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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 6, Czernowitz, 05.01.1904.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 5. Jänner 1904.

[Spaltenumbruch]

In welcher Richtung die Reform sich zu bewegen
hatte, ergab sich aus dem Bierkriege, welcher drei Jahre
lang zwischen der Stadtgemeinde, beziehungsweise den Pächtern
der städtischen Bierauflage und den hierortigen Bierbrauern
wütete, und welcher die autonomen und staatlichen Behörden
beschäftigte.

Den wichtigsten und in seiner unmittelbaren Wirkung
am stärksten hervortretenden Streitpunkt bildete die Frage,
in welchem Zeitpunkte die steuerbare Bierwürzemenge im
Kühlschiffe zu erheben sei.

Das Volumen der Bierwürze hängt von der Temperatur
derselben ab.

Da in der Durchführungsverordnung, welche die Czerno-
witzer Gemeindevertretung seinerzeit zum Landesgesetze vom
2. März 1872 erlassen hat, eine bestimmte Norm darüber
nicht enthalten ist, kamen die Auflagepächter auf den Ge-
danken, die Bierwürzemenge bei der höchsten Temperatur zu
erheben.

Die Bierbrauer dagegen vertraten die Ansicht, daß
beim Mangel einer ausdrücklichen Norm die betreffende
Vorschrift für die staatliche Biersteuer anzuwenden ist, nach
welcher die Bierwürzemenge im Kühlschiffe erst bei Abkühlung
auf + 14° R. zu erheben ist.

Es handelt sich hiebei um eine Differenz von durch-
schnittlich 15%, um welche die Auflagepächter durch diesen
Vorgang die Auflage künstlich zu erhöhen suchten. Dieser
15%ige Ueberschuß bei hoher Temperatur geht in Dunst
auf, und die Bierbrauer wehrten sich dagegen, auch
für das verdunstende und durch Kontraktion der Flüssigkeit
verschwindende Quantum die Auflage zu entrichten. In
Ziffern illustrirt betrug diese Differenz in den drei Pacht-
jahren 1900--1902 nicht weniger als 166.123 K 4 h.

Der Gemeinderat rechnete den Pächtern das Bestreben,
auf diesem Wege ihre Einnahmen aus dem gepachteten
Gefälle zu erhöhen, als ein großes Verdienst um die Ge-
meinde an, und mit sehr wenigen Ausnahmen sahen die
Mitglieder des Gemeinderates es als ein Postulat des Lokal-
patriotismus an, den Pächtern in diesem Bestreben tunlichst
Vorschub zu leisten und die Bierbrauer als Erzfeinde der
Gemeinde zu verschreien und in Verruf zu bringen.

Weitere Streitpunkte ergaben sich aus den wider-
sprechenden Anschauungen über die rechtliche Natur der
städtischen Bierauflage.

Die Anhänger der Aufschlagspächter im Gemeinderate
und außerhalb desselben erklärten diese Auflage für eine
Produktionssteuer und folgerten daraus, daß die Verwendung
des steuerbaren Quantums im Zuge der Produktion nicht
weiter zu berücksichtigen ist. Ein Gemeinderat, welcher auf
dem chemischen Gebiete ein hervorragender Fachmann ist,
erklärte erst in allerjüngster Zeit diese Auflage als eine
Bierwürzesteuer, weil die Steuer an der Bierwürze bemessen
wird. Die Bierbrauer hingegen vertreten die Ansicht, daß
die Bierauflage eine Verbrauchsabgabe ist, und daß
als steuerbares Objekt nur das schon verbrauchbare und auf
dem Gebiete der Stadt zum Verbrauche gelangende Bier
angesehen werden könne.

Allerdings steht diese Anschauung im Widerspruche zur
gesetzlichen Einrichtung, daß die Auflage im vorhinein bei
der Erzeugung zu entrichten ist, allein dieser Widerspruch
ist zu Gunsten der Ansicht der Bierbrauer gesetzlich korrigiert.

Soll nun das zum Verbrauche im Stadtgebiete ge-
langende Bier mit der Auflage belegt werden, so muß einer-
seits das im Produktionszuge durch natürliche Schwendung
verloren gehende, und andererseits auch das aus der Stadt
ausgeführte Bier von der Auflage befreit sein.

In der Tat ist mit der Gubernial-Verordnung vom
28. Februar 1826 für die Schwendung ein Nachlaß von
5 Prozent von der Auflage und mit Gubernial-Verordnung
vom 12. März 1836 der Rückersatz der Auflage für aus-
geführtes Bier zugestanden worden. Abgesehen von anderen
ausdrücklichen Erklärungen in verschiedenen Gesetzen ist durch
diese beiden Vorschriften der Charakter der Auflage als einer
Verbrauchsabgabe bestätigt.

Auf Anregung des Bukowiner Landes-Präsidiums hat
nun die Zentralregierung einen Gesetzentwurf an den Buko-
winer Landtag herablangen lassen, welcher sich nicht mehr
als eine einfache Verlängerung des bisher bestehenden Zu-
[Spaltenumbruch] standes, sondern als Neuregelung dieses städtischen Auflage-
rechtes darstellt.

Ohne in die Darstellung der sehr interessanten Phasen
einzugehen, welche dieser Regierungsentwurf durchgemacht
hat, genügt es zu konstatieren, daß in dem vom Landtage be-
schlossenen Gesetze die zwei Grundsätze ausgedrückt sind:

a) daß die Erhebung der steuerbaren Bierwürzemenge
seitens der städtischen Organe fortan zu unterbleiben hat,
und daß für die Stadtgemeinde die von den staatlichen
Finanzorganen bezüglich der Quantität der Bierwürze er-
hobenen Daten maßgebend sind;

b) daß nur das im Stadtgebiete zum Verbrauche ge-
langende fertige Bier von der Auflage getroffen werden darf.

Aus dem ersten Grundsatze folgt, daß auch die städtische
Auflage nunmehr nur von jenem Volumen der Bierwürze
eingehoden werden darf, welches sich bei + 14° R. ergibt.

Aus dem zweiten Grundsatze aber folgt, daß den Bier-
brauern für die bis zum Ausstoße des Bieres zum Ver-
brauche entstehende Schwendung ein Ersatz, und für das aus
der Stadt zum Verbrauche außerhalb derselben ausgeführte
Bier der Rückersatz der ganzen Auflage zu leisten ist.

Darnach ist zu beurteilen, welche von beiden Parteien
-- die Stadtgemeinde oder die Bierbrauer -- sich eines
Sieges rühmen kann.

Der Stadtsäckel wird infolge dieses neuen Landesgesetzes
wohl um ein Sümmchen leichter werden, aber nur um jenes
Sümmchen, welches bisher unrechtmäßig von den Bierbrauern
eingehoben wurde. Die Einnahme aus dem Biergefälle
wird auf eine gerechtere Basis gestellt, und dies allein allen-
falls in Verbindung mit der Schonung einer schwer kämpfenden
Industrie ist ein Vorteil, welcher durch seinen moralischen
Wert den Geldverlust vollkommen aufwiegt, und dies umso
mehr, als die fortwährende Zunahme des Bierkonsums in
unserer aufstrebenden Stadt in absehbarer Zeit den Ertrag
des Biergefälles zweifellos auf die gegenwärtige Höhe zurück-
bringen wird.




Vom Tage.


Der italienische Gesandte in Wien.

(Allg.-Korr.)

Von diplomatischer
Seite verlautet, daß die italienische Regierung bereits die
Zustimmung des österreichischen Kabinets zur Ernennung des
Herzogs von Avarna zum italienischen Botschafter in Wien
erhalten habe. Der neue Botschafter soll noch im Laufe
dieses Monates seinen Posten antreten.




Der neue Nunzius in Wien.

