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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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sche Besatzung auf der Burg von Rhodos. Aus diesen
Unruhen und Partheiungen keimte eine Verfassung für
die Rhodier, in der, so viel wir urtheilen können,
Demokratie vorherrschte, obgleich die geringe Anzahl
und hohe Gewalt der Prytanen auch auf ein aristokra-
tisches Element hinweist. Nach der Beschreibung, die
Cicero dem jüngern Scipio in den Mund legt, gehörten
damals alle Mitglieder des Raths auch (in demselben
Jahre) zur Volksversammlung, und saßen nach Mona-
ten abwechselnd (wahrscheinlich in sechsmonatlichen Zeit-
räumen, wie die Prytanen) im Rathe und unter dem
Volke; in beiden Funktionen aber empfingen sie Lohn
(conventitium); auch richteten dieselben bald unter
dem Volke im Theater, bald im Rathe über Criminal-
und andere Sachen 1. Mit diesen Angaben ist freilich
nicht ohne Schwierigkeit Strabons Ansicht dieser Ver-
fassung zu vereinigen, und doch spricht dieser Schrift-
steller ebenfalls gewiß von der Zeit vor Cassius Erobe-
rung von Rhodos, also ziemlich derselben: "die Rho-
dier sorgten, obgleich nicht demokratisch regiert, doch
sehr für das Volk, um die Menge der Armen im
Staate zu erhalten; sie versähen es mit Korn, und
die Reichen unterstützten die Armen nach einer alten
Sitte; auch gäbe es Liturgien, die das Volk mit
Fleisch beköstigten" u. s. w. 2. Es muß, ungeachtet
der demokratischen Einrichtung der Bule, manches Amt,
vielleicht besonders die administrativen, wie die Aufsicht
über das Schiffswesen, oligarchisch verwaltet worden
sein; auch beweist die innere Ruhe zu Rhodos in die-
sem Zeitraume gegen unbedingte Demokratie. Dabei

1 wenn ich de repub. 3, 35. recht verstehe. vgl. 1, 31.
und die spätern Spuren der Verfassung bei Aristid. Rhod. de conc.
2. p. 385.
und Dio Chrysost. Or. 31. hie u. da.
2 Str.
14, 653 a.

ſche Beſatzung auf der Burg von Rhodos. Aus dieſen
Unruhen und Partheiungen keimte eine Verfaſſung fuͤr
die Rhodier, in der, ſo viel wir urtheilen koͤnnen,
Demokratie vorherrſchte, obgleich die geringe Anzahl
und hohe Gewalt der Prytanen auch auf ein ariſtokra-
tiſches Element hinweist. Nach der Beſchreibung, die
Cicero dem juͤngern Scipio in den Mund legt, gehoͤrten
damals alle Mitglieder des Raths auch (in demſelben
Jahre) zur Volksverſammlung, und ſaßen nach Mona-
ten abwechſelnd (wahrſcheinlich in ſechsmonatlichen Zeit-
raͤumen, wie die Prytanen) im Rathe und unter dem
Volke; in beiden Funktionen aber empfingen ſie Lohn
(conventitium); auch richteten dieſelben bald unter
dem Volke im Theater, bald im Rathe uͤber Criminal-
und andere Sachen 1. Mit dieſen Angaben iſt freilich
nicht ohne Schwierigkeit Strabons Anſicht dieſer Ver-
faſſung zu vereinigen, und doch ſpricht dieſer Schrift-
ſteller ebenfalls gewiß von der Zeit vor Caſſius Erobe-
rung von Rhodos, alſo ziemlich derſelben: “die Rho-
dier ſorgten, obgleich nicht demokratiſch regiert, doch
ſehr fuͤr das Volk, um die Menge der Armen im
Staate zu erhalten; ſie verſaͤhen es mit Korn, und
die Reichen unterſtuͤtzten die Armen nach einer alten
Sitte; auch gaͤbe es Liturgien, die das Volk mit
Fleiſch bekoͤſtigten” u. ſ. w. 2. Es muß, ungeachtet
der demokratiſchen Einrichtung der Bule, manches Amt,
vielleicht beſonders die adminiſtrativen, wie die Aufſicht
uͤber das Schiffsweſen, oligarchiſch verwaltet worden
ſein; auch beweist die innere Ruhe zu Rhodos in die-
ſem Zeitraume gegen unbedingte Demokratie. Dabei

1 wenn ich de repub. 3, 35. recht verſtehe. vgl. 1, 31.
und die ſpaͤtern Spuren der Verfaſſung bei Ariſtid. Rhod. de conc.
2. p. 385.
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2 Str.
14, 653 a.
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[150/0156] ſche Beſatzung auf der Burg von Rhodos. Aus dieſen Unruhen und Partheiungen keimte eine Verfaſſung fuͤr die Rhodier, in der, ſo viel wir urtheilen koͤnnen, Demokratie vorherrſchte, obgleich die geringe Anzahl und hohe Gewalt der Prytanen auch auf ein ariſtokra- tiſches Element hinweist. Nach der Beſchreibung, die Cicero dem juͤngern Scipio in den Mund legt, gehoͤrten damals alle Mitglieder des Raths auch (in demſelben Jahre) zur Volksverſammlung, und ſaßen nach Mona- ten abwechſelnd (wahrſcheinlich in ſechsmonatlichen Zeit- raͤumen, wie die Prytanen) im Rathe und unter dem Volke; in beiden Funktionen aber empfingen ſie Lohn (conventitium); auch richteten dieſelben bald unter dem Volke im Theater, bald im Rathe uͤber Criminal- und andere Sachen 1. Mit dieſen Angaben iſt freilich nicht ohne Schwierigkeit Strabons Anſicht dieſer Ver- faſſung zu vereinigen, und doch ſpricht dieſer Schrift- ſteller ebenfalls gewiß von der Zeit vor Caſſius Erobe- rung von Rhodos, alſo ziemlich derſelben: “die Rho- dier ſorgten, obgleich nicht demokratiſch regiert, doch ſehr fuͤr das Volk, um die Menge der Armen im Staate zu erhalten; ſie verſaͤhen es mit Korn, und die Reichen unterſtuͤtzten die Armen nach einer alten Sitte; auch gaͤbe es Liturgien, die das Volk mit Fleiſch bekoͤſtigten” u. ſ. w. 2. Es muß, ungeachtet der demokratiſchen Einrichtung der Bule, manches Amt, vielleicht beſonders die adminiſtrativen, wie die Aufſicht uͤber das Schiffsweſen, oligarchiſch verwaltet worden ſein; auch beweist die innere Ruhe zu Rhodos in die- ſem Zeitraume gegen unbedingte Demokratie. Dabei 1 wenn ich de repub. 3, 35. recht verſtehe. vgl. 1, 31. und die ſpaͤtern Spuren der Verfaſſung bei Ariſtid. Rhod. de conc. 2. p. 385. und Dio Chryſoſt. Or. 31. hie u. da. 2 Str. 14, 653 a.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/156>, abgerufen am 26.04.2024.