Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

der Fall ist. Daß sie aber im Leben der Hellenen
nicht isolirt und unverbunden stand, mögen wir vorn-
weg annehmen; dessen Geist war es ohne Zweifel an-
gemessen, auf dem Uebergange von metrischer zu unge-
bundner Rede eine Mittelform hervor zu bringen 1;
namentlich bedurfte der Dorische Sinn für Maaß,
Gesetz, abgerundete und geschlossne Form einer solchen,
um so mehr als ihm periodisches Reden weit fremder
war als dem Jonisch-Attischen. Auf diesen Gedan-
ken führt uns eigentlich die Betrachtung einiger Denk-
male Lakonischer Rede, in denen Niemand das Rhyth-
mische und die Symmetrie der Sätze verkennen wird.
So in dem bekannten Briefe des Hippokrates 2

eRRei ta kala. Mindaros g apessoua ;
peinonti tondres ; aporeomes ti khre dran

und dem der Lakäna bei Plutarch 3
kaka teu phama kakkekhutai ;
tautan apotheu, e me eso.

wo der Rhythmus unbewußt in den Vers übergeht,
was in andern Fällen minder statt findet 4. -- Ob

1 Daher auch in ältern Inschr. öfter Stücke von Hexame-
tern vorkommen.
2 Xen. H. 1, 23. Plut. Alkib. 28. Eu-
stath. zu Hom. Il. 1, 63, 1. Apostol. 9, 2. Vgl. Valcken. ad Adon. p.
264. Aber daß Hippokrates absichtlich zwei Skazonten hätte
machen wollen, wäre sehr komisch.
3 Bei Plut. Lacaen.
ap. p.
260. teu und apotheu nach Valck. p. 260. der einige Brie-
se zusammenstellt, die dasselbe etwas anders sagen.
4 Man
vergleiche damit z. B. das Fragment von Sophron bei Demetr.
151., vollständiger bei Athen. 3, 86. vgl. Toup. Cur. nov. in
Suid. p.
113.
tines d enti poka, phila, taide toi
makrai kogkhai; B. solenes,
touti ga glukukreon kogkhulion
kheran gunaikon likhneuma.

der Fall iſt. Daß ſie aber im Leben der Hellenen
nicht iſolirt und unverbunden ſtand, moͤgen wir vorn-
weg annehmen; deſſen Geiſt war es ohne Zweifel an-
gemeſſen, auf dem Uebergange von metriſcher zu unge-
bundner Rede eine Mittelform hervor zu bringen 1;
namentlich bedurfte der Doriſche Sinn fuͤr Maaß,
Geſetz, abgerundete und geſchloſſne Form einer ſolchen,
um ſo mehr als ihm periodiſches Reden weit fremder
war als dem Joniſch-Attiſchen. Auf dieſen Gedan-
ken fuͤhrt uns eigentlich die Betrachtung einiger Denk-
male Lakoniſcher Rede, in denen Niemand das Rhyth-
miſche und die Symmetrie der Saͤtze verkennen wird.
So in dem bekannten Briefe des Hippokrates 2

ἔῤῥει τὰ καλά. Μίνδαϱος γ̛ ἀπεσσούα ·
πεινῶντι τὤνδρες · ἀποϱέομες τί χρὴ δρᾶν

und dem der Lakaͤna bei Plutarch 3
κακὰ τεῦ φάμα κακκέχυται ·
ταύταν ἀπωθεῦ, ἢ μὴ ἔσο.

wo der Rhythmus unbewußt in den Vers uͤbergeht,
was in andern Faͤllen minder ſtatt findet 4. — Ob