Der bisherige Nunzius in Brüssel,
Monsignore Prinz Gennaro Granito Pignatelli di
Belmonte,
wurde mit Zustimmung der österreichisch-
ungarischen Regierung zum Nunzius in Wien ernannt.




Neue ruthenische Blätter.

(Or.-K.)

Seit dem Neujahr sind
drei ruthenische Blätter ins Leben gerufen worden. In
Tarnopol ein politisches Organ "Podilskyj holos", das
alle 2 Wochen erscheinen und die Interessen der Ruthenen in
Podolien vertreten soll. In Stanislau ein Wochenblatt "Nowa
Sicz"
und in Waszkoutz (Bukowina) eine Fachzeitschrift
"Promin", speziell den Interessen der ruthenischen Volks-
schullehrer gewidmet.




Die galizische Ruthenen.

(P.-T.)

Den hiesigen Blättern wird
gemeldet, daß die ruthenische Intelligenz der westgalizischen
Bezirke Neusandez, Grybow und Limanowa dem Abg. Nikolaj
Wassilko eiue Dankadresse für seine Rede in den Delega-
tionen übersandte.




[Spaltenumbruch]
Demission Korytowskis?

(P.-T.)

Den hiesigen Blättern wird
aus Wien berichtet, daß dortselbst sich das Gerücht verbreitet
habe, der Vizepräsident der galizischen Finanzlandesdirektion,
Dr. Mora-Korytowski, werde in Bälde demissionieren.
Als sein Nachfolger wird der Hofrat im Administrations
Tribunal Dr. Sawicki bezeichnet. Die Nachricht von
dem bevorstehenden Rücktritte Dr. Korytowskis hat hier nicht
unangenehm berührt.




Jungczechischer Kreistag.

(Priv.-Tel. d. "Cz. Allg.
Ztg.")

Gestern wurde hier der erste jungczechische Kreistag
abgehalten. Pacak verteidigte in seiner Rede die Obstruktion
und wies die Möglichkeit einer Versöhnung und Annäherung
an die Deutschen zurück. Das czechische Volk müsse sich auf
schwere Kämpfe vorbereiten, um seine nationalen Forderungen
durchsetzen zu können. Die Rede des Abg. Dr. Herold be-
wegte sich in gleichen Geleisen.




Rußland und Japan.

Es läßt sich nicht leugnen, daß mit dem neuen Jahre
die Stimmung in Bezug auf die Dinge im fernen Osten
noch um eine Schattierung nervöser geworden ist. Das äußert
sich vor allem in Gerüchten über Rüstungen von Truppen
und Entsendungen von Kriegsschiffen, denen jedoch meist die
amtliche Ableugnung auf dem Fuße folgt. Vorläufig ist
jedoch trotz allen Kriegsallarms daran festzuhalten, daß keine
greifbaren Anhaltspunkte gegeben sind, aus denen eine Ver-
schlechterung der Lage zwingend gefolgert werden müsse.
Telegramme, wie die untenstehenden haben in der letzten
Woche wiederholt den Weg über London nach dem Kontinent
genommen. Immerhin muß es bedenklich erscheinen, daß die
Stimmung der Börsenkreise, die bisher bei einer bloßen An-
deutung der Kriegsmöglichkeit in hellen Unwillen gerieten,
seit gestern äußerst gedrückt ist. Aus Paris wie aus
Washington kommen Nachrichten, die allerdings Londoner
Ursprungs sein sollen, wonach Rußlands Antwort auf die
letzte japanische Note ungünstig ausgefallen sei. Die folgenden
Telegramme dürften daher ernstere Beachtung verdienen:

(Priv.-Tel. der "Czern.
Allg. Ztg.")

Das fünfte und zehnte Armeekorps sind nach
Ostasien abgegangen.

(Priv.-Tel. der "Czern. Allg.
Ztg.")

Japan befördert mit Extrazügen große Truppen-
massen nach den Hafenstädten. Das in Shangai erscheinende
Blatt "Mercury" will erfahreu haben, daß die chinesische
Regierung mit Japan sympathisiere.




Ein russischer Rabbinertag.

In Grodno soll in der
nächsten Zeit ein Kongreß der Rabbiner abgehalten werden.
Unlängst haben jedoch dort große Arbeiterstreiks stattgefunden,
zu deren Unterdrückung Truppen in die Stadt gelegt wurden.
Die dadurch hervorgerufene Erregung nutzten die Revolutio-
nären aus und erklärten, daß der Kongreß der Rabbiner nur
der Stärkung der zarischen Selbstherrschaft diene, nicht aber
zur Wahrnehmung der Interessen der Juden abgehalten
werde. Angesichts der erbitterten Stimmung der Grodnoer
Bevölkerung beschlossen die Rabbiner, den Kongreß später ab-
zuhalten. Um aber die russische Regierung ihrer vollständigen
Lo[y]alität zu versichern, haben sie eine Broschüre heraus-
gegeben, die gegen die Zionisten und die Sozialdemokraten
gerichtet ist. In dieser Broschüre empfehlen sie auch eine
Reihe von Maßregeln, durch welche in Zukunft Nieder-
metzelungen der Juden verhindert werden sollen. Sie empfeh-
len zu diesem Zwecke, daß man 1) zu Gott beten und,
nachdem die Erlaubnis der Regierung eingeholt worden ist,
Fastentage festsetzen, 2) Abordnungen zu den Regierungs-
organen schicken, diesen ihre Loyalität versichern und um
Gnade für "Israel" bitten, 3) den Sozialismus aus der
jüdischen Arbeitermasse und der Intelligenz ausrotten soll.
Zur Durchführung der dritten Maßregel sollen die Eltern
verpflichtet werden, ihre Kinder streng zu beaufsichtigen,


[Spaltenumbruch]

können wenigstens sagen, was geschieht ... Sobald diese
gros bonnets das Arbeitszimmer verlassen, tritt im Hause
Feierabend ein -- für Jeden, nur nicht für den Minister.
Denn es kommen noch zwei Männer, die unbedingt empfangen
werden müssen: die Expeditchefs mit den Unterschriften. Da
heißt es unter einer Menge von Erledigungen, Depeschen,
Dekreten, Briefen seinen Namen setzen und danu -- dann
endlich darf der Recke sich recken und sich sagen, daß er müde
ist. Die Gräfin und die Kinder erscheinen fragend an der
Türe und sind froh, reine Luft zu finden und mit Papa zehn
Minuten plaudern zu können, während er sich bereitet, noch
ein Viertelstündchen über Kohlmarkt und Graben zu spazieren,
ehe er sich zum Diner umkleidet.

Wann der Minister, der solche Plage mit so elastischem
Wesen trägt, seine eigentliche Arbeit, die des Ueberdenkens,
Entschließens und Formulierens verrichtet, ist auch den Ein-
geweihten nie klar geworden. In seiner Urbanität läßt er die
Beamten nicht gerne fühlen, daß er viel zu tun habe, und
außerdem hält er darauf, die Meinung auch sejner Intimen
erst dann zu hören, wenn die seine nach Inhalt und Form
fixiert ist. Einwendungen gibt er Gehör, aber am Mitschaffen
Anderer hat er wenig Freude. Es muß wohl so sein, daß er
Nachts arbeitet, und oft lange in die Nacht, denn die ver-
traulichen Direktiven an die Vertreter, welche den letzten Ge-
danken der zu befolgenden Politik enthalten, fließen fast aus-
schließlich aus seiner Feder, und die Referenten, die das Ver-
trauen des Ministers genießen, werden stets mit fertigen,
sauber geschriebenen, aber stellenweise sorgfältig korrigierten
Operaten überrascht.

