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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 55. Köln, 25. Juli 1848.

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Frankfurt Sitzung vom 21. Juli.

(Schluß.)

Michelsens Antrag, den § 4 ganz wegzulassen, wurde verworfen.

Für Stackingers Antrag zu diesem §: Mit der Publikation gegenwärtiger Grundrechte hören die Wirkungen des bürgerlichen Todes für die Zukunft auf; stimmte nur die Linke.

Das zu diesem § genehmigte Amendement von Spatz: die Strafe des bürgerlichen Todes, wo sie ausgesprochen, aufzuheben, wenn nicht dadurch bestehende Privatrechte verletzt werden, wurde nach Abstimmung durch Zählen bei 433 Abgeordneten mit 238 für und 195 gegen adoptirt.

§ 5 wurde so angenommen: die Auswanderungs-Freiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

Die Auswanderungs-Angelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reichs.

N. B. die letzten Worte sind ein Amendement von Radowitz.

Auch bei § 5 erhebt sich zwischen dem Präsidenten v. Gagern und Beseler (für den sich v. Soiron betheiligt) ein Streit über die Reihenfolge der Abstimmungen, worin Beseler Recht behält.

Trotz der Ueberführung beharrt v. Gagern störrisch bei seiner Ansicht. Es erhebt sich Lärm, viele Redner eilen zur Tribüne, wollen Aufklärungen geben, wodurch es natürlich immer dunkler wird. - Unter andern Kuriositäten behauptet ein Redner: "wenn ein Deutscher ausgewandert sei, hörte er auf, ein Deutscher zu sein." - Nachdem eine Unzahl sich in dieser Formdebatte erschöpft hat, will Hr. Fuchs, der immer anfängt, wenn alle aufhören, noch sprechen; man schreit aber so sehr Schluß, daß Herr Fuchs in seinen Bau zurückkehrt.

Hiermit schließt die Abstimmung über Art. I (§ 1-5) der Grundrechte. (Wunder!) und die Nr. 1 der obigen heutigen Tagesordnung ist erledigt. - Mehr kann natürlich nicht verlangt werden. - Hr. v. Gagern unterbricht die Tagesordnung durch Mittheilung zweier eben eingelaufenen Anträge.

1. Von Martini und Genossen (aus Westpreußen):

die Nationalversammlung wolle die laufende Reihe der Berathungen der §§ der Grundrechte unterbrechen und vor allen Dingen zu §§ 7, 8, 9, 10, 22 und 27 übergehen.

2. Von Hennges aus Heilbron und mehreren Anderen:

die Nationalversammlung wolle dasselbe thun zu Gunsten der §§ 27 - 31.

Die in diesen Anträgen angezogenen Paragraphen handeln nämlich von den ersten, wichtigsten und jetzt schon wieder so sehr angetasteten Rechten des Volks: der Preßfreiheit, persönlichen Freiheit, dem Associationsrecht, Briefgeheimniß u. s. w. Schon bei Lesung der Anträge fängt es in dem vor Langeweile beinahe stockig gewordenen See der Versammlung an zu wogen und zu brausen. Man merkt den Sturm. Die Rechte bewegt sich, die Linke setzt sich in Positur.

Beseler (Greifswald) erhebt sich erzürnt gegen die Anträge. Man würde die Verhandlungen über die Grundrechte aus dem Zusammenhang reißen. Man solle doch ja die Arbeiten des Verfassungsausschusses nicht auf diese Art (d. h. durch solche rebellische Anträge) erschüttern.

Jetzt tritt Martini (aus Westpreußen) der Antragsteller, ruhig und keck auf die Tribüne: er werde diese Anträge motiviren. Er frägt ob man nicht schon wieder überall in Deutschland die in den berührten §§ gegebenen Rechte verkümmert und verletzt? (Bei dieser Frage über die verkümmerten Rechte brüllt und zischt die Rechte unwillig.) Die Linke und Galerien schreit Bravo. Der Sturm beginnt. - Der Gott der Stürme v. Gagern unterbricht den Redner, und will ihn an weiteren Erklärungen verhindern. Die Rechte lacht freudig über diese Praktik oder Taktik des Präsidenten. Die Linke und Gallerien stürmen. Martini: der Redner steht ruhig mit unterschlagenen Armen auf der Tribüne und sagt ungefähr: "Also so weit ist es gekommen, daß die Nationalversammlung, wenn es sich um die verkümmerten Rechte des deutschen Volkes handelt, nur höhnisches Lachen hat? Man verleugnet die Revolution! (Donnerndes Bravo links.) Die Minister des deutschen Volks, von diesem hingestellt, Rechte und Freiheiten zu vertreten, lassen dieselben verkümmern. Sie verleugnen ihre Mutter, das Volk! Diese ihre Mutter muß mit Schmerz erkennen, daß sie Mißgeburten geboren hat. (Donnerndes Bravo links. Wuthgebrüll rechts. Sturm der Gallerie.) Das alte System der Verkümmerungen, Einsperrungen etc. sei wieder los. Das Versammlungsrecht werde ebenfalls in die Luft gesetzt. (Rechts Hohngelächter!) Der Redner zur Rechten gewendet: lachen Sie! Sie lachen? Wollen Sie das so fortgehen lassen? (Rechts höhnisch: ja! Links und Galerien Wuth und Getümmel.) - Gagern ruft den Redner zur Ordnung, aber nicht mit der einem Präsidenten wohlanstehenden Ruhe, sondern mit leidenschaftlich erregter Stimme. Martini entschuldigt seine Worte in der logischsten Schlußfolge und mit klassischer Ruhe, welche gegen die Leidenschaftlichkeit des Präsidenten und die Wuth der Versammlung wunderbar kontrastirt. Endlich ruft man rechts und links nach Schluß, man ist erschöpft, man hat sich auch genügend einmal gegenseitig ausgegiftet.

Beide Anträge, Martinis und Hennges's werden (nur von der Linken gebilligt) von der Versammlung verworfen.

Jetzt kämen die Nr. 2 und 3 der Tagesordnung, (S. oben), aber es ist 2 1/4 Uhr Nachmittags, man ist ermattet, man schließt die heutige Sitzung.

Nach wenig Einrede beschließt man für Morgen eine Extra-Sitzung und setzt auf die morgige Tagesordnung die beaux restes der Tagesordnung von heute.

* Frankfurt, 22. Juli.

Sitzung der National-Versammlung. - Präsident Gagern.

Verlesung des Protokolls. 26 Mitglieder protestiren gegen die gestern von Gagern verweigerte namentliche Abstimmung über Martiny's Antrag. Nach einigen Einwendungen Gagern's wird der Protest zu den Akten gelegt.

Tagesordnung: Debatte über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses. Gagern mahnt vor allen Dingen zur Mäßigung und verliest dann die Ausschußanträge.

Im von Wydenbrugkschen Ausschußbericht heißt es: "daß unsere äußere Politik die Ehre und das Recht Deutschlands über jede andere Rücksicht setzen werde, ist ein Grundsatz, welcher einer besondern positiven Anerkennung nicht bedarf."

Der Ausschuß glaubt aber hervorheben zu müssen, "daß Deutschland keinen fremden Staat in der selbstständigen Entwicklung seiner innern Angelegenheiten irgendwie hindern werde, oder je die Hand zu einem Kampfe verschiedener Staaten um politische Prinzipien bieten wird. In der folgerichtigen und thatkräftigen Durchführung dieser Grundsätze liegt die Bürgschaft, daß die in der Geschichte fast beispiellos dastehende Bewegung, welche den Welttheil ergriffen, nicht zu einem allgemeinen Völkerkampf ausarten werde. Man ist vielmehr zu der Hoffnung berechtigt, daß der Frieden Europas an den wenigen Punkten, an welchen er noch gestört ist, bald wieder hergestellt sein wird.

Der Ausschuß ladet die National-Versammlung ein, sich mit diesen einfachen obersten Grundsätzen der auswärtigen Politik einverstanden zu erklären.

Zu diesem Antrage stellt Hr. Ruge folgendes Amendement: "Da der bewaffnete Frieden durch seine stehenden Heere den Völkern Europas eine unerträgliche Bürde auflegt, und die bürgerlichen Freiheiten stört, so möge man einen Völkerkongreß zu allgemeiner Entwaffnung beantragen."

Diesen Antrag unterstützen einige sechzig der Linken.

Ruge: Es ist dies eine Konsequenz der Revolution. Der Sieg eines humanen Prinzips ist anerkannt (?). Der Ausschußbericht ist sehr wahr. (!) Seit dem Christenthum ist der auch von Lamartine adoptirte Grundsatz, für große Prinzipien Propaganda zu machen, wahr. Proselyten zu machen, ist nothwendig. Die großen Prinzipien sind keine Utopien. Der Menschengeist feiert den Sieg über alle Völker. (!) Seit der französischen Revolution haben nur Parteimänner über Frankreich regiert, nicht die Könige. Die heilige Allianz ist das alte Europa. Wir haben an ihre Stelle die Völker-Allianz zu setzen. Die Völkerkongresse werden die wahren sein, die diplomatischen sind die falschen. Ich schlage dem deutschen Volke vor, bei diesem Völkerkongreß die Ehre der Initiative zu ergreifen. Der Redner lobt Lamartine's Friedensprinzip. Lamartine will Vereinigung mit Deutschland um jeden Preis. Lamartine ist ein großer Politiker. (!) In Frankreich verachtet man die großen Männer nicht wie bei uns. (Klagelaut einer schönen Seele.) Lamartine hat den Titel Gloire francaise gestürzt (!). Die Brutalität des Kanonirens und Füsillirens hat er gestürzt. (Z. B. im Juni d. J.) Seit der Zeit ist der Ruf der Franzosen ein anderer geworden. Die Franzosen werden meinen Gedanken des Völkerkongresses ergreifen. (Meinen Gedanken! Vergleiche den Northern Star seit 1845 und andere Blätter des Auslandes). Unsere Ansichten sind auch friedlich. Wir sind ein philosophisches Volk. Wir haben Vernunftgründe statt schlagender. Alle unsere Empörungen waren Empörungen gegen das Militair. Wir wollen bürgerliche Freiheiten, keine Militairwirthschaft. Wir wollen das Militair entwaffnen, die Bürger bewaffnen. Alle Völker werden uns für unsere (!!) Idee danken. Von einem solchen Kongreß können wir den Frieden Italiens und Polens erwarten. Selbst Rußland wird dann rekonstituirt werden. (!)

