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Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.

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[Spaltenumbruch] sich recht gut anlassen. Ich habe schon darauf hingewiesen daß belletri-
stische Blätter bei uns durchaus keinen Boden mehr haben. Man spricht
zwar davon daß in den nächsten Landstädten, Baden und Neustadt, Jour-
nale erscheinen sollen weil sie dort nur 5000 fl. zu zahlen haben, aber sie
werden, wenn auch entstanden, sich nicht halten, da selbst eine so kleine
Entfernung ihnen doch die Concurrenz mit den großen Blättern in der
Schnelligkeit der Mittheilungen unmöglich macht. Die Folge des ganzen
Sachverhaltes wird also seyn daß an die Stelle der Journale eine Bro-
schüren- und Flugschriften-Literatur treten wird, bei der aber die gute
Sache nur verlieren kann. Ich wünsche daß ich mich irre, glaube aber
diese Verhältnisse hinlänglich zu kennen. Und wie wird es mit den un-
garischen Ländern seyn? Werden die Zeitungen von Hermannstadt und
Kronstadt auch nur 5000 fl. erlegen können? Das Ministerium hat bei
jeder Gelegenheit gezeigt wie großes Gewicht es auf die öffentliche Mei-
nung legt, es hat selbst Organe dafür gegründet, man kann also sich über-
zeugt halten daß die obenangedeuteten Folgen der Cautionen nicht von
demselben beabsichtigt wurden, so daß eine Modification der provisorischen
Maßregel wohl zu erwarten seyn dürfte. Uebrigens hört man daß wäh-
rend des Belagerungszustands keine Cautionen gefordert werden sollen.


Der ehemalige Minister und bisheriger
Redacteur der "Allgemeinen österreichischen Zeitung", Herr v. Schwar-
zer
, ist zu 48 Stunden Stockhausatrest verurtheilt worden. Amtlich mo-
tivirt wird dieses Urtheil dadurch daß, wenn auch die aufreizende Tendenz
zweier Aufsätze "der Wahrheit eine Gasse" und "der Wochencourier" dem
Redacteur Hrn. v. Schwarzer selbst nicht zur Last gelegt werden können,
so treffe ihn doch "das schwere Verschulden einer Fahrlässigkeit die einge-
sendeten Artikel in ihrer Fassung nicht modificirt zu haben." Obgleich
Einleitung eines kriegsrechtlichen Verfahrens nicht für thunlich befunden
worden, "so mußte der Hr. Redacteur einer Ahndung unterworfen wer-
den, welche ihm von der Central-Untersuchungscommission durch 48stün-
digen Profoßenarrest zuerkannt worden ist."(!)


Die Gestaltung Deutschlands wird hier von
der Mehrzahl fortwährend mit Gleichgültigkeit angesehen. Wer daran
ein Interesse nimmt, den macht die anscheinende oder ernst gemeinte Wei-
gerung des Königs von Preußen irre. Nimmt er die Kaiserkrone an*),
dann mag Deutschland den Bundesstaat fest schließen, und auf das Zu-
treten von Oesterreich, auch in den Staatenbund, nicht rechnen, da die hie-
sige Regierung, auch wenn sie wollte, wegen der Stimmung der Völker
kaum darauf eingehen kann. -- Unser Ministerium ist ungemein thätig.
Es läßt Tag für Tag organische Gesetze erscheinen. Das Gemeindegesetz,
das Entschädigungsgesetz, das Jagdgesetz gefallen allgemein -- weniger das
Preßgesetz und das Affociationsgesetz. Die Minister antworten auf die
letztere Bemerkung: wie sie von der Erfahrung ihre Rechtfertigung und
den Beweis erwarteten, daß selbst diese beschränkenden Gesetze für unser
unerfahrenes Volk noch allzuschwache Gränzen gesetzt. In Hinsicht der
Jury glaube ich das auch, und fürchte daß Jahre vergehen werden bevor
man sich auf ein gesundes kaltes Urtheil der Juries in Oesterreich wird
verlassen können. Indessen mußte der Anfang gemacht werden.


Gestatten Sie mir einige Aufklärungen
über die jüngsten Ereignisse bei Szolnok und Kapolna und deren Folgen.
Durch directe Briefe vom Kriegsschauplatz und andere verläßliche Nach-
richten in den Stand gesetzt Ihre Leser über den wahren Sachverwalt zu
unterrichten, glaube ich dadurch der guten Sache einen Dienst zu thun.
Läßt sich auch Geschehenes nicht ungeschehen machen, so lassen sich doch
Rückfälle vermeiden, und diejenige Censur welche die Oeffentlichkeit
übt, ist für das Vaterland immer eine heilsame -- das beweisen uns die
Berichte über Lord Gough und dessen schnelle Vertauschung mit Napier.
