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Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.

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Es war ein Wort zu seiner Zeit
welches der Prinz Regent in der Kommer, und noch deutlicher, wie es
scheint, eben auf unserer äußersten Westgränze gesprochen. Es hat in Frank-
reich, wie wir hören, einen schallenden Wiederhall gefunden, noch stärkern in
ganz Deutschland; dort war der Wiederhall gar nicht freundlich, die Franzosen
scheinen aus ihrer vornehmen frechen Ueberhebung gegen Deutschland etwas
aufgeschreckt; in Deutschland dagegen haben die Worte des Prinz-Regenten
in den Herzen aller Vaterlandsfreunde die freudigste Zustimmung gefunden.
Heffentlich bezeichnen sie den Anfang einer entschiedenen Umkehr von jenen
Wegen auf welchen nichts, gar nichts gewonnen wurde als daß die Zwietracht
noch mehr geschürt ward. Wir wurden dabei öfter an eine Aesopische Fabel
des Babrius erinnert. Hercules findet im Hohlweg ein kleines Ding wie ein
Ei; er will es zertreten, da wächst es gleich in die Höhe; nun schlägt er zor-
nig mit der Keule darauf, aber da fängt es erst recht an zu wachsen und zu
schwellen, bis es ihm endlich den ganzen Hohlweg versperrt. Entsetzt wirft
Hercules die Keule weg und start das Ungethüm an, gegen welches auch seine
Riesenkraft nichts vermag. Da ruft ihm die hellstrahlende Pallas zu: "Der
Zwietracht Bild ist dieses Ei: reizt man es nicht, so bleibt es liegen wie es war;
gereizt durch Kampf, thürmt es sich auf zur Bergeshöhe." Diese Lehre des alten
Aesop hatten unsere Kammerdeputirten völlig vergessen; sie arbeiteten mit
Mund und Hand als wäre es ihnen die größte Lust die Zwietracht in Deutsch-
land zu schüren, daß sie hellauf brenne. Die Kammer ist auseinandergegangen,
und, wie ich vorhersagte, nichts hat sie hinter sich gelassen als Aerger vollauf.
Sang- und klanglos sind die Abgeordneten heimgekommen, und ihr Herr und
Meister, der streitbare Held Vincke, mürrisch und ohnmächtig sitzt er bis an
den Hals vergraben in der Fluth des Aergers die er überall aufgerührt. Nie
trat eine Kammer mit größern Hoffnungen zusammen, nie hat sie einen trü-
bern Eindruck zurückgelassen als sie auseinandergieng. Selbst der tiefgefallene
Manteuffel, dessen ewiges Zurückweichen vor der Junkerpartei zu allermeist
uns in diese Zeit der liberalen Schwäche und Unklarheit versetzt hat, hält es
jetzt an der Zeit sich in einer lahmen Rede post festum zu erholen an "jener
durch Selbsttäuschung und Selbstverherrlichung so ausgezeichneten Partei."
In der That, die stillen Wunden welche eine wahrhaft constutionelle Entwick-
lung, die in Preußen ja noch so jung ist, in der letzten Landtagsperiode empfan-
gen, könnten nicht minder gefährlich werden als der Schaden welchen die deut-
sche Einheit erlitt. Doch die letztere ist jetzt die Hauptsache, wir meinen nicht
eine künstlich oder gewaltsam gemachte oder halbe Einheit, sondern aller deut-
schen Stämme ehrliches und begeistertes Zusammenhalten gegen den äußern
Feind. Auch in unserer Provinz Westfalen, wo man nicht bloß specifisch
preußisch, sondern vor allem auch deutsch fühlt und denkt, sah man in der letz-
tern Zeit mit Sorgen und Mißmuth in die Zukunft. Denn wie wollte Preu-
ßen allein mit seinen 17 Millionen und ihrer zerstreuten Lage die ganze zu-
sammengeballte französische Macht fiegreich bestehen! Es war die höchste Zeit
daß der Prinz Regent jene königlichen und deutlichen Worte sprach, sie haben
das gute Vertrauen wieder befestigt daß es nicht erst der Verluste und der
Schmach bedürfe um den Feind in seine Gränzen zurückzuweisen, und so Gott
will noch etwas hinter dieselben. Möchte den Worten des Prinz Regenten
nur auch bald die nöthige Aenderung im Ministerium folgen; denn nach allem
was gesagt und geschwiegen ist, wird man in Deutschland je wieder Vertrauen
fassen zu den Führern unserer auswärtigen Angelegenheiten, die im besten Fall
doch nur einen Haufen von Velleitäten repräsentiren? Man braucht deßhalb
nicht zu den verlassenen Reihen der Kreuzzeitungsritter zurückzugreifen, es
wird außer ihnen noch Männer geben welche erkennen was jetzt Preußen und
Deutschland allein noththut, und die ihre ganze Kraft daran setzen es rasch
und entschieden auszuführen, damit nicht wieder wie im vorigen Jahr der
rechte Moment verpaßt werde. Eine werthvolle Thatsache ist uns aber doch
von den Ereignissen des vorigen Jahrs zurückgeblieben: Deutschland ist ge-
rüstet, seine Heerkräste sind wenigstens rasch schlagfertig zu machen, wenn-
gleich noch zu wünschen bleibt daß sie besser mit einander eingeübt wären
und schneller aus allen Theilen zusammenfließen könnten. Was in dieser Be-
ziehung jetzt in Preußen geschieht, ist greß und tüchtig. Wir beklagen es daß
man die Scharnhorsi'sche Wehrverfassung aufgibt, statt sie in allen ihren Con-
sequenzen breit und gründlich durchzuführen; allein jetzt fragen wir nur: wo
bekommen wir in Eile viele und gute Soldaten her? Und diese Antwort lautet
in Preußen tröstlich. Wir leben jetzt fast nur in militärischen Dingen, und
der Zuwachs an Zahl und Kraft den unser Heer jetzt erhält wird fich an-
sehnlich genug herausstellen. Wär' es möglich, so könnte uns ferner tröstlich
seyn die idyllische Ruhe welche das in Westfalen am meisten gelesene Blatt
Frankreich gegenüber jetzt beobachtet, wir meinen die Köln. Zeitung. Diese hätte
recht eigentlich das Amt welches, wie es scheint, die Allg. Zeitung allein die Ehre
hat zu verwalten -- das Amt toujours en vedette gegen Frankreich zu stehen.