Der Stil dieser Konzepte ist ebenso reinlich, klar und
sauber wie die Schrift. Graf Goluchowski schreibt ein Deutsch,
das ihm eigen ist, wenn es auch keine markierte Schriftsteller-
[Spaltenumbruch] natur verrät. Ich möchte sagen, sein Deutsch ist fließend wie
Französisch. Damit meine ich nicht die Galizismen, die ihm
leicht unterlaufen und der Erwähnung nicht wert sind, sondern
den getragenen Ton und die Eleganz des Numerus, die viel-
leicht bei den Franzosen selbst nicht mehr so im Schwange sind,
wie bei Jenen, welche französisches Wesen von früher her lieben.

Ich möchte bei diesem Anlaß eine Botschaft verkünden,
über welche gewisse Goluchowski-Verkleinerer in Wien sich sehr
überrascht stellen werden. Unser Minister des Aeußern macht
sich seine Exposees selber und hat sie immer selbst gemacht.
Ob es aus Autoreneitelkeit oder im Bedürfnis nach Konzen-
trierung geschehe, genug: er meidet den Verkehr mit seinen
Räten und verläßt Wien, wenn er seinen Vortrag für die
Delegationen vorbereitet. Die jährliche Reise nach Skala,
seiner galizischen Besitzung, gilt nicht nur der Besichtigung seiner
Wirtschaften; er macht sich dieses Otium, um die politische
Bilanz des Jahres zu ziehen. Es ist kein Kompliment für
seinen Generalstab, daß er auf solche Reisen nicht einmal
einen Sekretär mitnimmt.

Die Sache wäre der Erwähnung nicht wert, wenn es
nicht Idioten und Odioten gäbe, die sich darüber ärgern, daß
der Minister vor dem Inlande und Auslande gute Figur
macht und der Monarchie vor aller Welt eine Würde und
ein Gewicht zu erhalten weiß, an deren Zerstörung so viele
Patrioten im Inlande so eifrig arbeiten. Es wäre am Ende
weder ein Unglück noch eine Schande, wenn ein Mann der
Entschlüsse und Taten, der ja der Minister sein soll, sich zu
seinen Enunziationen der Feder und der Fertigkeit seiner Mit-
arbeiter bedienen würde, die ja für's Formulieren bezahlt
werden. Es ist aber der Trieb der Ohnmächtigen, von der
Impotenz anderer zu reden und ihr Nichtskönnen durch das
Nichtsgönnen zu verraten. Graf Goluchowski hat sich nur
[Spaltenumbruch] einmal dazu verstanden, solche Anwürfe in vornehmer Weise
abzufertigen. Jeder, der selbst Gedanken hat, und ihnen Form
und Leben zu geben weiß, wird über den Drang der Hohl-
köpfe, hervorragende Männer als Plagiatoren an ihren
Sekretären hinzustellen, nur lachen und sich denken, wie
natürlich es sei, daß dumme Kerle eben nicht wissen, wie sie
sich einen Gescheiten vorstellen sollen.

Ein großer Redner und Ueberreder ist Graf Goluchowski
nicht. Dazu fehlt ihm außer der Uebung auch das Tempa-
rament, die Rauflust und die blitzschnelle Denkweise. Aber er
ist trotzdem seinen Angreifern auch dort, wo er aus dem Steg-
reife zu sprechen hatte, nie etwas schuldig geblieben und hat
in Improvisationen gezeigt, daß es ihm weder an Geistes-
gegenwart noch an Mutterwitz gebricht.

Im wichtigsten Punkte, als Staatsmann, ist unser Mi-
nister des Aeußeren eine mehr schlichte als brillante Erscheinung.
Er ist vor allem ehrlich und grade -- d. h. gerade grade
genug, um sich von niemanden in die Tasche stecken zu lassen.
Er foppt niemanden, außer diejenigen, die ihn für dumm
kaufen möchten. Ohne mehr Prätension als so zu sein, wie
andere Leute auch, weiß er mit Ruhe und Entschiedenheit für
sich und die Monarchie jeden herunterzukriegen, der sich bei-
kommen läßt, ihm über zu sein. Er erwirbt Vertrauen
auf den ersten Blick, denn aus seinen freien Augen schaut
Freundlichkeit und Herz, und in der Dauer des Verkehres
hohe Achtung nicht nur vor seinem Wollen, sondern auch
vor seiner Einsicht und seinem Beharren im Wollen.
Er ist ein überzeugter Freund des Friedens, aber nicht
sein Sklave. Graf Kalnoky, sein Vorgänger, war in
auswärtigen Fragen ein ungemein kluger, bedächtiger und
gewissenhafter Mann, stets bedacht, Gefahren abzuwehren
und in allem von dem Gefühl der -- Schwäche der Monarchie


Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 5. Jänner 1904.

[Spaltenumbruch]

In welcher Richtung die Reform ſich zu bewegen
hatte, ergab ſich aus dem Bierkriege, welcher drei Jahre
lang zwiſchen der Stadtgemeinde, beziehungsweiſe den Pächtern
der ſtädtiſchen Bierauflage und den hierortigen Bierbrauern
wütete, und welcher die autonomen und ſtaatlichen Behörden
beſchäftigte.

Den wichtigſten und in ſeiner unmittelbaren Wirkung
am ſtärkſten hervortretenden Streitpunkt bildete die Frage,
in welchem Zeitpunkte die ſteuerbare Bierwürzemenge im
Kühlſchiffe zu erheben ſei.

Das Volumen der Bierwürze hängt von der Temperatur
derſelben ab.

Da in der Durchführungsverordnung, welche die Czerno-
witzer Gemeindevertretung ſeinerzeit zum Landesgeſetze vom
2. März 1872 erlaſſen hat, eine beſtimmte Norm darüber
nicht enthalten iſt, kamen die Auflagepächter auf den Ge-
danken, die Bierwürzemenge bei der höchſten Temperatur zu
erheben.

Die Bierbrauer dagegen vertraten die Anſicht, daß
beim Mangel einer ausdrücklichen Norm die betreffende
Vorſchrift für die ſtaatliche Bierſteuer anzuwenden iſt, nach
welcher die Bierwürzemenge im Kühlſchiffe erſt bei Abkühlung
auf + 14° R. zu erheben iſt.

Es handelt ſich hiebei um eine Differenz von durch-
ſchnittlich 15%, um welche die Auflagepächter durch dieſen
Vorgang die Auflage künſtlich zu erhöhen ſuchten. Dieſer
15%ige Ueberſchuß bei hoher Temperatur geht in Dunſt
auf, und die Bierbrauer wehrten ſich dagegen, auch
für das verdunſtende und durch Kontraktion der Flüſſigkeit
verſchwindende Quantum die Auflage zu entrichten. In
Ziffern illuſtrirt betrug dieſe Differenz in den drei Pacht-
jahren 1900—1902 nicht weniger als 166.123 K 4 h.

Der Gemeinderat rechnete den Pächtern das Beſtreben,
auf dieſem Wege ihre Einnahmen aus dem gepachteten
Gefälle zu erhöhen, als ein großes Verdienſt um die Ge-
meinde an, und mit ſehr wenigen Ausnahmen ſahen die
Mitglieder des Gemeinderates es als ein Poſtulat des Lokal-
patriotismus an, den Pächtern in dieſem Beſtreben tunlichſt
Vorſchub zu leiſten und die Bierbrauer als Erzfeinde der
Gemeinde zu verſchreien und in Verruf zu bringen.

Weitere Streitpunkte ergaben ſich aus den wider-
ſprechenden Anſchauungen über die rechtliche Natur der
ſtädtiſchen Bierauflage.

Die Anhänger der Aufſchlagspächter im Gemeinderate
und außerhalb desſelben erklärten dieſe Auflage für eine
Produktionsſteuer und folgerten daraus, daß die Verwendung
des ſteuerbaren Quantums im Zuge der Produktion nicht
weiter zu berückſichtigen iſt. Ein Gemeinderat, welcher auf
dem chemiſchen Gebiete ein hervorragender Fachmann iſt,
erklärte erſt in allerjüngſter Zeit dieſe Auflage als eine
Bierwürzeſteuer, weil die Steuer an der Bierwürze bemeſſen
wird. Die Bierbrauer hingegen vertreten die Anſicht, daß
die Bierauflage eine Verbrauchsabgabe iſt, und daß
als ſteuerbares Objekt nur das ſchon verbrauchbare und auf
dem Gebiete der Stadt zum Verbrauche gelangende Bier
angeſehen werden könne.

