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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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2.

Um fürs erste eine Gränzbestimmung aufzustel-
len, die wir hernach genauer modificiren können, so
nennen wir den Gebirgszug, der sich vom Olymp gegen
Westen bis an das Akrokeraunische Gebirg erstreckt,
die Kambunischen Berge und den Lakmon inbegreift, und
in der Mitte einen Knoten mit dem von Nord nach
Süd streichenden Pindos bildet. Der westliche Theil
dieser Kette trennt die letzten Griechenstämme von der
großen Illyrischen Nation, die rückwärts bis an die
Kelten in Süddeutschland reichte. Jeder Aufschluß über
den Zusammenhang, die Eigenthümlichkeit und den
Sprachstamm dieses Volkes wird überaus willkommen
sein, und die Dialekte der Albanesen, besonders in den
Gebirgen, wo sich das Ursprüngliche unvermischter er-
halten, werden zur Forschung Stoff geben 1. Bis zur
Ausmittlung des nähern Verhältnisses sind sie für uns
nur nördliche Gränze des Griechenvolks, von dem sie
an Sprache und Sitte nationell verschieden waren.

3.

Makedonien hatte mit den Illyrischen Stäm-
men einen Theil der Sprache und die Tracht der Chlamys
sowohl als des Haares gemein 2, woraus ganz deut-
lich erhellet, daß die Makedonier zur Illyrischen Na-
tion gehörten 3. Indessen ist kein Zweifel, daß Grie-
chen hier Ureinwohner waren. Die Ebnen von Ema-
thien, der schönste Theil des Landes, waren Sitz der
Pelasger 4, die nach Herodot auch Kreston oberhalb
Chalkidike inne hatten, wohin sie aus Thessaliotis ge-

1 S. besonders Pouqueville's Verzeichniß albanesischer Worte.
Vgl. Thunmanns Gesch. der Europ. Völker S. 250.
2 Str.
7, 327. a.
3 Illyrische Worte bei den Makedoniern: sauadai
Silenen in Maked. deuadai illyrisch. dramis Brodt Maked. dra-
mikes bei den Athamanen. Band 1. S. 254. vgl. Hesych. ba-
tara. S. die fleißige Sammlung bei Sturz de dial. Mace-
donica.
4 Justin 7, 1. vgl. Aesch. Iket. 261.
2.

Um fuͤrs erſte eine Graͤnzbeſtimmung aufzuſtel-
len, die wir hernach genauer modificiren koͤnnen, ſo
nennen wir den Gebirgszug, der ſich vom Olymp gegen
Weſten bis an das Akrokerauniſche Gebirg erſtreckt,
die Kambuniſchen Berge und den Lakmon inbegreift, und
in der Mitte einen Knoten mit dem von Nord nach
Suͤd ſtreichenden Pindos bildet. Der weſtliche Theil
dieſer Kette trennt die letzten Griechenſtaͤmme von der
großen Illyriſchen Nation, die ruͤckwaͤrts bis an die
Kelten in Suͤddeutſchland reichte. Jeder Aufſchluß uͤber
den Zuſammenhang, die Eigenthuͤmlichkeit und den
Sprachſtamm dieſes Volkes wird uͤberaus willkommen
ſein, und die Dialekte der Albaneſen, beſonders in den
Gebirgen, wo ſich das Urſpruͤngliche unvermiſchter er-
halten, werden zur Forſchung Stoff geben 1. Bis zur
Ausmittlung des naͤhern Verhaͤltniſſes ſind ſie fuͤr uns
nur noͤrdliche Graͤnze des Griechenvolks, von dem ſie
an Sprache und Sitte nationell verſchieden waren.

3.

Makedonien hatte mit den Illyriſchen Staͤm-
men einen Theil der Sprache und die Tracht der Chlamys
ſowohl als des Haares gemein 2, woraus ganz deut-
lich erhellet, daß die Makedonier zur Illyriſchen Na-
tion gehoͤrten 3. Indeſſen iſt kein Zweifel, daß Grie-
chen hier Ureinwohner waren. Die Ebnen von Ema-
thien, der ſchoͤnſte Theil des Landes, waren Sitz der
Pelasger 4, die nach Herodot auch Kreſton oberhalb
Chalkidike inne hatten, wohin ſie aus Theſſaliotis ge-

1 S. beſonders Pouqueville’s Verzeichniß albaneſiſcher Worte.
Vgl. Thunmanns Geſch. der Europ. Voͤlker S. 250.
2 Str.
7, 327. a.
3 Illyriſche Worte bei den Makedoniern: σαυάδαι
Silenen in Maked. δευάδαι illyriſch. δϱάμις Brodt Maked. δϱά-
μικες bei den Athamanen. Band 1. S. 254. vgl. Heſych. βα-
τἀϱα. S. die fleißige Sammlung bei Sturz de dial. Mace-
donica.
4 Juſtin 7, 1. vgl. Aeſch. Ἱκετ. 261.
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[2/0032] 2. Um fuͤrs erſte eine Graͤnzbeſtimmung aufzuſtel- len, die wir hernach genauer modificiren koͤnnen, ſo nennen wir den Gebirgszug, der ſich vom Olymp gegen Weſten bis an das Akrokerauniſche Gebirg erſtreckt, die Kambuniſchen Berge und den Lakmon inbegreift, und in der Mitte einen Knoten mit dem von Nord nach Suͤd ſtreichenden Pindos bildet. Der weſtliche Theil dieſer Kette trennt die letzten Griechenſtaͤmme von der großen Illyriſchen Nation, die ruͤckwaͤrts bis an die Kelten in Suͤddeutſchland reichte. Jeder Aufſchluß uͤber den Zuſammenhang, die Eigenthuͤmlichkeit und den Sprachſtamm dieſes Volkes wird uͤberaus willkommen ſein, und die Dialekte der Albaneſen, beſonders in den Gebirgen, wo ſich das Urſpruͤngliche unvermiſchter er- halten, werden zur Forſchung Stoff geben 1. Bis zur Ausmittlung des naͤhern Verhaͤltniſſes ſind ſie fuͤr uns nur noͤrdliche Graͤnze des Griechenvolks, von dem ſie an Sprache und Sitte nationell verſchieden waren. 3. Makedonien hatte mit den Illyriſchen Staͤm- men einen Theil der Sprache und die Tracht der Chlamys ſowohl als des Haares gemein 2, woraus ganz deut- lich erhellet, daß die Makedonier zur Illyriſchen Na- tion gehoͤrten 3. Indeſſen iſt kein Zweifel, daß Grie- chen hier Ureinwohner waren. Die Ebnen von Ema- thien, der ſchoͤnſte Theil des Landes, waren Sitz der Pelasger 4, die nach Herodot auch Kreſton oberhalb Chalkidike inne hatten, wohin ſie aus Theſſaliotis ge- 1 S. beſonders Pouqueville’s Verzeichniß albaneſiſcher Worte. Vgl. Thunmanns Geſch. der Europ. Voͤlker S. 250. 2 Str. 7, 327. a. 3 Illyriſche Worte bei den Makedoniern: σαυάδαι Silenen in Maked. δευάδαι illyriſch. δϱάμις Brodt Maked. δϱά- μικες bei den Athamanen. Band 1. S. 254. vgl. Heſych. βα- τἀϱα. S. die fleißige Sammlung bei Sturz de dial. Mace- donica. 4 Juſtin 7, 1. vgl. Aeſch. Ἱκετ. 261.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/32>, abgerufen am 26.04.2024.