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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 102. Köln, 14. September 1848.

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[Spaltenumbruch] fort, daß Herr Bassermann für das was auf der rechten Seite vorgeht ein so schlechtes Gedächtniß hat. (Bassermann vom Platz: Ich habe immer mit Ihnen gestimmt!) Meine Herren! Herr Bassermann meint, er habe immer mit uns gestimmt. (Gelächter.) Am 29. Juni hat er gerade das Gegentheil von seinen heutigen Meinungen aufgestellt. (Allgemeines Gelächter; sogar der Edle lacht.) Ich freue mich, daß Hr. Bassermann jetzt auf einmal links geworden. (Gelächter.) Der Zweck der Bassermannschen Anträge scheint zu sein, nach schneller Abfertigung der Volksrechte, zu den Rechten der Regierung, zur fixen Bildung der Centralgewalt überzugehen. (Bravo!) Es ist nur die Frage, ob sie das Werk der Einheit durch das Volk, oder durch die Regierungen zu gründen gedenken. Wenn Sie das letzte wollen, nehmen Sie Hrn. Bassermanns Anträge an. (Gelächter. Bravo!) Herr Löwe hat von Ungeduld nichts im Volke gesehen; da muß er wohl nur nach Oben gesehen haben. (Bravo!) Ehe Sie die Spitze des Baues, den wir vorhaben, die Centralgewalt, bilden, lassen Sie uns erst die Säulen, die das Gebäude tragen sollen, die Rechte des Volkes, gründen. (Sehr brav!) In Bezug auf das, was Herr Bassermann von den Interpellationen gesagt, muß ich bedauern, daß Hr. v. Hermann nicht da ist, um Hrn. Bassermann dafür zu danken, daß er dem neuen Ministerium die Interpellationen ersparen will. Ich bin der Meinung die Minister sind dazu da, um interpellirt zu werden. Man hat ferner gesagt, die Volksrechte seien in den Einzelstaaten schon garantirt; darauf antworte ich nein. (Bravo!) Man sagt, die definitive Centralgewalt müsse zuerst hergestellt werden; diese würde die Sicherheit geben. Dies ist nicht wahr, und trotzdem ich kein Freund von Provisorien bin, muß ich doch sagen, daß, wenn man schon gegen das Provisorium rebellirt, wie dies geschieht, man gegen das Definitivum sich noch viel mehr auflehnen wird. Jetzt macht zwar jene Seite (nach rechts), die gegen das Provisorium rebellirt, den Antrag, das Definitivum schleunigst herzustellen, aber warum? um das Definitivum an sich zu reißen. (Gelächter und Bravo).

Moritz Mohl beantragt Tagesordnung über sämmtliche Anträge.

Wird nicht unterstützt und ausgelacht.

Schaffrath: Nicht blos für seine Aeußerung, auch für die Anderer hat Hr. Bassermann ein schlechtes Gedächtniß. Schaffrath braucht gegen Hrn. Bassermann das Wort "unwahr"

Der edle Gagern findet hierin eine Beleidigung.

Schaffrath: Wenn ich nicht mehr sagen darf, was wahr oder unwahr ist, dann steht es schlimm mit der Redefreiheit. Die Einheit, die Hr. Bassermann vorschlägt, will auch ich, aber nur als Mittel zum Zweck der Freiheit. Bassermann hat als ein Motiv für seine Anträge die Unzufriedenheit des Volkes mit unsern Beschlüssen angeführt. Bis zum heutigen Tage hat die Rechte des Hauses die Majorität gehabt. Von ihr also gehen die Beschlüsse aus. Wenn das Volk also damit unzufrieden ist, so ist es unzufrieden mit der Majorität. (Lautes Bravo der Gallerien).

Präsident: Die Gallerien haben sich des Beifalls zu enthalten.

Schneer (Assessor aus Preußen) stellt Amendements zu Bassermanns Anträgen.

Die Debatte wird geschlossen und es sprechen noch die beiden Antragsteller.

Abstimmung,

Präsident will über Bassermanns Anträge zuerst abstimmen.

Schoder verlangt die erste Abstimmung über seinen Antrag.

Schwerin beantragt, die Abstimmung zu vertagen, bis die Anträge alle gedruckt sind. (Wird gleich verworfen).

v. Bincke will Künsbergs Antrag zuerst.

Die Versammlung entschließt sich über Schoders Antrag zuerst abzustimmen. (Es hat sich nämlich der Theil der gemäßigten Linken, welcher Herr Schoder anhängt, mit der äußersten Linken vereinigt, und diese beiden Parteien bilden zu knapper Noth die Majorität). Bei zweifelhaftem Resultat wird gezählt und Schoders Antrag mit 243 gegen 209 Stimmen unter lautem Bravo angenommen. Rechts ruft man nach namentlicher Abstimmung, wird aber zur Ruhe verwiesen. Viele Mitglieder der Rechten, empört über ihre augenscheinliche Niederlage, umstürmen den Präsidenten, der auch nicht übel geneigt scheint noch einmal abstimmen zu lassen. Bei der drohenden Haltung der Linken jedoch beruhigt man sich endlich.

