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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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unterjochten, da die Periöken sich durch Verträge über-
geben hatten, wenigstens nennt sie Theopomp 1
Achäer, wie die andern. Doch ist mir wahrscheinli-
cher, daß sie ein alter, ureinwohnender und schon sehr
früh unterjochter Stamm waren, welche schon als
Knechte auf die Dorischen Eroberer übergingen.

Für die Betrachtung der Helotie wollen wir das
staatsrechtliche Verhältniß indeß von der moralischen Be-
handlung des Standes scheiden, obgleich beides sehr
nahe zusammenhängt. Das erstere war durch Gesetz und
Herkommen gewiß sehr genau bestimmt, wenn auch die
Ausdrücke der Schriftsteller zum Theil ziemlich unbe-
stimmt sind. Sie waren in gewisser Hinsicht Staats-
knechte
, sagt Ephoros 2; der Besitzer konnte sie
weder befreien, noch über die Gränzen verkaufen.
Darnach galt offenbar der Grundsatz, daß sie eigent-
lich dem Staate angehörten, der ihren Besitz den Ein-
zelnen gewissermaßen gestattete und zutheilte, und sie
allein freilassen konnte. Aber sie außer Landes zu ver-
kaufen, stand auch dem Staate nicht zu, und kam, so
viel wir wissen, nie vor. Dem Einzelnen war aller Wahr-
scheinlichkeit nach überhaupt nicht gestattet, sie zu verkau-
fen, weil sie größtentheils zu liegenden Gründen gehörten,

225. Il. 19, 333.) und zum größten Theile das Land bauen, kön-
nen auf keinen Fall im Ganzen gekaufte Sklaven sein (denn die
einzelnen Beispiele davon sind mehr Ausnahmen), weil dies einen
sehr lebhaften Sklavenhandel voraussetzen würde; auch können es
nicht blos einzeln Geraubte oder Gefangene sein, weil sich so schwer-
lich die Menge derselben in jedem oikos erklären würde, sondern
es sind wahrscheinlich mit dem Grund und Boden selbst eroberte
Leute. Die Stelle 1, 298. ous moi leissato, läßt sich verschieden
benutzen. -- Ueber die Etymologie von Eilos vgl. Lenneps Ety-
mol. p.
257.
1 bei Athen. 6, 265.
2 bei Str. 8, 365.
Eben so nennt Paus. 3, 20, 6. alle Heloten doulous tou koinou.
vgl. Herod. 6, 70., wo die therapontes Heloten sind.

unterjochten, da die Perioͤken ſich durch Vertraͤge uͤber-
geben hatten, wenigſtens nennt ſie Theopomp 1
Achaͤer, wie die andern. Doch iſt mir wahrſcheinli-
cher, daß ſie ein alter, ureinwohnender und ſchon ſehr
fruͤh unterjochter Stamm waren, welche ſchon als
Knechte auf die Doriſchen Eroberer uͤbergingen.

Fuͤr die Betrachtung der Helotie wollen wir das
ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß indeß von der moraliſchen Be-
handlung des Standes ſcheiden, obgleich beides ſehr
nahe zuſammenhaͤngt. Das erſtere war durch Geſetz und
Herkommen gewiß ſehr genau beſtimmt, wenn auch die
Ausdruͤcke der Schriftſteller zum Theil ziemlich unbe-
ſtimmt ſind. Sie waren in gewiſſer Hinſicht Staats-
knechte
, ſagt Ephoros 2; der Beſitzer konnte ſie
weder befreien, noch uͤber die Graͤnzen verkaufen.
Darnach galt offenbar der Grundſatz, daß ſie eigent-
lich dem Staate angehoͤrten, der ihren Beſitz den Ein-
zelnen gewiſſermaßen geſtattete und zutheilte, und ſie
allein freilaſſen konnte. Aber ſie außer Landes zu ver-
kaufen, ſtand auch dem Staate nicht zu, und kam, ſo
viel wir wiſſen, nie vor. Dem Einzelnen war aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach uͤberhaupt nicht geſtattet, ſie zu verkau-
fen, weil ſie groͤßtentheils zu liegenden Gruͤnden gehoͤrten,