Allerdings ſteht dieſe Anſchauung im Widerſpruche zur
geſetzlichen Einrichtung, daß die Auflage im vorhinein bei
der Erzeugung zu entrichten iſt, allein dieſer Widerſpruch
iſt zu Gunſten der Anſicht der Bierbrauer geſetzlich korrigiert.

Soll nun das zum Verbrauche im Stadtgebiete ge-
langende Bier mit der Auflage belegt werden, ſo muß einer-
ſeits das im Produktionszuge durch natürliche Schwendung
verloren gehende, und andererſeits auch das aus der Stadt
ausgeführte Bier von der Auflage befreit ſein.

In der Tat iſt mit der Gubernial-Verordnung vom
28. Februar 1826 für die Schwendung ein Nachlaß von
5 Prozent von der Auflage und mit Gubernial-Verordnung
vom 12. März 1836 der Rückerſatz der Auflage für aus-
geführtes Bier zugeſtanden worden. Abgeſehen von anderen
ausdrücklichen Erklärungen in verſchiedenen Geſetzen iſt durch
dieſe beiden Vorſchriften der Charakter der Auflage als einer
Verbrauchsabgabe beſtätigt.

Auf Anregung des Bukowiner Landes-Präſidiums hat
nun die Zentralregierung einen Geſetzentwurf an den Buko-
winer Landtag herablangen laſſen, welcher ſich nicht mehr
als eine einfache Verlängerung des bisher beſtehenden Zu-
[Spaltenumbruch] ſtandes, ſondern als Neuregelung dieſes ſtädtiſchen Auflage-
rechtes darſtellt.

Ohne in die Darſtellung der ſehr intereſſanten Phaſen
einzugehen, welche dieſer Regierungsentwurf durchgemacht
hat, genügt es zu konſtatieren, daß in dem vom Landtage be-
ſchloſſenen Geſetze die zwei Grundſätze ausgedrückt ſind:

a) daß die Erhebung der ſteuerbaren Bierwürzemenge
ſeitens der ſtädtiſchen Organe fortan zu unterbleiben hat,
und daß für die Stadtgemeinde die von den ſtaatlichen
Finanzorganen bezüglich der Quantität der Bierwürze er-
hobenen Daten maßgebend ſind;

b) daß nur das im Stadtgebiete zum Verbrauche ge-
langende fertige Bier von der Auflage getroffen werden darf.

Aus dem erſten Grundſatze folgt, daß auch die ſtädtiſche
Auflage nunmehr nur von jenem Volumen der Bierwürze
eingehoden werden darf, welches ſich bei + 14° R. ergibt.

Aus dem zweiten Grundſatze aber folgt, daß den Bier-
brauern für die bis zum Ausſtoße des Bieres zum Ver-
brauche entſtehende Schwendung ein Erſatz, und für das aus
der Stadt zum Verbrauche außerhalb derſelben ausgeführte
Bier der Rückerſatz der ganzen Auflage zu leiſten iſt.

Darnach iſt zu beurteilen, welche von beiden Parteien
— die Stadtgemeinde oder die Bierbrauer — ſich eines
Sieges rühmen kann.

Der Stadtſäckel wird infolge dieſes neuen Landesgeſetzes
wohl um ein Sümmchen leichter werden, aber nur um jenes
Sümmchen, welches bisher unrechtmäßig von den Bierbrauern
eingehoben wurde. Die Einnahme aus dem Biergefälle
wird auf eine gerechtere Baſis geſtellt, und dies allein allen-
falls in Verbindung mit der Schonung einer ſchwer kämpfenden
Induſtrie iſt ein Vorteil, welcher durch ſeinen moraliſchen
Wert den Geldverluſt vollkommen aufwiegt, und dies umſo
mehr, als die fortwährende Zunahme des Bierkonſums in
unſerer aufſtrebenden Stadt in abſehbarer Zeit den Ertrag
des Biergefälles zweifellos auf die gegenwärtige Höhe zurück-
bringen wird.




Vom Tage.


Der italieniſche Geſandte in Wien.

(Allg.-Korr.)

Von diplomatiſcher
Seite verlautet, daß die italieniſche Regierung bereits die
Zuſtimmung des öſterreichiſchen Kabinets zur Ernennung des
Herzogs von Avarna zum italieniſchen Botſchafter in Wien
erhalten habe. Der neue Botſchafter ſoll noch im Laufe
dieſes Monates ſeinen Poſten antreten.




Der neue Nunzius in Wien.

Der bisherige Nunzius in Brüſſel,
Monſignore Prinz Gennaro Granito Pignatelli di
Belmonte,
wurde mit Zuſtimmung der öſterreichiſch-
ungariſchen Regierung zum Nunzius in Wien ernannt.




Neue rutheniſche Blätter.

(Or.-K.)

Seit dem Neujahr ſind
drei rutheniſche Blätter ins Leben gerufen worden. In
Tarnopol ein politiſches Organ „Podilskyj holos“, das
alle 2 Wochen erſcheinen und die Intereſſen der Ruthenen in
Podolien vertreten ſoll. In Stanislau ein Wochenblatt „Nowa
Sicz“
und in Waszkoutz (Bukowina) eine Fachzeitſchrift
„Promin“, ſpeziell den Intereſſen der rutheniſchen Volks-
ſchullehrer gewidmet.




Die galiziſche Ruthenen.

(P.-T.)

Den hieſigen Blättern wird
gemeldet, daß die rutheniſche Intelligenz der weſtgaliziſchen
Bezirke Neuſandez, Grybow und Limanowa dem Abg. Nikolaj
Waſſilko eiue Dankadreſſe für ſeine Rede in den Delega-
tionen überſandte.




[Spaltenumbruch]
Demiſſion Korytowskis?

(P.-T.)

Den hieſigen Blättern wird
aus Wien berichtet, daß dortſelbſt ſich das Gerücht verbreitet
habe, der Vizepräſident der galiziſchen Finanzlandesdirektion,
Dr. Mora-Korytowski, werde in Bälde demiſſionieren.
Als ſein Nachfolger wird der Hofrat im Adminiſtrations
Tribunal Dr. Sawicki bezeichnet. Die Nachricht von
dem bevorſtehenden Rücktritte Dr. Korytowskis hat hier nicht
unangenehm berührt.




Jungczechiſcher Kreistag.

(Priv.-Tel. d. „Cz. Allg.
Ztg.“)

Geſtern wurde hier der erſte jungczechiſche Kreistag
abgehalten. Pacak verteidigte in ſeiner Rede die Obſtruktion
und wies die Möglichkeit einer Verſöhnung und Annäherung
an die Deutſchen zurück. Das czechiſche Volk müſſe ſich auf
ſchwere Kämpfe vorbereiten, um ſeine nationalen Forderungen
durchſetzen zu können. Die Rede des Abg. Dr. Herold be-
wegte ſich in gleichen Geleiſen.




Rußland und Japan.

