Da hat man nun vielfach gemeint, daſs dieser Voraus- setzung nicht genügt sei durch das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten: v. Roenne, Ergänzungen z. Allg. L.R. IV S. 54 (Erk. d. O.Tr.); Ducrocq, droit adm. n. 871 (Erk. d. franz. C.C.H. v. 8. Febr. 1873); Piloty in Annalen 1888 S. 265 ff. Auch Loening, a. a. O. S. 50, S. 83, scheint diese Auffassung zu teilen. Die Anwendbarkeit dieser Haftungsbestimmungen würde sich dadurch sehr verengern. Aber es kommt doch nur darauf an, ob der Staat im Verhältnis zu den Beteiligten civilrechtlich zu beurteilen ist; dann muſs auch das, dem civilrecht- lichen entsprechende öffentlichrechtliche Auftragsverhältnis genügen; wo ein solches vorliegt, wird allerdings meist auch das Verhältnis zu dem Beschädigten nicht civilrechtlicher Natur sein. Aber nur meist. Das wird bei jenen Entscheidungen verwechselt.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/262>, abgerufen am 01.05.2024.