Unsere ungarische Armee hat innerhalb weniger Wochen an derselben Stelle
-- bei Szolnok -- zwei Schlappen erlitten; die letzte war leider eine nicht
ganz unbedeutende. Sechs-bis achthundert Oesterreicher blieben dabei
todt oder schwer verwundet auf dem Platze, von 400 Pionnieren sollen nur
80 entkommen, bloß von Erzherzog Karl Infanterie mehr als 200 Mann
gefallen seyn. Diese für unsere Waffen traurige Katastrophe war die
Folge eines Ueberfalles den 15 bis 20,000 Magyaren gegen die 3000
Mann starke Brigade des Generalmajors Karger ausgeführt, und der um
so auffallender als man österreichischerseits schon früher unterrichtet gewe-
sen zu seyn scheint daß die Magyaren zu solchem oder ähnlichem Zwecke
eine Brücke über die Theiß geschlagen hatten. Die Magyaren gaben bei
diesem Ueberfall keinen Pardon -- daher, nebst dem Löwenmuthe der Un-
srigen -- so viele Todte und fast keine Gefangenen. Generalmajor Karger
soll in Folge dieses Unfalles, wie einige sagen, pensionirt, wie andere be-
haupten in kriegsrechtliche Untersuchung gezogen worden seyn; ob ihn oder
die Befehle seiner Vorgesetzten oder beide die Schuld trifft, wird die Un-
[Spaltenumbruch] tersuchung darthun, vorausgesetzt daß man die Sache nicht vertuscht --
oder daß nicht, wie bei Graf Zichy, dem Commandanten von Venedig, der
Mangel an Beweisen ein langdauerndes non liquet zur Folge hat. Ge-
wiß scheint mir daß Fürst Windisch-Grätz in der Wahl seiner Unter-
feldherren
öfters unglücklich ist, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich
hinzufüge daß entweder Unkenntniß oder Geringschätzung gewisser sonst
allbekannter Vorgänge die Ursache seiner unglücklichen Wahlen, ja fast
des ganzen Ganges des Krieges in Ungarn ist. Wenigstens kann ich,
und können sich Hunderte mit mir nicht anders erklären warum der Fürst,
dessen Redlichkeit, Patriotismus und persönlichen Muth nur Verleumder
in Frage stellen, Generalen wie Nugent und Wrbna das Commando eige-
ner, zum Theil großer Armeecorps anvertraute. Feldmarschalllieutenant
Nugent -- der im Sommer 1848 auf den Protest seines Officierscorps
von dem Commando im Venezianischen entfernt wurde, der nebstbei schon
bejahrt und bei seinem Alter durchaus kein Radetzky oder Puchner ist, er-
hielt das Commando der südungarischen Armee von 20 bis 25,000 Mann
-- ohne in den Augen der Welt seine italienische Scharte ausgewetzt zu haben.
Nugents Corps (Mannschaft und Officiere) ist brav, von seinen Heldenthaten
kam aber noch keine Kunde zu uns. Feldmarschalllieutenant Graf Wrbna,
weder durch seine Cavalleriemanöver im J. 1845, noch durch seine Kriegs-
thaten in Krakau (1846) berühmt, wurde von dem ihm damals übertra-
genen Commando bald wieder entfernt und genoß, soviel mir und vielen
anderen bekannt, nie eines größern Feldherrn Rufes in der Armee. Dennoch
wurde auch ihm ein eigenes Armeecorps in Ungarn anvertraut. Es wird
für gewiß erzählt, man habe ihm zwar auch dieses Commando neuerlich
abgenommen, aber erst in Folge eines -- si fabula vera -- für unsere
Waffenehre wenig vortheilhaften Vorfalles bei Kapolna. Es soll nämlich
ein großer magyarischer Artilleriepark in einem Dorfe bei Kapolna im
Kothe stecken geblieben seyn. Die Oesterreicher hätten, so wird hinzuge-
fügt, sich desselben leicht bemächtigen können, aber man habe 2 volle Tage
nutzlos verstreichen lassen, und -- Feldmarschalllieutenant Graf Wrbna soll
der Commandant des betreffenden österreichischen Corps gewesen seyn.
Wie man mich versichert, wurden unsere Truppen über diese Unthätigkeit
dergestalt entrüstet daß einige hundert Officiere gegen die Belassung
Wrbna's im Commando schriftlich protestiren wollten. Erst hierauf
scheint man Wrbna's Entfernung vom Commando für unvermeidlich ge-
halten zu haben. Generalmajor Graf Deym, wie es heißt, ebenfalls bei
diesen oder anderen Unfällen unserer Armee betheiligt, wurde sogleich
nach Galizien versetzt. Warum man die gräflichen Generale keiner kriegs-
rechtlichen Untersuchung unterzogen, warum in Ungarn überhaupt derlei
altgräfliche Generale so zahlreich sind, warum der bei der Armee so be-
liebte Jellachich, warum die Generale Zeisberg, Hartlieb, Haslaub und
andere einem Nugent und Wrbna nachstehen mußten, ist annoch für viele
ein Räthsel; andere meinen es sey eben nur ein öffentliches Geheimniß.