Die Köln. Ztg. müßte uns täglich die genanesten und aussührlichen Berichte über
französische Vorgänge, und Stimmungen und Rüstungen bringen; sie beflei-
ßigt sich aber Frankreich gegenüber eines liebenswürdigen Gleichmuths. Etwas
(u i)s erschien uns die Bemerkung des "Pays" vom 30 Mai. Dieses Pariser
Blatt berichtet: die Köln. Zeitung habe dem Prinz-Regenten Worte in den
Mund gelegt welche mit der lebhaftesten Begeisterung aufgenommen worden
seyen, und fährt dann fort: "Wir halten es für wahrscheinlich daß dieses
Blatt, dessen Tendenzen man übrigens kennt, durch Uebertreibung
die bei dieser Gelegenheit gefallenen Worte entstellt hat. Uebrigens ist es
nicht zum erstenmal daß wir in der Köln. Zeitung einer allzu phantafiereichen
Auslegung gewisser Thatsachen und Worte begegnen." Richtig, eine mehr
phantasiereiche Unschuld konnte es nicht geben als mit welcher die Köln. Ztg.
Louis Napoleon Worte im Herzen trug: er gieng ja nur für eine erhabene
Idee in den italienischen Krieg! Allein was bedeutet der sonderbare Zusatz
des Pays von den übrigens bekannten Tendenzen der Köln. Zeitung? Diese
können doch nur deutsche seyn, und müssen als solche sich bei aller Welt von
selbst verstehen: wozu dann jener Zusatz?



Italienische Reiseblätter.
V.*)
Rom.

^^ Keine Stadt der Erde bietet dem Forscher ein so reiches Feld we
Rom. Hauptsächlich drei Richtungen sind zu beachten: die classischen Denk-
mäler, die Kunst, alte und neue, das moderne Leben und Treiben, so wie es
aus dem Mittelalter hervorgieng. Wer Muße und Lust hätte, vermöchte Jahre
auf das Studium Roms zu wenden, und würde immer Stoff finden. Unsere
Zeit ist gemessen, die Aufgabe welche wir uns gestellt, besteht darin dem kran-
ken Staatengreis den Puls zu fühlen, die sonderbaren Auswüchse seines poli-
tischen und socialen Lebens zu beobachten. Da gilt es sich einen inneren Kampf
zu liefern: die lieben Meister nur im Flug zu begrüßen, den stromweis ein-
dringenden Erinnerungen zu wehren die Roms redende Steine in uns er-
wecken, welche das Leben der Alten, den kolossalen Unterbau der classischen
Zeit besser künden als selbst die großen Schriftsteller jener Epoche.

Doch dem widerstehe wer da kann! Unser erster Gang ist auf das Ca-
pitol, über einen der Clivi hinab nach dem Forum. Es klopft das Herz etwas
stärker da wir uns inmitten jener Ruinen befinden. In die meisten sind christ-
liche Tempel gebaut. Auf dem Platz wo fich häufig das Geschick der Welt
entschied, wandern jetzt unbelästigt Trut- und Perlhühner. War es doch im
Mittelalter noch schlimmer. Da war das Forum Romanum zum Weideplatz ge-
worden, und hat auch seitdem den Ramen "Campo Baccino" behalten. Erst
die neue Zeit räumte Jahrhunderte alten Schutt hinweg, und legte wieder die
kostbaren Ueberreste dem Auge bloß. Besonders machte sich darum die fran-
zösische Regierung verdient während ihrer kurzen Occupation Roms im Beginn
dieses Jahrhunderts. Ihr verdanken wir es den Lieblingsspaziergang des
Horaz wandeln zu können, von dem er schreibt: ibam sorte via sacra, sicut
meus est mos.