Der Krieg gegen den Krieg wird der letzte Krieg sein. Es liegt in unserem Idealismus große Gedanken anzuregen (!!). Die Franzosen, Engländer und Deutsche werden sich zu diesem Gedanken einigen. Der Vorschlag hat alle Prämissen des Gelingens für sich, (ist namentlich äußerst praktisch).So werden wir den Militäralp los.

(Solch ein Gemisch von Trivialitäten und hohlen Phrasen und phantastischverdrehten Projekten bringt der Redakteur der Vernunft der Ereignisse in der Zuversicht vor, daß Galerie und Linke ihm als Redner der Linken Unterstützung nicht versagen wird!)

Der Ausschuß trägt ferner darauf an.

II. "Die Nationalversammlung möge erklären, daß an der örtlichen "Gränze Deutschlands den deutschen Streitkräften eine solche Stärke "zu geben ist, daß sie der gegenüberstehenden Heeresmacht vollkom"men gewachsen sind."

Minister Schmerling: Das Ministerium wird keine andere Grundsätze kennen als die Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands. - Die erste Aufgabe wird sein: ein Programm der auswärtigen Politik zu geben. Man gebe dem Minister einige Tage Geduld. Von mir können Sie erwarten, ich werde zu nichts anderem die Hand bieten, als zur Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands.

Das Verlangen nach Vermehrung des Ostheeres werde wohl zu mobifiziren sein. Wenn Krieg oder Vertheidigung nöthig, so wird sie eintreten.

Betreffs der Anerkennung der franz. Republik: Das Ministerium hat sich entschieden, die deutsche Centralgewalt bei allen Völkern zu repräsentiren, dies sei im Werk. Vorläufig seien hierzu die alten Gesandten ermächtigt. Das Ministerium hat sich unumwunden für die Anerkennung der franz. Republik ausgesprochen (bravo links).

Frankreich hat bezüglich der Freiheit wohlthätig auf Deutschland gewirkt. (Bravo). Paris wird sofort mit einem Gesandten beschickt werden, der dies aussprechen wird. (Bravo. Klatschen).

Vogt: (Gießen). Erwartet sehnsüchtig dies Programm des deutschen Ministeriums. Reden sind immer zweideutig. Mit solchen Reden ist deshalb nichts abgethan; schwarz auf weiß! - Der Redner will auch entwaffneten Frieden. Das bisherige sonderbare Gleichgewicht Europa's ist durch unsere Revolution erschüttert. Die Ehre der Nationen steht viel höher als die Ehre ihrer Oberhäupter. (Bravo).

Der Redner spricht gegen Lichnowsky's letzthin ausgesprochene Ansicht über Krieg mit Frankreich. Frankreich verdanken wir die Freiheit. Ich verweise auf die Erklärungen der franz. National-Versammlung: "Brüderlicher Bund mit Deutschland, Herstellung Polens, Freigebung Italiens."

Ich habe die Parteien Frankreichs kennen gelernt, besonders die hier gemeinten, nicht die Lychnowsky-Radowitz'schen. (Heiterkeit). Wenn Frankreich um die socialistische Frage abzuwenden, wie Lychnowsky meint, ein Heer an die Gränze sendet, wird gerade das entgegengesetzte eintreten, wird die Partei der Ruhe unterdeß im Inneren gestürzt. Die Franzosen haben uns einmal die Freiheit geschenkt, sie werden sie uns hoffentlich zum zweitenmale unverkümmert bringen. (Bewegung!) Zu Rußland gekommen bekämpft er jeden Antrag die Truppen an der Ostgränze zurückzuziehen.

Bassermann: Der Grundsatz der Propaganda führt zum Zwiespalt, zum Krieg. Die Prinzipien der Philosophen sind unpraktisch. Was soll ein Völkerkongreß? (Zischen links und Galerie). Das Militär hat in Paris sich gut gezeigt. (Bravo rechts. Zischen links). Man müsse ein solches Militär applaudiren! (Links Hohngelächter!)

Des Redners politischer Katechismus, den er nun folgen läßt, ist der allerplatteste. Den Ausdruck, die Festungen seien Dummheiten, unterschreibe ich nicht. Es ist jetzt eine Zeit in der die unbegreiflichsten Ansichten zu Tage kommen. Der bewaffnete Frieden sei auf die Länge nicht möglich, aber jetzt nöthig. - Folgt eine Lobrede auf Guizot.

Die Intervention Englands in Dänemark müssen wir dankbar anerkennen. (Zischen, viel Zischen!) Ich wünsche ein Bündnisse mit Frankreich und England. (Bravo und Zischen).

Robert Blum: Die Fürsten der guten alten Zeit glaubten die Geschichte gepachtet zu haben. Deswegen schlossen sie auf ihre Hand so viele unheilvolle Bündnisse. Alle diese Bündnisse haben den Blick von dem einen was Noth thut abgewendet: erst selbst ein Volk werden würdig einzutreten in den Bund der Völker. Die Fürstenbündnisse haben Deutschland herausgerissen aus dem Völkerbund. Diese alte Zeit ist untergegangen durch die Gewalt. Biedermann's Bekämpfen des Gedankens der Propaganda ist mir unbegreiflich. Der Gedanke der neuen französischen Revolution wird Propaganda machen, trotz Hrn. Bassermann.

Die Nothwendigkeit einer Waffnung aber sei gen Osten. Deswegen solle man hier eine Heervermehrung dekretiren. Mit Erreichung des französischen Bündnisses sei der europäische Friede hinlänglich gesichert.

Wurm (Hamburg): Der internationale Ausschuß hat beschlossen, den Antrag, betreffs einer kräftigen Heeraufstellung gen Osten, nicht zu modifiziren (Bravo). Man muß gegen Rußland rüsten, aber Rußland wird sich vor Krieg hüten. In Bezug auf Frankreich ist er für den Frieden.

Jahn stellt die Anträge: Gnesen, Glogau, Posen, Thorn zu Bundesfestungen zu machen, und Reichstruppen in verschanzte Lager bei Breslau und Bromberg zu legen.

v. Beckerath will wie Blum die Propaganda des Gedankens (deklamirt lange und halb verständlich), Ruge's Völkerkongreß sei eine Anticipation. hat Aeußerungen gegen England hier mit tiefem Bedauern vernommen. (Bravo rechts, nein! links. Die Bänke der Abgeordneten werden leerer.) Der Schluß seiner Rede geht spurlos vorüber.

v. Möhring gegen ein Bündniß mit Frankreich, weil er Deutschland mehr wie Frankreich liebt. (Oh!) Frankreich hat uns eine praktische Lehre gegeben, wohin die Theorien der Dichter und Philosophen führen. - Beginnt eine entsetzlich lange und wirre politische Rundschau. Rußland sei ein furchtbarer Feind. Die einzigen Freunde der Deutschen sind Nordamerika und wir selbst (rechts bravo). Folgt eine furchtbare Zahlenberechnung, welche beweisen soll, Deutschland müsse ein starkes Mitteleuropa bilden. Er stellt den Antrag: Bündniß mit Ungarn, Nordamerika, Holland und England. Die Versammlung solle sich für die brave ungarische Nation erheben. (Rechts und beide Centren erheben sich mit Geklatsch. Die Linke sitzt tiefstill.

Man ist von allen Deklamationen endlich sehr angegriffen und schreit nach Schluß der Debatte. Man stimmt ab; der Schluß wird beschlossen. (Die Linke stimmt gegen den Schluß.)

v. Wydenbrugk, Berichterstatter: Es sei das erstemal, daß das deutsche Volk zusammen über die auswärtigen Angelegenheiten berathe. O schöner Tag! - Er bleibt bei den Ausschußanträgen. Ruge's Antrag formell unpraktisch. Die Idee des ewigen Friedens sei ein Ziel, aber ein sehr fernes. Wenn (nach Vogt) die deutsche Freiheit weiter nichts wäre, als ein französisches Geschenk, so gäbe er keinen Pfifferling drum. (Hurrah aller Patrioten, rechts, Centren und Damen klatschen furchtbar.) Der deutsche Adler braucht den Schutz des gallischen Hahns nicht. (Bravo aller Patrioten, links tiefstill.)

Ruge: Er habe kein europäisches Parlament beantragt, sondern wolle einen Völkerkongreß von den Diplomaten der Völker der neuern Geschichte. (Wirklich!) Man ruft Schluß.

Endlich gelangt man halb 2 Uhr zur Abstimmung. Nach einer formellen, sehr wirren Debatte über dieselbe, woran Rösler, Wernher (für seinen Freund Biedermann), Soiron, Jordan, Simon (Trier) kurz Theil nehmen, wird gemach zur Abstimmung geschritten.

Ausschußantrag 1. wird einstimmig bejaht.

Ruge's Amendement wird verworfen.

Biedermann's Antrag: "den Bericht ad II. und den darin gefaßten Entschluß, mit Rücksicht auf den bereits über die Heerverstärkung früher gefaßten Beschluß, der Centralgewalt zur weitern Maßnahme zuzuweisen", wird angenommen.

Ferner kommt zur Abstimmung ad III. des Ausschußberichts:

1. die Nationalversammlung wolle über die, Trutz- und Schutzbündnisse mit verschiedenen Staaten, betreffenden Anträge zur motivirten Tagesordnung übergehen;

2. erklären, daß sie die Anerkennung Frankreichs als Republik und die Absendung eines Gesandten für Deutschland nach Paris bei der bevorstehenden Anordnung von Gesandtschaften für Deutschland als selbstverstanden betrachte.

Angenommen, Theil 2 einstimmig angenommen, mit Ausnahme des Hrn.

Frankfurt Sitzung vom 21. Juli.

(Schluß.)

Michelsens Antrag, den § 4 ganz wegzulassen, wurde verworfen.

Für Stackingers Antrag zu diesem §: Mit der Publikation gegenwärtiger Grundrechte hören die Wirkungen des bürgerlichen Todes für die Zukunft auf; stimmte nur die Linke.

Das zu diesem § genehmigte Amendement von Spatz: die Strafe des bürgerlichen Todes, wo sie ausgesprochen, aufzuheben, wenn nicht dadurch bestehende Privatrechte verletzt werden, wurde nach Abstimmung durch Zählen bei 433 Abgeordneten mit 238 für und 195 gegen adoptirt.

§ 5 wurde so angenommen: die Auswanderungs-Freiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

Die Auswanderungs-Angelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reichs.

N. B. die letzten Worte sind ein Amendement von Radowitz.

Auch bei § 5 erhebt sich zwischen dem Präsidenten v. Gagern und Beseler (für den sich v. Soiron betheiligt) ein Streit über die Reihenfolge der Abstimmungen, worin Beseler Recht behält.

