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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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schaftlicher Absonderung von Staatsrecht, Politik und Erdbe-
schreibung, mit der Schilderung staatlicher und gesellschaftlicher
Zustände beschäftigt, so namentlich Aristoteles in seinen Poli-
tieen, Herakleides, vor Allem aber Dikaiarchos; leider sämmtlich
nicht auf uns gekommen. Unter den Römern und Byzantinern
sind wenigstens die Verwaltungseinrichtungen des Reiches be-
schrieben worden, wie z. B. von Constantinos Porphyrogenetes.
Besonders aber haben die Araber sich zahlreich mit Erdbeschrei-
bung und dabei auch mit staatlichen Schilderungen beschäftigt,
von welchen uns namentlich Abul-Feda, El-Massudi, Edrisi,
Ibn-Haukal und Ibn-Batuta bekannt worden sind. (S.
Wüstenfeld, Die Literatur der Erdbeschreibung bei den
Arabern, in Lütte's Zeitschr. f. Erdkunde, Heft 1.) Endlich
schlossen sich noch gegen das Ende des Mittelalters Italiäner
mit bereits bewußteren Arbeiten an; so namentlich Aeneas
Silvius Piccolomini (Pius II.), Macchiavelli, namentlich aber
in etwas späterer Zeit Contarini, F. Sansovino u. G. Botero.
In Frankreich zeichneten sich alsdann Peter d'Avity und seine
Fortsetzer, in Holland die elzevirischen Republiken, in Deutsch-
land Sebastian Münster aus.

Jedoch, wie gesagt, erst gegen das 18. Jahrhundert be-
gannen die wissenschaftlich bewußten Bemühungen. Nachdem
schon Herrmann Conring die Staatenkunde zur Universitäts-
wissenschaft gemacht hatte, stellten namentlich Achenwall und
Gatterer die Grundlagen fest, schrieben Toze, A. Baumann
und Büsching ausführlichere statistische Werke. Und da sich
auch allmälig seit dem Ende des 17. Jahrhunderts die poli-
tische Arithmetik mehr und mehr ausbildete und dadurch na-
mentlich die Bevölkerungskunde eine sichere Grundlage bekam,
so nahm sowohl die amtliche Beschäftigung mit dem Zustande
der Staaten, als die statistische Privatschriftstellerei einen immer
größern Aufschwung. Jetzt ist kein irgendwie gesittigtes Land,

ſchaftlicher Abſonderung von Staatsrecht, Politik und Erdbe-
ſchreibung, mit der Schilderung ſtaatlicher und geſellſchaftlicher
Zuſtände beſchäftigt, ſo namentlich Ariſtoteles in ſeinen Poli-
tieen, Herakleides, vor Allem aber Dikaiarchos; leider ſämmtlich
nicht auf uns gekommen. Unter den Römern und Byzantinern
ſind wenigſtens die Verwaltungseinrichtungen des Reiches be-
ſchrieben worden, wie z. B. von Conſtantinos Porphyrogenetes.
Beſonders aber haben die Araber ſich zahlreich mit Erdbeſchrei-
bung und dabei auch mit ſtaatlichen Schilderungen beſchäftigt,
von welchen uns namentlich Abul-Feda, El-Maſſudi, Edriſi,
Ibn-Haukal und Ibn-Batuta bekannt worden ſind. (S.
Wüſtenfeld, Die Literatur der Erdbeſchreibung bei den
Arabern, in Lütte’s Zeitſchr. f. Erdkunde, Heft 1.) Endlich
ſchloſſen ſich noch gegen das Ende des Mittelalters Italiäner
mit bereits bewußteren Arbeiten an; ſo namentlich Aeneas
Silvius Piccolomini (Pius II.), Macchiavelli, namentlich aber
in etwas ſpäterer Zeit Contarini, F. Sanſovino u. G. Botero.
In Frankreich zeichneten ſich alsdann Peter d’Avity und ſeine
Fortſetzer, in Holland die elzeviriſchen Republiken, in Deutſch-
land Sebaſtian Münſter aus.

Jedoch, wie geſagt, erſt gegen das 18. Jahrhundert be-
gannen die wiſſenſchaftlich bewußten Bemühungen. Nachdem
ſchon Herrmann Conring die Staatenkunde zur Univerſitäts-
wiſſenſchaft gemacht hatte, ſtellten namentlich Achenwall und
Gatterer die Grundlagen feſt, ſchrieben Toze, A. Baumann
und Büſching ausführlichere ſtatiſtiſche Werke. Und da ſich
auch allmälig ſeit dem Ende des 17. Jahrhunderts die poli-
tiſche Arithmetik mehr und mehr ausbildete und dadurch na-
mentlich die Bevölkerungskunde eine ſichere Grundlage bekam,
ſo nahm ſowohl die amtliche Beſchäftigung mit dem Zuſtande
der Staaten, als die ſtatiſtiſche Privatſchriftſtellerei einen immer
größern Aufſchwung. Jetzt iſt kein irgendwie geſittigtes Land,

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[741/0755] ſchaftlicher Abſonderung von Staatsrecht, Politik und Erdbe- ſchreibung, mit der Schilderung ſtaatlicher und geſellſchaftlicher Zuſtände beſchäftigt, ſo namentlich Ariſtoteles in ſeinen Poli- tieen, Herakleides, vor Allem aber Dikaiarchos; leider ſämmtlich nicht auf uns gekommen. Unter den Römern und Byzantinern ſind wenigſtens die Verwaltungseinrichtungen des Reiches be- ſchrieben worden, wie z. B. von Conſtantinos Porphyrogenetes. Beſonders aber haben die Araber ſich zahlreich mit Erdbeſchrei- bung und dabei auch mit ſtaatlichen Schilderungen beſchäftigt, von welchen uns namentlich Abul-Feda, El-Maſſudi, Edriſi, Ibn-Haukal und Ibn-Batuta bekannt worden ſind. (S. Wüſtenfeld, Die Literatur der Erdbeſchreibung bei den Arabern, in Lütte’s Zeitſchr. f. Erdkunde, Heft 1.) Endlich ſchloſſen ſich noch gegen das Ende des Mittelalters Italiäner mit bereits bewußteren Arbeiten an; ſo namentlich Aeneas Silvius Piccolomini (Pius II.), Macchiavelli, namentlich aber in etwas ſpäterer Zeit Contarini, F. Sanſovino u. G. Botero. In Frankreich zeichneten ſich alsdann Peter d’Avity und ſeine Fortſetzer, in Holland die elzeviriſchen Republiken, in Deutſch- land Sebaſtian Münſter aus. Jedoch, wie geſagt, erſt gegen das 18. Jahrhundert be- gannen die wiſſenſchaftlich bewußten Bemühungen. Nachdem ſchon Herrmann Conring die Staatenkunde zur Univerſitäts- wiſſenſchaft gemacht hatte, ſtellten namentlich Achenwall und Gatterer die Grundlagen feſt, ſchrieben Toze, A. Baumann und Büſching ausführlichere ſtatiſtiſche Werke. Und da ſich auch allmälig ſeit dem Ende des 17. Jahrhunderts die poli- tiſche Arithmetik mehr und mehr ausbildete und dadurch na- mentlich die Bevölkerungskunde eine ſichere Grundlage bekam, ſo nahm ſowohl die amtliche Beſchäftigung mit dem Zuſtande der Staaten, als die ſtatiſtiſche Privatſchriftſtellerei einen immer größern Aufſchwung. Jetzt iſt kein irgendwie geſittigtes Land,

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/755>, abgerufen am 26.04.2024.