Da begegnet uns eine Schaar weißgekleideter Knaben, einer der vielen
geistlichen Akademien angehörig, und hier biegt um das Colosseum ein Trupp
Kuttenmänner. Dieser Anblick vertreibt alle classischen Träumereien. Die
Phystognomien jener Mönche sind zum Theil so vollständig geistlos, ihre Er-
scheinung so widerlich unreinlich, daß sie uns an die Derwische des Orients
mahnen. Einige wenige unter ihnen find geisterbleich und hohläugig -- diesen
hat wohl die Ascese den Kopf etwas verrückt. Es ist doch etwas eigenthüm-
liches um das Mönchthum, das mit den Casernen und den Armenhäusern um
die Wette streitet wer von ihnen das 19. Jahrhundert mehr überwuchern werde.
Der erste Napoleon that alles es auszurotten, und nun hat es sich bereits
wieder überall angesetzt. Auch das Colosseum wurde durch den finstern Mönche-
geist erfüllt. Es war weder die Zeit noch die fremden Kriegsschaaren welche
seine Mauern brachen, sondern dem päpstlichen Rom galt es verdienstvoll die
großartigen Denkmäler des Heidenthums zu zerstören. Urban VIII ließ zum
Bau eines Palastes Steine nehmen vom berühmten Amphitheater des Fla-
vius. Das römische Volk rächte diesen Vandalismus durch das Witzwort:
quod non secerunt Barbari, fecerunt Barberini! Im Innern find Votiv-
tafeln und Capellchen angebracht die einen sehr häßlichen Anblick gewähren.
Sie sollen an das in den Thierhetzen vergossene Martyrerblut erinnern. Doch
fanden leider die finstern Fanatiker des Heidenthums, die solche Gräuel ver-
übten, nur zu getreue Nachfolger. Der Scheiterhaufen eines Huß brannte
sogar im verhältnißmäßig aufgeklärten und leideuschaftslosen Deutschland.
Der französischen Dragonaden, der spanischen Autodefes und römischen Ketzer-
richter nicht zu denken!

Vom Colosseum führt in gerader Linie eine schöne lange Straße nach San
Giovanni in Laterano -- "caput et mater ecclesiarum urbis et orbis," wie
der stolze Titel dieser Kirche lautet. Ich schlage lieber den Hohlweg zur Linken
ein, der sich den Esquilin hinanschlängelt; in dieser Richtung müssen die Ther-
men des Titus liegen und das Septizonium. Davon fand ich indessen nichts.
Hohe Mauern verschlossen jeden Einblick in die Vignen, welche viele Alter-
thümer enthalten. Eine bis zwei Miglien trennen fast jedes der Thore von
dem bewohnten Raum. Die Aurelianische Mauer ist längst zu weit gewor-

*) S. Nr. 154 der Allg. Ztg.

Es war ein Wort zu ſeiner Zeit
welches der Prinz Regent in der Kommer, und noch deutlicher, wie es
ſcheint, eben auf unſerer äußerſten Weſtgränze geſprochen. Es hat in Frank-
reich, wie wir hören, einen ſchallenden Wiederhall gefunden, noch ſtärkern in
ganz Deutſchland; dort war der Wiederhall gar nicht freundlich, die Franzoſen
ſcheinen aus ihrer vornehmen frechen Ueberhebung gegen Deutſchland etwas
aufgeſchreckt; in Deutſchland dagegen haben die Worte des Prinz-Regenten
in den Herzen aller Vaterlandsfreunde die freudigſte Zuſtimmung gefunden.
Heffentlich bezeichnen ſie den Anfang einer entſchiedenen Umkehr von jenen
Wegen auf welchen nichts, gar nichts gewonnen wurde als daß die Zwietracht
noch mehr geſchürt ward. Wir wurden dabei öfter an eine Aeſopiſche Fabel
des Babrius erinnert. Hercules findet im Hohlweg ein kleines Ding wie ein
Ei; er will es zertreten, da wächst es gleich in die Höhe; nun ſchlägt er zor-
nig mit der Keule darauf, aber da fängt es erſt recht an zu wachſen und zu
ſchwellen, bis es ihm endlich den ganzen Hohlweg verſperrt. Entſetzt wirft
Hercules die Keule weg und ſtart das Ungethüm an, gegen welches auch ſeine
Rieſenkraft nichts vermag. Da ruft ihm die hellſtrahlende Pallas zu: „Der
Zwietracht Bild iſt dieſes Ei: reizt man es nicht, ſo bleibt es liegen wie es war;
gereizt durch Kampf, thürmt es ſich auf zur Bergeshöhe.“ Dieſe Lehre des alten
Aeſop hatten unſere Kammerdeputirten völlig vergeſſen; ſie arbeiteten mit
Mund und Hand als wäre es ihnen die größte Luſt die Zwietracht in Deutſch-
land zu ſchüren, daß ſie hellauf brenne. Die Kammer iſt auseinandergegangen,
und, wie ich vorherſagte, nichts hat ſie hinter ſich gelaſſen als Aerger vollauf.