Trotz der Ueberführung beharrt v. Gagern störrisch bei seiner Ansicht. Es erhebt sich Lärm, viele Redner eilen zur Tribüne, wollen Aufklärungen geben, wodurch es natürlich immer dunkler wird. ‒ Unter andern Kuriositäten behauptet ein Redner: „wenn ein Deutscher ausgewandert sei, hörte er auf, ein Deutscher zu sein.“ ‒ Nachdem eine Unzahl sich in dieser Formdebatte erschöpft hat, will Hr. Fuchs, der immer anfängt, wenn alle aufhören, noch sprechen; man schreit aber so sehr Schluß, daß Herr Fuchs in seinen Bau zurückkehrt.

Hiermit schließt die Abstimmung über Art. I (§ 1-5) der Grundrechte. (Wunder!) und die Nr. 1 der obigen heutigen Tagesordnung ist erledigt. ‒ Mehr kann natürlich nicht verlangt werden. ‒ Hr. v. Gagern unterbricht die Tagesordnung durch Mittheilung zweier eben eingelaufenen Anträge.

1. Von Martini und Genossen (aus Westpreußen):

die Nationalversammlung wolle die laufende Reihe der Berathungen der §§ der Grundrechte unterbrechen und vor allen Dingen zu §§ 7, 8, 9, 10, 22 und 27 übergehen.

2. Von Hennges aus Heilbron und mehreren Anderen:

die Nationalversammlung wolle dasselbe thun zu Gunsten der §§ 27 - 31.

Die in diesen Anträgen angezogenen Paragraphen handeln nämlich von den ersten, wichtigsten und jetzt schon wieder so sehr angetasteten Rechten des Volks: der Preßfreiheit, persönlichen Freiheit, dem Associationsrecht, Briefgeheimniß u. s. w. Schon bei Lesung der Anträge fängt es in dem vor Langeweile beinahe stockig gewordenen See der Versammlung an zu wogen und zu brausen. Man merkt den Sturm. Die Rechte bewegt sich, die Linke setzt sich in Positur.

Beseler (Greifswald) erhebt sich erzürnt gegen die Anträge. Man würde die Verhandlungen über die Grundrechte aus dem Zusammenhang reißen. Man solle doch ja die Arbeiten des Verfassungsausschusses nicht auf diese Art (d. h. durch solche rebellische Anträge) erschüttern.

Jetzt tritt Martini (aus Westpreußen) der Antragsteller, ruhig und keck auf die Tribüne: er werde diese Anträge motiviren. Er frägt ob man nicht schon wieder überall in Deutschland die in den berührten §§ gegebenen Rechte verkümmert und verletzt? (Bei dieser Frage über die verkümmerten Rechte brüllt und zischt die Rechte unwillig.) Die Linke und Galerien schreit Bravo. Der Sturm beginnt. ‒ Der Gott der Stürme v. Gagern unterbricht den Redner, und will ihn an weiteren Erklärungen verhindern. Die Rechte lacht freudig über diese Praktik oder Taktik des Präsidenten. Die Linke und Gallerien stürmen. Martini: der Redner steht ruhig mit unterschlagenen Armen auf der Tribüne und sagt ungefähr: „Also so weit ist es gekommen, daß die Nationalversammlung, wenn es sich um die verkümmerten Rechte des deutschen Volkes handelt, nur höhnisches Lachen hat? Man verleugnet die Revolution! (Donnerndes Bravo links.) Die Minister des deutschen Volks, von diesem hingestellt, Rechte und Freiheiten zu vertreten, lassen dieselben verkümmern. Sie verleugnen ihre Mutter, das Volk! Diese ihre Mutter muß mit Schmerz erkennen, daß sie Mißgeburten geboren hat. (Donnerndes Bravo links. Wuthgebrüll rechts. Sturm der Gallerie.) Das alte System der Verkümmerungen, Einsperrungen etc. sei wieder los. Das Versammlungsrecht werde ebenfalls in die Luft gesetzt. (Rechts Hohngelächter!) Der Redner zur Rechten gewendet: lachen Sie! Sie lachen? Wollen Sie das so fortgehen lassen? (Rechts höhnisch: ja! Links und Galerien Wuth und Getümmel.) ‒ Gagern ruft den Redner zur Ordnung, aber nicht mit der einem Präsidenten wohlanstehenden Ruhe, sondern mit leidenschaftlich erregter Stimme. Martini entschuldigt seine Worte in der logischsten Schlußfolge und mit klassischer Ruhe, welche gegen die Leidenschaftlichkeit des Präsidenten und die Wuth der Versammlung wunderbar kontrastirt. Endlich ruft man rechts und links nach Schluß, man ist erschöpft, man hat sich auch genügend einmal gegenseitig ausgegiftet.

Beide Anträge, Martinis und Hennges's werden (nur von der Linken gebilligt) von der Versammlung verworfen.

Jetzt kämen die Nr. 2 und 3 der Tagesordnung, (S. oben), aber es ist 2 1/4 Uhr Nachmittags, man ist ermattet, man schließt die heutige Sitzung.

Nach wenig Einrede beschließt man für Morgen eine Extra-Sitzung und setzt auf die morgige Tagesordnung die beaux restes der Tagesordnung von heute.

* Frankfurt, 22. Juli.

Sitzung der National-Versammlung. ‒ Präsident Gagern.

Verlesung des Protokolls. 26 Mitglieder protestiren gegen die gestern von Gagern verweigerte namentliche Abstimmung über Martiny's Antrag. Nach einigen Einwendungen Gagern's wird der Protest zu den Akten gelegt.

Tagesordnung: Debatte über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses. Gagern mahnt vor allen Dingen zur Mäßigung und verliest dann die Ausschußanträge.

Im von Wydenbrugkschen Ausschußbericht heißt es: „daß unsere äußere Politik die Ehre und das Recht Deutschlands über jede andere Rücksicht setzen werde, ist ein Grundsatz, welcher einer besondern positiven Anerkennung nicht bedarf.“

Der Ausschuß glaubt aber hervorheben zu müssen, „daß Deutschland keinen fremden Staat in der selbstständigen Entwicklung seiner innern Angelegenheiten irgendwie hindern werde, oder je die Hand zu einem Kampfe verschiedener Staaten um politische Prinzipien bieten wird. In der folgerichtigen und thatkräftigen Durchführung dieser Grundsätze liegt die Bürgschaft, daß die in der Geschichte fast beispiellos dastehende Bewegung, welche den Welttheil ergriffen, nicht zu einem allgemeinen Völkerkampf ausarten werde. Man ist vielmehr zu der Hoffnung berechtigt, daß der Frieden Europas an den wenigen Punkten, an welchen er noch gestört ist, bald wieder hergestellt sein wird.

Der Ausschuß ladet die National-Versammlung ein, sich mit diesen einfachen obersten Grundsätzen der auswärtigen Politik einverstanden zu erklären.

Zu diesem Antrage stellt Hr. Ruge folgendes Amendement: „Da der bewaffnete Frieden durch seine stehenden Heere den Völkern Europas eine unerträgliche Bürde auflegt, und die bürgerlichen Freiheiten stört, so möge man einen Völkerkongreß zu allgemeiner Entwaffnung beantragen.“

Diesen Antrag unterstützen einige sechzig der Linken.

Ruge: Es ist dies eine Konsequenz der Revolution. Der Sieg eines humanen Prinzips ist anerkannt (?). Der Ausschußbericht ist sehr wahr. (!) Seit dem Christenthum ist der auch von Lamartine adoptirte Grundsatz, für große Prinzipien Propaganda zu machen, wahr. Proselyten zu machen, ist nothwendig. Die großen Prinzipien sind keine Utopien. Der Menschengeist feiert den Sieg über alle Völker. (!) Seit der französischen Revolution haben nur Parteimänner über Frankreich regiert, nicht die Könige. Die heilige Allianz ist das alte Europa. Wir haben an ihre Stelle die Völker-Allianz zu setzen. Die Völkerkongresse werden die wahren sein, die diplomatischen sind die falschen. Ich schlage dem deutschen Volke vor, bei diesem Völkerkongreß die Ehre der Initiative zu ergreifen. Der Redner lobt Lamartine's Friedensprinzip. Lamartine will Vereinigung mit Deutschland um jeden Preis. Lamartine ist ein großer Politiker. (!) In Frankreich verachtet man die großen Männer nicht wie bei uns. (Klagelaut einer schönen Seele.) Lamartine hat den Titel Gloire francaise gestürzt (!). Die Brutalität des Kanonirens und Füsillirens hat er gestürzt. (Z. B. im Juni d. J.) Seit der Zeit ist der Ruf der Franzosen ein anderer geworden. Die Franzosen werden meinen Gedanken des Völkerkongresses ergreifen. (Meinen Gedanken! Vergleiche den Northern Star seit 1845 und andere Blätter des Auslandes). Unsere Ansichten sind auch friedlich. Wir sind ein philosophisches Volk. Wir haben Vernunftgründe statt schlagender. Alle unsere Empörungen waren Empörungen gegen das Militair. Wir wollen bürgerliche Freiheiten, keine Militairwirthschaft. Wir wollen das Militair entwaffnen, die Bürger bewaffnen. Alle Völker werden uns für unsere (!!) Idee danken. Von einem solchen Kongreß können wir den Frieden Italiens und Polens erwarten. Selbst Rußland wird dann rekonstituirt werden. (!)

Der Krieg gegen den Krieg wird der letzte Krieg sein. Es liegt in unserem Idealismus große Gedanken anzuregen (!!). Die Franzosen, Engländer und Deutsche werden sich zu diesem Gedanken einigen. Der Vorschlag hat alle Prämissen des Gelingens für sich, (ist namentlich äußerst praktisch).So werden wir den Militäralp los.

(Solch ein Gemisch von Trivialitäten und hohlen Phrasen und phantastischverdrehten Projekten bringt der Redakteur der Vernunft der Ereignisse in der Zuversicht vor, daß Galerie und Linke ihm als Redner der Linken Unterstützung nicht versagen wird!)

Der Ausschuß trägt ferner darauf an.

II. „Die Nationalversammlung möge erklären, daß an der örtlichen „Gränze Deutschlands den deutschen Streitkräften eine solche Stärke „zu geben ist, daß sie der gegenüberstehenden Heeresmacht vollkom„men gewachsen sind.“

Minister Schmerling: Das Ministerium wird keine andere Grundsätze kennen als die Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands. ‒ Die erste Aufgabe wird sein: ein Programm der auswärtigen Politik zu geben. Man gebe dem Minister einige Tage Geduld. Von mir können Sie erwarten, ich werde zu nichts anderem die Hand bieten, als zur Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands.