Es läßt ſich nicht leugnen, daß mit dem neuen Jahre
die Stimmung in Bezug auf die Dinge im fernen Oſten
noch um eine Schattierung nervöſer geworden iſt. Das äußert
ſich vor allem in Gerüchten über Rüſtungen von Truppen
und Entſendungen von Kriegsſchiffen, denen jedoch meiſt die
amtliche Ableugnung auf dem Fuße folgt. Vorläufig iſt
jedoch trotz allen Kriegsallarms daran feſtzuhalten, daß keine
greifbaren Anhaltspunkte gegeben ſind, aus denen eine Ver-
ſchlechterung der Lage zwingend gefolgert werden müſſe.
Telegramme, wie die untenſtehenden haben in der letzten
Woche wiederholt den Weg über London nach dem Kontinent
genommen. Immerhin muß es bedenklich erſcheinen, daß die
Stimmung der Börſenkreiſe, die bisher bei einer bloßen An-
deutung der Kriegsmöglichkeit in hellen Unwillen gerieten,
ſeit geſtern äußerſt gedrückt iſt. Aus Paris wie aus
Waſhington kommen Nachrichten, die allerdings Londoner
Urſprungs ſein ſollen, wonach Rußlands Antwort auf die
letzte japaniſche Note ungünſtig ausgefallen ſei. Die folgenden
Telegramme dürften daher ernſtere Beachtung verdienen:

(Priv.-Tel. der „Czern.
Allg. Ztg.“)

Das fünfte und zehnte Armeekorps ſind nach
Oſtaſien abgegangen.

(Priv.-Tel. der „Czern. Allg.
Ztg.“)

Japan befördert mit Extrazügen große Truppen-
maſſen nach den Hafenſtädten. Das in Shangai erſcheinende
Blatt „Mercury“ will erfahreu haben, daß die chineſiſche
Regierung mit Japan ſympathiſiere.




Ein ruſſiſcher Rabbinertag.

In Grodno ſoll in der
nächſten Zeit ein Kongreß der Rabbiner abgehalten werden.
Unlängſt haben jedoch dort große Arbeiterſtreiks ſtattgefunden,
zu deren Unterdrückung Truppen in die Stadt gelegt wurden.
Die dadurch hervorgerufene Erregung nutzten die Revolutio-
nären aus und erklärten, daß der Kongreß der Rabbiner nur
der Stärkung der zariſchen Selbſtherrſchaft diene, nicht aber
zur Wahrnehmung der Intereſſen der Juden abgehalten
werde. Angeſichts der erbitterten Stimmung der Grodnoer
Bevölkerung beſchloſſen die Rabbiner, den Kongreß ſpäter ab-
zuhalten. Um aber die ruſſiſche Regierung ihrer vollſtändigen
Lo[y]alität zu verſichern, haben ſie eine Broſchüre heraus-
gegeben, die gegen die Zioniſten und die Sozialdemokraten
gerichtet iſt. In dieſer Broſchüre empfehlen ſie auch eine
Reihe von Maßregeln, durch welche in Zukunft Nieder-
metzelungen der Juden verhindert werden ſollen. Sie empfeh-
len zu dieſem Zwecke, daß man 1) zu Gott beten und,
nachdem die Erlaubnis der Regierung eingeholt worden iſt,
Faſtentage feſtſetzen, 2) Abordnungen zu den Regierungs-
organen ſchicken, dieſen ihre Loyalität verſichern und um
Gnade für „Israel“ bitten, 3) den Sozialismus aus der
jüdiſchen Arbeitermaſſe und der Intelligenz ausrotten ſoll.
Zur Durchführung der dritten Maßregel ſollen die Eltern
verpflichtet werden, ihre Kinder ſtreng zu beaufſichtigen,


[Spaltenumbruch]

können wenigſtens ſagen, was geſchieht ... Sobald dieſe
gros bonnets das Arbeitszimmer verlaſſen, tritt im Hauſe
Feierabend ein — für Jeden, nur nicht für den Miniſter.
Denn es kommen noch zwei Männer, die unbedingt empfangen
werden müſſen: die Expeditchefs mit den Unterſchriften. Da
heißt es unter einer Menge von Erledigungen, Depeſchen,
Dekreten, Briefen ſeinen Namen ſetzen und danu — dann
endlich darf der Recke ſich recken und ſich ſagen, daß er müde
iſt. Die Gräfin und die Kinder erſcheinen fragend an der
Türe und ſind froh, reine Luft zu finden und mit Papa zehn
Minuten plaudern zu können, während er ſich bereitet, noch
ein Viertelſtündchen über Kohlmarkt und Graben zu ſpazieren,
ehe er ſich zum Diner umkleidet.

Wann der Miniſter, der ſolche Plage mit ſo elaſtiſchem
Weſen trägt, ſeine eigentliche Arbeit, die des Ueberdenkens,
Entſchließens und Formulierens verrichtet, iſt auch den Ein-
geweihten nie klar geworden. In ſeiner Urbanität läßt er die
Beamten nicht gerne fühlen, daß er viel zu tun habe, und
außerdem hält er darauf, die Meinung auch ſejner Intimen
erſt dann zu hören, wenn die ſeine nach Inhalt und Form
fixiert iſt. Einwendungen gibt er Gehör, aber am Mitſchaffen
Anderer hat er wenig Freude. Es muß wohl ſo ſein, daß er
Nachts arbeitet, und oft lange in die Nacht, denn die ver-
traulichen Direktiven an die Vertreter, welche den letzten Ge-
danken der zu befolgenden Politik enthalten, fließen faſt aus-
ſchließlich aus ſeiner Feder, und die Referenten, die das Ver-
trauen des Miniſters genießen, werden ſtets mit fertigen,
ſauber geſchriebenen, aber ſtellenweiſe ſorgfältig korrigierten
Operaten überraſcht.

Der Stil dieſer Konzepte iſt ebenſo reinlich, klar und
ſauber wie die Schrift. Graf Goluchowski ſchreibt ein Deutſch,
das ihm eigen iſt, wenn es auch keine markierte Schriftſteller-
[Spaltenumbruch] natur verrät. Ich möchte ſagen, ſein Deutſch iſt fließend wie
Franzöſiſch. Damit meine ich nicht die Galizismen, die ihm
leicht unterlaufen und der Erwähnung nicht wert ſind, ſondern
den getragenen Ton und die Eleganz des Numerus, die viel-
leicht bei den Franzoſen ſelbſt nicht mehr ſo im Schwange ſind,
wie bei Jenen, welche franzöſiſches Weſen von früher her lieben.

Ich möchte bei dieſem Anlaß eine Botſchaft verkünden,
über welche gewiſſe Goluchowski-Verkleinerer in Wien ſich ſehr
überraſcht ſtellen werden. Unſer Miniſter des Aeußern macht
ſich ſeine Expoſees ſelber und hat ſie immer ſelbſt gemacht.
Ob es aus Autoreneitelkeit oder im Bedürfnis nach Konzen-
trierung geſchehe, genug: er meidet den Verkehr mit ſeinen
Räten und verläßt Wien, wenn er ſeinen Vortrag für die
Delegationen vorbereitet. Die jährliche Reiſe nach Skala,
ſeiner galiziſchen Beſitzung, gilt nicht nur der Beſichtigung ſeiner
Wirtſchaften; er macht ſich dieſes Otium, um die politiſche
Bilanz des Jahres zu ziehen. Es iſt kein Kompliment für
ſeinen Generalſtab, daß er auf ſolche Reiſen nicht einmal
einen Sekretär mitnimmt.

Die Sache wäre der Erwähnung nicht wert, wenn es
nicht Idioten und Odioten gäbe, die ſich darüber ärgern, daß
der Miniſter vor dem Inlande und Auslande gute Figur
macht und der Monarchie vor aller Welt eine Würde und
ein Gewicht zu erhalten weiß, an deren Zerſtörung ſo viele
Patrioten im Inlande ſo eifrig arbeiten. Es wäre am Ende
weder ein Unglück noch eine Schande, wenn ein Mann der
Entſchlüſſe und Taten, der ja der Miniſter ſein ſoll, ſich zu
ſeinen Enunziationen der Feder und der Fertigkeit ſeiner Mit-
arbeiter bedienen würde, die ja für’s Formulieren bezahlt
werden. Es iſt aber der Trieb der Ohnmächtigen, von der
Impotenz anderer zu reden und ihr Nichtskönnen durch das
Nichtsgönnen zu verraten. Graf Goluchowski hat ſich nur
[Spaltenumbruch] einmal dazu verſtanden, ſolche Anwürfe in vornehmer Weiſe
abzufertigen. Jeder, der ſelbſt Gedanken hat, und ihnen Form
und Leben zu geben weiß, wird über den Drang der Hohl-
köpfe, hervorragende Männer als Plagiatoren an ihren
Sekretären hinzuſtellen, nur lachen und ſich denken, wie
natürlich es ſei, daß dumme Kerle eben nicht wiſſen, wie ſie
ſich einen Geſcheiten vorſtellen ſollen.