225. Il. 19, 333.) und zum groͤßten Theile das Land bauen, koͤn-
nen auf keinen Fall im Ganzen gekaufte Sklaven ſein (denn die
einzelnen Beiſpiele davon ſind mehr Ausnahmen), weil dies einen
ſehr lebhaften Sklavenhandel vorausſetzen wuͤrde; auch koͤnnen es
nicht blos einzeln Geraubte oder Gefangene ſein, weil ſich ſo ſchwer-
lich die Menge derſelben in jedem οἶκος erklaͤren wuͤrde, ſondern
es ſind wahrſcheinlich mit dem Grund und Boden ſelbſt eroberte
Leute. Die Stelle 1, 298. οὕς μοι ληΐσσατο, laͤßt ſich verſchieden
benutzen. — Ueber die Etymologie von Εἵλως vgl. Lenneps Ety-
mol. p.
257.
1 bei Athen. 6, 265.
2 bei Str. 8, 365.
Eben ſo nennt Pauſ. 3, 20, 6. alle Heloten δούλους τοῦ κοινοῦ.
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[34/0040] unterjochten, da die Perioͤken ſich durch Vertraͤge uͤber- geben hatten, wenigſtens nennt ſie Theopomp 1 Achaͤer, wie die andern. Doch iſt mir wahrſcheinli- cher, daß ſie ein alter, ureinwohnender und ſchon ſehr fruͤh unterjochter Stamm waren, welche ſchon als Knechte auf die Doriſchen Eroberer uͤbergingen. Fuͤr die Betrachtung der Helotie wollen wir das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß indeß von der moraliſchen Be- handlung des Standes ſcheiden, obgleich beides ſehr nahe zuſammenhaͤngt. Das erſtere war durch Geſetz und Herkommen gewiß ſehr genau beſtimmt, wenn auch die Ausdruͤcke der Schriftſteller zum Theil ziemlich unbe- ſtimmt ſind. Sie waren in gewiſſer Hinſicht Staats- knechte, ſagt Ephoros 2; der Beſitzer konnte ſie weder befreien, noch uͤber die Graͤnzen verkaufen. Darnach galt offenbar der Grundſatz, daß ſie eigent- lich dem Staate angehoͤrten, der ihren Beſitz den Ein- zelnen gewiſſermaßen geſtattete und zutheilte, und ſie allein freilaſſen konnte. Aber ſie außer Landes zu ver- kaufen, ſtand auch dem Staate nicht zu, und kam, ſo viel wir wiſſen, nie vor. Dem Einzelnen war aller Wahr- ſcheinlichkeit nach uͤberhaupt nicht geſtattet, ſie zu verkau- fen, weil ſie groͤßtentheils zu liegenden Gruͤnden gehoͤrten, 3 1 bei Athen. 6, 265. 2 bei Str. 8, 365. Eben ſo nennt Pauſ. 3, 20, 6. alle Heloten δούλους τοῦ κοινοῦ. vgl. Herod. 6, 70., wo die ϑεϱάποντες Heloten ſind. 3 225. Il. 19, 333.) und zum groͤßten Theile das Land bauen, koͤn- nen auf keinen Fall im Ganzen gekaufte Sklaven ſein (denn die einzelnen Beiſpiele davon ſind mehr Ausnahmen), weil dies einen ſehr lebhaften Sklavenhandel vorausſetzen wuͤrde; auch koͤnnen es nicht blos einzeln Geraubte oder Gefangene ſein, weil ſich ſo ſchwer- lich die Menge derſelben in jedem οἶκος erklaͤren wuͤrde, ſondern es ſind wahrſcheinlich mit dem Grund und Boden ſelbſt eroberte Leute. Die Stelle 1, 298. οὕς μοι ληΐσσατο, laͤßt ſich verſchieden benutzen. — Ueber die Etymologie von Εἵλως vgl. Lenneps Ety- mol. p. 257.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/40>, abgerufen am 26.04.2024.