Das Verlangen nach Vermehrung des Ostheeres werde wohl zu mobifiziren sein. Wenn Krieg oder Vertheidigung nöthig, so wird sie eintreten.

Betreffs der Anerkennung der franz. Republik: Das Ministerium hat sich entschieden, die deutsche Centralgewalt bei allen Völkern zu repräsentiren, dies sei im Werk. Vorläufig seien hierzu die alten Gesandten ermächtigt. Das Ministerium hat sich unumwunden für die Anerkennung der franz. Republik ausgesprochen (bravo links).

Frankreich hat bezüglich der Freiheit wohlthätig auf Deutschland gewirkt. (Bravo). Paris wird sofort mit einem Gesandten beschickt werden, der dies aussprechen wird. (Bravo. Klatschen).

Vogt: (Gießen). Erwartet sehnsüchtig dies Programm des deutschen Ministeriums. Reden sind immer zweideutig. Mit solchen Reden ist deshalb nichts abgethan; schwarz auf weiß! ‒ Der Redner will auch entwaffneten Frieden. Das bisherige sonderbare Gleichgewicht Europa's ist durch unsere Revolution erschüttert. Die Ehre der Nationen steht viel höher als die Ehre ihrer Oberhäupter. (Bravo).

Der Redner spricht gegen Lichnowsky's letzthin ausgesprochene Ansicht über Krieg mit Frankreich. Frankreich verdanken wir die Freiheit. Ich verweise auf die Erklärungen der franz. National-Versammlung: „Brüderlicher Bund mit Deutschland, Herstellung Polens, Freigebung Italiens.“

Ich habe die Parteien Frankreichs kennen gelernt, besonders die hier gemeinten, nicht die Lychnowsky-Radowitz'schen. (Heiterkeit). Wenn Frankreich um die socialistische Frage abzuwenden, wie Lychnowsky meint, ein Heer an die Gränze sendet, wird gerade das entgegengesetzte eintreten, wird die Partei der Ruhe unterdeß im Inneren gestürzt. Die Franzosen haben uns einmal die Freiheit geschenkt, sie werden sie uns hoffentlich zum zweitenmale unverkümmert bringen. (Bewegung!) Zu Rußland gekommen bekämpft er jeden Antrag die Truppen an der Ostgränze zurückzuziehen.

Bassermann: Der Grundsatz der Propaganda führt zum Zwiespalt, zum Krieg. Die Prinzipien der Philosophen sind unpraktisch. Was soll ein Völkerkongreß? (Zischen links und Galerie). Das Militär hat in Paris sich gut gezeigt. (Bravo rechts. Zischen links). Man müsse ein solches Militär applaudiren! (Links Hohngelächter!)

Des Redners politischer Katechismus, den er nun folgen läßt, ist der allerplatteste. Den Ausdruck, die Festungen seien Dummheiten, unterschreibe ich nicht. Es ist jetzt eine Zeit in der die unbegreiflichsten Ansichten zu Tage kommen. Der bewaffnete Frieden sei auf die Länge nicht möglich, aber jetzt nöthig. ‒ Folgt eine Lobrede auf Guizot.

Die Intervention Englands in Dänemark müssen wir dankbar anerkennen. (Zischen, viel Zischen!) Ich wünsche ein Bündnisse mit Frankreich und England. (Bravo und Zischen).

Robert Blum: Die Fürsten der guten alten Zeit glaubten die Geschichte gepachtet zu haben. Deswegen schlossen sie auf ihre Hand so viele unheilvolle Bündnisse. Alle diese Bündnisse haben den Blick von dem einen was Noth thut abgewendet: erst selbst ein Volk werden würdig einzutreten in den Bund der Völker. Die Fürstenbündnisse haben Deutschland herausgerissen aus dem Völkerbund. Diese alte Zeit ist untergegangen durch die Gewalt. Biedermann's Bekämpfen des Gedankens der Propaganda ist mir unbegreiflich. Der Gedanke der neuen französischen Revolution wird Propaganda machen, trotz Hrn. Bassermann.

Die Nothwendigkeit einer Waffnung aber sei gen Osten. Deswegen solle man hier eine Heervermehrung dekretiren. Mit Erreichung des französischen Bündnisses sei der europäische Friede hinlänglich gesichert.

Wurm (Hamburg): Der internationale Ausschuß hat beschlossen, den Antrag, betreffs einer kräftigen Heeraufstellung gen Osten, nicht zu modifiziren (Bravo). Man muß gegen Rußland rüsten, aber Rußland wird sich vor Krieg hüten. In Bezug auf Frankreich ist er für den Frieden.

Jahn stellt die Anträge: Gnesen, Glogau, Posen, Thorn zu Bundesfestungen zu machen, und Reichstruppen in verschanzte Lager bei Breslau und Bromberg zu legen.

v. Beckerath will wie Blum die Propaganda des Gedankens (deklamirt lange und halb verständlich), Ruge's Völkerkongreß sei eine Anticipation. hat Aeußerungen gegen England hier mit tiefem Bedauern vernommen. (Bravo rechts, nein! links. Die Bänke der Abgeordneten werden leerer.) Der Schluß seiner Rede geht spurlos vorüber.

v. Möhring gegen ein Bündniß mit Frankreich, weil er Deutschland mehr wie Frankreich liebt. (Oh!) Frankreich hat uns eine praktische Lehre gegeben, wohin die Theorien der Dichter und Philosophen führen. ‒ Beginnt eine entsetzlich lange und wirre politische Rundschau. Rußland sei ein furchtbarer Feind. Die einzigen Freunde der Deutschen sind Nordamerika und wir selbst (rechts bravo). Folgt eine furchtbare Zahlenberechnung, welche beweisen soll, Deutschland müsse ein starkes Mitteleuropa bilden. Er stellt den Antrag: Bündniß mit Ungarn, Nordamerika, Holland und England. Die Versammlung solle sich für die brave ungarische Nation erheben. (Rechts und beide Centren erheben sich mit Geklatsch. Die Linke sitzt tiefstill.

Man ist von allen Deklamationen endlich sehr angegriffen und schreit nach Schluß der Debatte. Man stimmt ab; der Schluß wird beschlossen. (Die Linke stimmt gegen den Schluß.)

v. Wydenbrugk, Berichterstatter: Es sei das erstemal, daß das deutsche Volk zusammen über die auswärtigen Angelegenheiten berathe. O schöner Tag! ‒ Er bleibt bei den Ausschußanträgen. Ruge's Antrag formell unpraktisch. Die Idee des ewigen Friedens sei ein Ziel, aber ein sehr fernes. Wenn (nach Vogt) die deutsche Freiheit weiter nichts wäre, als ein französisches Geschenk, so gäbe er keinen Pfifferling drum. (Hurrah aller Patrioten, rechts, Centren und Damen klatschen furchtbar.) Der deutsche Adler braucht den Schutz des gallischen Hahns nicht. (Bravo aller Patrioten, links tiefstill.)

Ruge: Er habe kein europäisches Parlament beantragt, sondern wolle einen Völkerkongreß von den Diplomaten der Völker der neuern Geschichte. (Wirklich!) Man ruft Schluß.

Endlich gelangt man halb 2 Uhr zur Abstimmung. Nach einer formellen, sehr wirren Debatte über dieselbe, woran Rösler, Wernher (für seinen Freund Biedermann), Soiron, Jordan, Simon (Trier) kurz Theil nehmen, wird gemach zur Abstimmung geschritten.

Ausschußantrag 1. wird einstimmig bejaht.

Ruge's Amendement wird verworfen.

Biedermann's Antrag: „den Bericht ad II. und den darin gefaßten Entschluß, mit Rücksicht auf den bereits über die Heerverstärkung früher gefaßten Beschluß, der Centralgewalt zur weitern Maßnahme zuzuweisen“, wird angenommen.

Ferner kommt zur Abstimmung ad III. des Ausschußberichts:

1. die Nationalversammlung wolle über die, Trutz- und Schutzbündnisse mit verschiedenen Staaten, betreffenden Anträge zur motivirten Tagesordnung übergehen;

2. erklären, daß sie die Anerkennung Frankreichs als Republik und die Absendung eines Gesandten für Deutschland nach Paris bei der bevorstehenden Anordnung von Gesandtschaften für Deutschland als selbstverstanden betrachte.

Angenommen, Theil 2 einstimmig angenommen, mit Ausnahme des Hrn.