Jedenfalls nur beklagenswerth scheint mir das Verhalten der österreichi-
schen Tagespresse gegenüber solchen von Mund zu Mund gehenden Ge-
rüchten. In England kommt die ministerielle wie die Opposttionspresse
dem Ministerium zu Hülfe um -- Maßregeln der Strenge durchzuführen,
um sie abzunöthigen. Bei uns sind theils die Sympathien der Opposition
für Kossuth, Karl Albert u. drgl., theils der Köhlerglaube der halbofficiel-
len oder conservativen Journale der Regierung durch derlei Enthüllungen
zu schaden der Grund des allseitigen Schweigens. Man kennt bei uns
fast nur die Alternative: zu wühlen oder zu scherwenzeln; ein ganz un-
abhängiges Blatt gehört noch zu den frommen Wünschen. Leider weiß
auch die ob ihres Styles beliebte Ostdeutsche Post nur Opposition zu ma-
chen, und selbst das vergleichsweise selbständigste Wiener Journal, "die
Presse," vermag seine Unabhängigkeit nur zum Theil, nur in einigen
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ohne Frage ist, kann es nur schmerzlich fallen daß kein österreichisches
Organ ihre Interessen, ihre Ehre und ihren Ruhm durch freimüthige aber
besonnene und kundige Besprechung öffentlich vertritt. So eben verkün-
det ein Bülletin Radetzky's zweiten glänzenden Sieg bei Novara. Wenn
Fürst Windisch-Grätz den militärischen Ehrgeiz eines Themistokles besäße,
ließen ihn die Siege Radetzky's nicht schlafen; statt dessen geht es in Ungarn
immer schlechter. Kaschau wurde abermals von den Magyaren besetzt,
Görgey streift mit einigen tausend Insurgenten bis an die mährische
Gränze! Kossuth wird ins Fäusichen lachen. Ja, es könnte geschehen daß
unsere italienischen Siege in Ungarn noch traurigere Gegensätze als bis-
her finden. Möge Graf Stadion in seinen energischen Bemühungen dem
aristokratischen Bevorzugungssystem Zaum und Kappe anzulegen glücklich
seyn, denn wehe uns! wenn dem bereits mächtig angeschwollenen Kamm einer
gewissen Clique nicht Einhalt gethan wird. Neben dem Bureaukratismus und
Ultramontanismus war es gerade der seit 1825 immer entschiedener auftre-
tende Aristokratismus, der im März 1848 in Oesterreich zu einer Kata-
strophe führte die in ihrem Verlaufe dem Staate und unserer Dynastie

*) Am 31 März kannte man in Wien die Kaiserwahl.

[Spaltenumbruch] ſich recht gut anlaſſen. Ich habe ſchon darauf hingewieſen daß belletri-
ſtiſche Blätter bei uns durchaus keinen Boden mehr haben. Man ſpricht
zwar davon daß in den nächſten Landſtädten, Baden und Neuſtadt, Jour-
nale erſcheinen ſollen weil ſie dort nur 5000 fl. zu zahlen haben, aber ſie
werden, wenn auch entſtanden, ſich nicht halten, da ſelbſt eine ſo kleine
Entfernung ihnen doch die Concurrenz mit den großen Blättern in der
Schnelligkeit der Mittheilungen unmöglich macht. Die Folge des ganzen
Sachverhaltes wird alſo ſeyn daß an die Stelle der Journale eine Bro-
ſchüren- und Flugſchriften-Literatur treten wird, bei der aber die gute
Sache nur verlieren kann. Ich wünſche daß ich mich irre, glaube aber
dieſe Verhältniſſe hinlänglich zu kennen. Und wie wird es mit den un-
gariſchen Ländern ſeyn? Werden die Zeitungen von Hermannſtadt und
Kronſtadt auch nur 5000 fl. erlegen können? Das Miniſterium hat bei
jeder Gelegenheit gezeigt wie großes Gewicht es auf die öffentliche Mei-
nung legt, es hat ſelbſt Organe dafür gegründet, man kann alſo ſich über-
zeugt halten daß die obenangedeuteten Folgen der Cautionen nicht von
demſelben beabſichtigt wurden, ſo daß eine Modification der proviſoriſchen
Maßregel wohl zu erwarten ſeyn dürfte. Uebrigens hört man daß wäh-
rend des Belagerungszuſtands keine Cautionen gefordert werden ſollen.


Der ehemalige Miniſter und bisheriger
Redacteur der „Allgemeinen öſterreichiſchen Zeitung“, Herr v. Schwar-
zer
, iſt zu 48 Stunden Stockhausatreſt verurtheilt worden. Amtlich mo-
tivirt wird dieſes Urtheil dadurch daß, wenn auch die aufreizende Tendenz
zweier Aufſätze „der Wahrheit eine Gaſſe“ und „der Wochencourier“ dem
Redacteur Hrn. v. Schwarzer ſelbſt nicht zur Laſt gelegt werden können,
ſo treffe ihn doch „das ſchwere Verſchulden einer Fahrläſſigkeit die einge-
ſendeten Artikel in ihrer Faſſung nicht modificirt zu haben.“ Obgleich
Einleitung eines kriegsrechtlichen Verfahrens nicht für thunlich befunden
worden, „ſo mußte der Hr. Redacteur einer Ahndung unterworfen wer-
den, welche ihm von der Central-Unterſuchungscommiſſion durch 48ſtün-
digen Profoßenarreſt zuerkannt worden iſt.“(!)


