Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebenjährige Welt-Beschauung.

Der Gummi-Baum/ dergleichen wir nun folgenden Weg
biß zu dem Berge Sinai viel angetroffen/ ist so hoch und groß/
als ein Pirn- oder Aepffel-Baum/ breitet sich mit seinen Aesten
sehr weit auß/ hat dornichte Stacheln eines halben Fingers
lang/ trägt Früchte wie Bohnen/ von Gestalt und Schalen
denselben gleich/ iedoch nicht so groß/ sondern etwan noch
zweymahl so groß/ als eine zimliche Linse und schwartz und hat
der Baum kleine zäckichte Blätterlein/ fast wie Wickenstroh.

Jndem ich nun auf meinem Cameel sitzend daher kam
und entschlaffen war/ das Cameel aber die Frucht unter den
Gummi-Bäumen/ so in ziemlicher Menge abgefallen waren und
auf der Erden lagen/ gewahr ward und derselben nachging/
sintemal es den Cameelen gar ein angenehme Futter ist/ hätte
es gar leicht geschehen können/ daß mirs die Augen auß dem
Kopffe unter solchem stachlichten Baume herauß gerissen/ oder
mir das Gesichte und den Leib wol sozugerichtet hätte/ daß ich
würde haben müssen deß Todes drüber seyn. Der allerhöchste
aber gab sonderlich seine Gnade/ daß ich erwachte und gewahr
ward in was grosser Gefahr ich stack. Und weil ich nicht wieder
zu rücke konte/ legte ich mich auf dem Cameel nieder/ so tieff ich
konte und ließ es gehen/ da es denn gewaltig über meinen pun-
ten Rock ging/ daß wenig dran blieb/ iedoch war es gleichwol
ehe zuvergessen/ als wenn ich gar ums Gesichte und mein Leben
hätte komm en sollen.

Von denselben Gummi-Bäumen nun rinnet ein solches
Gummi oder Hartz herab/ fast wie von Kirschbäumen/ nur daß
es härter und süsser ist/ dahero es denn die Mohren vor eine son-
derbare delicate und anmuthige Speise fressen/ derglichen denn
auch mir ein Mohr ein ziemlich Stücke dar both/ in Meinung

mir
A a 3
Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Gummi-Baum/ dergleichen wir nun folgenden Weg
biß zu dem Berge Sinai viel angetroffen/ iſt ſo hoch und groß/
als ein Pirn- oder Aepffel-Baum/ breitet ſich mit ſeinen Aeſten
ſehr weit auß/ hat dornichte Stacheln eines halben Fingers
lang/ traͤgt Fruͤchte wie Bohnen/ von Geſtalt und Schalen
denſelben gleich/ iedoch nicht ſo groß/ ſondern etwan noch
zweymahl ſo groß/ als eine zimliche Linſe und ſchwartz und hat
der Baum kleine zaͤckichte Blaͤtterlein/ faſt wie Wickenſtroh.

Jndem ich nun auf meinem Cameel ſitzend daher kam
und entſchlaffen war/ das Cameel aber die Frucht unter den
Gummi-Baͤumen/ ſo in ziemlicher Menge abgefallen waren uñ
auf der Erden lagen/ gewahr ward und derſelben nachging/
ſintemal es den Cameelen gar ein angenehme Futter iſt/ haͤtte
es gar leicht geſchehen koͤnnen/ daß mirs die Augen auß dem
Kopffe unter ſolchem ſtachlichten Baume herauß geriſſen/ oder
mir das Geſichte und den Leib wol ſozugerichtet haͤtte/ daß ich
wuͤrde haben muͤſſen deß Todes druͤber ſeyn. Der allerhoͤchſte
aber gab ſonderlich ſeine Gnade/ daß ich erwachte und gewahr
ward in was groſſer Gefahr ich ſtack. Und weil ich nicht wieder
zu ruͤcke konte/ legte ich mich auf dem Cameel nieder/ ſo tieff ich
konte und ließ es gehen/ da es denn gewaltig uͤber meinen pun-
ten Rock ging/ daß wenig dran blieb/ iedoch war es gleichwol
ehe zuvergeſſen/ als wenn ich gar ums Geſichte und mein Leben
haͤtte komm en ſollen.

Von denſelben Gummi-Baͤumen nun rinnet ein ſolches
Gummi oder Hartz herab/ faſt wie von Kirſchbaͤumen/ nur daß
es haͤrter und ſuͤſſer iſt/ dahero es deñ die Mohren vor eine ſon-
derbare delicate und anmuthige Speiſe freſſen/ derglichen deñ
auch mir ein Mohr ein ziemlich Stuͤcke dar both/ in Meinung