<TEI>
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        <div xml:id="ar055_004" type="jArticle">
          <head>Frankfurt Sitzung vom 21. Juli.</head>
          <p>(Schluß.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Michelsens</hi> Antrag, den § 4 ganz wegzulassen, wurde                         verworfen.</p>
          <p>Für <hi rendition="#g">Stackingers</hi> Antrag zu diesem §: Mit der                         Publikation gegenwärtiger Grundrechte hören die Wirkungen des bürgerlichen                         Todes für die Zukunft auf; stimmte nur die Linke.</p>
          <p>Das zu diesem § genehmigte Amendement von <hi rendition="#g">Spatz:</hi> die                         Strafe des bürgerlichen Todes, wo sie ausgesprochen, aufzuheben, wenn nicht                         dadurch bestehende Privatrechte verletzt werden, wurde nach Abstimmung durch                         Zählen bei 433 Abgeordneten mit 238 für und 195 gegen adoptirt.</p>
          <p>§ 5 wurde so angenommen: <hi rendition="#g">die Auswanderungs-Freiheit ist                             von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben                             werden.</hi></p>
          <p>Die Auswanderungs-Angelegenheit steht unter dem Schutze <hi rendition="#g">und der Fürsorge</hi> des Reichs.</p>
          <p>N. B. die letzten Worte sind ein Amendement von Radowitz.</p>
          <p>Auch bei § 5 erhebt sich zwischen dem Präsidenten v. Gagern und Beseler (für                         den sich v. Soiron betheiligt) ein Streit über die Reihenfolge der                         Abstimmungen, worin Beseler Recht behält.</p>
          <p>Trotz der Ueberführung beharrt v. Gagern störrisch bei seiner Ansicht. Es                         erhebt sich Lärm, viele Redner eilen zur Tribüne, wollen Aufklärungen geben,                         wodurch es natürlich immer dunkler wird. &#x2012; Unter andern Kuriositäten                         behauptet ein Redner: &#x201E;wenn ein Deutscher ausgewandert sei, hörte er auf,                         ein Deutscher zu sein.&#x201C; &#x2012; Nachdem eine Unzahl sich in dieser Formdebatte                         erschöpft hat, will Hr. <hi rendition="#g">Fuchs</hi>, der immer anfängt,                         wenn alle aufhören, noch sprechen; man schreit aber so sehr <hi rendition="#g">Schluß,</hi> daß Herr Fuchs in seinen Bau                         zurückkehrt.</p>
          <p>Hiermit schließt die Abstimmung über Art. I (§ 1-5) der Grundrechte. <hi rendition="#g">(Wunder!)</hi> und die Nr. 1 der obigen <hi rendition="#g">heutigen</hi> Tagesordnung ist erledigt. &#x2012; Mehr kann                         natürlich nicht verlangt werden. &#x2012; Hr. v. Gagern unterbricht die                         Tagesordnung durch Mittheilung zweier eben eingelaufenen <hi rendition="#g">Anträge.</hi></p>
          <p>1. <hi rendition="#g">Von Martini und Genossen</hi> (aus Westpreußen):</p>
          <p>die Nationalversammlung wolle die laufende Reihe der Berathungen der §§ der                         Grundrechte unterbrechen und vor allen Dingen zu §§ 7, 8, 9, 10, 22 und 27                         übergehen.</p>
          <p>2. Von <hi rendition="#g">Hennges</hi> aus Heilbron und mehreren Anderen:</p>
          <p>die Nationalversammlung wolle dasselbe thun zu Gunsten der §§ 27 - 31.</p>
          <p>Die in diesen Anträgen angezogenen Paragraphen handeln nämlich von den                         ersten, wichtigsten und jetzt schon wieder so sehr angetasteten Rechten des                         Volks: der <hi rendition="#g">Preßfreiheit, persönlichen Freiheit,</hi> dem <hi rendition="#g">Associationsrecht, Briefgeheimniß u. s. w.</hi> Schon                         bei Lesung der Anträge fängt es in dem vor Langeweile beinahe stockig                         gewordenen See der Versammlung an zu wogen und zu brausen. Man merkt den                         Sturm. Die Rechte bewegt sich, die Linke setzt sich in Positur.</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> (Greifswald) erhebt sich erzürnt gegen die                         Anträge. Man würde die Verhandlungen über die Grundrechte aus dem                         Zusammenhang reißen. Man solle doch ja die Arbeiten des                         Verfassungsausschusses nicht auf diese Art (d. h. durch solche rebellische                         Anträge) erschüttern.</p>
          <p>Jetzt tritt <hi rendition="#g">Martini</hi> (aus Westpreußen) der                         Antragsteller, ruhig und keck auf die Tribüne: er werde diese Anträge                         motiviren. Er frägt ob man nicht schon wieder überall in Deutschland die in                         den berührten §§ gegebenen <hi rendition="#g">Rechte</hi> verkümmert und                         verletzt? (Bei dieser Frage über die verkümmerten <hi rendition="#g">Rechte</hi> brüllt und zischt die <hi rendition="#g">Rechte</hi> unwillig.) Die Linke und Galerien schreit Bravo. Der Sturm beginnt. &#x2012; Der                         Gott der Stürme v. <hi rendition="#g">Gagern</hi> unterbricht den Redner,                         und will ihn an weiteren Erklärungen verhindern. Die <hi rendition="#g">Rechte</hi> lacht <hi rendition="#g">freudig</hi> über diese Praktik                         oder Taktik des Präsidenten. Die Linke und Gallerien stürmen. <hi rendition="#g">Martini:</hi> der Redner steht ruhig mit unterschlagenen                         Armen auf der Tribüne und sagt ungefähr: &#x201E;Also so weit ist es gekommen, daß                         die Nationalversammlung, wenn es sich um die verkümmerten Rechte des                         deutschen Volkes handelt, nur höhnisches Lachen hat? Man verleugnet die                         Revolution! (Donnerndes Bravo links.) Die Minister des deutschen Volks, von                         diesem hingestellt, Rechte und Freiheiten zu vertreten, lassen dieselben                         verkümmern. Sie verleugnen ihre Mutter, das <hi rendition="#g">Volk!</hi> Diese ihre Mutter muß <hi rendition="#g">mit Schmerz erkennen,</hi> daß sie <hi rendition="#g">Mißgeburten geboren hat.</hi> (Donnerndes Bravo                         links. Wuthgebrüll rechts. Sturm der Gallerie.) Das alte System der                         Verkümmerungen, Einsperrungen etc. sei wieder los. Das Versammlungsrecht                         werde ebenfalls in die Luft gesetzt. (Rechts Hohngelächter!) Der Redner zur                         Rechten gewendet: lachen Sie! Sie lachen? Wollen Sie das so fortgehen                         lassen? (Rechts höhnisch: ja! Links und Galerien Wuth und Getümmel.) &#x2012; <hi rendition="#g">Gagern</hi> ruft den Redner zur Ordnung, aber nicht mit                         der einem Präsidenten wohlanstehenden Ruhe, sondern mit leidenschaftlich                         erregter Stimme. <hi rendition="#g">Martini</hi> entschuldigt seine Worte in                         der logischsten Schlußfolge und mit klassischer Ruhe, welche gegen die                         Leidenschaftlichkeit des Präsidenten und die Wuth der Versammlung wunderbar                         kontrastirt. Endlich ruft man rechts und links nach Schluß, man ist                         erschöpft, man hat sich auch genügend einmal gegenseitig ausgegiftet.</p>
          <p>Beide Anträge, <hi rendition="#g">Martinis</hi> und <hi rendition="#g">Hennges's</hi> werden (nur von der Linken gebilligt) von der                         Versammlung verworfen.</p>
          <p>Jetzt kämen die Nr. 2 und 3 der Tagesordnung, (S. oben), aber es ist 2 1/4                         Uhr Nachmittags, man ist ermattet, man schließt die heutige Sitzung.</p>
          <p>Nach wenig Einrede beschließt man für Morgen eine Extra-Sitzung und setzt auf                         die morgige Tagesordnung die beaux restes der Tagesordnung von heute.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar055_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 22. Juli.</head>
          <p><hi rendition="#g">Sitzung der National-Versammlung.</hi> &#x2012; Präsident                         Gagern.</p>
          <p>Verlesung des Protokolls. 26 Mitglieder protestiren gegen die gestern von                         Gagern verweigerte namentliche Abstimmung über Martiny's Antrag. Nach                         einigen Einwendungen Gagern's wird der Protest zu den Akten gelegt.</p>
          <p>Tagesordnung: Debatte über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses.                         Gagern mahnt vor allen Dingen zur Mäßigung und verliest dann die                         Ausschußanträge.</p>
          <p>Im von Wydenbrugkschen Ausschußbericht heißt es: &#x201E;daß unsere äußere Politik                         die Ehre und das Recht Deutschlands über jede andere Rücksicht setzen werde,                         ist ein Grundsatz, welcher einer besondern positiven Anerkennung nicht                         bedarf.&#x201C;</p>
          <p>Der Ausschuß glaubt aber hervorheben zu müssen, &#x201E;daß Deutschland keinen                         fremden Staat in der selbstständigen Entwicklung seiner innern                         Angelegenheiten irgendwie hindern werde, oder je die Hand zu einem Kampfe                         verschiedener Staaten um politische Prinzipien bieten wird. In der                         folgerichtigen und thatkräftigen Durchführung dieser Grundsätze liegt die                         Bürgschaft, daß die in der Geschichte fast beispiellos dastehende Bewegung,                         welche den Welttheil ergriffen, nicht zu einem allgemeinen Völkerkampf                         ausarten werde. Man ist vielmehr zu der Hoffnung berechtigt, daß der Frieden                         Europas an den wenigen Punkten, an welchen er noch gestört ist, bald wieder                         hergestellt sein wird.</p>
          <p>Der Ausschuß ladet die National-Versammlung ein, sich mit diesen einfachen                         obersten Grundsätzen der auswärtigen Politik einverstanden zu erklären.</p>
          <p>Zu diesem Antrage stellt <hi rendition="#g">Hr. Ruge</hi> folgendes                         Amendement: &#x201E;Da der bewaffnete Frieden durch seine stehenden Heere den                         Völkern Europas eine unerträgliche Bürde auflegt, und die bürgerlichen                         Freiheiten stört, so möge man einen <hi rendition="#g">Völkerkongreß</hi> zu                         allgemeiner Entwaffnung beantragen.&#x201C;</p>