Die Geſtaltung Deutſchlands wird hier von
der Mehrzahl fortwährend mit Gleichgültigkeit angeſehen. Wer daran
ein Intereſſe nimmt, den macht die anſcheinende oder ernſt gemeinte Wei-
gerung des Königs von Preußen irre. Nimmt er die Kaiſerkrone an*),
dann mag Deutſchland den Bundesſtaat feſt ſchließen, und auf das Zu-
treten von Oeſterreich, auch in den Staatenbund, nicht rechnen, da die hie-
ſige Regierung, auch wenn ſie wollte, wegen der Stimmung der Völker
kaum darauf eingehen kann. — Unſer Miniſterium iſt ungemein thätig.
Es läßt Tag für Tag organiſche Geſetze erſcheinen. Das Gemeindegeſetz,
das Entſchädigungsgeſetz, das Jagdgeſetz gefallen allgemein — weniger das
Preßgeſetz und das Affociationsgeſetz. Die Miniſter antworten auf die
letztere Bemerkung: wie ſie von der Erfahrung ihre Rechtfertigung und
den Beweis erwarteten, daß ſelbſt dieſe beſchränkenden Geſetze für unſer
unerfahrenes Volk noch allzuſchwache Gränzen geſetzt. In Hinſicht der
Jury glaube ich das auch, und fürchte daß Jahre vergehen werden bevor
man ſich auf ein geſundes kaltes Urtheil der Juries in Oeſterreich wird
verlaſſen können. Indeſſen mußte der Anfang gemacht werden.


Geſtatten Sie mir einige Aufklärungen
über die jüngſten Ereigniſſe bei Szolnok und Kapolna und deren Folgen.
Durch directe Briefe vom Kriegsſchauplatz und andere verläßliche Nach-
richten in den Stand geſetzt Ihre Leſer über den wahren Sachverwalt zu
unterrichten, glaube ich dadurch der guten Sache einen Dienſt zu thun.
Läßt ſich auch Geſchehenes nicht ungeſchehen machen, ſo laſſen ſich doch
Rückfälle vermeiden, und diejenige Cenſur welche die Oeffentlichkeit
übt, iſt für das Vaterland immer eine heilſame — das beweiſen uns die
Berichte über Lord Gough und deſſen ſchnelle Vertauſchung mit Napier.
Unſere ungariſche Armee hat innerhalb weniger Wochen an derſelben Stelle
— bei Szolnok — zwei Schlappen erlitten; die letzte war leider eine nicht
ganz unbedeutende. Sechs-bis achthundert Oeſterreicher blieben dabei
todt oder ſchwer verwundet auf dem Platze, von 400 Pionnieren ſollen nur
80 entkommen, bloß von Erzherzog Karl Infanterie mehr als 200 Mann
gefallen ſeyn. Dieſe für unſere Waffen traurige Kataſtrophe war die
Folge eines Ueberfalles den 15 bis 20,000 Magyaren gegen die 3000
Mann ſtarke Brigade des Generalmajors Karger ausgeführt, und der um
ſo auffallender als man öſterreichiſcherſeits ſchon früher unterrichtet gewe-
ſen zu ſeyn ſcheint daß die Magyaren zu ſolchem oder ähnlichem Zwecke
eine Brücke über die Theiß geſchlagen hatten. Die Magyaren gaben bei
dieſem Ueberfall keinen Pardon — daher, nebſt dem Löwenmuthe der Un-
ſrigen — ſo viele Todte und faſt keine Gefangenen. Generalmajor Karger
ſoll in Folge dieſes Unfalles, wie einige ſagen, penſionirt, wie andere be-
haupten in kriegsrechtliche Unterſuchung gezogen worden ſeyn; ob ihn oder
die Befehle ſeiner Vorgeſetzten oder beide die Schuld trifft, wird die Un-
[Spaltenumbruch] terſuchung darthun, vorausgeſetzt daß man die Sache nicht vertuſcht —
oder daß nicht, wie bei Graf Zichy, dem Commandanten von Venedig, der
Mangel an Beweiſen ein langdauerndes non liquet zur Folge hat. Ge-
wiß ſcheint mir daß Fürſt Windiſch-Grätz in der Wahl ſeiner Unter-
feldherren
öfters unglücklich iſt, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich
hinzufüge daß entweder Unkenntniß oder Geringſchätzung gewiſſer ſonſt
allbekannter Vorgänge die Urſache ſeiner unglücklichen Wahlen, ja faſt
des ganzen Ganges des Krieges in Ungarn iſt. Wenigſtens kann ich,
und können ſich Hunderte mit mir nicht anders erklären warum der Fürſt,
deſſen Redlichkeit, Patriotismus und perſönlichen Muth nur Verleumder
in Frage ſtellen, Generalen wie Nugent und Wrbna das Commando eige-
ner, zum Theil großer Armeecorps anvertraute. Feldmarſchalllieutenant
Nugent — der im Sommer 1848 auf den Proteſt ſeines Officierscorps
von dem Commando im Venezianiſchen entfernt wurde, der nebſtbei ſchon
bejahrt und bei ſeinem Alter durchaus kein Radetzky oder Puchner iſt, er-
hielt das Commando der ſüdungariſchen Armee von 20 bis 25,000 Mann
— ohne in den Augen der Welt ſeine italieniſche Scharte ausgewetzt zu haben.