Ein großer Redner und Ueberreder iſt Graf Goluchowski
nicht. Dazu fehlt ihm außer der Uebung auch das Tempa-
rament, die Raufluſt und die blitzſchnelle Denkweiſe. Aber er
iſt trotzdem ſeinen Angreifern auch dort, wo er aus dem Steg-
reife zu ſprechen hatte, nie etwas ſchuldig geblieben und hat
in Improviſationen gezeigt, daß es ihm weder an Geiſtes-
gegenwart noch an Mutterwitz gebricht.

Im wichtigſten Punkte, als Staatsmann, iſt unſer Mi-
niſter des Aeußeren eine mehr ſchlichte als brillante Erſcheinung.
Er iſt vor allem ehrlich und grade — d. h. gerade grade
genug, um ſich von niemanden in die Taſche ſtecken zu laſſen.
Er foppt niemanden, außer diejenigen, die ihn für dumm
kaufen möchten. Ohne mehr Prätenſion als ſo zu ſein, wie
andere Leute auch, weiß er mit Ruhe und Entſchiedenheit für
ſich und die Monarchie jeden herunterzukriegen, der ſich bei-
kommen läßt, ihm über zu ſein. Er erwirbt Vertrauen
auf den erſten Blick, denn aus ſeinen freien Augen ſchaut
Freundlichkeit und Herz, und in der Dauer des Verkehres
hohe Achtung nicht nur vor ſeinem Wollen, ſondern auch
vor ſeiner Einſicht und ſeinem Beharren im Wollen.
Er iſt ein überzeugter Freund des Friedens, aber nicht
ſein Sklave. Graf Kalnoky, ſein Vorgänger, war in
auswärtigen Fragen ein ungemein kluger, bedächtiger und
gewiſſenhafter Mann, ſtets bedacht, Gefahren abzuwehren
und in allem von dem Gefühl der — Schwäche der Monarchie


