Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Schlumm'rer wird zum Träumer,
In hast'gen Worten redet er,
Lacht, weint in Einem Athem
Und wirft sich hin und her.
-- "Ich habe Blut vergossen!"
Einsiedel faßt besorgt ihn an.
"Du träumst nicht gut. Erwache!
Die Augen aufgethan!"
Er starrt mit wilden Blicken.
"Mein Kind, wie hast du mich erschreckt!"
-- "Einsiedel, frommer Bruder,
Ich bin mit Blut bedeckt.
Wir saßen unter Linden,
Ich und der Konrad Lützelstein,
Ein Fräulein von dem Hofe
Bot lachend uns den Wein.
Sie streift' mich mit dem Aermel
Die binsenschlank gewachsen war,
Sie hatte schnelle Augen
Und aschenblondes Haar.
Sie streift' mich mit der Achsel
Und lispelt mir ins Ohr hinein:
"Wilt, junger Edelknabe,
Mein Trautgeselle sein?"
Der Schlumm'rer wird zum Träumer,
In haſt'gen Worten redet er,
Lacht, weint in Einem Athem
Und wirft ſich hin und her.
— „Ich habe Blut vergoſſen!“
Einſiedel faßt beſorgt ihn an.
„Du träumſt nicht gut. Erwache!
Die Augen aufgethan!“
Er ſtarrt mit wilden Blicken.
„Mein Kind, wie haſt du mich erſchreckt!“
— „Einſiedel, frommer Bruder,
Ich bin mit Blut bedeckt.
Wir ſaßen unter Linden,
Ich und der Konrad Lützelſtein,
Ein Fräulein von dem Hofe
Bot lachend uns den Wein.
Sie ſtreift' mich mit dem Aermel
Die binſenſchlank gewachſen war,
Sie hatte ſchnelle Augen
Und aſchenblondes Haar.
Sie ſtreift' mich mit der Achſel
Und liſpelt mir ins Ohr hinein:
„Wilt, junger Edelknabe,
Mein Trautgeſelle ſein?“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0283" n="269"/>
            <lg n="7">
              <l>Der Schlumm'rer wird zum Träumer,</l><lb/>
              <l>In ha&#x017F;t'gen Worten redet er,</l><lb/>
              <l>Lacht, weint in Einem Athem</l><lb/>
              <l>Und wirft &#x017F;ich hin und her.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>&#x2014; &#x201E;Ich habe Blut vergo&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Ein&#x017F;iedel faßt be&#x017F;orgt ihn an.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Du träum&#x017F;t nicht gut. Erwache!</l><lb/>
              <l>Die Augen aufgethan!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Er &#x017F;tarrt mit wilden Blicken.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Kind, wie ha&#x017F;t du mich er&#x017F;chreckt!&#x201C;</l><lb/>
              <l>&#x2014; &#x201E;Ein&#x017F;iedel, frommer Bruder,</l><lb/>
              <l>Ich bin mit Blut bedeckt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <l>Wir &#x017F;aßen unter Linden,</l><lb/>
              <l>Ich und der Konrad Lützel&#x017F;tein,</l><lb/>
              <l>Ein Fräulein von dem Hofe</l><lb/>
              <l>Bot lachend uns den Wein.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="11">
              <l>Sie &#x017F;treift' mich mit dem Aermel</l><lb/>
              <l>Die bin&#x017F;en&#x017F;chlank gewach&#x017F;en war,</l><lb/>
              <l>Sie hatte &#x017F;chnelle Augen</l><lb/>
              <l>Und a&#x017F;chenblondes Haar.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="12">
              <l>Sie &#x017F;treift' mich mit der Ach&#x017F;el</l><lb/>
              <l>Und li&#x017F;pelt mir ins Ohr hinein:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wilt, junger Edelknabe,</l><lb/>
              <l>Mein Trautge&#x017F;elle &#x017F;ein?&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0283] Der Schlumm'rer wird zum Träumer, In haſt'gen Worten redet er, Lacht, weint in Einem Athem Und wirft ſich hin und her. — „Ich habe Blut vergoſſen!“ Einſiedel faßt beſorgt ihn an. „Du träumſt nicht gut. Erwache! Die Augen aufgethan!“ Er ſtarrt mit wilden Blicken. „Mein Kind, wie haſt du mich erſchreckt!“ — „Einſiedel, frommer Bruder, Ich bin mit Blut bedeckt. Wir ſaßen unter Linden, Ich und der Konrad Lützelſtein, Ein Fräulein von dem Hofe Bot lachend uns den Wein. Sie ſtreift' mich mit dem Aermel Die binſenſchlank gewachſen war, Sie hatte ſchnelle Augen Und aſchenblondes Haar. Sie ſtreift' mich mit der Achſel Und liſpelt mir ins Ohr hinein: „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeſelle ſein?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/283
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/283>, abgerufen am 26.04.2024.