Nugents Corps (Mannſchaft und Officiere) iſt brav, von ſeinen Heldenthaten
kam aber noch keine Kunde zu uns. Feldmarſchalllieutenant Graf Wrbna,
weder durch ſeine Cavalleriemanöver im J. 1845, noch durch ſeine Kriegs-
thaten in Krakau (1846) berühmt, wurde von dem ihm damals übertra-
genen Commando bald wieder entfernt und genoß, ſoviel mir und vielen
anderen bekannt, nie eines größern Feldherrn Rufes in der Armee. Dennoch
wurde auch ihm ein eigenes Armeecorps in Ungarn anvertraut. Es wird
für gewiß erzählt, man habe ihm zwar auch dieſes Commando neuerlich
abgenommen, aber erſt in Folge eines — si fabula vera — für unſere
Waffenehre wenig vortheilhaften Vorfalles bei Kapolna. Es ſoll nämlich
ein großer magyariſcher Artilleriepark in einem Dorfe bei Kapolna im
Kothe ſtecken geblieben ſeyn. Die Oeſterreicher hätten, ſo wird hinzuge-
fügt, ſich desſelben leicht bemächtigen können, aber man habe 2 volle Tage
nutzlos verſtreichen laſſen, und — Feldmarſchalllieutenant Graf Wrbna ſoll
der Commandant des betreffenden öſterreichiſchen Corps geweſen ſeyn.
Wie man mich verſichert, wurden unſere Truppen über dieſe Unthätigkeit
dergeſtalt entrüſtet daß einige hundert Officiere gegen die Belaſſung
Wrbna’s im Commando ſchriftlich proteſtiren wollten. Erſt hierauf
ſcheint man Wrbna’s Entfernung vom Commando für unvermeidlich ge-
halten zu haben. Generalmajor Graf Deym, wie es heißt, ebenfalls bei
dieſen oder anderen Unfällen unſerer Armee betheiligt, wurde ſogleich
nach Galizien verſetzt. Warum man die gräflichen Generale keiner kriegs-
rechtlichen Unterſuchung unterzogen, warum in Ungarn überhaupt derlei
altgräfliche Generale ſo zahlreich ſind, warum der bei der Armee ſo be-
liebte Jellachich, warum die Generale Zeisberg, Hartlieb, Haslaub und
andere einem Nugent und Wrbna nachſtehen mußten, iſt annoch für viele
ein Räthſel; andere meinen es ſey eben nur ein öffentliches Geheimniß.
Jedenfalls nur beklagenswerth ſcheint mir das Verhalten der öſterreichi-
ſchen Tagespreſſe gegenüber ſolchen von Mund zu Mund gehenden Ge-
rüchten. In England kommt die miniſterielle wie die Oppoſttionspreſſe
dem Miniſterium zu Hülfe um — Maßregeln der Strenge durchzuführen,
um ſie abzunöthigen. Bei uns ſind theils die Sympathien der Oppoſition
für Koſſuth, Karl Albert u. drgl., theils der Köhlerglaube der halbofficiel-
len oder conſervativen Journale der Regierung durch derlei Enthüllungen
zu ſchaden der Grund des allſeitigen Schweigens. Man kennt bei uns
faſt nur die Alternative: zu wühlen oder zu ſcherwenzeln; ein ganz un-
abhängiges Blatt gehört noch zu den frommen Wünſchen. Leider weiß
auch die ob ihres Styles beliebte Oſtdeutſche Poſt nur Oppoſition zu ma-
chen, und ſelbſt das vergleichsweiſe ſelbſtändigſte Wiener Journal, „die
Preſſe,“ vermag ſeine Unabhängigkeit nur zum Theil, nur in einigen
Fragen zu behaupten. Einer ſo heldenmüthigen Armee wie die unſrige
ohne Frage iſt, kann es nur ſchmerzlich fallen daß kein öſterreichiſches
Organ ihre Intereſſen, ihre Ehre und ihren Ruhm durch freimüthige aber
beſonnene und kundige Beſprechung öffentlich vertritt. So eben verkün-
det ein Bülletin Radetzky’s zweiten glänzenden Sieg bei Novara. Wenn
Fürſt Windiſch-Grätz den militäriſchen Ehrgeiz eines Themiſtokles beſäße,
ließen ihn die Siege Radetzky’s nicht ſchlafen; ſtatt deſſen geht es in Ungarn
immer ſchlechter. Kaſchau wurde abermals von den Magyaren beſetzt,
Görgey ſtreift mit einigen tauſend Inſurgenten bis an die mähriſche
Gränze! Koſſuth wird ins Fäuſichen lachen. Ja, es könnte geſchehen daß
unſere italieniſchen Siege in Ungarn noch traurigere Gegenſätze als bis-
her finden. Möge Graf Stadion in ſeinen energiſchen Bemühungen dem
ariſtokratiſchen Bevorzugungsſyſtem Zaum und Kappe anzulegen glücklich
ſeyn, denn wehe uns! wenn dem bereits mächtig angeſchwollenen Kamm einer
gewiſſen Clique nicht Einhalt gethan wird. Neben dem Bureaukratismus und
Ultramontanismus war es gerade der ſeit 1825 immer entſchiedener auftre-
tende Ariſtokratismus, der im März 1848 in Oeſterreich zu einer Kata-
ſtrophe führte die in ihrem Verlaufe dem Staate und unſerer Dynaſtie

*) Am 31 März kannte man in Wien die Kaiſerwahl.
