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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
begründet werden durch einen Vorbehalt im Verfassungsstatut des
Selbstverwaltungskörpers. Auch dieser Vorbehalt wird nur zulässig
sein für den Fall bestimmter bezeichneter Gründe; ein freies Wider-
rufsrecht wäre gleichbedeutend mit der Verneinung der zu begründenden
Selbständigkeit2.

Der Normalgrund für gesetzliche Ermächtigungen wie für Vor-
behalte ist die Unmöglichkeit der ferneren Erfüllung des Zweckes,
für den der Selbstverwaltungskörper da ist. Er gilt immer als still-
schweigend gemeint; wenn einzelne Umstände, unter denen er gegeben
sein soll, besonders hervorgehoben werden, so sind andere Fälle da-
durch nicht ausgeschlossen.

Der Wille des Staates ist aber auch nicht ausschließlich maß-
gebend. Bei der Entstehung des Selbstverwaltungskörpers spielen
dessen künftige Angehörige insofern eine Rolle, als sie thatsächliche
Voraussetzungen liefern für den schöpferischen Staatsakt. Jetzt ist
der Körper selbst da mit seiner geordneten Vertretung. Diese
kann zur Mitwirkung berufen sein bei seinem Untergang, möglicher-
weise denselben auch unmittelbar herbeiführen durch ihren Willensakt.
Dadurch werden die Arten des Unterganges mannigfaltiger als die
der Entstehung.

I. Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit
wird auch hier wieder wegen
Mangels eines selbständigen Einflusses ihrer Angehörigen die Zu-
gehörigkeit zum Muttergemeinwesen von vorwiegender Bedeutung.

1. Die öffentliche Anstaltspersönlichkeit endigt ordent-
licherweise durch staatlichen Aufhebungsakt. Dem steht
gleich der namens eines übergeordneten Selbstverwaltungskörpers
ergehende, der kraft Selbstverwaltungsrechtes an Stelle des Staates
erlassen wird.

Wegfall des Stiftungsvermögens und Undurchführbarkeit des
Anstalts- oder Stiftungszweckes, die gewöhnlich hier genannt werden,
sind keine selbständig wirkenden Endigungsgründe3. Sie sind nur die
wichtigsten Rechtfertigungsgründe für einen Aufhebungsbeschluß der
Behörde. Sie bekunden aufs greifbarste, daß der Körper seinen Zweck
nicht zu erfüllen vermag. Aber deshalb geht er nicht von selbst unter.
Die Anstaltspersönlichkeit kann ohne Vermögen bestehen in der Hoffnung

2 Pfeifer, Jur. Pers. S. 117, 150; Rosin, Öff. Gen. S. 150 ff.
3 Als welche sie die alte Lehre vom Substrat behandelt: Roth, Bayr. Civ.R. I
S. 118; Foerster-Eccius, Preuß. Pr.R. IV S. 680; Stobbe, D. Priv.R. § 62,
4b Brinz, Pand. II, 2 S. 1137; E. Mayer in Wörterbuch I S. 696; Sartorius
ebenda, 2. Erg.Bd. S. 280.

Das Recht der juristischen Personen.
begründet werden durch einen Vorbehalt im Verfassungsstatut des
Selbstverwaltungskörpers. Auch dieser Vorbehalt wird nur zulässig
sein für den Fall bestimmter bezeichneter Gründe; ein freies Wider-
rufsrecht wäre gleichbedeutend mit der Verneinung der zu begründenden
Selbständigkeit2.

Der Normalgrund für gesetzliche Ermächtigungen wie für Vor-
behalte ist die Unmöglichkeit der ferneren Erfüllung des Zweckes,
für den der Selbstverwaltungskörper da ist. Er gilt immer als still-
schweigend gemeint; wenn einzelne Umstände, unter denen er gegeben
sein soll, besonders hervorgehoben werden, so sind andere Fälle da-
durch nicht ausgeschlossen.

Der Wille des Staates ist aber auch nicht ausschließlich maß-
gebend. Bei der Entstehung des Selbstverwaltungskörpers spielen
dessen künftige Angehörige insofern eine Rolle, als sie thatsächliche
Voraussetzungen liefern für den schöpferischen Staatsakt. Jetzt ist
der Körper selbst da mit seiner geordneten Vertretung. Diese
kann zur Mitwirkung berufen sein bei seinem Untergang, möglicher-
weise denselben auch unmittelbar herbeiführen durch ihren Willensakt.
Dadurch werden die Arten des Unterganges mannigfaltiger als die
der Entstehung.

I. Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit
wird auch hier wieder wegen
Mangels eines selbständigen Einflusses ihrer Angehörigen die Zu-
gehörigkeit zum Muttergemeinwesen von vorwiegender Bedeutung.

1. Die öffentliche Anstaltspersönlichkeit endigt ordent-
licherweise durch staatlichen Aufhebungsakt. Dem steht
gleich der namens eines übergeordneten Selbstverwaltungskörpers
ergehende, der kraft Selbstverwaltungsrechtes an Stelle des Staates
erlassen wird.

Wegfall des Stiftungsvermögens und Undurchführbarkeit des
Anstalts- oder Stiftungszweckes, die gewöhnlich hier genannt werden,
sind keine selbständig wirkenden Endigungsgründe3. Sie sind nur die
wichtigsten Rechtfertigungsgründe für einen Aufhebungsbeschluß der
Behörde. Sie bekunden aufs greifbarste, daß der Körper seinen Zweck
nicht zu erfüllen vermag. Aber deshalb geht er nicht von selbst unter.
Die Anstaltspersönlichkeit kann ohne Vermögen bestehen in der Hoffnung

2 Pfeifer, Jur. Pers. S. 117, 150; Rosin, Öff. Gen. S. 150 ff.
3 Als welche sie die alte Lehre vom Substrat behandelt: Roth, Bayr. Civ.R. I
S. 118; Foerster-Eccius, Preuß. Pr.R. IV S. 680; Stobbe, D. Priv.R. § 62,
4b Brinz, Pand. II, 2 S. 1137; E. Mayer in Wörterbuch I S. 696; Sartorius
ebenda, 2. Erg.Bd. S. 280.
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[438/0450] Das Recht der juristischen Personen. begründet werden durch einen Vorbehalt im Verfassungsstatut des Selbstverwaltungskörpers. Auch dieser Vorbehalt wird nur zulässig sein für den Fall bestimmter bezeichneter Gründe; ein freies Wider- rufsrecht wäre gleichbedeutend mit der Verneinung der zu begründenden Selbständigkeit 2. Der Normalgrund für gesetzliche Ermächtigungen wie für Vor- behalte ist die Unmöglichkeit der ferneren Erfüllung des Zweckes, für den der Selbstverwaltungskörper da ist. Er gilt immer als still- schweigend gemeint; wenn einzelne Umstände, unter denen er gegeben sein soll, besonders hervorgehoben werden, so sind andere Fälle da- durch nicht ausgeschlossen. Der Wille des Staates ist aber auch nicht ausschließlich maß- gebend. Bei der Entstehung des Selbstverwaltungskörpers spielen dessen künftige Angehörige insofern eine Rolle, als sie thatsächliche Voraussetzungen liefern für den schöpferischen Staatsakt. Jetzt ist der Körper selbst da mit seiner geordneten Vertretung. Diese kann zur Mitwirkung berufen sein bei seinem Untergang, möglicher- weise denselben auch unmittelbar herbeiführen durch ihren Willensakt. Dadurch werden die Arten des Unterganges mannigfaltiger als die der Entstehung. I. Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit juristischer Persönlichkeit wird auch hier wieder wegen Mangels eines selbständigen Einflusses ihrer Angehörigen die Zu- gehörigkeit zum Muttergemeinwesen von vorwiegender Bedeutung. 1. Die öffentliche Anstaltspersönlichkeit endigt ordent- licherweise durch staatlichen Aufhebungsakt. Dem steht gleich der namens eines übergeordneten Selbstverwaltungskörpers ergehende, der kraft Selbstverwaltungsrechtes an Stelle des Staates erlassen wird. Wegfall des Stiftungsvermögens und Undurchführbarkeit des Anstalts- oder Stiftungszweckes, die gewöhnlich hier genannt werden, sind keine selbständig wirkenden Endigungsgründe 3. Sie sind nur die wichtigsten Rechtfertigungsgründe für einen Aufhebungsbeschluß der Behörde. Sie bekunden aufs greifbarste, daß der Körper seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag. Aber deshalb geht er nicht von selbst unter. Die Anstaltspersönlichkeit kann ohne Vermögen bestehen in der Hoffnung 2 Pfeifer, Jur. Pers. S. 117, 150; Rosin, Öff. Gen. S. 150 ff. 3 Als welche sie die alte Lehre vom Substrat behandelt: Roth, Bayr. Civ.R. I S. 118; Foerster-Eccius, Preuß. Pr.R. IV S. 680; Stobbe, D. Priv.R. § 62, 4b Brinz, Pand. II, 2 S. 1137; E. Mayer in Wörterbuch I S. 696; Sartorius ebenda, 2. Erg.Bd. S. 280.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/450>, abgerufen am 26.04.2024.