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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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derselben Familie 1, Periandros folgte, der, da er sei-
nen Buhlknaben beim Trunk scheußlicher Weise fragte:
"ob er noch nicht von ihm schwanger sei?" von dessen
Blutsfreunden erschlagen wurde 2: Das Volk hatte
an dem Aufstande Theil genommen, und zog nun die
höchste Gewalt an sich 3: zuerst indeß nach einer Cen-
susverfassung, die aber unvermerkt, des niedrigen An-
satzes des zur Regierung befähigenden Vermögens we-
gen, in Demokratie überging 4.

In dem ebenfalls Korinthischen Leukadien wa-
ren von Anfang die großen Grundstücke unveräußerlich
in Besitz der Aristokraten: als die Unveräußerlichkeit
aufgehoben wurde, hörte man auch auf, zur Verwal-
tung der Magistrate einen bestimmten Census zu for-
dern, wodurch die Demokratie überhand nahm 5.

Korinthier und Korkyräer hatten Epidamnos
gegründet, und ein Heraklide, Phalios, aus der Me-
tropolis, hatte die Colonie geführt. Man darf nicht
zweifeln, daß die Gründer von den besten Ländereien

1 Wenn Perlandros Sohn des Gorgos war, und dieser (nach
Anton. Lib.) Bruder des Kypselos: so hat Neanthes von Kyzikos
(bei Diog. L. 1, 98.) recht, daß die beiden Periander anepsioi wa-
ren. Doch hat die Bd. 2. S. 117. angenommene Meinung auch
ihre Gründe für sich. Nach jener wäre die Genealogie
[Tabelle]
und dann könnte man auch Psammetichos als Sohn desselben Gor-
gias (Gordias) ansehn, ohne das Orakel bei Herod. 5, 92. Lügen
zu strafen.
2 Aristot. 5, 8, 9. Plut. Erot. 23. p. 60.
3 5, 3, 6. Auch halfen die Spartiaten zur Aufhebung der Ty-
rannis. Bd. 2. S. 171.
4 Arist. 5, 2, 9. Nach Anton.
Lib. 4. herrschte zu Ambrakia auch ein Tyrann Phaläkos, gegen
den ein Volksaufstand durch ein Orakel des Apoll veranlaßt wurde,
den die Ambrakloten als Urheber ihrer eunomia ansahen.
5 2,
4, 4.

derſelben Familie 1, Periandros folgte, der, da er ſei-
nen Buhlknaben beim Trunk ſcheußlicher Weiſe fragte:
“ob er noch nicht von ihm ſchwanger ſei?” von deſſen
Blutsfreunden erſchlagen wurde 2: Das Volk hatte
an dem Aufſtande Theil genommen, und zog nun die
hoͤchſte Gewalt an ſich 3: zuerſt indeß nach einer Cen-
ſusverfaſſung, die aber unvermerkt, des niedrigen An-
ſatzes des zur Regierung befaͤhigenden Vermoͤgens we-
gen, in Demokratie uͤberging 4.

In dem ebenfalls Korinthiſchen Leukadien wa-
ren von Anfang die großen Grundſtuͤcke unveraͤußerlich
in Beſitz der Ariſtokraten: als die Unveraͤußerlichkeit
aufgehoben wurde, hoͤrte man auch auf, zur Verwal-
tung der Magiſtrate einen beſtimmten Cenſus zu for-
dern, wodurch die Demokratie uͤberhand nahm 5.

Korinthier und Korkyraͤer hatten Epidamnos
gegruͤndet, und ein Heraklide, Phalios, aus der Me-
tropolis, hatte die Colonie gefuͤhrt. Man darf nicht
zweifeln, daß die Gruͤnder von den beſten Laͤndereien

1 Wenn Perlandros Sohn des Gorgos war, und dieſer (nach
Anton. Lib.) Bruder des Kypſelos: ſo hat Neanthes von Kyzikos
(bei Diog. L. 1, 98.) recht, daß die beiden Periander ἀνεψιοὶ wa-
ren. Doch hat die Bd. 2. S. 117. angenommene Meinung auch
ihre Gruͤnde fuͤr ſich. Nach jener waͤre die Genealogie
[Tabelle]
und dann koͤnnte man auch Pſammetichos als Sohn deſſelben Gor-
gias (Gordias) anſehn, ohne das Orakel bei Herod. 5, 92. Luͤgen
zu ſtrafen.
2 Ariſtot. 5, 8, 9. Plut. Erot. 23. p. 60.
3 5, 3, 6. Auch halfen die Spartiaten zur Aufhebung der Ty-
rannis. Bd. 2. S. 171.
4 Ariſt. 5, 2, 9. Nach Anton.
Lib. 4. herrſchte zu Ambrakia auch ein Tyrann Phalaͤkos, gegen
den ein Volksaufſtand durch ein Orakel des Apoll veranlaßt wurde,
den die Ambrakloten als Urheber ihrer εὐνομία anſahen.
5 2,
4, 4.
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[155/0161] derſelben Familie 1, Periandros folgte, der, da er ſei- nen Buhlknaben beim Trunk ſcheußlicher Weiſe fragte: “ob er noch nicht von ihm ſchwanger ſei?” von deſſen Blutsfreunden erſchlagen wurde 2: Das Volk hatte an dem Aufſtande Theil genommen, und zog nun die hoͤchſte Gewalt an ſich 3: zuerſt indeß nach einer Cen- ſusverfaſſung, die aber unvermerkt, des niedrigen An- ſatzes des zur Regierung befaͤhigenden Vermoͤgens we- gen, in Demokratie uͤberging 4. In dem ebenfalls Korinthiſchen Leukadien wa- ren von Anfang die großen Grundſtuͤcke unveraͤußerlich in Beſitz der Ariſtokraten: als die Unveraͤußerlichkeit aufgehoben wurde, hoͤrte man auch auf, zur Verwal- tung der Magiſtrate einen beſtimmten Cenſus zu for- dern, wodurch die Demokratie uͤberhand nahm 5. Korinthier und Korkyraͤer hatten Epidamnos gegruͤndet, und ein Heraklide, Phalios, aus der Me- tropolis, hatte die Colonie gefuͤhrt. Man darf nicht zweifeln, daß die Gruͤnder von den beſten Laͤndereien 1 Wenn Perlandros Sohn des Gorgos war, und dieſer (nach Anton. Lib.) Bruder des Kypſelos: ſo hat Neanthes von Kyzikos (bei Diog. L. 1, 98.) recht, daß die beiden Periander ἀνεψιοὶ wa- ren. Doch hat die Bd. 2. S. 117. angenommene Meinung auch ihre Gruͤnde fuͤr ſich. Nach jener waͤre die Genealogie und dann koͤnnte man auch Pſammetichos als Sohn deſſelben Gor- gias (Gordias) anſehn, ohne das Orakel bei Herod. 5, 92. Luͤgen zu ſtrafen. 2 Ariſtot. 5, 8, 9. Plut. Erot. 23. p. 60. 3 5, 3, 6. Auch halfen die Spartiaten zur Aufhebung der Ty- rannis. Bd. 2. S. 171. 4 Ariſt. 5, 2, 9. Nach Anton. Lib. 4. herrſchte zu Ambrakia auch ein Tyrann Phalaͤkos, gegen den ein Volksaufſtand durch ein Orakel des Apoll veranlaßt wurde, den die Ambrakloten als Urheber ihrer εὐνομία anſahen. 5 2, 4, 4.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/161>, abgerufen am 26.04.2024.