Sang- und klanglos ſind die Abgeordneten heimgekommen, und ihr Herr und
Meiſter, der ſtreitbare Held Vincke, mürriſch und ohnmächtig ſitzt er bis an
den Hals vergraben in der Fluth des Aergers die er überall aufgerührt. Nie
trat eine Kammer mit größern Hoffnungen zuſammen, nie hat ſie einen trü-
bern Eindruck zurückgelaſſen als ſie auseinandergieng. Selbſt der tiefgefallene
Manteuffel, deſſen ewiges Zurückweichen vor der Junkerpartei zu allermeiſt
uns in dieſe Zeit der liberalen Schwäche und Unklarheit verſetzt hat, hält es
jetzt an der Zeit ſich in einer lahmen Rede post festum zu erholen an „jener
durch Selbſttäuſchung und Selbſtverherrlichung ſo ausgezeichneten Partei.“
In der That, die ſtillen Wunden welche eine wahrhaft conſtutionelle Entwick-
lung, die in Preußen ja noch ſo jung iſt, in der letzten Landtagsperiode empfan-
gen, könnten nicht minder gefährlich werden als der Schaden welchen die deut-
ſche Einheit erlitt. Doch die letztere iſt jetzt die Hauptſache, wir meinen nicht
eine künſtlich oder gewaltſam gemachte oder halbe Einheit, ſondern aller deut-
ſchen Stämme ehrliches und begeiſtertes Zuſammenhalten gegen den äußern
Feind. Auch in unſerer Provinz Weſtfalen, wo man nicht bloß ſpecifiſch
preußiſch, ſondern vor allem auch deutſch fühlt und denkt, ſah man in der letz-
tern Zeit mit Sorgen und Mißmuth in die Zukunft. Denn wie wollte Preu-
ßen allein mit ſeinen 17 Millionen und ihrer zerſtreuten Lage die ganze zu-
ſammengeballte franzöſiſche Macht fiegreich beſtehen! Es war die höchſte Zeit
daß der Prinz Regent jene königlichen und deutlichen Worte ſprach, ſie haben
das gute Vertrauen wieder befeſtigt daß es nicht erſt der Verluſte und der
Schmach bedürfe um den Feind in ſeine Gränzen zurückzuweiſen, und ſo Gott
will noch etwas hinter dieſelben. Möchte den Worten des Prinz Regenten
nur auch bald die nöthige Aenderung im Miniſterium folgen; denn nach allem
was geſagt und geſchwiegen iſt, wird man in Deutſchland je wieder Vertrauen
faſſen zu den Führern unſerer auswärtigen Angelegenheiten, die im beſten Fall
doch nur einen Haufen von Velleitäten repräſentiren? Man braucht deßhalb
nicht zu den verlaſſenen Reihen der Kreuzzeitungsritter zurückzugreifen, es
wird außer ihnen noch Männer geben welche erkennen was jetzt Preußen und
Deutſchland allein noththut, und die ihre ganze Kraft daran ſetzen es raſch
und entſchieden auszuführen, damit nicht wieder wie im vorigen Jahr der
rechte Moment verpaßt werde. Eine werthvolle Thatſache iſt uns aber doch
von den Ereigniſſen des vorigen Jahrs zurückgeblieben: Deutſchland iſt ge-
rüſtet, ſeine Heerkräſte ſind wenigſtens raſch ſchlagfertig zu machen, wenn-
gleich noch zu wünſchen bleibt daß ſie beſſer mit einander eingeübt wären
und ſchneller aus allen Theilen zuſammenfließen könnten. Was in dieſer Be-
ziehung jetzt in Preußen geſchieht, iſt greß und tüchtig. Wir beklagen es daß
man die Scharnhorſi’ſche Wehrverfaſſung aufgibt, ſtatt ſie in allen ihren Con-
ſequenzen breit und gründlich durchzuführen; allein jetzt fragen wir nur: wo
bekommen wir in Eile viele und gute Soldaten her? Und dieſe Antwort lautet
in Preußen tröſtlich. Wir leben jetzt faſt nur in militäriſchen Dingen, und
der Zuwachs an Zahl und Kraft den unſer Heer jetzt erhält wird fich an-
ſehnlich genug herausſtellen. Wär’ es möglich, ſo könnte uns ferner tröſtlich
ſeyn die idylliſche Ruhe welche das in Weſtfalen am meiſten geleſene Blatt
Frankreich gegenüber jetzt beobachtet, wir meinen die Köln. Zeitung. Dieſe hätte
recht eigentlich das Amt welches, wie es ſcheint, die Allg. Zeitung allein die Ehre
hat zu verwalten — das Amt toujours en vedette gegen Frankreich zu ſtehen.