mir
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0193" n="187"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebenja&#x0364;hrige Welt-Be&#x017F;chauung.</hi> </fw><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#aq">Gummi-</hi>Baum/ dergleichen wir nun folgenden Weg<lb/>
biß zu dem Berge Sinai viel angetroffen/ i&#x017F;t &#x017F;o hoch und groß/<lb/>
als ein Pirn- oder Aepffel-Baum/ breitet &#x017F;ich mit &#x017F;einen Ae&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ehr weit auß/ hat dornichte Stacheln eines halben Fingers<lb/>
lang/ tra&#x0364;gt Fru&#x0364;chte wie Bohnen/ von Ge&#x017F;talt und Schalen<lb/>
den&#x017F;elben gleich/ iedoch nicht &#x017F;o groß/ &#x017F;ondern etwan noch<lb/>
zweymahl &#x017F;o groß/ als eine zimliche Lin&#x017F;e und &#x017F;chwartz und hat<lb/>
der Baum kleine za&#x0364;ckichte Bla&#x0364;tterlein/ fa&#x017F;t wie Wicken&#x017F;troh.</p><lb/>
            <p>Jndem ich nun auf meinem Cameel &#x017F;itzend daher kam<lb/>
und ent&#x017F;chlaffen war/ das Cameel aber die Frucht unter den<lb/><hi rendition="#aq">Gummi-</hi>Ba&#x0364;umen/ &#x017F;o in ziemlicher Menge abgefallen waren un&#x0303;<lb/>
auf der Erden lagen/ gewahr ward und der&#x017F;elben nachging/<lb/>
&#x017F;intemal es den Cameelen gar ein angenehme Futter i&#x017F;t/ ha&#x0364;tte<lb/>
es gar leicht ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen/ daß mirs die Augen auß dem<lb/>
Kopffe unter &#x017F;olchem &#x017F;tachlichten Baume herauß geri&#x017F;&#x017F;en/ oder<lb/>
mir das Ge&#x017F;ichte und den Leib wol &#x017F;ozugerichtet ha&#x0364;tte/ daß ich<lb/>
wu&#x0364;rde haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en deß Todes dru&#x0364;ber &#x017F;eyn. Der allerho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
aber gab &#x017F;onderlich &#x017F;eine Gnade/ daß ich erwachte und gewahr<lb/>
ward in was gro&#x017F;&#x017F;er Gefahr ich &#x017F;tack. Und weil ich nicht wieder<lb/>
zu ru&#x0364;cke konte/ legte ich mich auf dem Cameel nieder/ &#x017F;o tieff ich<lb/>
konte und ließ es gehen/ da es denn gewaltig u&#x0364;ber meinen pun-<lb/>
ten Rock ging/ daß wenig dran blieb/ iedoch war es gleichwol<lb/>
ehe zuverge&#x017F;&#x017F;en/ als wenn ich gar ums Ge&#x017F;ichte und mein Leben<lb/>
ha&#x0364;tte komm en &#x017F;ollen.</p><lb/>
            <p>Von den&#x017F;elben <hi rendition="#aq">Gummi-</hi>Ba&#x0364;umen nun rinnet ein &#x017F;olches<lb/><hi rendition="#aq">Gummi</hi> oder Hartz herab/ fa&#x017F;t wie von Kir&#x017F;chba&#x0364;umen/ nur daß<lb/>
es ha&#x0364;rter und &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t/ dahero es den&#x0303; die Mohren vor eine &#x017F;on-<lb/>
derbare <hi rendition="#aq">delicate</hi> und anmuthige Spei&#x017F;e fre&#x017F;&#x017F;en/ derglichen den&#x0303;<lb/>
auch mir ein Mohr ein ziemlich Stu&#x0364;cke dar both/ in Meinung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0193] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. Der Gummi-Baum/ dergleichen wir nun folgenden Weg biß zu dem Berge Sinai viel angetroffen/ iſt ſo hoch und groß/ als ein Pirn- oder Aepffel-Baum/ breitet ſich mit ſeinen Aeſten ſehr weit auß/ hat dornichte Stacheln eines halben Fingers lang/ traͤgt Fruͤchte wie Bohnen/ von Geſtalt und Schalen denſelben gleich/ iedoch nicht ſo groß/ ſondern etwan noch zweymahl ſo groß/ als eine zimliche Linſe und ſchwartz und hat der Baum kleine zaͤckichte Blaͤtterlein/ faſt wie Wickenſtroh. Jndem ich nun auf meinem Cameel ſitzend daher kam und entſchlaffen war/ das Cameel aber die Frucht unter den Gummi-Baͤumen/ ſo in ziemlicher Menge abgefallen waren uñ auf der Erden lagen/ gewahr ward und derſelben nachging/ ſintemal es den Cameelen gar ein angenehme Futter iſt/ haͤtte es gar leicht geſchehen koͤnnen/ daß mirs die Augen auß dem Kopffe unter ſolchem ſtachlichten Baume herauß geriſſen/ oder mir das Geſichte und den Leib wol ſozugerichtet haͤtte/ daß ich wuͤrde haben muͤſſen deß Todes druͤber ſeyn. Der allerhoͤchſte aber gab ſonderlich ſeine Gnade/ daß ich erwachte und gewahr ward in was groſſer Gefahr ich ſtack. Und weil ich nicht wieder zu ruͤcke konte/ legte ich mich auf dem Cameel nieder/ ſo tieff ich konte und ließ es gehen/ da es denn gewaltig uͤber meinen pun- ten Rock ging/ daß wenig dran blieb/ iedoch war es gleichwol ehe zuvergeſſen/ als wenn ich gar ums Geſichte und mein Leben haͤtte komm en ſollen. Von denſelben Gummi-Baͤumen nun rinnet ein ſolches Gummi oder Hartz herab/ faſt wie von Kirſchbaͤumen/ nur daß es haͤrter und ſuͤſſer iſt/ dahero es deñ die Mohren vor eine ſon- derbare delicate und anmuthige Speiſe freſſen/ derglichen deñ auch mir ein Mohr ein ziemlich Stuͤcke dar both/ in Meinung mir A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/193
Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/193>, abgerufen am 27.04.2024.