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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 30. Der Finanzbefehl.

Aber richtig ist, dass gerade an dieser Seite der Finanzgewalt,
wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter-
thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten
zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht
sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen:
Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe
dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind
gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus-
prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz-
zwang.

Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe,
die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und
Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen.
Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts-
satzmässigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam
zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die
Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam
gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben
die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt,
wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem
Befehle verwandte Wirkungen äussert. Eine Norm für den Unter-
thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.

I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender
Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der
Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt
zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen,
Dulden.

Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur
Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.

1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch-
führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis
der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich
in desto grösserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der
Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung
entziehen kann3.

Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäss auf
Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft-
erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach-
verhaltes.

3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28
§ 30. Der Finanzbefehl.

Aber richtig ist, daſs gerade an dieser Seite der Finanzgewalt,
wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter-
thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten
zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht
sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen:
Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe
dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind
gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus-
prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz-
zwang.

Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe,
die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und
Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen.
Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts-
satzmäſsigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam
zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die
Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam
gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben
die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt,
wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem
Befehle verwandte Wirkungen äuſsert. Eine Norm für den Unter-
thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.

I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender
Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der
Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt
zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen,
Dulden.

Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur
Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.

1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch-
führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis
der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich
in desto gröſserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der
Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung
entziehen kann3.

Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäſs auf
Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft-
erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach-
verhaltes.

3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28
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[433/0453] § 30. Der Finanzbefehl. Aber richtig ist, daſs gerade an dieser Seite der Finanzgewalt, wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter- thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen: Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus- prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz- zwang. Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe, die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen. Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts- satzmäſsigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt, wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem Befehle verwandte Wirkungen äuſsert. Eine Norm für den Unter- thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam. I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen, Dulden. Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen. 1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch- führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich in desto gröſserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung entziehen kann 3. Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäſs auf Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft- erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach- verhaltes. 3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/453>, abgerufen am 26.04.2024.