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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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hen, bezeugen, daß man von ihnen die Augen nicht abwen-
den könne, d. h. daß sie, wenn sie etwa in der Mitte des
Sehfeldes sind, mit allen Gegenständen zusammenfallen,
welche bei abwendender Bewegung der Augen in die Seh-
achse fallen. Beobachtungen dieser Art hat Gruithui-
sen
an dem angeführten Orte S. 238, 259 aus eigener
und fremder Erfahrung gesammelt.

68.

Im Traume können wir auch nie die Augen von un-
sern Gesichten abwenden, weil sie in der unbeweglichen
Sehsinnsubstanz selbst sind. Das ist eine Erfahrung, die
sich in allen Sinneserscheinungen des Traumes aus dem-
selbe Grunde wiederhohlt. Wir können nie einem Gefühl,
womit die Vorstellung einer äußern Ursache verknüpft ist, ent-
fliehen, unsere Kräfte verlassen uns eher als dieses Traum-
object unserer Sinne.

69.

Sind die lichten Traumbilder beim Erwachen noch vor-
handen, so behalten sie zwar ihre beständige Oertlichkeit
in dem Sehfelde, bedecken aber mit der Bewegung der Au-
gen immer andere Theile der äußern sichtbaren Welt. "Mir
träumte ich zeige einer Dame die schön violettblaue Farbe
des Flußspathes auf glühenden Kohlen. Dieß Experiment ge-
lang im Traum scheinbar so gut, daß mir davon die Au-
gen wie im Sonnenlichte geblendet wurden. Darüber er-
weckte ich mich, und ich hatte im Auge einen gelben Fleck.
Dieser Fleck wurde endlich violettschwarz, dann öffnete ich
die Augen, da ward er gegen das Fenster gehalten, dunk-
ler als die anderen Stellen des Auges und bewegte sich
genau wie andere Täuschungen im Wachen mit den Augen
über die Gegenstände hin." Gruithuisen, a. a. S.
S. 256.


hen, bezeugen, daß man von ihnen die Augen nicht abwen-
den koͤnne, d. h. daß ſie, wenn ſie etwa in der Mitte des
Sehfeldes ſind, mit allen Gegenſtaͤnden zuſammenfallen,
welche bei abwendender Bewegung der Augen in die Seh-
achſe fallen. Beobachtungen dieſer Art hat Gruithui-
ſen
an dem angefuͤhrten Orte S. 238, 259 aus eigener
und fremder Erfahrung geſammelt.

68.

Im Traume koͤnnen wir auch nie die Augen von un-
ſern Geſichten abwenden, weil ſie in der unbeweglichen
Sehſinnſubſtanz ſelbſt ſind. Das iſt eine Erfahrung, die
ſich in allen Sinneserſcheinungen des Traumes aus dem-
ſelbe Grunde wiederhohlt. Wir koͤnnen nie einem Gefuͤhl,
womit die Vorſtellung einer aͤußern Urſache verknuͤpft iſt, ent-
fliehen, unſere Kraͤfte verlaſſen uns eher als dieſes Traum-
object unſerer Sinne.

69.

Sind die lichten Traumbilder beim Erwachen noch vor-
handen, ſo behalten ſie zwar ihre beſtaͤndige Oertlichkeit
in dem Sehfelde, bedecken aber mit der Bewegung der Au-
gen immer andere Theile der aͤußern ſichtbaren Welt. »Mir
traͤumte ich zeige einer Dame die ſchoͤn violettblaue Farbe
des Flußſpathes auf gluͤhenden Kohlen. Dieß Experiment ge-
lang im Traum ſcheinbar ſo gut, daß mir davon die Au-
gen wie im Sonnenlichte geblendet wurden. Daruͤber er-
weckte ich mich, und ich hatte im Auge einen gelben Fleck.
Dieſer Fleck wurde endlich violettſchwarz, dann oͤffnete ich
die Augen, da ward er gegen das Fenſter gehalten, dunk-
ler als die anderen Stellen des Auges und bewegte ſich
genau wie andere Taͤuſchungen im Wachen mit den Augen
uͤber die Gegenſtaͤnde hin.« Gruithuiſen, a. a. S.
S. 256.


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[36/0052] hen, bezeugen, daß man von ihnen die Augen nicht abwen- den koͤnne, d. h. daß ſie, wenn ſie etwa in der Mitte des Sehfeldes ſind, mit allen Gegenſtaͤnden zuſammenfallen, welche bei abwendender Bewegung der Augen in die Seh- achſe fallen. Beobachtungen dieſer Art hat Gruithui- ſen an dem angefuͤhrten Orte S. 238, 259 aus eigener und fremder Erfahrung geſammelt. 68. Im Traume koͤnnen wir auch nie die Augen von un- ſern Geſichten abwenden, weil ſie in der unbeweglichen Sehſinnſubſtanz ſelbſt ſind. Das iſt eine Erfahrung, die ſich in allen Sinneserſcheinungen des Traumes aus dem- ſelbe Grunde wiederhohlt. Wir koͤnnen nie einem Gefuͤhl, womit die Vorſtellung einer aͤußern Urſache verknuͤpft iſt, ent- fliehen, unſere Kraͤfte verlaſſen uns eher als dieſes Traum- object unſerer Sinne. 69. Sind die lichten Traumbilder beim Erwachen noch vor- handen, ſo behalten ſie zwar ihre beſtaͤndige Oertlichkeit in dem Sehfelde, bedecken aber mit der Bewegung der Au- gen immer andere Theile der aͤußern ſichtbaren Welt. »Mir traͤumte ich zeige einer Dame die ſchoͤn violettblaue Farbe des Flußſpathes auf gluͤhenden Kohlen. Dieß Experiment ge- lang im Traum ſcheinbar ſo gut, daß mir davon die Au- gen wie im Sonnenlichte geblendet wurden. Daruͤber er- weckte ich mich, und ich hatte im Auge einen gelben Fleck. Dieſer Fleck wurde endlich violettſchwarz, dann oͤffnete ich die Augen, da ward er gegen das Fenſter gehalten, dunk- ler als die anderen Stellen des Auges und bewegte ſich genau wie andere Taͤuſchungen im Wachen mit den Augen uͤber die Gegenſtaͤnde hin.« Gruithuiſen, a. a. S. S. 256.

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/52>, abgerufen am 26.04.2024.