Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Osnabrücksche Geschichte

Vorfahren, und von ihren ersten Einrichtungen und
Kriegen nur allgemeine Vermuthungen wagen. Viel-
leicht haben sie eben so gut als andre Völker ihre
Helden und Dichter gehabt, und sind beydes Thaten
und Lieder vergessen.

(a) Nullos Germanorum populis urbes habitari, satis notum est;
ne pati quidem inter se junctas sedes. TACIT. G. 16.

§. 2.
Die wahren Landes-Einwohner woh-
nen noch einzeln.

Etwas merkwürdiges aber ist es wol, daß die wah-
ren Landes-Einwohner insgesamt noch einzeln auf ab-
gesonderten und insgemein rings umher aufgeworfenen
Höfen wohnen, welche kein allgemeines Maaß (a) oder Verhältniß zu einander haben: Ein Erb-Kotte
deren bald drey bald vier auf ein Voll-Erbe gerech-
net werden, ist oft grösser als dieses; und zwischen
Erbe (b) und Erbe, besonders auf der Heide, ist
der gröste Unterscheid. Jeder scheinet sich im Anfange
so viel genommen zu haben, als er hat nöthig gehabt
und gewinnen können, da wo ihm ein Bach, Gehölz
oder Feld gefallen. (c) Und so ist gemeiniglich die
erste Anlage der Natur.

(a) Jn keiner Urkunde und in keinem Lehn-Briefe findet
man eine Hube oder einen Acker oder ein Vorling
Landes. Morgen trift man nur vor Städten oder
in Eschen an. Der Bauer besitzet Stücken Landes,
Kämpe, und andre Plätze, welche das Gepräge ei-
ner alten Maaße nicht an sich haben, und jetzt nach
Scheffel-saat überschlagen werden.

(b) Er-

Oſnabruͤckſche Geſchichte

Vorfahren, und von ihren erſten Einrichtungen und
Kriegen nur allgemeine Vermuthungen wagen. Viel-
leicht haben ſie eben ſo gut als andre Voͤlker ihre
Helden und Dichter gehabt, und ſind beydes Thaten
und Lieder vergeſſen.

(a) Nullos Germanorum populis urbes habitari, ſatis notum eſt;
ne pati quidem inter ſe junctas ſedes. TACIT. G. 16.

§. 2.
Die wahren Landes-Einwohner woh-
nen noch einzeln.

Etwas merkwuͤrdiges aber iſt es wol, daß die wah-
ren Landes-Einwohner insgeſamt noch einzeln auf ab-
geſonderten und insgemein rings umher aufgeworfenen
Hoͤfen wohnen, welche kein allgemeines Maaß (a) oder Verhaͤltniß zu einander haben: Ein Erb-Kotte
deren bald drey bald vier auf ein Voll-Erbe gerech-
net werden, iſt oft groͤſſer als dieſes; und zwiſchen
Erbe (b) und Erbe, beſonders auf der Heide, iſt
der groͤſte Unterſcheid. Jeder ſcheinet ſich im Anfange
ſo viel genommen zu haben, als er hat noͤthig gehabt
und gewinnen koͤnnen, da wo ihm ein Bach, Gehoͤlz
oder Feld gefallen. (c) Und ſo iſt gemeiniglich die
erſte Anlage der Natur.

(a) Jn keiner Urkunde und in keinem Lehn-Briefe findet
man eine Hube oder einen Acker oder ein Vorling
Landes. Morgen trift man nur vor Staͤdten oder
in Eſchen an. Der Bauer beſitzet Stuͤcken Landes,
Kaͤmpe, und andre Plaͤtze, welche das Gepraͤge ei-
ner alten Maaße nicht an ſich haben, und jetzt nach
Scheffel-ſaat uͤberſchlagen werden.

