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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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Siebenjährige Welt-Beschauung.

Bey diesem Kauffmann sind wir auch die Zeit über/ als
wir allda gewesen/ zu Tische gegangen und hat einer vor die
Mahlzeit ein Vierthel eines Reals geben müssen/ welches gar
wol zu geben war/ weil man derer Orthe nicht so Gast-Höfe/
oder Wirthshäuser hat/ wie in der Christenheit: Mit dem
Nacht-Lager aber musten wir unter freyem Himmel oben auf
dem Hause im Kühlen verlieb nehmen neben zween Capuziner
München.

Hart an diesem Hause unten war ein Gottes-Acker/ auf
welchem die Maronitischen Weiber oft wol drey Tage nach
einander/ wie ich in acht genommen/ Hauffenweise mit gros-
sem Klagen/ Heulen und Weinen zusammen kommen. Gehen
gantz in weissen langen Hembden und schlagen immer die
Hände zusammen/ als wäre ihnen noch so groß Hertzeleid wi-
derfahren/ knien neben die Gräber ihrer verstorbenen Freun-
de/ prüllen und heulen/ wie vorgedacht und stellen sich aufs
ungeberdigste/ daß sich einer drüber entsetzen muß/ der es vor-
hin nicht gesehen/ noch deßwegen gewohnt ist.

Diese Maroniten sind Christen/ so von Marone, ihrem Or-
dens-Stiffter/ herkommen sollen/ haben zwar ihren eigenen
Patriarchen/ der zu Tripoli in Syrien wohnet/ erkennen aber
doch den Pabst zu Rom für das Haupt der Kirchen und Chri-
stenheit/ welches die Griechischen Christen nicht thun. Sie
veneriren so wol ihre/ als die Päpstische Pfaffen mit tieff ge-
bücktem Leib und Häupte und mit Hände küssen und legen den-
selben ihre Hände/ als auch an ihre selbst eigene Brust/ welches
für ein sonderbares Ehren-Zeichen gehalten wird. Jhre Wei-
ber lassen sie in den Häusern niemand sehen/ noch zu Gesichte
kommen und ihre Priester gehen/ wie andere Leute und Welt-
liche in Kleidungen gantz schlecht und hat ein ieglicher sein Weib/

hey-
Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Bey dieſem Kauffmann ſind wir auch die Zeit uͤber/ als
wir allda geweſen/ zu Tiſche gegangen und hat einer vor die
Mahlzeit ein Vierthel eines Reals geben muͤſſen/ welches gar
wol zu geben war/ weil man derer Orthe nicht ſo Gaſt-Hoͤfe/
oder Wirthshaͤuſer hat/ wie in der Chriſtenheit: Mit dem
Nacht-Lager aber muſten wir unter freyem Himmel oben auf
dem Hauſe im Kuͤhlen verlieb nehmen neben zween Capuziner
Muͤnchen.

Hart an dieſem Hauſe unten war ein Gottes-Acker/ auf
welchem die Maronitiſchen Weiber oft wol drey Tage nach
einander/ wie ich in acht genommen/ Hauffenweiſe mit groſ-
ſem Klagen/ Heulen und Weinen zuſammen kommen. Gehen
gantz in weiſſen langen Hembden und ſchlagen immer die
Haͤnde zuſammen/ als waͤre ihnen noch ſo groß Hertzeleid wi-
derfahren/ knien neben die Graͤber ihrer verſtorbenen Freun-
de/ pruͤllen und heulen/ wie vorgedacht und ſtellen ſich aufs
ungeberdigſte/ daß ſich einer druͤber entſetzen muß/ der es vor-
hin nicht geſehen/ noch deßwegen gewohnt iſt.

Dieſe Maroniten ſind Chriſten/ ſo von Marone, ihrem Or-
dens-Stiffter/ herkommen ſollen/ haben zwar ihren eigenen
Patriarchen/ der zu Tripoli in Syrien wohnet/ erkennen aber
doch den Pabſt zu Rom fuͤr das Haupt der Kirchen und Chri-
ſtenheit/ welches die Griechiſchen Chriſten nicht thun. Sie
veneriren ſo wol ihre/ als die Paͤpſtiſche Pfaffen mit tieff ge-
buͤcktem Leib und Haͤupte und mit Haͤnde kuͤſſen und legen den-
ſelben ihre Haͤnde/ als auch an ihre ſelbſt eigene Bruſt/ welches
fuͤr ein ſonderbares Ehren-Zeichen gehalten wird. Jhre Wei-
ber laſſen ſie in den Haͤuſern niemand ſehen/ noch zu Geſichte
kommen und ihre Prieſter gehen/ wie andere Leute und Welt-
liche in Kleidungen gantz ſchlecht und hat ein ieglicher ſein Weib/

hey-
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[256/0262] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. Bey dieſem Kauffmann ſind wir auch die Zeit uͤber/ als wir allda geweſen/ zu Tiſche gegangen und hat einer vor die Mahlzeit ein Vierthel eines Reals geben muͤſſen/ welches gar wol zu geben war/ weil man derer Orthe nicht ſo Gaſt-Hoͤfe/ oder Wirthshaͤuſer hat/ wie in der Chriſtenheit: Mit dem Nacht-Lager aber muſten wir unter freyem Himmel oben auf dem Hauſe im Kuͤhlen verlieb nehmen neben zween Capuziner Muͤnchen. Hart an dieſem Hauſe unten war ein Gottes-Acker/ auf welchem die Maronitiſchen Weiber oft wol drey Tage nach einander/ wie ich in acht genommen/ Hauffenweiſe mit groſ- ſem Klagen/ Heulen und Weinen zuſammen kommen. Gehen gantz in weiſſen langen Hembden und ſchlagen immer die Haͤnde zuſammen/ als waͤre ihnen noch ſo groß Hertzeleid wi- derfahren/ knien neben die Graͤber ihrer verſtorbenen Freun- de/ pruͤllen und heulen/ wie vorgedacht und ſtellen ſich aufs ungeberdigſte/ daß ſich einer druͤber entſetzen muß/ der es vor- hin nicht geſehen/ noch deßwegen gewohnt iſt. Dieſe Maroniten ſind Chriſten/ ſo von Marone, ihrem Or- dens-Stiffter/ herkommen ſollen/ haben zwar ihren eigenen Patriarchen/ der zu Tripoli in Syrien wohnet/ erkennen aber doch den Pabſt zu Rom fuͤr das Haupt der Kirchen und Chri- ſtenheit/ welches die Griechiſchen Chriſten nicht thun. Sie veneriren ſo wol ihre/ als die Paͤpſtiſche Pfaffen mit tieff ge- buͤcktem Leib und Haͤupte und mit Haͤnde kuͤſſen und legen den- ſelben ihre Haͤnde/ als auch an ihre ſelbſt eigene Bruſt/ welches fuͤr ein ſonderbares Ehren-Zeichen gehalten wird. Jhre Wei- ber laſſen ſie in den Haͤuſern niemand ſehen/ noch zu Geſichte kommen und ihre Prieſter gehen/ wie andere Leute und Welt- liche in Kleidungen gantz ſchlecht und hat ein ieglicher ſein Weib/ hey-

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/262>, abgerufen am 27.04.2024.