          <p>Diesen Antrag unterstützen einige sechzig der Linken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ruge:</hi> Es ist dies eine Konsequenz der Revolution. Der                         Sieg eines humanen Prinzips ist anerkannt (?). Der Ausschußbericht ist sehr                         wahr. (!) Seit dem Christenthum ist der auch von Lamartine adoptirte                         Grundsatz, für große Prinzipien Propaganda zu machen, wahr. Proselyten zu                         machen, ist nothwendig. Die großen Prinzipien sind keine Utopien. Der                         Menschengeist feiert den Sieg über alle Völker. (!) Seit der französischen                         Revolution haben nur Parteimänner über Frankreich regiert, nicht die Könige.                         Die heilige Allianz ist das alte Europa. Wir haben an ihre Stelle die                         Völker-Allianz zu setzen. Die Völkerkongresse werden die wahren sein, die                         diplomatischen sind die falschen. Ich schlage dem deutschen Volke vor, bei                         diesem Völkerkongreß die Ehre der Initiative zu ergreifen. Der Redner lobt                         Lamartine's Friedensprinzip. Lamartine will Vereinigung mit Deutschland um                         jeden Preis. Lamartine ist ein großer Politiker. (!) In Frankreich verachtet                         man die großen Männer nicht wie bei uns. (Klagelaut einer schönen Seele.)                         Lamartine hat den Titel Gloire francaise gestürzt (!). Die Brutalität des                         Kanonirens und Füsillirens hat er gestürzt. (Z. B. im Juni d. J.) Seit der                         Zeit ist der Ruf der Franzosen ein anderer geworden. Die Franzosen werden                         meinen Gedanken des Völkerkongresses ergreifen. <hi rendition="#g">(Meinen</hi> Gedanken! Vergleiche den Northern Star seit 1845 und                         andere Blätter des Auslandes). Unsere Ansichten sind auch friedlich. Wir                         sind ein <hi rendition="#g">philosophisches Volk</hi>. Wir haben                         Vernunftgründe statt schlagender. Alle unsere Empörungen waren Empörungen                         gegen das Militair. Wir wollen bürgerliche Freiheiten, keine                         Militairwirthschaft. Wir wollen das Militair entwaffnen, die Bürger                         bewaffnen. Alle Völker werden uns für unsere (!!) Idee danken. Von einem                         solchen Kongreß können wir den Frieden Italiens und Polens erwarten. Selbst                         Rußland wird dann rekonstituirt werden. (!)</p>
          <p>Der Krieg gegen den Krieg wird der letzte Krieg sein. Es liegt in unserem                         Idealismus große Gedanken anzuregen (!!). Die Franzosen, Engländer und                         Deutsche werden sich zu diesem Gedanken einigen. Der Vorschlag hat alle                         Prämissen des Gelingens für sich, (ist namentlich äußerst praktisch).So                         werden wir den Militäralp los.</p>
          <p>(Solch ein Gemisch von Trivialitäten und hohlen Phrasen und                         phantastischverdrehten Projekten bringt der Redakteur der Vernunft der                         Ereignisse in der Zuversicht vor, daß Galerie und Linke ihm als Redner der                         Linken Unterstützung nicht versagen wird!)</p>
          <p>Der Ausschuß trägt ferner darauf an.</p>
          <p>II. &#x201E;Die Nationalversammlung möge erklären, daß an der örtlichen &#x201E;Gränze                         Deutschlands den deutschen Streitkräften eine solche Stärke &#x201E;zu geben ist,                         daß sie der gegenüberstehenden Heeresmacht vollkom&#x201E;men gewachsen sind.&#x201C;</p>
          <p>Minister <hi rendition="#g">Schmerling:</hi> Das Ministerium wird keine                         andere Grundsätze kennen als die <hi rendition="#g">Ehre,</hi> Freiheit,                         Unabhängigkeit Deutschlands. &#x2012; Die erste Aufgabe wird sein: ein Programm der                         auswärtigen Politik zu geben. Man gebe dem Minister einige Tage Geduld. Von <hi rendition="#g">mir</hi> können Sie erwarten, ich werde zu nichts                         anderem die Hand bieten, als zur Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit                         Deutschlands.</p>
          <p>Das Verlangen nach Vermehrung des Ostheeres werde wohl zu mobifiziren sein.                         Wenn Krieg oder Vertheidigung nöthig, so wird sie eintreten.</p>
          <p>Betreffs der Anerkennung der franz. Republik: Das Ministerium hat sich                         entschieden, die deutsche Centralgewalt bei allen Völkern zu repräsentiren,                         dies sei im Werk. Vorläufig seien hierzu die alten Gesandten ermächtigt. Das                         Ministerium hat sich <hi rendition="#g">unumwunden</hi> für die <hi rendition="#g">Anerkennung der franz. Republik</hi> ausgesprochen (bravo                         links).</p>
          <p>Frankreich hat bezüglich der Freiheit wohlthätig auf Deutschland gewirkt.                         (Bravo). Paris wird sofort mit einem Gesandten beschickt werden, der dies                         aussprechen wird. (Bravo. Klatschen).</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt:</hi> (Gießen). Erwartet sehnsüchtig dies <hi rendition="#g">Programm</hi> des deutschen Ministeriums. Reden sind                         immer zweideutig. Mit solchen Reden ist deshalb nichts abgethan; schwarz auf                         weiß! &#x2012; Der Redner will auch entwaffneten Frieden. Das bisherige sonderbare                         Gleichgewicht Europa's ist durch unsere Revolution erschüttert. Die Ehre der                         Nationen steht viel höher als die Ehre ihrer Oberhäupter. (Bravo).</p>
          <p>Der Redner spricht gegen Lichnowsky's letzthin ausgesprochene Ansicht über                         Krieg mit Frankreich. Frankreich verdanken wir die Freiheit. Ich verweise                         auf die Erklärungen der franz. National-Versammlung: &#x201E;Brüderlicher Bund mit                         Deutschland, Herstellung Polens, Freigebung Italiens.&#x201C;</p>
          <p>Ich habe die Parteien Frankreichs kennen gelernt, besonders die hier                         gemeinten, nicht die Lychnowsky-Radowitz'schen. (Heiterkeit). Wenn                         Frankreich um die socialistische Frage abzuwenden, wie Lychnowsky meint, ein                         Heer an die Gränze sendet, wird gerade das entgegengesetzte eintreten, wird                         die Partei der Ruhe unterdeß im Inneren gestürzt. Die Franzosen haben uns                         einmal die Freiheit geschenkt, sie werden sie uns hoffentlich zum                         zweitenmale unverkümmert bringen. (Bewegung!) Zu Rußland gekommen bekämpft                         er jeden Antrag die Truppen an der Ostgränze zurückzuziehen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bassermann:</hi> Der Grundsatz der Propaganda führt zum                         Zwiespalt, zum Krieg. Die Prinzipien der Philosophen sind <hi rendition="#g">unpraktisch.</hi> Was soll ein Völkerkongreß? (Zischen links und                         Galerie). Das Militär hat in Paris sich gut gezeigt. (Bravo rechts. Zischen                         links). Man müsse ein solches Militär applaudiren! (Links                         Hohngelächter!)</p>
          <p>Des Redners politischer Katechismus, den er nun folgen läßt, ist der                         allerplatteste. Den Ausdruck, die Festungen seien Dummheiten, unterschreibe                         ich nicht. Es ist jetzt eine Zeit in der die unbegreiflichsten Ansichten zu                         Tage kommen. Der bewaffnete Frieden sei auf die Länge nicht möglich, aber                         jetzt nöthig. &#x2012; Folgt eine Lobrede auf Guizot.</p>
          <p>Die Intervention Englands in Dänemark müssen wir dankbar anerkennen.                         (Zischen, viel Zischen!) Ich wünsche ein Bündnisse mit Frankreich und                         England. (Bravo und Zischen).</p>
          <p><hi rendition="#g">Robert Blum:</hi> Die Fürsten der guten alten Zeit                         glaubten die Geschichte gepachtet zu haben. Deswegen schlossen sie auf ihre                         Hand so viele unheilvolle Bündnisse. Alle diese Bündnisse haben den Blick                         von dem <hi rendition="#g">einen</hi> was Noth thut abgewendet: erst selbst                         ein Volk werden würdig einzutreten in den Bund der Völker. Die                         Fürstenbündnisse haben Deutschland herausgerissen aus dem Völkerbund. Diese                         alte Zeit ist untergegangen durch die <hi rendition="#g">Gewalt.</hi> Biedermann's Bekämpfen des Gedankens der Propaganda ist mir unbegreiflich.                         Der Gedanke der neuen französischen Revolution wird Propaganda machen, trotz                         Hrn. Bassermann.</p>
          <p>Die Nothwendigkeit einer Waffnung aber sei gen Osten. Deswegen solle man hier                         eine Heervermehrung dekretiren. Mit Erreichung des französischen Bündnisses                         sei der europäische Friede hinlänglich gesichert.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wurm</hi> (Hamburg): Der internationale Ausschuß hat                         beschlossen, den Antrag, betreffs einer kräftigen Heeraufstellung gen Osten,                         nicht zu modifiziren (Bravo). Man muß gegen Rußland rüsten, aber Rußland                         wird sich vor Krieg hüten. In Bezug auf Frankreich ist er für den                         Frieden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jahn</hi> stellt die Anträge: Gnesen, Glogau, Posen, Thorn                         zu Bundesfestungen zu machen, und Reichstruppen in verschanzte Lager bei                         Breslau und Bromberg zu legen.</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Beckerath</hi> will wie Blum die Propaganda des                         Gedankens (deklamirt lange und halb verständlich), Ruge's Völkerkongreß sei                         eine Anticipation. hat Aeußerungen gegen England hier mit tiefem Bedauern                         vernommen. (Bravo rechts, nein! links. Die Bänke der Abgeordneten werden                         leerer.) Der Schluß seiner Rede geht spurlos vorüber.</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Möhring</hi> gegen ein Bündniß mit Frankreich, weil er                         Deutschland mehr wie Frankreich liebt. (Oh!) Frankreich hat uns eine                         praktische Lehre gegeben, wohin die Theorien der Dichter und Philosophen                         führen. &#x2012; Beginnt eine entsetzlich lange und wirre politische Rundschau.                         Rußland sei ein furchtbarer Feind. Die einzigen Freunde der Deutschen sind                         Nordamerika und wir selbst (rechts bravo). Folgt eine furchtbare                         Zahlenberechnung, welche beweisen soll, Deutschland müsse ein starkes                         Mitteleuropa bilden. Er stellt den Antrag: Bündniß mit Ungarn, Nordamerika,                         Holland und England. Die Versammlung solle sich für die brave ungarische                         Nation erheben. (Rechts und beide Centren erheben sich mit Geklatsch. Die                         Linke sitzt tiefstill.</p>
