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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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nicht willkührlich und grundsatzlos geschehen, sondern nach logisch
richtigen Regeln.

2. Das Staatsrecht umfaßt die Rechtsverhältnisse sämmt-
licher
Staatstheilnehmer als solcher. Die richtige Abgrenzung
des Gegenstandes erfordert eine doppelte Rücksicht: einerseits
Ausdehnung auf alle Rechte und Verbindlichkeiten, welche so-
wohl Einzelne als ganze Classen und gesellschaftliche Kreise in
Beziehung auf das Zusammenleben im Staate haben; anderer-
seits die Beschränkung auf Sätze, welche staatliche Verhältnisse
regeln. Demgemäß zerfällt der Inhalt des Staatsrechtes vom
Standpunkte der dadurch betroffenen Personen aus in zwei
große Abtheilungen:

a) Die Rechtsforderungen des Staatsoberhauptes. Ihm
ist aufgetragen, den Zweck des Staates zu verwirklichen;
zu dem Ende aber theils die erforderlichen stehenden Ein-
richtungen zu treffen und aufrecht zu erhalten; theils im
einzelnen Falle zu entscheiden und auszuführen. Hierzu
bedarf er einer gesicherten Stellung und des Rechtes, in
dem erforderlichen Umfange Befehle zu geben und ihre
Ausführung zu erzwingen und überwachen. Dieser recht-
lichen Stellung entspricht aber andererseits die Verpflichtung
aller Uebrigen, d. h. sämmtlicher Unterthanen, zu Gehor-
sam, Achtung und Mitwirkung.
b) Die rechtlichen Forderungen der Unterthanen an den
Staat. Der Staat hat die Lebenszwecke des concreten
Volkes zu fördern; dem Volke aber steht in seiner Gesammt-
heit und in seinen einzelnen thatsächlichen Bestandtheilen
auf die möglichst vollständige Erfüllung dieser Bestimmung
ein vollkommenes Recht zu, welches schon in dem Begriffe
des Staates begründet ist, dann aber durch Uebernahme
des Gehorsams und der Leistung weiter befestigt wird.
Die daraus entspringenden Forderungen sind schließlich

nicht willkührlich und grundſatzlos geſchehen, ſondern nach logiſch
richtigen Regeln.

2. Das Staatsrecht umfaßt die Rechtsverhältniſſe ſämmt-
licher
Staatstheilnehmer als ſolcher. Die richtige Abgrenzung
des Gegenſtandes erfordert eine doppelte Rückſicht: einerſeits
Ausdehnung auf alle Rechte und Verbindlichkeiten, welche ſo-
wohl Einzelne als ganze Claſſen und geſellſchaftliche Kreiſe in
Beziehung auf das Zuſammenleben im Staate haben; anderer-
ſeits die Beſchränkung auf Sätze, welche ſtaatliche Verhältniſſe
regeln. Demgemäß zerfällt der Inhalt des Staatsrechtes vom
Standpunkte der dadurch betroffenen Perſonen aus in zwei
große Abtheilungen:

a) Die Rechtsforderungen des Staatsoberhauptes. Ihm
iſt aufgetragen, den Zweck des Staates zu verwirklichen;
zu dem Ende aber theils die erforderlichen ſtehenden Ein-
richtungen zu treffen und aufrecht zu erhalten; theils im
einzelnen Falle zu entſcheiden und auszuführen. Hierzu
bedarf er einer geſicherten Stellung und des Rechtes, in
dem erforderlichen Umfange Befehle zu geben und ihre
Ausführung zu erzwingen und überwachen. Dieſer recht-
lichen Stellung entſpricht aber andererſeits die Verpflichtung
aller Uebrigen, d. h. ſämmtlicher Unterthanen, zu Gehor-
ſam, Achtung und Mitwirkung.
b) Die rechtlichen Forderungen der Unterthanen an den
Staat. Der Staat hat die Lebenszwecke des concreten
Volkes zu fördern; dem Volke aber ſteht in ſeiner Geſammt-
heit und in ſeinen einzelnen thatſächlichen Beſtandtheilen
auf die möglichſt vollſtändige Erfüllung dieſer Beſtimmung
ein vollkommenes Recht zu, welches ſchon in dem Begriffe
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[171/0185] nicht willkührlich und grundſatzlos geſchehen, ſondern nach logiſch richtigen Regeln. 2. Das Staatsrecht umfaßt die Rechtsverhältniſſe ſämmt- licher Staatstheilnehmer als ſolcher. Die richtige Abgrenzung des Gegenſtandes erfordert eine doppelte Rückſicht: einerſeits Ausdehnung auf alle Rechte und Verbindlichkeiten, welche ſo- wohl Einzelne als ganze Claſſen und geſellſchaftliche Kreiſe in Beziehung auf das Zuſammenleben im Staate haben; anderer- ſeits die Beſchränkung auf Sätze, welche ſtaatliche Verhältniſſe regeln. Demgemäß zerfällt der Inhalt des Staatsrechtes vom Standpunkte der dadurch betroffenen Perſonen aus in zwei große Abtheilungen: a) Die Rechtsforderungen des Staatsoberhauptes. Ihm iſt aufgetragen, den Zweck des Staates zu verwirklichen; zu dem Ende aber theils die erforderlichen ſtehenden Ein- richtungen zu treffen und aufrecht zu erhalten; theils im einzelnen Falle zu entſcheiden und auszuführen. Hierzu bedarf er einer geſicherten Stellung und des Rechtes, in dem erforderlichen Umfange Befehle zu geben und ihre Ausführung zu erzwingen und überwachen. Dieſer recht- lichen Stellung entſpricht aber andererſeits die Verpflichtung aller Uebrigen, d. h. ſämmtlicher Unterthanen, zu Gehor- ſam, Achtung und Mitwirkung. b) Die rechtlichen Forderungen der Unterthanen an den Staat. Der Staat hat die Lebenszwecke des concreten Volkes zu fördern; dem Volke aber ſteht in ſeiner Geſammt- heit und in ſeinen einzelnen thatſächlichen Beſtandtheilen auf die möglichſt vollſtändige Erfüllung dieſer Beſtimmung ein vollkommenes Recht zu, welches ſchon in dem Begriffe des Staates begründet iſt, dann aber durch Uebernahme des Gehorſams und der Leiſtung weiter befeſtigt wird. Die daraus entſpringenden Forderungen ſind ſchließlich

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/185>, abgerufen am 26.04.2024.