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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 5. Jänner 1904. In welcher Richtung die Reform ſich zu bewegen hatte, ergab ſich aus dem Bierkriege, welcher drei Jahre lang zwiſchen der Stadtgemeinde, beziehungsweiſe den Pächtern der ſtädtiſchen Bierauflage und den hierortigen Bierbrauern wütete, und welcher die autonomen und ſtaatlichen Behörden beſchäftigte. Den wichtigſten und in ſeiner unmittelbaren Wirkung am ſtärkſten hervortretenden Streitpunkt bildete die Frage, in welchem Zeitpunkte die ſteuerbare Bierwürzemenge im Kühlſchiffe zu erheben ſei. Das Volumen der Bierwürze hängt von der Temperatur derſelben ab. Da in der Durchführungsverordnung, welche die Czerno- witzer Gemeindevertretung ſeinerzeit zum Landesgeſetze vom 2. März 1872 erlaſſen hat, eine beſtimmte Norm darüber nicht enthalten iſt, kamen die Auflagepächter auf den Ge- danken, die Bierwürzemenge bei der höchſten Temperatur zu erheben. Die Bierbrauer dagegen vertraten die Anſicht, daß beim Mangel einer ausdrücklichen Norm die betreffende Vorſchrift für die ſtaatliche Bierſteuer anzuwenden iſt, nach welcher die Bierwürzemenge im Kühlſchiffe erſt bei Abkühlung auf + 14° R. zu erheben iſt. Es handelt ſich hiebei um eine Differenz von durch- ſchnittlich 15%, um welche die Auflagepächter durch dieſen Vorgang die Auflage künſtlich zu erhöhen ſuchten. Dieſer 15%ige Ueberſchuß bei hoher Temperatur geht in Dunſt auf, und die Bierbrauer wehrten ſich dagegen, auch für das verdunſtende und durch Kontraktion der Flüſſigkeit verſchwindende Quantum die Auflage zu entrichten. In Ziffern illuſtrirt betrug dieſe Differenz in den drei Pacht- jahren 1900—1902 nicht weniger als 166.123 K 4 h. Der Gemeinderat rechnete den Pächtern das Beſtreben, auf dieſem Wege ihre Einnahmen aus dem gepachteten Gefälle zu erhöhen, als ein großes Verdienſt um die Ge- meinde an, und mit ſehr wenigen Ausnahmen ſahen die Mitglieder des Gemeinderates es als ein Poſtulat des Lokal- patriotismus an, den Pächtern in dieſem Beſtreben tunlichſt Vorſchub zu leiſten und die Bierbrauer als Erzfeinde der Gemeinde zu verſchreien und in Verruf zu bringen. Weitere Streitpunkte ergaben ſich aus den wider- ſprechenden Anſchauungen über die rechtliche Natur der ſtädtiſchen Bierauflage. Die Anhänger der Aufſchlagspächter im Gemeinderate und außerhalb desſelben erklärten dieſe Auflage für eine Produktionsſteuer und folgerten daraus, daß die Verwendung des ſteuerbaren Quantums im Zuge der Produktion nicht weiter zu berückſichtigen iſt. Ein Gemeinderat, welcher auf dem chemiſchen Gebiete ein hervorragender Fachmann iſt, erklärte erſt in allerjüngſter Zeit dieſe Auflage als eine Bierwürzeſteuer, weil die Steuer an der Bierwürze bemeſſen wird. Die Bierbrauer hingegen vertreten die Anſicht, daß die Bierauflage eine Verbrauchsabgabe iſt, und daß als ſteuerbares Objekt nur das ſchon verbrauchbare und auf dem Gebiete der Stadt zum Verbrauche gelangende Bier angeſehen werden könne. Allerdings ſteht dieſe Anſchauung im Widerſpruche zur geſetzlichen Einrichtung, daß die Auflage im vorhinein bei der Erzeugung zu entrichten iſt, allein dieſer Widerſpruch iſt zu Gunſten der Anſicht der Bierbrauer geſetzlich korrigiert. Soll nun das zum Verbrauche im Stadtgebiete ge- langende Bier mit der Auflage belegt werden, ſo muß einer- ſeits das im Produktionszuge durch natürliche Schwendung verloren gehende, und andererſeits auch das aus der Stadt ausgeführte Bier von der Auflage befreit ſein. In der Tat iſt mit der Gubernial-Verordnung vom 28. Februar 1826 für die Schwendung ein Nachlaß von 5 Prozent von der Auflage und mit Gubernial-Verordnung vom 12. März 1836 der Rückerſatz der Auflage für aus- geführtes Bier zugeſtanden worden. Abgeſehen von anderen ausdrücklichen Erklärungen in verſchiedenen Geſetzen iſt durch dieſe beiden Vorſchriften der Charakter der Auflage als einer Verbrauchsabgabe beſtätigt. Auf Anregung des Bukowiner Landes-Präſidiums hat nun die Zentralregierung einen Geſetzentwurf an den Buko- winer Landtag herablangen laſſen, welcher ſich nicht mehr als eine einfache Verlängerung des bisher beſtehenden Zu- ſtandes, ſondern als Neuregelung dieſes ſtädtiſchen Auflage- rechtes darſtellt. Ohne in die Darſtellung der ſehr intereſſanten Phaſen einzugehen, welche dieſer Regierungsentwurf durchgemacht hat, genügt es zu konſtatieren, daß in dem vom Landtage be- ſchloſſenen Geſetze die zwei Grundſätze ausgedrückt ſind: a) daß die Erhebung der ſteuerbaren Bierwürzemenge ſeitens der ſtädtiſchen Organe fortan zu unterbleiben hat, und daß für die Stadtgemeinde die von den ſtaatlichen Finanzorganen bezüglich der Quantität der Bierwürze er- hobenen Daten maßgebend ſind; b) daß nur das im Stadtgebiete zum Verbrauche ge- langende fertige Bier von der Auflage getroffen werden darf. Aus dem erſten Grundſatze folgt, daß auch die ſtädtiſche Auflage nunmehr nur von jenem Volumen der Bierwürze eingehoden werden darf, welches ſich bei + 14° R. ergibt. Aus dem zweiten Grundſatze aber folgt, daß den Bier- brauern für die bis zum Ausſtoße des Bieres zum Ver- brauche entſtehende Schwendung ein Erſatz, und für das aus der Stadt zum Verbrauche außerhalb derſelben ausgeführte Bier der Rückerſatz der ganzen Auflage zu leiſten iſt. Darnach iſt zu beurteilen, welche von beiden Parteien — die Stadtgemeinde oder die Bierbrauer — ſich eines Sieges rühmen kann. Der Stadtſäckel wird infolge dieſes neuen Landesgeſetzes wohl um ein Sümmchen leichter werden, aber nur um jenes Sümmchen, welches bisher unrechtmäßig von den Bierbrauern eingehoben wurde. Die Einnahme aus dem Biergefälle wird auf eine gerechtere Baſis geſtellt, und dies allein allen- falls in Verbindung mit der Schonung einer ſchwer kämpfenden Induſtrie iſt ein Vorteil, welcher durch ſeinen moraliſchen Wert den Geldverluſt vollkommen aufwiegt, und dies umſo mehr, als die fortwährende Zunahme des Bierkonſums in unſerer aufſtrebenden Stadt in abſehbarer Zeit den Ertrag des Biergefälles zweifellos auf die gegenwärtige Höhe zurück- bringen wird. Hochachtungsvoll Dr. Heinrich Kiesler. Vom Tage. Czernowitz, 4. Jänner. Der italieniſche Geſandte in Wien. Wien, 2. Jänner. (Allg.-Korr.) Von diplomatiſcher Seite verlautet, daß die italieniſche Regierung bereits die Zuſtimmung des öſterreichiſchen Kabinets zur Ernennung des Herzogs von Avarna zum italieniſchen Botſchafter in Wien erhalten habe. Der neue Botſchafter ſoll noch im Laufe dieſes Monates ſeinen Poſten antreten. Der neue Nunzius in Wien. Brüſſel, 2. Jänner. Der bisherige Nunzius in Brüſſel, Monſignore Prinz Gennaro Granito Pignatelli di Belmonte, wurde mit Zuſtimmung der öſterreichiſch- ungariſchen Regierung zum Nunzius in Wien ernannt. Neue rutheniſche Blätter. Lemberg, 3. Jänner (Or.-K.) Seit dem Neujahr ſind drei rutheniſche Blätter ins Leben gerufen worden. In Tarnopol ein politiſches Organ „Podilskyj holos“, das alle 2 Wochen erſcheinen und die Intereſſen der Ruthenen in Podolien vertreten ſoll. In Stanislau ein Wochenblatt „Nowa Sicz“ und in Waszkoutz (Bukowina) eine Fachzeitſchrift „Promin“, ſpeziell den Intereſſen der rutheniſchen Volks- ſchullehrer gewidmet. Die galiziſche Ruthenen. Lemberg, 4. Jänner (P.-T.) Den hieſigen Blättern wird gemeldet, daß die rutheniſche Intelligenz der weſtgaliziſchen Bezirke Neuſandez, Grybow und Limanowa dem Abg. Nikolaj Waſſilko eiue Dankadreſſe für ſeine Rede in den Delega- tionen überſandte. Demiſſion Korytowskis? Lemberg, 4. Jänner (P.-T.) Den hieſigen Blättern wird aus Wien berichtet, daß dortſelbſt ſich das Gerücht verbreitet habe, der Vizepräſident der galiziſchen Finanzlandesdirektion, Dr. Mora-Korytowski, werde in Bälde demiſſionieren. Als ſein Nachfolger wird der Hofrat im Adminiſtrations Tribunal Dr. Sawicki bezeichnet. Die Nachricht von dem bevorſtehenden Rücktritte Dr. Korytowskis hat hier nicht unangenehm berührt. Jungczechiſcher Kreistag. Kuttenberg, 4. Jänner. (Priv.-Tel. d. „Cz. Allg. Ztg.