          <p>Man ist von allen Deklamationen endlich sehr angegriffen und schreit nach                         Schluß der Debatte. Man stimmt ab; der Schluß wird beschlossen. (Die Linke                         stimmt gegen den Schluß.)</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Wydenbrugk,</hi> Berichterstatter: Es sei das erstemal,                         daß das deutsche Volk zusammen über die auswärtigen Angelegenheiten berathe.                         O schöner Tag! &#x2012; Er bleibt bei den Ausschußanträgen. Ruge's Antrag formell                         unpraktisch. Die Idee des ewigen Friedens sei ein Ziel, aber ein sehr                         fernes. Wenn (nach Vogt) die deutsche Freiheit weiter nichts wäre, als ein                         französisches Geschenk, so gäbe er keinen Pfifferling drum. (Hurrah aller                         Patrioten, rechts, Centren und Damen klatschen furchtbar.) Der deutsche                         Adler braucht den Schutz des gallischen Hahns nicht. (Bravo aller Patrioten,                         links tiefstill.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Ruge:</hi> Er habe kein europäisches Parlament beantragt,                         sondern wolle einen Völkerkongreß von den Diplomaten der Völker der neuern                         Geschichte. (Wirklich!) Man ruft Schluß.</p>
          <p>Endlich gelangt man halb 2 Uhr zur Abstimmung. Nach einer formellen, sehr                         wirren Debatte über dieselbe, woran Rösler, Wernher (für seinen Freund                         Biedermann), Soiron, Jordan, Simon (Trier) kurz Theil nehmen, wird gemach                         zur Abstimmung geschritten.</p>
          <p>Ausschußantrag 1. wird einstimmig bejaht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ruge's</hi> Amendement wird verworfen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Biedermann's</hi> Antrag: &#x201E;den Bericht ad II. und den                         darin gefaßten Entschluß, mit Rücksicht auf den bereits über die                         Heerverstärkung früher gefaßten Beschluß, der Centralgewalt zur weitern                         Maßnahme zuzuweisen&#x201C;, wird angenommen.</p>
          <p>Ferner kommt zur Abstimmung ad III. des Ausschußberichts:</p>
          <p>1. die Nationalversammlung wolle über die, Trutz- und Schutzbündnisse mit                         verschiedenen Staaten, betreffenden Anträge zur motivirten Tagesordnung                         übergehen;</p>
          <p>2. erklären, daß sie die Anerkennung Frankreichs als Republik und die                         Absendung eines Gesandten für Deutschland nach Paris bei der bevorstehenden                         Anordnung von Gesandtschaften für Deutschland als selbstverstanden                         betrachte.</p>
          <p>Angenommen, Theil 2 einstimmig angenommen, mit Ausnahme des Hrn.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0272/0002] Frankfurt Sitzung vom 21. Juli.(Schluß.) Michelsens Antrag, den § 4 ganz wegzulassen, wurde verworfen. Für Stackingers Antrag zu diesem §: Mit der Publikation gegenwärtiger Grundrechte hören die Wirkungen des bürgerlichen Todes für die Zukunft auf; stimmte nur die Linke. Das zu diesem § genehmigte Amendement von Spatz: die Strafe des bürgerlichen Todes, wo sie ausgesprochen, aufzuheben, wenn nicht dadurch bestehende Privatrechte verletzt werden, wurde nach Abstimmung durch Zählen bei 433 Abgeordneten mit 238 für und 195 gegen adoptirt. § 5 wurde so angenommen: die Auswanderungs-Freiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Die Auswanderungs-Angelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reichs. N. B. die letzten Worte sind ein Amendement von Radowitz. Auch bei § 5 erhebt sich zwischen dem Präsidenten v. Gagern und Beseler (für den sich v. Soiron betheiligt) ein Streit über die Reihenfolge der Abstimmungen, worin Beseler Recht behält. Trotz der Ueberführung beharrt v. Gagern störrisch bei seiner Ansicht. Es erhebt sich Lärm, viele Redner eilen zur Tribüne, wollen Aufklärungen geben, wodurch es natürlich immer dunkler wird. ‒ Unter andern Kuriositäten behauptet ein Redner: „wenn ein Deutscher ausgewandert sei, hörte er auf, ein Deutscher zu sein.“ ‒ Nachdem eine Unzahl sich in dieser Formdebatte erschöpft hat, will Hr. Fuchs, der immer anfängt, wenn alle aufhören, noch sprechen; man schreit aber so sehr Schluß, daß Herr Fuchs in seinen Bau zurückkehrt. Hiermit schließt die Abstimmung über Art. I (§ 1-5) der Grundrechte. (Wunder!) und die Nr. 1 der obigen heutigen Tagesordnung ist erledigt. ‒ Mehr kann natürlich nicht verlangt werden. ‒ Hr. v. Gagern unterbricht die Tagesordnung durch Mittheilung zweier eben eingelaufenen Anträge. 1. Von Martini und Genossen (aus Westpreußen): die Nationalversammlung wolle die laufende Reihe der Berathungen der §§ der Grundrechte unterbrechen und vor allen Dingen zu §§ 7, 8, 9, 10, 22 und 27 übergehen. 2. Von Hennges aus Heilbron und mehreren Anderen: die Nationalversammlung wolle dasselbe thun zu Gunsten der §§ 27 - 31. Die in diesen Anträgen angezogenen Paragraphen handeln nämlich von den ersten, wichtigsten und jetzt schon wieder so sehr angetasteten Rechten des Volks: der Preßfreiheit, persönlichen Freiheit, dem Associationsrecht, Briefgeheimniß u. s. w. Schon bei Lesung der Anträge fängt es in dem vor Langeweile beinahe stockig gewordenen See der Versammlung an zu wogen und zu brausen. Man merkt den Sturm. Die Rechte bewegt sich, die Linke setzt sich in Positur. Beseler (Greifswald) erhebt sich erzürnt gegen die Anträge. Man würde die Verhandlungen über die Grundrechte aus dem Zusammenhang reißen. Man solle doch ja die Arbeiten des Verfassungsausschusses nicht auf diese Art (d. h. durch solche rebellische Anträge) erschüttern. Jetzt tritt Martini (aus Westpreußen) der Antragsteller, ruhig und keck auf die Tribüne: er werde diese Anträge motiviren. Er frägt ob man nicht schon wieder überall in Deutschland die in den berührten §§ gegebenen Rechte verkümmert und verletzt? (Bei dieser Frage über die verkümmerten Rechte brüllt und zischt die Rechte unwillig.) Die Linke und Galerien schreit Bravo. Der Sturm beginnt. ‒ Der Gott der Stürme v. Gagern unterbricht den Redner, und will ihn an weiteren Erklärungen verhindern. Die Rechte lacht freudig über diese Praktik oder Taktik des Präsidenten. Die Linke und Gallerien stürmen. Martini: der Redner steht ruhig mit unterschlagenen Armen auf der Tribüne und sagt ungefähr: „Also so weit ist es gekommen, daß die Nationalversammlung, wenn es sich um die verkümmerten Rechte des deutschen Volkes handelt, nur höhnisches Lachen hat? Man verleugnet die Revolution! (Donnerndes Bravo links.) Die Minister des deutschen Volks, von diesem hingestellt, Rechte und Freiheiten zu vertreten, lassen dieselben verkümmern. Sie verleugnen ihre Mutter, das Volk! Diese ihre Mutter muß mit Schmerz erkennen, daß sie Mißgeburten geboren hat. (Donnerndes Bravo links. Wuthgebrüll rechts. Sturm der Gallerie.) Das alte System der Verkümmerungen, Einsperrungen etc. sei wieder los. Das Versammlungsrecht werde ebenfalls in die Luft gesetzt. (Rechts Hohngelächter!) Der Redner zur Rechten gewendet: lachen Sie! Sie lachen? Wollen Sie das so fortgehen lassen? (Rechts höhnisch: ja! Links und Galerien Wuth und Getümmel.) ‒ Gagern ruft den Redner zur Ordnung, aber nicht mit der einem Präsidenten wohlanstehenden Ruhe, sondern mit leidenschaftlich erregter Stimme. Martini entschuldigt seine Worte in der logischsten Schlußfolge und mit klassischer Ruhe, welche gegen die Leidenschaftlichkeit des Präsidenten und die Wuth der Versammlung wunderbar kontrastirt. Endlich ruft man rechts und links nach Schluß, man ist erschöpft, man hat sich auch genügend einmal gegenseitig ausgegiftet. Beide Anträge, Martinis und Hennges's werden (nur von der Linken gebilligt) von der Versammlung verworfen. Jetzt kämen die Nr. 2 und 3 der Tagesordnung, (S. oben), aber es ist 2 1/4 Uhr Nachmittags, man ist ermattet, man schließt die heutige Sitzung. Nach wenig Einrede beschließt man für Morgen eine Extra-Sitzung und setzt auf die morgige Tagesordnung die beaux restes der Tagesordnung von heute. * Frankfurt, 22. Juli.Sitzung der National-Versammlung. ‒ Präsident Gagern. Verlesung des Protokolls. 26 Mitglieder protestiren gegen die gestern von Gagern verweigerte namentliche Abstimmung über Martiny's Antrag. Nach einigen Einwendungen Gagern's wird der Protest zu den Akten gelegt. Tagesordnung: Debatte über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses. Gagern mahnt vor allen Dingen zur Mäßigung und verliest dann die Ausschußanträge. Im von Wydenbrugkschen Ausschußbericht heißt es: „daß unsere äußere Politik die Ehre und das Recht Deutschlands über jede andere Rücksicht setzen werde, ist ein Grundsatz, welcher einer besondern positiven Anerkennung nicht bedarf.“ Der Ausschuß glaubt aber hervorheben zu müssen, „daß Deutschland keinen fremden Staat in der selbstständigen Entwicklung seiner innern Angelegenheiten irgendwie hindern werde, oder je die Hand zu einem Kampfe verschiedener Staaten um politische Prinzipien bieten wird. In der folgerichtigen und thatkräftigen Durchführung dieser Grundsätze liegt die Bürgschaft, daß die in der Geschichte fast beispiellos dastehende Bewegung, welche den Welttheil ergriffen, nicht zu einem allgemeinen Völkerkampf ausarten werde. Man ist vielmehr zu der Hoffnung berechtigt, daß der Frieden Europas an den wenigen Punkten, an welchen er noch gestört ist, bald wieder hergestellt sein wird. Der Ausschuß ladet die National-Versammlung ein, sich mit diesen einfachen obersten Grundsätzen der auswärtigen Politik einverstanden zu erklären. Zu diesem Antrage stellt Hr. Ruge folgendes Amendement: „Da der bewaffnete Frieden durch seine stehenden Heere den Völkern Europas eine unerträgliche Bürde auflegt, und die bürgerlichen Freiheiten stört, so möge man einen Völkerkongreß zu allgemeiner Entwaffnung beantragen.