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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Wir singen ohne Kehlen,
Wir sitzen fröhlich ohne Schädel da,
Wir singen mit den Seelen
Ein kräftig schallend Deo gloria!
Der Morgenstrahl, der schiefe,
Durchs rechte Fenster äugelt er herein,
Vergoldend in der Tiefe
Ein lustiglich psallierend Todtenbein.
Der Abendstrahl, der schräge,
Durchs linke Fenster blinzelt er herein,
Und zählt, ob allerwege
Wir richtig unser elf Gespenster sei'n.
Oft übertäubt das Dröhnen
Des Meers die Noten unsrer Litanei,
Aus unsern Orgeltönen
Erhebt sich oft ein schriller Möwenschrei --
Bollwerk und Mauer trutzen
Dem Wellenwurf noch tausend Jahre ja,
Wir singen, elf Capuzen,
Ein kräftig schallend Deo gloria!

Wir ſingen ohne Kehlen,
Wir ſitzen fröhlich ohne Schädel da,
Wir ſingen mit den Seelen
Ein kräftig ſchallend Deo gloria!
Der Morgenſtrahl, der ſchiefe,
Durchs rechte Fenſter äugelt er herein,
Vergoldend in der Tiefe
Ein luſtiglich pſallierend Todtenbein.
Der Abendſtrahl, der ſchräge,
Durchs linke Fenſter blinzelt er herein,
Und zählt, ob allerwege
Wir richtig unſer elf Geſpenſter ſei'n.
Oft übertäubt das Dröhnen
Des Meers die Noten unſrer Litanei,
Aus unſern Orgeltönen
Erhebt ſich oft ein ſchriller Möwenſchrei —
Bollwerk und Mauer trutzen
Dem Wellenwurf noch tauſend Jahre ja,
Wir ſingen, elf Capuzen,
Ein kräftig ſchallend Deo gloria!

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[143/0157] Wir ſingen ohne Kehlen, Wir ſitzen fröhlich ohne Schädel da, Wir ſingen mit den Seelen Ein kräftig ſchallend Deo gloria! Der Morgenſtrahl, der ſchiefe, Durchs rechte Fenſter äugelt er herein, Vergoldend in der Tiefe Ein luſtiglich pſallierend Todtenbein. Der Abendſtrahl, der ſchräge, Durchs linke Fenſter blinzelt er herein, Und zählt, ob allerwege Wir richtig unſer elf Geſpenſter ſei'n. Oft übertäubt das Dröhnen Des Meers die Noten unſrer Litanei, Aus unſern Orgeltönen Erhebt ſich oft ein ſchriller Möwenſchrei — Bollwerk und Mauer trutzen Dem Wellenwurf noch tauſend Jahre ja, Wir ſingen, elf Capuzen, Ein kräftig ſchallend Deo gloria!

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/157>, abgerufen am 26.04.2024.