Die Köln. Ztg. müßte uns täglich die genaneſten und ausſührlichen Berichte über
franzöſiſche Vorgänge, und Stimmungen und Rüſtungen bringen; ſie beflei-
ßigt ſich aber Frankreich gegenüber eines liebenswürdigen Gleichmuths. Etwas
(u i)s erſchien uns die Bemerkung des „Pays“ vom 30 Mai. Dieſes Pariſer
Blatt berichtet: die Köln. Zeitung habe dem Prinz-Regenten Worte in den
Mund gelegt welche mit der lebhafteſten Begeiſterung aufgenommen worden
ſeyen, und fährt dann fort: „Wir halten es für wahrſcheinlich daß dieſes
Blatt, deſſen Tendenzen man übrigens kennt, durch Uebertreibung
die bei dieſer Gelegenheit gefallenen Worte entſtellt hat. Uebrigens iſt es
nicht zum erſtenmal daß wir in der Köln. Zeitung einer allzu phantafiereichen
Auslegung gewiſſer Thatſachen und Worte begegnen.“ Richtig, eine mehr
phantaſiereiche Unſchuld konnte es nicht geben als mit welcher die Köln. Ztg.
Louis Napoleon Worte im Herzen trug: er gieng ja nur für eine erhabene
Idee in den italieniſchen Krieg! Allein was bedeutet der ſonderbare Zuſatz
des Pays von den übrigens bekannten Tendenzen der Köln. Zeitung? Dieſe
können doch nur deutſche ſeyn, und müſſen als ſolche ſich bei aller Welt von
ſelbſt verſtehen: wozu dann jener Zuſatz?



Italieniſche Reiſeblätter.
V.*)
Rom.

△△ Keine Stadt der Erde bietet dem Forſcher ein ſo reiches Feld we
Rom. Hauptſächlich drei Richtungen ſind zu beachten: die claſſiſchen Denk-
mäler, die Kunſt, alte und neue, das moderne Leben und Treiben, ſo wie es
aus dem Mittelalter hervorgieng. Wer Muße und Luſt hätte, vermöchte Jahre
auf das Studium Roms zu wenden, und würde immer Stoff finden. Unſere
Zeit iſt gemeſſen, die Aufgabe welche wir uns geſtellt, beſteht darin dem kran-
ken Staatengreis den Puls zu fühlen, die ſonderbaren Auswüchſe ſeines poli-
tiſchen und ſocialen Lebens zu beobachten. Da gilt es ſich einen inneren Kampf
zu liefern: die lieben Meiſter nur im Flug zu begrüßen, den ſtromweis ein-
dringenden Erinnerungen zu wehren die Roms redende Steine in uns er-
wecken, welche das Leben der Alten, den koloſſalen Unterbau der claſſiſchen
Zeit beſſer künden als ſelbſt die großen Schriftſteller jener Epoche.

Doch dem widerſtehe wer da kann! Unſer erſter Gang iſt auf das Ca-
pitol, über einen der Clivi hinab nach dem Forum. Es klopft das Herz etwas
ſtärker da wir uns inmitten jener Ruinen befinden. In die meiſten ſind chriſt-
liche Tempel gebaut. Auf dem Platz wo fich häufig das Geſchick der Welt
entſchied, wandern jetzt unbeläſtigt Trut- und Perlhühner. War es doch im
Mittelalter noch ſchlimmer. Da war das Forum Romanum zum Weideplatz ge-
worden, und hat auch ſeitdem den Ramen „Campo Baccino“ behalten. Erſt
die neue Zeit räumte Jahrhunderte alten Schutt hinweg, und legte wieder die
koſtbaren Ueberreſte dem Auge bloß. Beſonders machte ſich darum die fran-
zöſiſche Regierung verdient während ihrer kurzen Occupation Roms im Beginn
dieſes Jahrhunderts. Ihr verdanken wir es den Lieblingsſpaziergang des
Horaz wandeln zu können, von dem er ſchreibt: ibam sorte via sacra, sicut
meus est mos.

Da begegnet uns eine Schaar weißgekleideter Knaben, einer der vielen
geiſtlichen Akademien angehörig, und hier biegt um das Coloſſeum ein Trupp
Kuttenmänner. Dieſer Anblick vertreibt alle claſſiſchen Träumereien. Die
Phyſtognomien jener Mönche ſind zum Theil ſo vollſtändig geiſtlos, ihre Er-
ſcheinung ſo widerlich unreinlich, daß ſie uns an die Derwiſche des Orients
mahnen. Einige wenige unter ihnen find geiſterbleich und hohläugig — dieſen
hat wohl die Aſceſe den Kopf etwas verrückt. Es iſt doch etwas eigenthüm-
liches um das Mönchthum, das mit den Caſernen und den Armenhäuſern um
die Wette ſtreitet wer von ihnen das 19. Jahrhundert mehr überwuchern werde.
Der erſte Napoleon that alles es auszurotten, und nun hat es ſich bereits
wieder überall angeſetzt. Auch das Coloſſeum wurde durch den finſtern Mönche-
geiſt erfüllt. Es war weder die Zeit noch die fremden Kriegsſchaaren welche
ſeine Mauern brachen, ſondern dem päpſtlichen Rom galt es verdienſtvoll die
großartigen Denkmäler des Heidenthums zu zerſtören. Urban VIII ließ zum
Bau eines Palaſtes Steine nehmen vom berühmten Amphitheater des Fla-
vius. Das römiſche Volk rächte dieſen Vandalismus durch das Witzwort:
quod non secerunt Barbari, fecerunt Barberini! Im Innern find Votiv-
tafeln und Capellchen angebracht die einen ſehr häßlichen Anblick gewähren.