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[1421/0005] ſich recht gut anlaſſen. Ich habe ſchon darauf hingewieſen daß belletri- ſtiſche Blätter bei uns durchaus keinen Boden mehr haben. Man ſpricht zwar davon daß in den nächſten Landſtädten, Baden und Neuſtadt, Jour- nale erſcheinen ſollen weil ſie dort nur 5000 fl. zu zahlen haben, aber ſie werden, wenn auch entſtanden, ſich nicht halten, da ſelbſt eine ſo kleine Entfernung ihnen doch die Concurrenz mit den großen Blättern in der Schnelligkeit der Mittheilungen unmöglich macht. Die Folge des ganzen Sachverhaltes wird alſo ſeyn daß an die Stelle der Journale eine Bro- ſchüren- und Flugſchriften-Literatur treten wird, bei der aber die gute Sache nur verlieren kann. Ich wünſche daß ich mich irre, glaube aber dieſe Verhältniſſe hinlänglich zu kennen. Und wie wird es mit den un- gariſchen Ländern ſeyn? Werden die Zeitungen von Hermannſtadt und Kronſtadt auch nur 5000 fl. erlegen können? Das Miniſterium hat bei jeder Gelegenheit gezeigt wie großes Gewicht es auf die öffentliche Mei- nung legt, es hat ſelbſt Organe dafür gegründet, man kann alſo ſich über- zeugt halten daß die obenangedeuteten Folgen der Cautionen nicht von demſelben beabſichtigt wurden, ſo daß eine Modification der proviſoriſchen Maßregel wohl zu erwarten ſeyn dürfte. Uebrigens hört man daß wäh- rend des Belagerungszuſtands keine Cautionen gefordert werden ſollen. Wien, 29 März. Der ehemalige Miniſter und bisheriger Redacteur der „Allgemeinen öſterreichiſchen Zeitung“, Herr v. Schwar- zer, iſt zu 48 Stunden Stockhausatreſt verurtheilt worden. Amtlich mo- tivirt wird dieſes Urtheil dadurch daß, wenn auch die aufreizende Tendenz zweier Aufſätze „der Wahrheit eine Gaſſe“ und „der Wochencourier“ dem Redacteur Hrn. v. Schwarzer ſelbſt nicht zur Laſt gelegt werden können, ſo treffe ihn doch „das ſchwere Verſchulden einer Fahrläſſigkeit die einge- ſendeten Artikel in ihrer Faſſung nicht modificirt zu haben.“ Obgleich Einleitung eines kriegsrechtlichen Verfahrens nicht für thunlich befunden worden, „ſo mußte der Hr. Redacteur einer Ahndung unterworfen wer- den, welche ihm von der Central-Unterſuchungscommiſſion durch 48ſtün- digen Profoßenarreſt zuerkannt worden iſt.“(!) □ Wien, 26 März. Die Geſtaltung Deutſchlands wird hier von der Mehrzahl fortwährend mit Gleichgültigkeit angeſehen. Wer daran ein Intereſſe nimmt, den macht die anſcheinende oder ernſt gemeinte Wei- gerung des Königs von Preußen irre. Nimmt er die Kaiſerkrone an *), dann mag Deutſchland den Bundesſtaat feſt ſchließen, und auf das Zu- treten von Oeſterreich, auch in den Staatenbund, nicht rechnen, da die hie- ſige Regierung, auch wenn ſie wollte, wegen der Stimmung der Völker kaum darauf eingehen kann. — Unſer Miniſterium iſt ungemein thätig. Es läßt Tag für Tag organiſche Geſetze erſcheinen. Das Gemeindegeſetz, das Entſchädigungsgeſetz, das Jagdgeſetz gefallen allgemein — weniger das Preßgeſetz und das Affociationsgeſetz. Die Miniſter antworten auf die letztere Bemerkung: wie ſie von der Erfahrung ihre Rechtfertigung und den Beweis erwarteten, daß ſelbſt dieſe beſchränkenden Geſetze für unſer unerfahrenes Volk noch allzuſchwache Gränzen geſetzt. In Hinſicht der Jury glaube ich das auch, und fürchte daß Jahre vergehen werden bevor man ſich auf ein geſundes kaltes Urtheil der Juries in Oeſterreich wird verlaſſen können. Indeſſen mußte der Anfang gemacht werden. ☉ Wien, 28 März. Geſtatten Sie mir einige Aufklärungen über die jüngſten Ereigniſſe bei Szolnok und Kapolna und deren Folgen. Durch directe Briefe vom