Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Beschäftigung mit dem positiven Staatsrechte mag in
sehr verschiedenem Umfange geschehen; entweder nämlich nur
so, daß das öffentliche Recht eines einzelnen bestimmten Staates
wissenschaftlich dargestellt wird, oder aber in umfassenderer Weise,
und zwar in letzter Vollendung als Darstellung des gesammten
positiven Staatsrechtes, so weit von demselben überhaupt ge-
nügende geschichtliche Kenntniß vorhanden ist. Das positive
Staatsrecht ist also ein allgemeines oder ein besonderes;
jenes aber wieder in sehr verschiedener Ausdehnung, je nach-
dem eine größere oder kleinere Anzahl von Staaten gemein-
schaftlich berücksichtigt ist. Von selbst versteht sich, daß eine
Gleichartigkeit unter solchen Staaten vorhanden sein muß,
welche eine gemeinschaftliche Darstellung erhalten sollen, sei nun
diese Verwandtschaft eine geschichtliche und nationale, oder eine
innere auf gleicher Lebensauffassung beruhende 1). Nicht sowohl
im Wesen der beiden Darstellungsweisen, als vielmehr in den
Bedürfnissen für das Leben und in den äußeren Darstellungs-
möglichkeiten liegt es aber, wenn das Recht eines einzelnen
Staates weit ausführlicher erörtert zu werden pflegt, als dies
bei den Zusammenfassungen einer größern Anzahl geschieht.

Daß die sämmtlichen Sätze eines positiven Rechtes zu
behandeln sind, also nicht blos solche, welche die Verfassung
betreffen, sondern auch die die Verwaltung ordnenden, ist durch
den Begriff eines wissenschaftlichen Systemes geboten. Wenn
etwa auch einzelne Abtheilungen der letzteren durch eigene Gat-
tungsnamen bezeichnet werden, wie z. B. Polizeirecht, Finanz-
recht u. dgl., so treten sie dadurch aus ihrer Verbindung mit
dem Ganzen und aus ihrer logischen Unterordnung unter das-
selbe nicht heraus 2). Aufgabe einer geschickten Bearbeitung ist
es, bei untergeordneterem nicht in allzu große Einzelheiten ein-
zugehen, (falls nicht gerade die Darstellung der letzteren die
Aufgabe einer monographischen Arbeit ist.)

Die Beſchäftigung mit dem poſitiven Staatsrechte mag in
ſehr verſchiedenem Umfange geſchehen; entweder nämlich nur
ſo, daß das öffentliche Recht eines einzelnen beſtimmten Staates
wiſſenſchaftlich dargeſtellt wird, oder aber in umfaſſenderer Weiſe,
und zwar in letzter Vollendung als Darſtellung des geſammten
poſitiven Staatsrechtes, ſo weit von demſelben überhaupt ge-
nügende geſchichtliche Kenntniß vorhanden iſt. Das poſitive
Staatsrecht iſt alſo ein allgemeines oder ein beſonderes;
jenes aber wieder in ſehr verſchiedener Ausdehnung, je nach-
dem eine größere oder kleinere Anzahl von Staaten gemein-
ſchaftlich berückſichtigt iſt. Von ſelbſt verſteht ſich, daß eine
Gleichartigkeit unter ſolchen Staaten vorhanden ſein muß,
welche eine gemeinſchaftliche Darſtellung erhalten ſollen, ſei nun
dieſe Verwandtſchaft eine geſchichtliche und nationale, oder eine
innere auf gleicher Lebensauffaſſung beruhende 1). Nicht ſowohl
im Weſen der beiden Darſtellungsweiſen, als vielmehr in den
Bedürfniſſen für das Leben und in den äußeren Darſtellungs-
möglichkeiten liegt es aber, wenn das Recht eines einzelnen
Staates weit ausführlicher erörtert zu werden pflegt, als dies
bei den Zuſammenfaſſungen einer größern Anzahl geſchieht.

