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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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und können dieselben auch noch zu andern Staatszwecken
verwendet werden.
b. Auch die Entdeckung begangener Verbrechen
ist Sache der Rechtspflege (nicht der Polizei); und es
müssen ihr deshalb die entsprechenden Befugnisse und Mittel
eingeräumt werden.
c. Da die Rechtspflege nicht blos Ansichten auszusprechen,
sondern vielmehr dem Gesetze Wirksamkeit zu geben hat;
da ferner die Würde des Amtes darunter leidet, wenn
die Ausführung des Beschlossenen von anderen Behörden
abhängt: so ergibt sich, daß auch die Vollziehung der
gerichtlichen Urtheile
Sache der Rechtspflege ist,
und zwar sowohl in Civil- als in Strafsachen. Zu der
unmittelbaren Handanlegung mögen etwa eigene Beamte
bestimmt werden, allein die Leitung und Beaufsichtigung
muß den Behörden der Rechtsordnung anheimfallen.
d. Dagegen ist wohl in Beziehung wenigstens auf einen
Punkt auch eine Folgewidrigkeit anzurathen. Sehr allge-
mein ist bekanntlich die Einrichtung nach welcher den
Gerichten die Bestrafung schwerer Polizeiübertre-
tungen und dagegen den Polizeibehörden die Be-
strafung der leichtesten Rechtsverletzung übertragen ist.
Nichts ist nun allerdings leichter, als die logische Unrich-
tigkeit dieser Bestimmung nachzuweisen; allein da einer
Seits die größere Fertigkeit der Gerichte in Anwendung
der rechtsschützenden Formen, (welche denn doch auch bei
Strafen wegen polizeilicher Verfehlungen wohlthätig sind,)
keinem Zweifel unterliegt, und da anderer Seits der Nach-
theil und die Schwierigkeit, die Gerichte mit Bagatellsachen
zu überladen, augenscheinlich sind: so scheint es hier in
der That gerechtfertigt, zu Gunsten der Zweckmäßigkeit von
dem strengen Systeme abzuweichen.
v. Mohl, Encyclopädie. 42
und können dieſelben auch noch zu andern Staatszwecken
verwendet werden.
b. Auch die Entdeckung begangener Verbrechen
iſt Sache der Rechtspflege (nicht der Polizei); und es
müſſen ihr deshalb die entſprechenden Befugniſſe und Mittel
eingeräumt werden.
c. Da die Rechtspflege nicht blos Anſichten auszuſprechen,
ſondern vielmehr dem Geſetze Wirkſamkeit zu geben hat;
da ferner die Würde des Amtes darunter leidet, wenn
die Ausführung des Beſchloſſenen von anderen Behörden
abhängt: ſo ergibt ſich, daß auch die Vollziehung der
gerichtlichen Urtheile
Sache der Rechtspflege iſt,
und zwar ſowohl in Civil- als in Strafſachen. Zu der
unmittelbaren Handanlegung mögen etwa eigene Beamte
beſtimmt werden, allein die Leitung und Beaufſichtigung
muß den Behörden der Rechtsordnung anheimfallen.
d. Dagegen iſt wohl in Beziehung wenigſtens auf einen
Punkt auch eine Folgewidrigkeit anzurathen. Sehr allge-
mein iſt bekanntlich die Einrichtung nach welcher den
Gerichten die Beſtrafung ſchwerer Polizeiübertre-
tungen und dagegen den Polizeibehörden die Be-
ſtrafung der leichteſten Rechtsverletzung übertragen iſt.
Nichts iſt nun allerdings leichter, als die logiſche Unrich-
tigkeit dieſer Beſtimmung nachzuweiſen; allein da einer
Seits die größere Fertigkeit der Gerichte in Anwendung
der rechtsſchützenden Formen, (welche denn doch auch bei
Strafen wegen polizeilicher Verfehlungen wohlthätig ſind,)
keinem Zweifel unterliegt, und da anderer Seits der Nach-
theil und die Schwierigkeit, die Gerichte mit Bagatellſachen
zu überladen, augenſcheinlich ſind: ſo ſcheint es hier in
der That gerechtfertigt, zu Gunſten der Zweckmäßigkeit von
dem ſtrengen Syſteme abzuweichen.
v. Mohl, Encyclopädie. 42
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[657/0671] und können dieſelben auch noch zu andern Staatszwecken verwendet werden. b. Auch die Entdeckung begangener Verbrechen iſt Sache der Rechtspflege (nicht der Polizei); und es müſſen ihr deshalb die entſprechenden Befugniſſe und Mittel eingeräumt werden. c. Da die Rechtspflege nicht blos Anſichten auszuſprechen, ſondern vielmehr dem Geſetze Wirkſamkeit zu geben hat; da ferner die Würde des Amtes darunter leidet, wenn die Ausführung des Beſchloſſenen von anderen Behörden abhängt: ſo ergibt ſich, daß auch die Vollziehung der gerichtlichen Urtheile Sache der Rechtspflege iſt, und zwar ſowohl in Civil- als in Strafſachen. Zu der unmittelbaren Handanlegung mögen etwa eigene Beamte beſtimmt werden, allein die Leitung und Beaufſichtigung muß den Behörden der Rechtsordnung anheimfallen. d. Dagegen iſt wohl in Beziehung wenigſtens auf einen Punkt auch eine Folgewidrigkeit anzurathen. Sehr allge- mein iſt bekanntlich die Einrichtung nach welcher den Gerichten die Beſtrafung ſchwerer Polizeiübertre- tungen und dagegen den Polizeibehörden die Be- ſtrafung der leichteſten Rechtsverletzung übertragen iſt. Nichts iſt nun allerdings leichter, als die logiſche Unrich- tigkeit dieſer Beſtimmung nachzuweiſen; allein da einer Seits die größere Fertigkeit der Gerichte in Anwendung der rechtsſchützenden Formen, (welche denn doch auch bei Strafen wegen polizeilicher Verfehlungen wohlthätig ſind,) keinem Zweifel unterliegt, und da anderer Seits der Nach- theil und die Schwierigkeit, die Gerichte mit Bagatellſachen zu überladen, augenſcheinlich ſind: ſo ſcheint es hier in der That gerechtfertigt, zu Gunſten der Zweckmäßigkeit von dem ſtrengen Syſteme abzuweichen. v. Mohl, Encyclopädie. 42

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/671>, abgerufen am 26.04.2024.