“ Diesen Antrag unterstützen einige sechzig der Linken. Ruge: Es ist dies eine Konsequenz der Revolution. Der Sieg eines humanen Prinzips ist anerkannt (?). Der Ausschußbericht ist sehr wahr. (!) Seit dem Christenthum ist der auch von Lamartine adoptirte Grundsatz, für große Prinzipien Propaganda zu machen, wahr. Proselyten zu machen, ist nothwendig. Die großen Prinzipien sind keine Utopien. Der Menschengeist feiert den Sieg über alle Völker. (!) Seit der französischen Revolution haben nur Parteimänner über Frankreich regiert, nicht die Könige. Die heilige Allianz ist das alte Europa. Wir haben an ihre Stelle die Völker-Allianz zu setzen. Die Völkerkongresse werden die wahren sein, die diplomatischen sind die falschen. Ich schlage dem deutschen Volke vor, bei diesem Völkerkongreß die Ehre der Initiative zu ergreifen. Der Redner lobt Lamartine's Friedensprinzip. Lamartine will Vereinigung mit Deutschland um jeden Preis. Lamartine ist ein großer Politiker. (!) In Frankreich verachtet man die großen Männer nicht wie bei uns. (Klagelaut einer schönen Seele.) Lamartine hat den Titel Gloire francaise gestürzt (!). Die Brutalität des Kanonirens und Füsillirens hat er gestürzt. (Z. B. im Juni d. J.) Seit der Zeit ist der Ruf der Franzosen ein anderer geworden. Die Franzosen werden meinen Gedanken des Völkerkongresses ergreifen. (Meinen Gedanken! Vergleiche den Northern Star seit 1845 und andere Blätter des Auslandes). Unsere Ansichten sind auch friedlich. Wir sind ein philosophisches Volk. Wir haben Vernunftgründe statt schlagender. Alle unsere Empörungen waren Empörungen gegen das Militair. Wir wollen bürgerliche Freiheiten, keine Militairwirthschaft. Wir wollen das Militair entwaffnen, die Bürger bewaffnen. Alle Völker werden uns für unsere (!!) Idee danken. Von einem solchen Kongreß können wir den Frieden Italiens und Polens erwarten. Selbst Rußland wird dann rekonstituirt werden. (!) Der Krieg gegen den Krieg wird der letzte Krieg sein. Es liegt in unserem Idealismus große Gedanken anzuregen (!!). Die Franzosen, Engländer und Deutsche werden sich zu diesem Gedanken einigen. Der Vorschlag hat alle Prämissen des Gelingens für sich, (ist namentlich äußerst praktisch).So werden wir den Militäralp los. (Solch ein Gemisch von Trivialitäten und hohlen Phrasen und phantastischverdrehten Projekten bringt der Redakteur der Vernunft der Ereignisse in der Zuversicht vor, daß Galerie und Linke ihm als Redner der Linken Unterstützung nicht versagen wird!) Der Ausschuß trägt ferner darauf an. II. „Die Nationalversammlung möge erklären, daß an der örtlichen „Gränze Deutschlands den deutschen Streitkräften eine solche Stärke „zu geben ist, daß sie der gegenüberstehenden Heeresmacht vollkom„men gewachsen sind.“ Minister Schmerling: Das Ministerium wird keine andere Grundsätze kennen als die Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands. ‒ Die erste Aufgabe wird sein: ein Programm der auswärtigen Politik zu geben. Man gebe dem Minister einige Tage Geduld. Von mir können Sie erwarten, ich werde zu nichts anderem die Hand bieten, als zur Ehre, Freiheit, Unabhängigkeit Deutschlands. Das Verlangen nach Vermehrung des Ostheeres werde wohl zu mobifiziren sein. Wenn Krieg oder Vertheidigung nöthig, so wird sie eintreten. Betreffs der Anerkennung der franz. Republik: Das Ministerium hat sich entschieden, die deutsche Centralgewalt bei allen Völkern zu repräsentiren, dies sei im Werk. Vorläufig seien hierzu die alten Gesandten ermächtigt. Das Ministerium hat sich unumwunden für die Anerkennung der franz. Republik ausgesprochen (bravo links). Frankreich hat bezüglich der Freiheit wohlthätig auf Deutschland gewirkt. (Bravo). Paris wird sofort mit einem Gesandten beschickt werden, der dies aussprechen wird. (Bravo. Klatschen). Vogt: (Gießen). Erwartet sehnsüchtig dies Programm des deutschen Ministeriums. Reden sind immer zweideutig. Mit solchen Reden ist deshalb nichts abgethan; schwarz auf weiß! ‒ Der Redner will auch entwaffneten Frieden. Das bisherige sonderbare Gleichgewicht Europa's ist durch unsere Revolution erschüttert. Die Ehre der Nationen steht viel höher als die Ehre ihrer Oberhäupter. (Bravo). Der Redner spricht gegen Lichnowsky's letzthin ausgesprochene Ansicht über Krieg mit Frankreich. Frankreich verdanken wir die Freiheit. Ich verweise auf die Erklärungen der franz. National-Versammlung: „Brüderlicher Bund mit Deutschland, Herstellung Polens, Freigebung Italiens.“ Ich habe die Parteien Frankreichs kennen gelernt, besonders die hier gemeinten, nicht die Lychnowsky-Radowitz'schen. (Heiterkeit). Wenn Frankreich um die socialistische Frage abzuwenden, wie Lychnowsky meint, ein Heer an die Gränze sendet, wird gerade das entgegengesetzte eintreten, wird die Partei der Ruhe unterdeß im Inneren gestürzt. Die Franzosen haben uns einmal die Freiheit geschenkt, sie werden sie uns hoffentlich zum zweitenmale unverkümmert bringen. (Bewegung!) Zu Rußland gekommen bekämpft er jeden Antrag die Truppen an der Ostgränze zurückzuziehen. Bassermann: Der Grundsatz der Propaganda führt zum Zwiespalt, zum Krieg. Die Prinzipien der Philosophen sind unpraktisch. Was soll ein Völkerkongreß? (Zischen links und Galerie). Das Militär hat in Paris sich gut gezeigt. (Bravo rechts. Zischen links). Man müsse ein solches Militär applaudiren! (Links Hohngelächter!) Des Redners politischer Katechismus, den er nun folgen läßt, ist der allerplatteste. Den Ausdruck, die Festungen seien Dummheiten, unterschreibe ich nicht. Es ist jetzt eine Zeit in der die unbegreiflichsten Ansichten zu Tage kommen. Der bewaffnete Frieden sei auf die Länge nicht möglich, aber jetzt nöthig. ‒ Folgt eine Lobrede auf Guizot. Die Intervention Englands in Dänemark müssen wir dankbar anerkennen. (Zischen, viel Zischen!) Ich wünsche ein Bündnisse mit Frankreich und England. (Bravo und Zischen). Robert Blum: Die Fürsten der guten alten Zeit glaubten die Geschichte gepachtet zu haben. Deswegen schlossen sie auf ihre Hand so viele unheilvolle Bündnisse. Alle diese Bündnisse haben den Blick von dem einen was Noth thut abgewendet: erst selbst ein Volk werden würdig einzutreten in den Bund der Völker. Die Fürstenbündnisse haben Deutschland herausgerissen aus dem Völkerbund. Diese alte Zeit ist untergegangen durch die Gewalt. Biedermann's Bekämpfen des Gedankens der Propaganda ist mir unbegreiflich. Der Gedanke der neuen französischen Revolution wird Propaganda machen, trotz Hrn. Bassermann. Die Nothwendigkeit einer Waffnung aber sei gen Osten. Deswegen solle man hier eine Heervermehrung dekretiren. Mit Erreichung des französischen Bündnisses sei der europäische Friede hinlänglich gesichert. Wurm (Hamburg): Der internationale Ausschuß hat beschlossen, den Antrag, betreffs einer kräftigen Heeraufstellung gen Osten, nicht zu modifiziren (Bravo). Man muß gegen Rußland rüsten, aber Rußland wird sich vor Krieg hüten. In Bezug auf Frankreich ist er für den Frieden. Jahn stellt die Anträge: Gnesen, Glogau, Posen, Thorn zu Bundesfestungen zu machen, und Reichstruppen in verschanzte Lager bei Breslau und Bromberg zu legen. v. Beckerath will wie Blum die Propaganda des Gedankens (deklamirt lange und halb verständlich), Ruge's Völkerkongreß sei eine Anticipation. hat Aeußerungen gegen England hier mit tiefem Bedauern vernommen. (Bravo rechts, nein! links. Die Bänke der Abgeordneten werden leerer.) Der Schluß seiner Rede geht spurlos vorüber. v. Möhring gegen ein Bündniß mit Frankreich, weil er Deutschland mehr wie Frankreich liebt. (Oh!) Frankreich hat uns eine praktische Lehre gegeben, wohin die Theorien der Dichter und Philosophen führen. ‒ Beginnt eine entsetzlich lange und wirre politische Rundschau. Rußland sei ein furchtbarer Feind. Die einzigen Freunde der Deutschen sind Nordamerika und wir selbst (rechts bravo). Folgt eine furchtbare Zahlenberechnung, welche beweisen soll, Deutschland müsse ein starkes Mitteleuropa bilden. Er stellt den Antrag: Bündniß mit Ungarn, Nordamerika, Holland und England. Die Versammlung solle sich für die brave ungarische Nation erheben. (Rechts und beide Centren erheben sich mit Geklatsch. Die Linke sitzt tiefstill. Man ist von allen Deklamationen endlich sehr angegriffen und schreit nach Schluß der Debatte. Man stimmt ab; der Schluß wird beschlossen. (Die Linke stimmt gegen den Schluß.) v. Wydenbrugk, Berichterstatter: Es sei das erstemal, daß das deutsche Volk zusammen über die auswärtigen Angelegenheiten berathe. O schöner Tag! ‒ Er bleibt bei den Ausschußanträgen. Ruge's Antrag formell unpraktisch. Die Idee des ewigen Friedens sei ein Ziel, aber ein sehr fernes. Wenn (nach Vogt) die deutsche Freiheit weiter nichts wäre, als ein französisches Geschenk, so gäbe er keinen Pfifferling drum. (Hurrah aller Patrioten, rechts, Centren und Damen klatschen furchtbar.) Der deutsche Adler braucht den Schutz des gallischen Hahns nicht. (Bravo aller Patrioten, links tiefstill.) Ruge: Er habe kein europäisches Parlament beantragt, sondern wolle einen Völkerkongreß von den Diplomaten der Völker der neuern Geschichte. (Wirklich!) Man ruft Schluß. Endlich gelangt man halb 2 Uhr zur Abstimmung. Nach einer formellen, sehr wirren Debatte über dieselbe, woran Rösler, Wernher (für seinen Freund Biedermann), Soiron, Jordan, Simon (Trier) kurz Theil nehmen, wird gemach zur Abstimmung geschritten. Ausschußantrag 1. wird einstimmig bejaht. Ruge's Amendement wird verworfen. Biedermann's Antrag: „den Bericht ad II. und den darin gefaßten Entschluß, mit Rücksicht auf den bereits über die Heerverstärkung früher gefaßten Beschluß, der Centralgewalt zur weitern Maßnahme zuzuweisen“, wird angenommen. Ferner kommt zur Abstimmung ad III. des Ausschußberichts: 1. die Nationalversammlung wolle über die, Trutz- und Schutzbündnisse mit verschiedenen Staaten, betreffenden Anträge zur motivirten Tagesordnung übergehen; 2. erklären, daß sie die Anerkennung Frankreichs als Republik und die Absendung eines Gesandten für Deutschland nach Paris bei der bevorstehenden Anordnung von Gesandtschaften für Deutschland als selbstverstanden betrachte. Angenommen, Theil 2 einstimmig angenommen, mit Ausnahme des Hrn.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 55. Köln, 25. Juli 1848, S. 0272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz055_1848/2>, abgerufen am 26.04.2024.