Sie ſollen an das in den Thierhetzen vergoſſene Martyrerblut erinnern. Doch
fanden leider die finſtern Fanatiker des Heidenthums, die ſolche Gräuel ver-
übten, nur zu getreue Nachfolger. Der Scheiterhaufen eines Huß brannte
ſogar im verhältnißmäßig aufgeklärten und leideuſchaftsloſen Deutſchland.
Der franzöſiſchen Dragonaden, der ſpaniſchen Autodefés und römiſchen Ketzer-
richter nicht zu denken!

Vom Coloſſeum führt in gerader Linie eine ſchöne lange Straße nach San
Giovanni in Laterano — „caput et mater ecclesiarum urbis et orbis,“ wie
der ſtolze Titel dieſer Kirche lautet. Ich ſchlage lieber den Hohlweg zur Linken
ein, der ſich den Esquilin hinanſchlängelt; in dieſer Richtung müſſen die Ther-
men des Titus liegen und das Septizonium. Davon fand ich indeſſen nichts.
Hohe Mauern verſchloſſen jeden Einblick in die Vignen, welche viele Alter-
thümer enthalten. Eine bis zwei Miglien trennen faſt jedes der Thore von
dem bewohnten Raum. Die Aurelianiſche Mauer iſt längſt zu weit gewor-

*) S. Nr. 154 der Allg. Ztg.
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[2662/0018] ⁑ Aus Weſtfalen, 1 Jun. Es war ein Wort zu ſeiner Zeit welches der Prinz Regent in der Kommer, und noch deutlicher, wie es ſcheint, eben auf unſerer äußerſten Weſtgränze geſprochen. Es hat in Frank- reich, wie wir hören, einen ſchallenden Wiederhall gefunden, noch ſtärkern in ganz Deutſchland; dort war der Wiederhall gar nicht freundlich, die Franzoſen ſcheinen aus ihrer vornehmen frechen Ueberhebung gegen Deutſchland etwas aufgeſchreckt; in Deutſchland dagegen haben die Worte des Prinz-Regenten in den Herzen aller Vaterlandsfreunde die freudigſte Zuſtimmung gefunden. Heffentlich bezeichnen ſie den Anfang einer entſchiedenen Umkehr von jenen Wegen auf welchen nichts, gar nichts gewonnen wurde als daß die Zwietracht noch mehr geſchürt ward. Wir wurden dabei öfter an eine Aeſopiſche Fabel des Babrius erinnert. Hercules findet im Hohlweg ein kleines Ding wie ein Ei; er will es zertreten, da wächst es gleich in die Höhe; nun ſchlägt er zor- nig mit der Keule darauf, aber da fängt es erſt recht an zu wachſen und zu ſchwellen, bis es ihm endlich den ganzen Hohlweg verſperrt. Entſetzt wirft Hercules die Keule weg und ſtart das Ungethüm an, gegen welches auch ſeine Rieſenkraft nichts vermag. Da ruft ihm die hellſtrahlende Pallas zu: „Der Zwietracht Bild iſt dieſes Ei: reizt man es nicht, ſo bleibt es liegen wie es war; gereizt durch Kampf, thürmt es ſich auf zur Bergeshöhe.“ Dieſe Lehre des alten Aeſop hatten unſere Kammerdeputirten völlig vergeſſen; ſie arbeiteten mit Mund und Hand als wäre es ihnen die größte Luſt die Zwietracht in Deutſch- land zu ſchüren, daß ſie hellauf brenne. Die Kammer iſt auseinandergegangen, und, wie ich vorherſagte, nichts hat ſie hinter ſich gelaſſen als Aerger vollauf. Sang- und klanglos ſind die Abgeordneten heimgekommen, und ihr Herr und Meiſter, der ſtreitbare Held Vincke, mürriſch und ohnmächtig ſitzt er bis an den Hals vergraben in der Fluth des Aergers die er überall aufgerührt. Nie trat eine Kammer mit größern Hoffnungen zuſammen, nie hat ſie einen trü- bern Eindruck zurückgelaſſen als ſie auseinandergieng. Selbſt der tiefgefallene Manteuffel, deſſen ewiges Zurückweichen vor der Junkerpartei zu allermeiſt uns in dieſe Zeit der liberalen Schwäche und Unklarheit verſetzt hat, hält es jetzt an der Zeit ſich in einer lahmen Rede post festum zu erholen an „jener durch Selbſttäuſchung und Selbſtverherrlichung ſo ausgezeichneten Partei.