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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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nende Menge von Sprüchwörtern 1 -- andrerseits
durch ungemeinen Verstand in der Andeutung feinerer
Züge und in der Durchführung der aufgefaßten Cha-
raktere, ohne den er auch dem Platon nicht so lieb,
und sein Studium für die Composition der Sokrati-
schen Dialoge so wichtig hätte werden können, als er
es nach guten Zeugnissen wirklich geworden ist: so daß
man nun in der That die Scenerie dieser Dialoge mit
den Theokritischen Gedichten, die wir als bestimmte
Nachbildung weiblicher Mimen des Sophron kennen,
zusammenhalten muß, um einen angemessnen Begriff
von jenen Meisterwerken zu gewinnen. Zu dem Ta-
lente der Darstellung muß aber auch, um es zu leiten
und zu richten, ein gediegnes ethisches Streben hinzu-
gekommen sein; es ist wahrscheinlich, daß es in den
mimois spokdaiois überwog, und in den geloiois mehr
in den Hintergrund trat. Das Geschlecht der Areta-
logen und Ethologen, die ursprünglich viel von Tugend
und Sitte redeten, aber allgemach zu trivialen Lustig-
machern herabsanken, scheint auch aus Sicilien zu
stammen, und schloß sich hier vielleicht durch manche
Mittelglieder an Sophron an 2.

6.

Im Ganzen hatte der Dorische Stamm of-
fenbar weniger Geschick und Neigung als der Attische,

1 S. Demetr. de eloc. 156. vgl. 127. 162. Ulpian zu
Demosth. Olynth. p. 36. vgl. Apollodor tois peri Sophronos
Frgm. p. 438 sq. Heyne. Sophron hatte auch häufig sog. ob-
scene Allegorieen, wie in dem Frgm. eines mimos andreios bei De-
metr. de eloc. 151. wo zum Verständnisse dient, daß agkura auch
bei Epicharm to aidoion hieß. Bekk. Anecd. 1. p. 209, 27.
2 Vgl. über Sophron indeß die Nachweisungen von Fabric. Bibl.
Gr. 2. p. 493 sq.
Harl. und C. J. Blomfields Anfang einer
Fragmentsammlung im Class. Journal T. 4. n. 8. p. 380.

nende Menge von Spruͤchwoͤrtern 1 — andrerſeits
durch ungemeinen Verſtand in der Andeutung feinerer
Zuͤge und in der Durchfuͤhrung der aufgefaßten Cha-
raktere, ohne den er auch dem Platon nicht ſo lieb,
und ſein Studium fuͤr die Compoſition der Sokrati-
ſchen Dialoge ſo wichtig haͤtte werden koͤnnen, als er
es nach guten Zeugniſſen wirklich geworden iſt: ſo daß
man nun in der That die Scenerie dieſer Dialoge mit
den Theokritiſchen Gedichten, die wir als beſtimmte
Nachbildung weiblicher Mimen des Sophron kennen,
zuſammenhalten muß, um einen angemeſſnen Begriff
von jenen Meiſterwerken zu gewinnen. Zu dem Ta-
lente der Darſtellung muß aber auch, um es zu leiten
und zu richten, ein gediegnes ethiſches Streben hinzu-
gekommen ſein; es iſt wahrſcheinlich, daß es in den
μίμοις σποκδαίοις uͤberwog, und in den γελοίοις mehr
in den Hintergrund trat. Das Geſchlecht der Areta-
logen und Ethologen, die urſpruͤnglich viel von Tugend
und Sitte redeten, aber allgemach zu trivialen Luſtig-
machern herabſanken, ſcheint auch aus Sicilien zu
ſtammen, und ſchloß ſich hier vielleicht durch manche
Mittelglieder an Sophron an 2.

6.

Im Ganzen hatte der Doriſche Stamm of-
fenbar weniger Geſchick und Neigung als der Attiſche,

1 S. Demetr. de eloc. 156. vgl. 127. 162. Ulpian zu
Demoſth. Olynth. p. 36. vgl. Apollodor τοῖς πεϱὶ Σώφϱονος
Frgm. p. 438 sq. Heyne. Sophron hatte auch haͤufig ſog. ob-
ſcene Allegorieen, wie in dem Frgm. eines μῖμος ἀνδϱεῖος bei De-
metr. de eloc. 151. wo zum Verſtaͤndniſſe dient, daß ἄγκυϱα auch
bei Epicharm τὸ αἰδοῖον hieß. Bekk. Anecd. 1. p. 209, 27.
2 Vgl. uͤber Sophron indeß die Nachweiſungen von Fabric. Bibl.
Gr. 2. p. 493 sq.
Harl. und C. J. Blomfields Anfang einer
Fragmentſammlung im Class. Journal T. 4. n. 8. p. 380.
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[363/0369] nende Menge von Spruͤchwoͤrtern 1 — andrerſeits durch ungemeinen Verſtand in der Andeutung feinerer Zuͤge und in der Durchfuͤhrung der aufgefaßten Cha- raktere, ohne den er auch dem Platon nicht ſo lieb, und ſein Studium fuͤr die Compoſition der Sokrati- ſchen Dialoge ſo wichtig haͤtte werden koͤnnen, als er es nach guten Zeugniſſen wirklich geworden iſt: ſo daß man nun in der That die Scenerie dieſer Dialoge mit den Theokritiſchen Gedichten, die wir als beſtimmte Nachbildung weiblicher Mimen des Sophron kennen, zuſammenhalten muß, um einen angemeſſnen Begriff von jenen Meiſterwerken zu gewinnen. Zu dem Ta- lente der Darſtellung muß aber auch, um es zu leiten und zu richten, ein gediegnes ethiſches Streben hinzu- gekommen ſein; es iſt wahrſcheinlich, daß es in den μίμοις σποκδαίοις uͤberwog, und in den γελοίοις mehr in den Hintergrund trat. Das Geſchlecht der Areta- logen und Ethologen, die urſpruͤnglich viel von Tugend und Sitte redeten, aber allgemach zu trivialen Luſtig- machern herabſanken, ſcheint auch aus Sicilien zu ſtammen, und ſchloß ſich hier vielleicht durch manche Mittelglieder an Sophron an 2. 6. Im Ganzen hatte der Doriſche Stamm of- fenbar weniger Geſchick und Neigung als der Attiſche, 1 S. Demetr. de eloc. 156. vgl. 127. 162. Ulpian zu Demoſth. Olynth. p. 36. vgl. Apollodor τοῖς πεϱὶ Σώφϱονος Frgm. p. 438 sq. Heyne. Sophron hatte auch haͤufig ſog. ob- ſcene Allegorieen, wie in dem Frgm. eines μῖμος ἀνδϱεῖος bei De- metr. de eloc. 151. wo zum Verſtaͤndniſſe dient, daß ἄγκυϱα auch bei Epicharm τὸ αἰδοῖον hieß. Bekk. Anecd. 1. p. 209, 27. 2 Vgl. uͤber Sophron indeß die Nachweiſungen von Fabric. Bibl. Gr. 2. p. 493 sq. Harl. und C. J. Blomfields Anfang einer Fragmentſammlung im Class. Journal T. 4. n. 8. p. 380.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/369>, abgerufen am 26.04.2024.