“) Geſtern wurde hier der erſte jungczechiſche Kreistag abgehalten. Pacak verteidigte in ſeiner Rede die Obſtruktion und wies die Möglichkeit einer Verſöhnung und Annäherung an die Deutſchen zurück. Das czechiſche Volk müſſe ſich auf ſchwere Kämpfe vorbereiten, um ſeine nationalen Forderungen durchſetzen zu können. Die Rede des Abg. Dr. Herold be- wegte ſich in gleichen Geleiſen. Rußland und Japan. Es läßt ſich nicht leugnen, daß mit dem neuen Jahre die Stimmung in Bezug auf die Dinge im fernen Oſten noch um eine Schattierung nervöſer geworden iſt. Das äußert ſich vor allem in Gerüchten über Rüſtungen von Truppen und Entſendungen von Kriegsſchiffen, denen jedoch meiſt die amtliche Ableugnung auf dem Fuße folgt. Vorläufig iſt jedoch trotz allen Kriegsallarms daran feſtzuhalten, daß keine greifbaren Anhaltspunkte gegeben ſind, aus denen eine Ver- ſchlechterung der Lage zwingend gefolgert werden müſſe. Telegramme, wie die untenſtehenden haben in der letzten Woche wiederholt den Weg über London nach dem Kontinent genommen. Immerhin muß es bedenklich erſcheinen, daß die Stimmung der Börſenkreiſe, die bisher bei einer bloßen An- deutung der Kriegsmöglichkeit in hellen Unwillen gerieten, ſeit geſtern äußerſt gedrückt iſt. Aus Paris wie aus Waſhington kommen Nachrichten, die allerdings Londoner Urſprungs ſein ſollen, wonach Rußlands Antwort auf die letzte japaniſche Note ungünſtig ausgefallen ſei. Die folgenden Telegramme dürften daher ernſtere Beachtung verdienen: Petersburg, 3. Jänner. (Priv.-Tel. der „Czern. Allg. Ztg.“) Das fünfte und zehnte Armeekorps ſind nach Oſtaſien abgegangen. London, 3. Jänner. (Priv.-Tel. der „Czern. Allg. Ztg.“) Japan befördert mit Extrazügen große Truppen- maſſen nach den Hafenſtädten. Das in Shangai erſcheinende Blatt „Mercury“ will erfahreu haben, daß die chineſiſche Regierung mit Japan ſympathiſiere. Ein ruſſiſcher Rabbinertag. Petersburg, 1. Jänner. In Grodno ſoll in der nächſten Zeit ein Kongreß der Rabbiner abgehalten werden. Unlängſt haben jedoch dort große Arbeiterſtreiks ſtattgefunden, zu deren Unterdrückung Truppen in die Stadt gelegt wurden. Die dadurch hervorgerufene Erregung nutzten die Revolutio- nären aus und erklärten, daß der Kongreß der Rabbiner nur der Stärkung der zariſchen Selbſtherrſchaft diene, nicht aber zur Wahrnehmung der Intereſſen der Juden abgehalten werde. Angeſichts der erbitterten Stimmung der Grodnoer Bevölkerung beſchloſſen die Rabbiner, den Kongreß ſpäter ab- zuhalten. Um aber die ruſſiſche Regierung ihrer vollſtändigen Loyalität zu verſichern, haben ſie eine Broſchüre heraus- gegeben, die gegen die Zioniſten und die Sozialdemokraten gerichtet iſt. In dieſer Broſchüre empfehlen ſie auch eine Reihe von Maßregeln, durch welche in Zukunft Nieder- metzelungen der Juden verhindert werden ſollen. Sie empfeh- len zu dieſem Zwecke, daß man 1) zu Gott beten und, nachdem die Erlaubnis der Regierung eingeholt worden iſt, Faſtentage feſtſetzen, 2) Abordnungen zu den Regierungs- organen ſchicken, dieſen ihre Loyalität verſichern und um Gnade für „Israel“ bitten, 3) den Sozialismus aus der jüdiſchen Arbeitermaſſe und der Intelligenz ausrotten ſoll. Zur Durchführung der dritten Maßregel ſollen die Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder ſtreng zu beaufſichtigen, können wenigſtens ſagen, was geſchieht ... Sobald dieſe gros bonnets das Arbeitszimmer verlaſſen, tritt im Hauſe Feierabend ein — für Jeden, nur nicht für den Miniſter. Denn es kommen noch zwei Männer, die unbedingt empfangen werden müſſen: die Expeditchefs mit den Unterſchriften. Da heißt es unter einer Menge von Erledigungen, Depeſchen, Dekreten, Briefen ſeinen Namen ſetzen und danu — dann endlich darf der Recke ſich recken und ſich ſagen, daß er müde iſt. Die Gräfin und die Kinder erſcheinen fragend an der Türe und ſind froh, reine Luft zu finden und mit Papa zehn Minuten plaudern zu können, während er ſich bereitet, noch ein Viertelſtündchen über Kohlmarkt und Graben zu ſpazieren, ehe er ſich zum Diner umkleidet. Wann der Miniſter, der ſolche Plage mit ſo elaſtiſchem Weſen trägt, ſeine eigentliche Arbeit, die des Ueberdenkens, Entſchließens und Formulierens verrichtet, iſt auch den Ein- geweihten nie klar geworden. In ſeiner Urbanität läßt er die Beamten nicht gerne fühlen, daß er viel zu tun habe, und außerdem hält er darauf, die Meinung auch ſejner Intimen erſt dann zu hören, wenn die ſeine nach Inhalt und Form fixiert iſt. Einwendungen gibt er Gehör, aber am Mitſchaffen Anderer hat er wenig Freude. Es muß wohl ſo ſein, daß er Nachts arbeitet, und oft lange in die Nacht, denn die ver- traulichen Direktiven an die Vertreter, welche den letzten Ge- danken der zu befolgenden Politik enthalten, fließen faſt aus- ſchließlich aus ſeiner Feder, und die Referenten, die das Ver- trauen des Miniſters genießen, werden ſtets mit fertigen, ſauber geſchriebenen, aber ſtellenweiſe ſorgfältig korrigierten Operaten überraſcht. Der Stil dieſer Konzepte iſt ebenſo reinlich, klar und ſauber wie die Schrift. Graf Goluchowski ſchreibt ein Deutſch, das ihm eigen iſt, wenn es auch keine markierte Schriftſteller- natur verrät. Ich möchte ſagen, ſein Deutſch iſt fließend wie Franzöſiſch. Damit meine ich nicht die Galizismen, die ihm leicht unterlaufen und der Erwähnung nicht wert ſind, ſondern den getragenen Ton und die Eleganz des Numerus, die viel- leicht bei den Franzoſen ſelbſt nicht mehr ſo im Schwange ſind, wie bei Jenen, welche franzöſiſches Weſen von früher her lieben. Ich möchte bei dieſem Anlaß eine Botſchaft verkünden, über welche gewiſſe Goluchowski-Verkleinerer in Wien ſich ſehr überraſcht ſtellen werden. Unſer Miniſter des Aeußern macht ſich ſeine Expoſees ſelber und hat ſie immer ſelbſt gemacht. Ob es aus Autoreneitelkeit oder im Bedürfnis nach Konzen- trierung geſchehe, genug: er meidet den Verkehr mit ſeinen Räten und verläßt Wien, wenn er ſeinen Vortrag für die Delegationen vorbereitet. Die jährliche Reiſe nach Skala, ſeiner galiziſchen Beſitzung, gilt nicht nur der Beſichtigung ſeiner Wirtſchaften; er macht ſich dieſes Otium, um die politiſche Bilanz des Jahres zu ziehen. Es iſt kein Kompliment für ſeinen Generalſtab, daß er auf ſolche Reiſen nicht einmal einen Sekretär mitnimmt. Die Sache wäre der Erwähnung nicht wert, wenn es nicht Idioten und Odioten gäbe, die ſich darüber ärgern, daß der Miniſter vor dem Inlande und Auslande gute Figur macht und der Monarchie vor aller Welt eine Würde und ein Gewicht zu erhalten weiß, an deren Zerſtörung ſo viele Patrioten im Inlande ſo eifrig arbeiten. Es wäre am Ende weder ein Unglück noch eine Schande, wenn ein Mann der Entſchlüſſe und Taten, der ja der Miniſter ſein ſoll, ſich zu ſeinen Enunziationen der Feder und der Fertigkeit ſeiner Mit- arbeiter bedienen würde, die ja für’s Formulieren bezahlt werden. Es iſt aber der Trieb der Ohnmächtigen, von der Impotenz anderer zu reden und ihr Nichtskönnen durch das Nichtsgönnen zu verraten. Graf Goluchowski hat ſich nur einmal dazu verſtanden, ſolche Anwürfe in vornehmer Weiſe abzufertigen. Jeder, der ſelbſt Gedanken hat, und ihnen Form und Leben zu geben weiß, wird über den Drang der Hohl- köpfe, hervorragende Männer als Plagiatoren an ihren Sekretären hinzuſtellen, nur lachen und ſich denken, wie natürlich es ſei, daß dumme Kerle eben nicht wiſſen, wie ſie ſich einen Geſcheiten vorſtellen ſollen. Ein großer Redner und Ueberreder iſt Graf Goluchowski nicht. Dazu fehlt ihm außer der Uebung auch das Tempa- rament, die Raufluſt und die blitzſchnelle Denkweiſe. Aber er iſt trotzdem ſeinen Angreifern auch dort, wo er aus dem Steg- reife zu ſprechen hatte, nie etwas ſchuldig geblieben und hat in Improviſationen gezeigt, daß es ihm weder an Geiſtes- gegenwart noch an Mutterwitz gebricht. Im wichtigſten Punkte, als Staatsmann, iſt unſer Mi- niſter des Aeußeren eine mehr ſchlichte als brillante Erſcheinung. Er iſt vor allem ehrlich und grade — d. h. gerade grade genug, um ſich von niemanden in die Taſche ſtecken zu laſſen. Er foppt niemanden, außer diejenigen, die ihn für dumm kaufen möchten. Ohne mehr Prätenſion als ſo zu ſein, wie andere Leute auch, weiß er mit Ruhe und Entſchiedenheit für ſich und die Monarchie jeden herunterzukriegen, der ſich bei- kommen läßt, ihm über zu ſein. Er erwirbt Vertrauen auf den erſten Blick, denn aus ſeinen freien Augen ſchaut Freundlichkeit und Herz, und in der Dauer des Verkehres hohe Achtung nicht nur vor ſeinem Wollen, ſondern auch vor ſeiner Einſicht und ſeinem Beharren im Wollen. Er iſt ein überzeugter Freund des Friedens, aber nicht ſein Sklave. Graf Kalnoky, ſein Vorgänger, war in auswärtigen Fragen ein ungemein kluger, bedächtiger und gewiſſenhafter Mann, ſtets bedacht, Gefahren abzuwehren und in allem von dem Gefühl der — Schwäche der Monarchie

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 6, Czernowitz, 05.01.1904, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer006_1904/2>, abgerufen am 26.04.2024.