Kriegsſchauplatz und andere verläßliche Nach- richten in den Stand geſetzt Ihre Leſer über den wahren Sachverwalt zu unterrichten, glaube ich dadurch der guten Sache einen Dienſt zu thun. Läßt ſich auch Geſchehenes nicht ungeſchehen machen, ſo laſſen ſich doch Rückfälle vermeiden, und diejenige Cenſur welche die Oeffentlichkeit übt, iſt für das Vaterland immer eine heilſame — das beweiſen uns die Berichte über Lord Gough und deſſen ſchnelle Vertauſchung mit Napier. Unſere ungariſche Armee hat innerhalb weniger Wochen an derſelben Stelle — bei Szolnok — zwei Schlappen erlitten; die letzte war leider eine nicht ganz unbedeutende. Sechs-bis achthundert Oeſterreicher blieben dabei todt oder ſchwer verwundet auf dem Platze, von 400 Pionnieren ſollen nur 80 entkommen, bloß von Erzherzog Karl Infanterie mehr als 200 Mann gefallen ſeyn. Dieſe für unſere Waffen traurige Kataſtrophe war die Folge eines Ueberfalles den 15 bis 20,000 Magyaren gegen die 3000 Mann ſtarke Brigade des Generalmajors Karger ausgeführt, und der um ſo auffallender als man öſterreichiſcherſeits ſchon früher unterrichtet gewe- ſen zu ſeyn ſcheint daß die Magyaren zu ſolchem oder ähnlichem Zwecke eine Brücke über die Theiß geſchlagen hatten. Die Magyaren gaben bei dieſem Ueberfall keinen Pardon — daher, nebſt dem Löwenmuthe der Un- ſrigen — ſo viele Todte und faſt keine Gefangenen. Generalmajor Karger ſoll in Folge dieſes Unfalles, wie einige ſagen, penſionirt, wie andere be- haupten in kriegsrechtliche Unterſuchung gezogen worden ſeyn; ob ihn oder die Befehle ſeiner Vorgeſetzten oder beide die Schuld trifft, wird die Un- terſuchung darthun, vorausgeſetzt daß man die Sache nicht vertuſcht — oder daß nicht, wie bei Graf Zichy, dem Commandanten von Venedig, der Mangel an Beweiſen ein langdauerndes non liquet zur Folge hat. Ge- wiß ſcheint mir daß Fürſt Windiſch-Grätz in der Wahl ſeiner Unter- feldherren öfters unglücklich iſt, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich hinzufüge daß entweder Unkenntniß oder Geringſchätzung gewiſſer ſonſt allbekannter Vorgänge die Urſache ſeiner unglücklichen Wahlen, ja faſt des ganzen Ganges des Krieges in Ungarn iſt. Wenigſtens kann ich, und können ſich Hunderte mit mir nicht anders erklären warum der Fürſt, deſſen Redlichkeit, Patriotismus und perſönlichen Muth nur Verleumder in Frage ſtellen, Generalen wie Nugent und Wrbna das Commando eige- ner, zum Theil großer Armeecorps anvertraute. Feldmarſchalllieutenant Nugent — der im Sommer 1848 auf den Proteſt ſeines Officierscorps von dem Commando im Venezianiſchen entfernt wurde, der nebſtbei ſchon bejahrt und bei ſeinem Alter durchaus kein Radetzky oder Puchner iſt, er- hielt das Commando der ſüdungariſchen Armee von 20 bis 25,000 Mann — ohne in den Augen der Welt ſeine italieniſche Scharte ausgewetzt zu haben. Nugents Corps (Mannſchaft und Officiere) iſt brav, von ſeinen Heldenthaten kam aber noch keine Kunde zu uns. Feldmarſchalllieutenant Graf Wrbna, weder durch ſeine Cavalleriemanöver im J. 1845, noch durch ſeine Kriegs- thaten in Krakau (1846) berühmt, wurde von dem ihm damals übertra- genen Commando bald wieder entfernt und genoß, ſoviel mir und vielen anderen bekannt, nie eines größern Feldherrn Rufes in der Armee. Dennoch wurde auch ihm ein eigenes Armeecorps in Ungarn anvertraut. Es wird für gewiß erzählt, man habe ihm zwar auch dieſes Commando neuerlich abgenommen, aber erſt in Folge eines — si fabula vera — für unſere Waffenehre wenig vortheilhaften Vorfalles bei Kapolna. Es ſoll nämlich ein großer magyariſcher Artilleriepark in