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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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(Denn mit der Mutter, die dein schlummerschweres Haupt
Im Schooß gebettet hält, der dir das Leben gab,
Der schmerzversunknen Mutter, plaudert es sich nicht.)
Pelide, sprich! Was ist der Tod? Wohin die Fahrt?
Wozu die Waffen? Zu erneutem Lauf und Kampf?
Zu deines Grabes Schmuck und düstern Ehren nur?
Was blitzt auf deinem Schwerte? Deine letzte That,
Verglimmend, wie der Abend eines heißen Schlachtentags?
Die Morgensonnen eines neuen Kampfgefilds?
Bedarfst du deines Schwertes noch, du Schlummernder?
Wohin der Lauf? Zum Hades? Nein, es lügt Homer.
Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht
Sieht nicht dir ähnlich, Heros! Eher fährst
Du einer Geisterinsel bleichem Frieden zu
Und trägst den Myrtenkranz, beseligt und gestillt,
Mit den Geweihten! Doch auch solches ziemt dir nicht!
Was einzig dir geziemt, ist Kampf und Kampfespreis --
Pelide! ein Erwachen schwebt vor deinem Boot
Und schimmert unter deinem mächt'gen Augenlid!
Du lebst, Achill? Gieb Antwort! Wohin wanderst du?
Er schweigt! Er schweigt. Der Wagen rollt. Ein Triton bläst
Sein Muschelhorn, daß leis und dumpf der Marmor schallt.

(Denn mit der Mutter, die dein ſchlummerſchweres Haupt
Im Schooß gebettet hält, der dir das Leben gab,
Der ſchmerzverſunknen Mutter, plaudert es ſich nicht.)
Pelide, ſprich! Was iſt der Tod? Wohin die Fahrt?
Wozu die Waffen? Zu erneutem Lauf und Kampf?
Zu deines Grabes Schmuck und düſtern Ehren nur?
Was blitzt auf deinem Schwerte? Deine letzte That,
Verglimmend, wie der Abend eines heißen Schlachtentags?
Die Morgenſonnen eines neuen Kampfgefilds?
Bedarfſt du deines Schwertes noch, du Schlummernder?
Wohin der Lauf? Zum Hades? Nein, es lügt Homer.
Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht
Sieht nicht dir ähnlich, Heros! Eher fährſt
Du einer Geiſterinſel bleichem Frieden zu
Und trägſt den Myrtenkranz, beſeligt und geſtillt,
Mit den Geweihten! Doch auch ſolches ziemt dir nicht!
Was einzig dir geziemt, iſt Kampf und Kampfespreis —
Pelide! ein Erwachen ſchwebt vor deinem Boot
Und ſchimmert unter deinem mächt'gen Augenlid!
Du lebſt, Achill? Gieb Antwort! Wohin wanderſt du?
Er ſchweigt! Er ſchweigt. Der Wagen rollt. Ein Triton bläſt
Sein Muſchelhorn, daß leis und dumpf der Marmor ſchallt.

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[130/0144] (Denn mit der Mutter, die dein ſchlummerſchweres Haupt Im Schooß gebettet hält, der dir das Leben gab, Der ſchmerzverſunknen Mutter, plaudert es ſich nicht.) Pelide, ſprich! Was iſt der Tod? Wohin die Fahrt? Wozu die Waffen? Zu erneutem Lauf und Kampf? Zu deines Grabes Schmuck und düſtern Ehren nur? Was blitzt auf deinem Schwerte? Deine letzte That, Verglimmend, wie der Abend eines heißen Schlachtentags? Die Morgenſonnen eines neuen Kampfgefilds? Bedarfſt du deines Schwertes noch, du Schlummernder? Wohin der Lauf? Zum Hades? Nein, es lügt Homer. Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht Sieht nicht dir ähnlich, Heros! Eher fährſt Du einer Geiſterinſel bleichem Frieden zu Und trägſt den Myrtenkranz, beſeligt und geſtillt, Mit den Geweihten! Doch auch ſolches ziemt dir nicht! Was einzig dir geziemt, iſt Kampf und Kampfespreis — Pelide! ein Erwachen ſchwebt vor deinem Boot Und ſchimmert unter deinem mächt'gen Augenlid! Du lebſt, Achill? Gieb Antwort! Wohin wanderſt du? Er ſchweigt! Er ſchweigt. Der Wagen rollt. Ein Triton bläſt Sein Muſchelhorn, daß leis und dumpf der Marmor ſchallt.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/144>, abgerufen am 26.04.2024.