1 Daher auch in aͤltern Inſchr. oͤfter Stuͤcke von Hexame-
tern vorkommen.
2 Xen. H. 1, 23. Plut. Alkib. 28. Eu-
ſtath. zu Hom. Il. 1, 63, 1. Apoſtol. 9, 2. Vgl. Valcken. ad Adon. p.
264. Aber daß Hippokrates abſichtlich zwei Skazonten haͤtte
machen wollen, waͤre ſehr komiſch.
3 Bei Plut. Lacaen.
ap. p.
260. τεῦ und ἀπωθεῦ nach Valck. p. 260. der einige Brie-
ſe zuſammenſtellt, die daſſelbe etwas anders ſagen.
4 Man
vergleiche damit z. B. das Fragment von Sophron bei Demetr.
151., vollſtaͤndiger bei Athen. 3, 86. vgl. Toup. Cur. nov. in
Suid. p.
113.
τίνες δ̛ ἐντί ποκα, φίλα, ταίδε τοι
μακϱαὶ κόγχαι; Β. σωλῆνες,
τουτί γα γλυκύκϱεων κογχύλιον
χηϱᾶν γυναικῶν λίχνευμα.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0367" n="361"/>
der Fall i&#x017F;t. Daß &#x017F;ie aber im Leben der Hellenen<lb/>
nicht i&#x017F;olirt und unverbunden &#x017F;tand, mo&#x0364;gen wir vorn-<lb/>
weg annehmen; de&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;t war es ohne Zweifel an-<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;en, auf dem Uebergange von metri&#x017F;cher zu unge-<lb/>
bundner Rede eine Mittelform hervor zu bringen <note place="foot" n="1">Daher auch in a&#x0364;ltern In&#x017F;chr. o&#x0364;fter Stu&#x0364;cke von Hexame-<lb/>
tern vorkommen.</note>;<lb/>
namentlich bedurfte der Dori&#x017F;che Sinn fu&#x0364;r Maaß,<lb/>
Ge&#x017F;etz, abgerundete und ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ne Form einer &#x017F;olchen,<lb/>
um &#x017F;o mehr als ihm periodi&#x017F;ches Reden weit fremder<lb/>
war als dem Joni&#x017F;ch-Atti&#x017F;chen. Auf die&#x017F;en Gedan-<lb/>
ken fu&#x0364;hrt uns eigentlich die Betrachtung einiger Denk-<lb/>
male Lakoni&#x017F;cher Rede, in denen Niemand das Rhyth-<lb/>
mi&#x017F;che und die Symmetrie der Sa&#x0364;tze verkennen wird.<lb/>
So in dem bekannten Briefe des Hippokrates <note place="foot" n="2">Xen. H. 1, 23. Plut. Alkib. 28. Eu-<lb/>
&#x017F;tath. zu Hom. Il. 1, 63, 1. Apo&#x017F;tol. 9, 2. Vgl. Valcken. <hi rendition="#aq">ad Adon. p.</hi><lb/>
264. Aber daß Hippokrates ab&#x017F;ichtlich <hi rendition="#g">zwei Skazonten</hi> ha&#x0364;tte<lb/>
machen wollen, wa&#x0364;re &#x017F;ehr komi&#x017F;ch.</note><lb/><lg type="poem"><l>&#x1F14;&#x1FE4;&#x1FE5;&#x03B5;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F70; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AC;. &#x039C;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B4;&#x03B1;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B3;&#x031B; &#x1F00;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C3;&#x03C3;&#x03BF;&#x03CD;&#x03B1; &#x0387;</l><lb/><l>&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;&#x1FF6;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F64;&#x03BD;&#x03B4;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C2; &#x0387; &#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03F1;&#x03AD;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B5;&#x03C2; &#x03C4;&#x03AF; &#x03C7;&#x03C1;&#x1F74; &#x03B4;&#x03C1;&#x1FB6;&#x03BD;</l></lg><lb/>
und dem der Laka&#x0364;na bei Plutarch <note place="foot" n="3">Bei Plut. <hi rendition="#aq">Lacaen.<lb/>
ap. p.</hi> 260. &#x03C4;&#x03B5;&#x1FE6; und &#x1F00;&#x03C0;&#x03C9;&#x03B8;&#x03B5;&#x1FE6; nach Valck. <hi rendition="#aq">p.</hi> 260. der einige Brie-<lb/>