einem Dorfe bei Kapolna im Kothe ſtecken geblieben ſeyn. Die Oeſterreicher hätten, ſo wird hinzuge- fügt, ſich desſelben leicht bemächtigen können, aber man habe 2 volle Tage nutzlos verſtreichen laſſen, und — Feldmarſchalllieutenant Graf Wrbna ſoll der Commandant des betreffenden öſterreichiſchen Corps geweſen ſeyn. Wie man mich verſichert, wurden unſere Truppen über dieſe Unthätigkeit dergeſtalt entrüſtet daß einige hundert Officiere gegen die Belaſſung Wrbna’s im Commando ſchriftlich proteſtiren wollten. Erſt hierauf ſcheint man Wrbna’s Entfernung vom Commando für unvermeidlich ge- halten zu haben. Generalmajor Graf Deym, wie es heißt, ebenfalls bei dieſen oder anderen Unfällen unſerer Armee betheiligt, wurde ſogleich nach Galizien verſetzt. Warum man die gräflichen Generale keiner kriegs- rechtlichen Unterſuchung unterzogen, warum in Ungarn überhaupt derlei altgräfliche Generale ſo zahlreich ſind, warum der bei der Armee ſo be- liebte Jellachich, warum die Generale Zeisberg, Hartlieb, Haslaub und andere einem Nugent und Wrbna nachſtehen mußten, iſt annoch für viele ein Räthſel; andere meinen es ſey eben nur ein öffentliches Geheimniß. Jedenfalls nur beklagenswerth ſcheint mir das Verhalten der öſterreichi- ſchen Tagespreſſe gegenüber ſolchen von Mund zu Mund gehenden Ge- rüchten. In England kommt die miniſterielle wie die Oppoſttionspreſſe dem Miniſterium zu Hülfe um — Maßregeln der Strenge durchzuführen, um ſie abzunöthigen. Bei uns ſind theils die Sympathien der Oppoſition für Koſſuth, Karl Albert u. drgl., theils der Köhlerglaube der halbofficiel- len oder conſervativen Journale der Regierung durch derlei Enthüllungen zu ſchaden der Grund des allſeitigen Schweigens. Man kennt bei uns faſt nur die Alternative: zu wühlen oder zu ſcherwenzeln; ein ganz un- abhängiges Blatt gehört noch zu den frommen Wünſchen. Leider weiß auch die ob ihres Styles beliebte Oſtdeutſche Poſt nur Oppoſition zu ma- chen, und ſelbſt das vergleichsweiſe ſelbſtändigſte Wiener Journal, „die Preſſe,“ vermag ſeine Unabhängigkeit nur zum Theil, nur in einigen Fragen zu behaupten. Einer ſo heldenmüthigen Armee wie die unſrige ohne Frage iſt, kann es nur ſchmerzlich fallen daß kein öſterreichiſches Organ ihre Intereſſen, ihre Ehre und ihren Ruhm durch freimüthige aber beſonnene und kundige Beſprechung öffentlich vertritt. So eben verkün- det ein Bülletin Radetzky’s zweiten glänzenden Sieg bei Novara. Wenn Fürſt Windiſch-Grätz den militäriſchen Ehrgeiz eines Themiſtokles beſäße, ließen ihn die Siege Radetzky’s nicht ſchlafen; ſtatt deſſen geht es in Ungarn immer ſchlechter. Kaſchau wurde abermals von den Magyaren beſetzt, Görgey ſtreift mit einigen tauſend Inſurgenten bis an die mähriſche Gränze! Koſſuth wird ins Fäuſichen lachen. Ja, es könnte geſchehen daß unſere italieniſchen Siege in Ungarn noch traurigere Gegenſätze als bis- her finden. Möge Graf Stadion in ſeinen energiſchen Bemühungen dem ariſtokratiſchen Bevorzugungsſyſtem Zaum und Kappe anzulegen glücklich ſeyn, denn wehe uns! wenn dem bereits mächtig angeſchwollenen Kamm einer gewiſſen Clique nicht Einhalt gethan wird. Neben dem Bureaukratismus und Ultramontanismus war es gerade der ſeit 1825 immer entſchiedener auftre- tende Ariſtokratismus, der im März 1848 in Oeſterreich zu einer Kata- ſtrophe führte die in ihrem Verlaufe dem Staate und unſerer Dynaſtie *) Am 31 März kannte man in Wien die Kaiſerwahl.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849, S. 1421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine93_1849/5>, abgerufen am 15.05.2024.