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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Dann grub die Zeit sie tief und tiefer ein,
Sie sank hinunter, hinab ins Felsgestein,
Hinab, hinunter viel hundert Klafter tief
Mit ihrem gleißenden Hort, darin sie schlief.
Da sitzt die arme Seele nun in Pein
Und putzt, die eitle, sich mutterseelallein --
Tarpeja, gieb heraus der Kettlein drei!
Wir tragen's den Knaben zu Lust in Lüften frei!
Tarpeja, gleite durch den Felsenspalt
Drei Kettlein und drei goldene Ringlein bald!
Tarpeja lieb! Wir sind zufrieden, giebst
Du nur, was du verächtlich bei Seite schiebst.
Der Beppo sagt: weil du begingst Verrat,
Bist du verdammt für deine Missethat!
Behüt' mich Gott! In Ewigkeit verdammt!
Weil dir nach rothem Gold das Herz geflammt.
Man hört es oft -- so sagt er -- wie du lachst
Wann du dich schön vor deinem Spiegel machst!
Man hört es oft -- so sagt er -- wie du weinst,
Weil nicht du kommst in den schönen Himmel einst!
Tarpeja lieb, entsage der bösen Lust!
Tarpeja, gieb die Kettlein um Hals und Brust!
Wir beten, Arge, für dich den Rosenkranz,
Du steigst empor, empor in den Himmelsglanz!"

Dann grub die Zeit ſie tief und tiefer ein,
Sie ſank hinunter, hinab ins Felsgeſtein,
Hinab, hinunter viel hundert Klafter tief
Mit ihrem gleißenden Hort, darin ſie ſchlief.
Da ſitzt die arme Seele nun in Pein
Und putzt, die eitle, ſich mutterſeelallein —
Tarpeja, gieb heraus der Kettlein drei!
Wir tragen's den Knaben zu Luſt in Lüften frei!
Tarpeja, gleite durch den Felſenſpalt
Drei Kettlein und drei goldene Ringlein bald!
Tarpeja lieb! Wir ſind zufrieden, giebſt
Du nur, was du verächtlich bei Seite ſchiebſt.
Der Beppo ſagt: weil du begingſt Verrat,
Biſt du verdammt für deine Miſſethat!
Behüt' mich Gott! In Ewigkeit verdammt!
Weil dir nach rothem Gold das Herz geflammt.
Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du lachſt
Wann du dich ſchön vor deinem Spiegel machſt!
Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du weinſt,
Weil nicht du kommſt in den ſchönen Himmel einſt!
Tarpeja lieb, entſage der böſen Luſt!
Tarpeja, gieb die Kettlein um Hals und Bruſt!
Wir beten, Arge, für dich den Roſenkranz,
Du ſteigſt empor, empor in den Himmelsglanz!“

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[127/0141] Dann grub die Zeit ſie tief und tiefer ein, Sie ſank hinunter, hinab ins Felsgeſtein, Hinab, hinunter viel hundert Klafter tief Mit ihrem gleißenden Hort, darin ſie ſchlief. Da ſitzt die arme Seele nun in Pein Und putzt, die eitle, ſich mutterſeelallein — Tarpeja, gieb heraus der Kettlein drei! Wir tragen's den Knaben zu Luſt in Lüften frei! Tarpeja, gleite durch den Felſenſpalt Drei Kettlein und drei goldene Ringlein bald! Tarpeja lieb! Wir ſind zufrieden, giebſt Du nur, was du verächtlich bei Seite ſchiebſt. Der Beppo ſagt: weil du begingſt Verrat, Biſt du verdammt für deine Miſſethat! Behüt' mich Gott! In Ewigkeit verdammt! Weil dir nach rothem Gold das Herz geflammt. Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du lachſt Wann du dich ſchön vor deinem Spiegel machſt! Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du weinſt, Weil nicht du kommſt in den ſchönen Himmel einſt! Tarpeja lieb, entſage der böſen Luſt! Tarpeja, gieb die Kettlein um Hals und Bruſt! Wir beten, Arge, für dich den Roſenkranz, Du ſteigſt empor, empor in den Himmelsglanz!“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/141>, abgerufen am 26.04.2024.