Daß die ſämmtlichen Sätze eines poſitiven Rechtes zu
behandeln ſind, alſo nicht blos ſolche, welche die Verfaſſung
betreffen, ſondern auch die die Verwaltung ordnenden, iſt durch
den Begriff eines wiſſenſchaftlichen Syſtemes geboten. Wenn
etwa auch einzelne Abtheilungen der letzteren durch eigene Gat-
tungsnamen bezeichnet werden, wie z. B. Polizeirecht, Finanz-
recht u. dgl., ſo treten ſie dadurch aus ihrer Verbindung mit
dem Ganzen und aus ihrer logiſchen Unterordnung unter das-
ſelbe nicht heraus 2). Aufgabe einer geſchickten Bearbeitung iſt
es, bei untergeordneterem nicht in allzu große Einzelheiten ein-
zugehen, (falls nicht gerade die Darſtellung der letzteren die
Aufgabe einer monographiſchen Arbeit iſt.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0392" n="378"/>
                <p>Die Be&#x017F;chäftigung mit dem po&#x017F;itiven Staatsrechte mag in<lb/>
&#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenem Umfange ge&#x017F;chehen; entweder nämlich nur<lb/>
&#x017F;o, daß das öffentliche Recht eines einzelnen be&#x017F;timmten Staates<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich darge&#x017F;tellt wird, oder aber in umfa&#x017F;&#x017F;enderer Wei&#x017F;e,<lb/>
und zwar in letzter Vollendung als Dar&#x017F;tellung des ge&#x017F;ammten<lb/>
po&#x017F;itiven Staatsrechtes, &#x017F;o weit von dem&#x017F;elben überhaupt ge-<lb/>
nügende ge&#x017F;chichtliche Kenntniß vorhanden i&#x017F;t. Das po&#x017F;itive<lb/>
Staatsrecht i&#x017F;t al&#x017F;o ein <hi rendition="#g">allgemeines</hi> oder ein <hi rendition="#g">be&#x017F;onderes</hi>;<lb/>
jenes aber wieder in &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedener Ausdehnung, je nach-<lb/>
dem eine größere oder kleinere Anzahl von Staaten gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich berück&#x017F;ichtigt i&#x017F;t. Von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß eine<lb/>
Gleichartigkeit unter &#x017F;olchen Staaten vorhanden &#x017F;ein muß,<lb/>
welche eine gemein&#x017F;chaftliche Dar&#x017F;tellung erhalten &#x017F;ollen, &#x017F;ei nun<lb/>
die&#x017F;e Verwandt&#x017F;chaft eine ge&#x017F;chichtliche und nationale, oder eine<lb/>
innere auf gleicher Lebensauffa&#x017F;&#x017F;ung beruhende <hi rendition="#sup">1</hi>). Nicht &#x017F;owohl<lb/>
im We&#x017F;en der beiden Dar&#x017F;tellungswei&#x017F;en, als vielmehr in den<lb/>
Bedürfni&#x017F;&#x017F;en für das Leben und in den äußeren Dar&#x017F;tellungs-<lb/>
möglichkeiten liegt es aber, wenn das Recht eines einzelnen<lb/>
Staates weit ausführlicher erörtert zu werden pflegt, als dies<lb/>
bei den Zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;ungen einer größern Anzahl ge&#x017F;chieht.</p><lb/>
                <p>Daß die <hi rendition="#g">&#x017F;ämmtlichen</hi> Sätze eines po&#x017F;itiven Rechtes zu<lb/>
behandeln &#x017F;ind, al&#x017F;o nicht blos &#x017F;olche, welche die Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
betreffen, &#x017F;ondern auch die die Verwaltung ordnenden, i&#x017F;t durch<lb/>
den Begriff eines wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Sy&#x017F;temes geboten. Wenn<lb/>
etwa auch einzelne Abtheilungen der letzteren durch eigene Gat-<lb/>
tungsnamen bezeichnet werden, wie z. B. Polizeirecht, Finanz-<lb/>
recht u. dgl., &#x017F;o treten &#x017F;ie dadurch aus ihrer Verbindung mit<lb/>
dem Ganzen und aus ihrer logi&#x017F;chen Unterordnung unter das-<lb/>
&#x017F;elbe nicht heraus <hi rendition="#sup">2</hi>). Aufgabe einer ge&#x017F;chickten Bearbeitung i&#x017F;t<lb/>
es, bei untergeordneterem nicht in allzu große Einzelheiten ein-<lb/>
zugehen, (falls nicht gerade die Dar&#x017F;tellung der letzteren die<lb/>
Aufgabe einer monographi&#x017F;chen Arbeit i&#x017F;t.)</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0392] Die Beſchäftigung mit dem poſitiven Staatsrechte mag in ſehr verſchiedenem Umfange geſchehen; entweder nämlich nur ſo, daß das öffentliche Recht eines einzelnen beſtimmten Staates wiſſenſchaftlich dargeſtellt wird, oder aber in umfaſſenderer Weiſe, und zwar in letzter Vollendung als Darſtellung des geſammten poſitiven Staatsrechtes, ſo weit von demſelben überhaupt ge- nügende geſchichtliche Kenntniß vorhanden iſt. Das poſitive Staatsrecht iſt alſo ein allgemeines oder ein beſonderes; jenes aber wieder in ſehr verſchiedener Ausdehnung, je nach- dem eine größere oder kleinere Anzahl von Staaten gemein- ſchaftlich berückſichtigt iſt. Von ſelbſt verſteht ſich, daß eine Gleichartigkeit unter ſolchen Staaten vorhanden ſein muß, welche eine gemeinſchaftliche Darſtellung erhalten ſollen, ſei nun dieſe Verwandtſchaft eine geſchichtliche und nationale, oder eine innere auf gleicher Lebensauffaſſung beruhende 1). Nicht ſowohl im Weſen der beiden Darſtellungsweiſen, als vielmehr in den Bedürfniſſen für das Leben und in den äußeren Darſtellungs- möglichkeiten liegt es aber, wenn das Recht eines einzelnen Staates weit ausführlicher erörtert zu werden pflegt, als dies bei den Zuſammenfaſſungen einer größern Anzahl geſchieht. Daß die ſämmtlichen Sätze eines poſitiven Rechtes zu behandeln ſind, alſo nicht blos ſolche, welche die Verfaſſung betreffen, ſondern auch die die Verwaltung ordnenden, iſt durch den Begriff eines wiſſenſchaftlichen Syſtemes geboten. Wenn etwa auch einzelne Abtheilungen der letzteren durch eigene Gat- tungsnamen bezeichnet werden, wie z. B. Polizeirecht, Finanz- recht u. dgl., ſo treten ſie dadurch aus ihrer Verbindung mit dem Ganzen und aus ihrer logiſchen Unterordnung unter das- ſelbe nicht heraus 2). Aufgabe einer geſchickten Bearbeitung iſt es, bei untergeordneterem nicht in allzu große Einzelheiten ein- zugehen, (falls nicht gerade die Darſtellung der letzteren die Aufgabe einer monographiſchen Arbeit iſt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/392
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/392>, abgerufen am 26.04.2024.