&#x017F;e zu&#x017F;ammen&#x017F;tellt, die da&#x017F;&#x017F;elbe etwas anders &#x017F;agen.</note><lb/><lg type="poem"><l>&#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x1F70; &#x03C4;&#x03B5;&#x1FE6; &#x03C6;&#x03AC;&#x03BC;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x03BA;&#x03AD;&#x03C7;&#x03C5;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x0387;</l><lb/><l>&#x03C4;&#x03B1;&#x03CD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BD; &#x1F00;&#x03C0;&#x03C9;&#x03B8;&#x03B5;&#x1FE6;, &#x1F22; &#x03BC;&#x1F74; &#x1F14;&#x03C3;&#x03BF;.</l></lg><lb/>
wo der Rhythmus unbewußt in den Vers u&#x0364;bergeht,<lb/>
was in andern Fa&#x0364;llen minder &#x017F;tatt findet <note place="foot" n="4">Man<lb/>
vergleiche damit z. B. das Fragment von Sophron bei Demetr.<lb/>
151., voll&#x017F;ta&#x0364;ndiger bei Athen. 3, 86. vgl. Toup. <hi rendition="#aq">Cur. nov. in<lb/>
Suid. p.</hi> 113.<lb/><lg type="poem"><l>&#x03C4;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2; &#x03B4;&#x031B; &#x1F10;&#x03BD;&#x03C4;&#x03AF; &#x03C0;&#x03BF;&#x03BA;&#x03B1;, &#x03C6;&#x03AF;&#x03BB;&#x03B1;, &#x03C4;&#x03B1;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B5; &#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;</l><lb/><l>&#x03BC;&#x03B1;&#x03BA;&#x03F1;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BA;&#x03CC;&#x03B3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03B9;; &#x0392;. &#x03C3;&#x03C9;&#x03BB;&#x1FC6;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2;,</l><lb/><l>&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C4;&#x03AF; &#x03B3;&#x03B1; &#x03B3;&#x03BB;&#x03C5;&#x03BA;&#x03CD;&#x03BA;&#x03F1;&#x03B5;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03BF;&#x03B3;&#x03C7;&#x03CD;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;</l><lb/><l>&#x03C7;&#x03B7;&#x03F1;&#x1FB6;&#x03BD; &#x03B3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BA;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03BB;&#x03AF;&#x03C7;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B1;.</l></lg></note>. &#x2014; Ob<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0367] der Fall iſt. Daß ſie aber im Leben der Hellenen nicht iſolirt und unverbunden ſtand, moͤgen wir vorn- weg annehmen; deſſen Geiſt war es ohne Zweifel an- gemeſſen, auf dem Uebergange von metriſcher zu unge- bundner Rede eine Mittelform hervor zu bringen 1; namentlich bedurfte der Doriſche Sinn fuͤr Maaß, Geſetz, abgerundete und geſchloſſne Form einer ſolchen, um ſo mehr als ihm periodiſches Reden weit fremder war als dem Joniſch-Attiſchen. Auf dieſen Gedan- ken fuͤhrt uns eigentlich die Betrachtung einiger Denk- male Lakoniſcher Rede, in denen Niemand das Rhyth- miſche und die Symmetrie der Saͤtze verkennen wird. So in dem bekannten Briefe des Hippokrates 2 ἔῤῥει τὰ καλά. Μίνδαϱος γ̛ ἀπεσσούα · πεινῶντι τὤνδρες · ἀποϱέομες τί χρὴ δρᾶν und dem der Lakaͤna bei Plutarch 3 κακὰ τεῦ φάμα κακκέχυται · ταύταν ἀπωθεῦ, ἢ μὴ ἔσο. wo der Rhythmus unbewußt in den Vers uͤbergeht, was in andern Faͤllen minder ſtatt findet 4. — Ob 1 Daher auch in aͤltern Inſchr. oͤfter Stuͤcke von Hexame- tern vorkommen. 2 Xen. H. 1, 23. Plut. Alkib. 28. Eu- ſtath. zu Hom. Il. 1, 63, 1. Apoſtol. 9, 2. Vgl. Valcken. ad Adon. p. 264. Aber daß Hippokrates abſichtlich zwei Skazonten haͤtte machen wollen, waͤre ſehr komiſch. 3 Bei Plut. Lacaen. ap. p. 260. τεῦ und ἀπωθεῦ nach Valck. p. 260. der einige Brie- ſe zuſammenſtellt, die daſſelbe etwas anders ſagen. 4 Man vergleiche damit z. B. das Fragment von Sophron bei Demetr. 151., vollſtaͤndiger bei Athen. 3, 86. vgl. Toup. Cur. nov. in Suid. p. 113. τίνες δ̛ ἐντί ποκα, φίλα, ταίδε τοι μακϱαὶ κόγχαι; Β. σωλῆνες, τουτί γα γλυκύκϱεων κογχύλιον χηϱᾶν γυναικῶν λίχνευμα.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/367
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/367>, abgerufen am 26.04.2024.