“ In der That, die ſtillen Wunden welche eine wahrhaft conſtutionelle Entwick- lung, die in Preußen ja noch ſo jung iſt, in der letzten Landtagsperiode empfan- gen, könnten nicht minder gefährlich werden als der Schaden welchen die deut- ſche Einheit erlitt. Doch die letztere iſt jetzt die Hauptſache, wir meinen nicht eine künſtlich oder gewaltſam gemachte oder halbe Einheit, ſondern aller deut- ſchen Stämme ehrliches und begeiſtertes Zuſammenhalten gegen den äußern Feind. Auch in unſerer Provinz Weſtfalen, wo man nicht bloß ſpecifiſch preußiſch, ſondern vor allem auch deutſch fühlt und denkt, ſah man in der letz- tern Zeit mit Sorgen und Mißmuth in die Zukunft. Denn wie wollte Preu- ßen allein mit ſeinen 17 Millionen und ihrer zerſtreuten Lage die ganze zu- ſammengeballte franzöſiſche Macht fiegreich beſtehen! Es war die höchſte Zeit daß der Prinz Regent jene königlichen und deutlichen Worte ſprach, ſie haben das gute Vertrauen wieder befeſtigt daß es nicht erſt der Verluſte und der Schmach bedürfe um den Feind in ſeine Gränzen zurückzuweiſen, und ſo Gott will noch etwas hinter dieſelben. Möchte den Worten des Prinz Regenten nur auch bald die nöthige Aenderung im Miniſterium folgen; denn nach allem was geſagt und geſchwiegen iſt, wird man in Deutſchland je wieder Vertrauen faſſen zu den Führern unſerer auswärtigen Angelegenheiten, die im beſten Fall doch nur einen Haufen von Velleitäten repräſentiren? Man braucht deßhalb nicht zu den verlaſſenen Reihen der Kreuzzeitungsritter zurückzugreifen, es wird außer ihnen noch Männer geben welche erkennen was jetzt Preußen und Deutſchland allein noththut, und die ihre ganze Kraft daran ſetzen es raſch und entſchieden auszuführen, damit nicht wieder wie im vorigen Jahr der rechte Moment verpaßt werde. Eine werthvolle Thatſache iſt uns aber doch von den Ereigniſſen des vorigen Jahrs zurückgeblieben: Deutſchland iſt ge- rüſtet, ſeine Heerkräſte ſind wenigſtens raſch ſchlagfertig zu machen, wenn- gleich noch zu wünſchen bleibt daß ſie beſſer mit einander eingeübt wären und ſchneller aus allen Theilen zuſammenfließen könnten. Was in dieſer Be- ziehung jetzt in Preußen geſchieht, iſt greß und tüchtig. Wir beklagen es daß man die Scharnhorſi’ſche Wehrverfaſſung aufgibt, ſtatt ſie in allen ihren Con- ſequenzen breit und gründlich durchzuführen; allein jetzt fragen wir nur: wo bekommen wir in Eile viele und gute Soldaten her? Und dieſe Antwort lautet in Preußen tröſtlich. Wir leben jetzt faſt nur in militäriſchen Dingen, und der Zuwachs an Zahl und Kraft den unſer Heer jetzt erhält wird fich an- ſehnlich genug herausſtellen. Wär’ es möglich, ſo könnte uns ferner tröſtlich ſeyn die idylliſche Ruhe welche das in Weſtfalen am meiſten geleſene Blatt Frankreich gegenüber jetzt beobachtet, wir meinen die Köln. Zeitung. Dieſe hätte recht eigentlich das Amt welches, wie es ſcheint, die Allg. Zeitung allein die Ehre hat zu verwalten — das Amt toujours en vedette gegen Frankreich zu ſtehen. Die Köln. Ztg. müßte uns täglich die genaneſten und ausſührlichen Berichte über franzöſiſche Vorgänge, und Stimmungen und Rüſtungen bringen; ſie beflei- ßigt ſich aber Frankreich gegenüber eines liebenswürdigen Gleichmuths. Etwas (u i)s erſchien uns die Bemerkung des „Pays“ vom 30 Mai. Dieſes Pariſer Blatt berichtet: die Köln. Zeitung habe dem Prinz-Regenten Worte in den Mund gelegt welche mit der lebhafteſten Begeiſterung aufgenommen worden ſeyen, und fährt dann fort: „Wir halten es für wahrſcheinlich daß dieſes Blatt, deſſen Tendenzen man übrigens kennt, durch Uebertreibung die bei dieſer Gelegenheit gefallenen Worte entſtellt hat. Uebrigens iſt es nicht zum erſtenmal daß wir in der Köln. Zeitung einer allzu phantafiereichen Auslegung gewiſſer Thatſachen und Worte begegnen.“ Richtig, eine mehr phantaſiereiche Unſchuld konnte es nicht geben als mit welcher die Köln. Ztg. Louis Napoleon Worte im Herzen trug: er gieng ja nur für eine erhabene Idee in den italieniſchen Krieg! Allein was bedeutet der ſonderbare Zuſatz des Pays von den übrigens bekannten Tendenzen der Köln. Zeitung? Dieſe können doch nur deutſche ſeyn, und müſſen als ſolche ſich bei aller Welt von ſelbſt verſtehen: wozu dann jener Zuſatz? Italieniſche Reiſeblätter. V. *) Rom. △△ Keine Stadt der Erde bietet dem Forſcher ein ſo reiches Feld we Rom. Hauptſächlich drei Richtungen ſind zu beachten: die claſſiſchen Denk- mäler, die Kunſt, alte und neue, das moderne Leben und Treiben, ſo wie es aus dem Mittelalter hervorgieng. Wer Muße und Luſt hätte, vermöchte Jahre auf das Studium Roms zu wenden, und