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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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möglicherweise hält sie ihren Bund und ihre Mittel geheim.
Die Dauer der Vereinigung erstreckt sich eigentlich nur auf
die Erreichung des Zweckes; doch mag die Sicherstellung des-
selben ein längeres Zusammenhalten erfordern. -- Eine Zu-
sammenschaarung
dagegen mag es genannt werden, wenn
eine bestimmte wichtige Frage die Leidenschaften und Wünsche
der Bürger so lebhaft beschäftigt, daß die eine bestimmte Art
der Entscheidung gemeinschaftlich Wollenden sich öffentlich an
einander anschließen und gemeinschaftliche Schritte thun, dies
jedoch ohne eine bestimmte Organisation oder Abgrenzung und
ohne Nothwendigkeit eines Zusammenhaltens in andern Be-
ziehungen, jedenfalls aber ohne Fortdauer der Gemeinschaft
nach Erreichung des Zweckes. Die angewendeten Mittel können
möglicherweise ungesetzliche, namentlich gewaltthätige, sein, nicht
wohl aber unehrliche, als zu welch' letzteren sich nicht so Viele
und einander bis jetzt ganz Fremde offen zusammenfinden würden.
-- Eine staatliche Partei dagegen ist die Gesammtheit der-
jenigen, welche der Staatsgewalt aus Ueberzeugung einer recht-
lichen, sittlichen oder politischen Nothwendigkeit eine bestimmte
Richtung geben, gewisse staatliche Einrichtungen und Zustände
herstellen, zu dem Ende aber, je nach der concreten Verfassung,
entweder die Regierung selbst auf gesetzliche Weise erwerben
oder doch wenigstens einen bestimmenden Einfluß auf sie aus-
üben wollen. Eine Partei hat ein Staatsideal im Auge, von
welchem sie sich Wohlergehen für Alle, natürlich also auch für
ihre eigenen Mitglieder, verspricht; nicht aber unmittelbar und
ausschließlich eine selbstische Absicht. Sie ist sich ihres Zweckes
bewußt, bekennt sich offen zu demselben und sucht möglichst
viele Anhänger zu gewinnen. Jede ausgebildete und lebens-
kräftige Partei hat eine mehr oder weniger ausgeprägte äußere
Gestaltung und selbstanerkannte Führer 2). Die Mittel mögen
allerdings bei hochgehender Leidenschaft auch gewaltthätig und

möglicherweiſe hält ſie ihren Bund und ihre Mittel geheim.
Die Dauer der Vereinigung erſtreckt ſich eigentlich nur auf
die Erreichung des Zweckes; doch mag die Sicherſtellung des-
ſelben ein längeres Zuſammenhalten erfordern. — Eine Zu-
ſammenſchaarung
dagegen mag es genannt werden, wenn
eine beſtimmte wichtige Frage die Leidenſchaften und Wünſche
der Bürger ſo lebhaft beſchäftigt, daß die eine beſtimmte Art
der Entſcheidung gemeinſchaftlich Wollenden ſich öffentlich an
einander anſchließen und gemeinſchaftliche Schritte thun, dies
jedoch ohne eine beſtimmte Organiſation oder Abgrenzung und
ohne Nothwendigkeit eines Zuſammenhaltens in andern Be-
ziehungen, jedenfalls aber ohne Fortdauer der Gemeinſchaft
nach Erreichung des Zweckes. Die angewendeten Mittel können
möglicherweiſe ungeſetzliche, namentlich gewaltthätige, ſein, nicht
wohl aber unehrliche, als zu welch’ letzteren ſich nicht ſo Viele
und einander bis jetzt ganz Fremde offen zuſammenfinden würden.
— Eine ſtaatliche Partei dagegen iſt die Geſammtheit der-
jenigen, welche der Staatsgewalt aus Ueberzeugung einer recht-
lichen, ſittlichen oder politiſchen Nothwendigkeit eine beſtimmte
Richtung geben, gewiſſe ſtaatliche Einrichtungen und Zuſtände
herſtellen, zu dem Ende aber, je nach der concreten Verfaſſung,
entweder die Regierung ſelbſt auf geſetzliche Weiſe erwerben
oder doch wenigſtens einen beſtimmenden Einfluß auf ſie aus-
üben wollen. Eine Partei hat ein Staatsideal im Auge, von
welchem ſie ſich Wohlergehen für Alle, natürlich alſo auch für
ihre eigenen Mitglieder, verſpricht; nicht aber unmittelbar und
ausſchließlich eine ſelbſtiſche Abſicht. Sie iſt ſich ihres Zweckes
bewußt, bekennt ſich offen zu demſelben und ſucht möglichſt
viele Anhänger zu gewinnen. Jede ausgebildete und lebens-
kräftige Partei hat eine mehr oder weniger ausgeprägte äußere
Geſtaltung und ſelbſtanerkannte Führer 2). Die Mittel mögen
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[151/0165] möglicherweiſe hält ſie ihren Bund und ihre Mittel geheim. Die Dauer der Vereinigung erſtreckt ſich eigentlich nur auf die Erreichung des Zweckes; doch mag die Sicherſtellung des- ſelben ein längeres Zuſammenhalten erfordern. — Eine Zu- ſammenſchaarung dagegen mag es genannt werden, wenn eine beſtimmte wichtige Frage die Leidenſchaften und Wünſche der Bürger ſo lebhaft beſchäftigt, daß die eine beſtimmte Art der Entſcheidung gemeinſchaftlich Wollenden ſich öffentlich an einander anſchließen und gemeinſchaftliche Schritte thun, dies jedoch ohne eine beſtimmte Organiſation oder Abgrenzung und ohne Nothwendigkeit eines Zuſammenhaltens in andern Be- ziehungen, jedenfalls aber ohne Fortdauer der Gemeinſchaft nach Erreichung des Zweckes. Die angewendeten Mittel können möglicherweiſe ungeſetzliche, namentlich gewaltthätige, ſein, nicht wohl aber unehrliche, als zu welch’ letzteren ſich nicht ſo Viele und einander bis jetzt ganz Fremde offen zuſammenfinden würden. — Eine ſtaatliche Partei dagegen iſt die Geſammtheit der- jenigen, welche der Staatsgewalt aus Ueberzeugung einer recht- lichen, ſittlichen oder politiſchen Nothwendigkeit eine beſtimmte Richtung geben, gewiſſe ſtaatliche Einrichtungen und Zuſtände herſtellen, zu dem Ende aber, je nach der concreten Verfaſſung, entweder die Regierung ſelbſt auf geſetzliche Weiſe erwerben oder doch wenigſtens einen beſtimmenden Einfluß auf ſie aus- üben wollen. Eine Partei hat ein Staatsideal im Auge, von welchem ſie ſich Wohlergehen für Alle, natürlich alſo auch für ihre eigenen Mitglieder, verſpricht; nicht aber unmittelbar und ausſchließlich eine ſelbſtiſche Abſicht. Sie iſt ſich ihres Zweckes bewußt, bekennt ſich offen zu demſelben und ſucht möglichſt viele Anhänger zu gewinnen. Jede ausgebildete und lebens- kräftige Partei hat eine mehr oder weniger ausgeprägte äußere Geſtaltung und ſelbſtanerkannte Führer 2). Die Mittel mögen allerdings bei hochgehender Leidenſchaft auch gewaltthätig und

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/165>, abgerufen am 26.04.2024.