(b) Er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">O&#x017F;nabru&#x0364;ck&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
Vorfahren, und von ihren er&#x017F;ten Einrichtungen und<lb/>
Kriegen nur allgemeine Vermuthungen wagen. Viel-<lb/>
leicht haben &#x017F;ie eben &#x017F;o gut als andre Vo&#x0364;lker ihre<lb/>
Helden und Dichter gehabt, und &#x017F;ind beydes Thaten<lb/>
und Lieder verge&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)"><hi rendition="#aq">Nullos Germanorum populis urbes habitari, &#x017F;atis notum e&#x017F;t;<lb/>
ne pati quidem inter &#x017F;e junctas &#x017F;edes. TACIT. G.</hi> 16.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 2.<lb/><hi rendition="#b">Die wahren Landes-Einwohner woh-<lb/>
nen noch einzeln.</hi></head><lb/>
          <p>Etwas merkwu&#x0364;rdiges aber i&#x017F;t es wol, daß die wah-<lb/>
ren Landes-Einwohner insge&#x017F;amt noch einzeln auf ab-<lb/>
ge&#x017F;onderten und insgemein rings umher aufgeworfenen<lb/>
Ho&#x0364;fen wohnen, welche kein allgemeines Maaß <note place="end" n="(a)"/><lb/>
oder Verha&#x0364;ltniß zu einander haben: Ein <hi rendition="#fr">Erb-Kotte</hi><lb/>
deren bald drey bald vier auf ein <hi rendition="#fr">Voll-Erbe</hi> gerech-<lb/>
net werden, i&#x017F;t oft gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als die&#x017F;es; und zwi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#fr">Erbe</hi> <note place="end" n="(b)"/> und <hi rendition="#fr">Erbe,</hi> be&#x017F;onders auf der Heide, i&#x017F;t<lb/>
der gro&#x0364;&#x017F;te Unter&#x017F;cheid. Jeder &#x017F;cheinet &#x017F;ich im Anfange<lb/>
&#x017F;o viel genommen zu haben, als er hat no&#x0364;thig gehabt<lb/>
und gewinnen ko&#x0364;nnen, da wo ihm ein Bach, Geho&#x0364;lz<lb/>
oder Feld gefallen. <note place="end" n="(c)"/> Und &#x017F;o i&#x017F;t gemeiniglich die<lb/>
er&#x017F;te Anlage der Natur.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)">Jn keiner Urkunde und in keinem Lehn-Briefe findet<lb/>
man eine <hi rendition="#fr">Hube</hi> oder einen <hi rendition="#fr">Acker</hi> oder ein <hi rendition="#fr">Vorling</hi><lb/>
Landes. <hi rendition="#fr">Morgen</hi> trift man nur vor Sta&#x0364;dten oder<lb/>
in <hi rendition="#fr">E&#x017F;chen</hi> an. Der Bauer be&#x017F;itzet <hi rendition="#fr">Stu&#x0364;cken</hi> Landes,<lb/><hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mpe,</hi> und andre Pla&#x0364;tze, welche das Gepra&#x0364;ge ei-<lb/>
ner alten Maaße nicht an &#x017F;ich haben, und jetzt nach<lb/>
Scheffel-&#x017F;aat u&#x0364;ber&#x017F;chlagen werden.</note><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">(<hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#fr">Er-</hi></fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[2/0032] Oſnabruͤckſche Geſchichte Vorfahren, und von ihren erſten Einrichtungen und Kriegen nur allgemeine Vermuthungen wagen. Viel- leicht haben ſie eben ſo gut als andre Voͤlker ihre Helden und Dichter gehabt, und ſind beydes Thaten und Lieder vergeſſen. ⁽a⁾ Nullos Germanorum populis urbes habitari, ſatis notum eſt; ne pati quidem inter ſe junctas ſedes. TACIT. G. 16. §. 2. Die wahren Landes-Einwohner woh- nen noch einzeln. Etwas merkwuͤrdiges aber iſt es wol, daß die wah- ren Landes-Einwohner insgeſamt noch einzeln auf ab- geſonderten und insgemein rings umher aufgeworfenen Hoͤfen wohnen, welche kein allgemeines Maaß ⁽a⁾ oder Verhaͤltniß zu einander haben: Ein Erb-Kotte deren bald drey bald vier auf ein Voll-Erbe gerech- net werden, iſt oft groͤſſer als dieſes; und zwiſchen Erbe ⁽b⁾ und Erbe, beſonders auf der Heide, iſt der groͤſte Unterſcheid. Jeder ſcheinet ſich im Anfange ſo viel genommen zu haben, als er hat noͤthig gehabt und gewinnen koͤnnen, da wo ihm ein Bach, Gehoͤlz oder Feld gefallen. ⁽c⁾ Und ſo iſt gemeiniglich die erſte Anlage der Natur. ⁽a⁾ Jn keiner Urkunde und in keinem Lehn-Briefe findet man eine Hube oder einen Acker oder ein Vorling Landes. Morgen trift man nur vor Staͤdten oder in Eſchen an. Der Bauer beſitzet Stuͤcken Landes, Kaͤmpe, und andre Plaͤtze, welche das Gepraͤge ei- ner alten Maaße nicht an ſich haben, und jetzt nach Scheffel-ſaat uͤberſchlagen werden. (b) Er-

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/32
Zitationshilfe:	Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/32>, abgerufen am 26.04.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.