würde immer Stoff finden. Unſere Zeit iſt gemeſſen, die Aufgabe welche wir uns geſtellt, beſteht darin dem kran- ken Staatengreis den Puls zu fühlen, die ſonderbaren Auswüchſe ſeines poli- tiſchen und ſocialen Lebens zu beobachten. Da gilt es ſich einen inneren Kampf zu liefern: die lieben Meiſter nur im Flug zu begrüßen, den ſtromweis ein- dringenden Erinnerungen zu wehren die Roms redende Steine in uns er- wecken, welche das Leben der Alten, den koloſſalen Unterbau der claſſiſchen Zeit beſſer künden als ſelbſt die großen Schriftſteller jener Epoche. Doch dem widerſtehe wer da kann! Unſer erſter Gang iſt auf das Ca- pitol, über einen der Clivi hinab nach dem Forum. Es klopft das Herz etwas ſtärker da wir uns inmitten jener Ruinen befinden. In die meiſten ſind chriſt- liche Tempel gebaut. Auf dem Platz wo fich häufig das Geſchick der Welt entſchied, wandern jetzt unbeläſtigt Trut- und Perlhühner. War es doch im Mittelalter noch ſchlimmer. Da war das Forum Romanum zum Weideplatz ge- worden, und hat auch ſeitdem den Ramen „Campo Baccino“ behalten. Erſt die neue Zeit räumte Jahrhunderte alten Schutt hinweg, und legte wieder die koſtbaren Ueberreſte dem Auge bloß. Beſonders machte ſich darum die fran- zöſiſche Regierung verdient während ihrer kurzen Occupation Roms im Beginn dieſes Jahrhunderts. Ihr verdanken wir es den Lieblingsſpaziergang des Horaz wandeln zu können, von dem er ſchreibt: ibam sorte via sacra, sicut meus est mos. Da begegnet uns eine Schaar weißgekleideter Knaben, einer der vielen geiſtlichen Akademien angehörig, und hier biegt um das Coloſſeum ein Trupp Kuttenmänner. Dieſer Anblick vertreibt alle claſſiſchen Träumereien. Die Phyſtognomien jener Mönche ſind zum Theil ſo vollſtändig geiſtlos, ihre Er- ſcheinung ſo widerlich unreinlich, daß ſie uns an die Derwiſche des Orients mahnen. Einige wenige unter ihnen find geiſterbleich und hohläugig — dieſen hat wohl die Aſceſe den Kopf etwas verrückt. Es iſt doch etwas eigenthüm- liches um das Mönchthum, das mit den Caſernen und den Armenhäuſern um die Wette ſtreitet wer von ihnen das 19. Jahrhundert mehr überwuchern werde. Der erſte Napoleon that alles es auszurotten, und nun hat es ſich bereits wieder überall angeſetzt. Auch das Coloſſeum wurde durch den finſtern Mönche- geiſt erfüllt. Es war weder die Zeit noch die fremden Kriegsſchaaren welche ſeine Mauern brachen, ſondern dem päpſtlichen Rom galt es verdienſtvoll die großartigen Denkmäler des Heidenthums zu zerſtören. Urban VIII ließ zum Bau eines Palaſtes Steine nehmen vom berühmten Amphitheater des Fla- vius. Das römiſche Volk rächte dieſen Vandalismus durch das Witzwort: quod non secerunt Barbari, fecerunt Barberini! Im Innern find Votiv- tafeln und Capellchen angebracht die einen ſehr häßlichen Anblick gewähren. Sie ſollen an das in den Thierhetzen vergoſſene Martyrerblut erinnern. Doch fanden leider die finſtern Fanatiker des Heidenthums, die ſolche Gräuel ver- übten, nur zu getreue Nachfolger. Der Scheiterhaufen eines Huß brannte ſogar im verhältnißmäßig aufgeklärten und leideuſchaftsloſen Deutſchland. Der franzöſiſchen Dragonaden, der ſpaniſchen Autodefés und römiſchen Ketzer- richter nicht zu denken! Vom Coloſſeum führt in gerader Linie eine ſchöne lange Straße nach San Giovanni in Laterano — „caput et mater ecclesiarum urbis et orbis,“ wie der ſtolze Titel dieſer Kirche lautet. Ich ſchlage lieber den Hohlweg zur Linken ein, der ſich den Esquilin hinanſchlängelt; in dieſer Richtung müſſen die Ther- men des Titus liegen und das Septizonium. Davon fand ich indeſſen nichts. Hohe Mauern verſchloſſen jeden Einblick in die Vignen, welche viele Alter- thümer enthalten. Eine bis zwei Miglien trennen faſt jedes der Thore von dem bewohnten Raum. Die Aurelianiſche Mauer iſt längſt zu weit gewor- *) S. Nr. 154 der Allg. Ztg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-01-12T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860, S. 2662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine159_1860/18>, abgerufen am 15.05.2024.