Punkt I. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.

Schneer's Amendement dazu wird angenommen. Dasselbe lautet:

"Der Präsident ist zu ermächtigen, nach Abstimmung des § 14 die Frage zu stellen, ob auf Diskussion der folgenden Paragraphen verzichtet wird; und dann, außer dem Antrag des Ausschusses, den der Minorität und den der andern hierher bezüglichen Ausschüsse, so wie z. B. des volkswirthschaftlichen, wie auch die eingebrachten, und von 20 Mitgliedern unterstützten Einzel-Amendements, sogleich zur Abstimmung zu bringen, wenn nicht 100 Mitglieder die Diskussion beantragen."

Punkt II. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.

Simon aus Trier stellt den Antrag: "die Nationalversammlung solle der Berliner Versammlung ihre Anerkennung aussprechen in Betracht der über die Offiziere des preußischen Heeres nach Steins Antrag gefaßten Beschlüsse. (Links und im linken Centrum Bravo! Rechts: Zischen!) Die Versammlung beschließt zur Begründung der Dringlichkeit dieses Antrags Hrn. Simon das Wort nicht zu gestatten. (Links und Gallerien: Oh!)

Tagesordnung. Abstimmung über § 14 der Grundrechte. Es entspinnt sich eine stundenlange dürre Debatte über die Reihenfolge der Fragen. Dieselben, (30 an der Zahl) werden bis auf drei in theils gewöhnlicher, theils namentlicher Abstimmung verworfen, z. B. das Minoritätserachten des Hrn. Lassaulx und Konsorten, wird zum großen Verdruß des Hrn. Professors mit 357 gegen 99 Stimmen verworfen.

Die 3 angenommenen Anträge lauten:

1. "Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den Staatsgesetzen unterworfen." (Antrag von Kuenzer und Genossen).

2. "Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht." (Antrag des Verfassungs-Ausschusses).

3. "Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche." (Viertes Minoritäts-Erachten).

Diese 3 Punkte bilden also die Fassung des § 14.

Ein Amendement von Esterle, Unbescheiden u. s. w.: "Die Pfarrer und Kirchenvorsteher der Gemeinden werden von diesen gewählt und ernannt, ohne daß es hierzu der Bestätigung von Seiten des Staats bedarf" wird mit 320 gegen 134 Stimmen verworfen

Schluß der Sitzung 3 Uhr. Tagesordnung für morgen, (wenn noch nichts Besonderes vorliegt): Fortsetzung der Grundrechte.

!!! Frankfurt, 10. Sept.

Abends. Heute fand eine große Volksversammlung in Bergen, 2 Stunden von Frankfurt, statt. Simon von Trier wurde zum Präsidenten und Pflüger von Hanau zum Vicepräsidenten gewählt. - Es sprachen Hörfel, Präsident des Arbeitervereins aus Frankfurt und Professor Winkelblech aus Cassel unter vielem Beifall, über ein Programm zur Zusammenberufung eines socialen Vorparlaments. - Simon von Trier sprach über die gegenwärtigen politischen Zustände. - Nach ihm sprach noch Essler aus Frankfurt. Port, Präsident des Frankfurter demokr. republik. Vereins, brachte Hecker, und Metternich aus Mainz den deutschen Flüchtlingen in der Schweiz ein Lebehoch!

Vor Schluß der Versammlung sprach Wesendonk aus Düsseldorf. - Gegen 9 Uhr zog man unter Sang und Klang nach der freien Reichsstadt zurück, - um wieder schlafen zu gehen!

* Frankfurt, 11. Sept.

Aus folgender Mittheilung der F. O. P. A. Z., der offiziellen Reichsverweser-Zeitung, wird man entnehmen, wie Alles in der kurzen Zeit vorbereitet worden, um Deutschlands tiefste Schmach und den Sieg der potsdam-berlin-frankfurter Reaktion parlamentarisch zu besiegeln. Dieses kurze Artikelchen, das die reaktionäre Bande als Fühlhorn unters Publikum hinausstreckt, lautet:

"Dem Vernehmen nach hat sich in den kombinirten Ausschüssen für Centralgewalt und internationale Angelegenheiten eine Mehrheit von 10 gegen 9 Stimmen für die Nichtverwerfung des Waffenstillstandes erklärt, nachdem die Ausschüsse die Akten geprüft haben. Herr Stedtmann wird Bericht für die Mehrheit erstatten."

103 Berlin, 11. September.

Vereinbarerversammlung.

Die Vereinbarer hatten sich vor der Eröffnung der heutigen Sitzung, erwartungsvoll in großen Kreisen versammelt. Im Sitzungssaal wogte die Menge unruhig um die entlassenen Minister sowohl, die sämmtlich erschienen waren, als um die Herren Waldeck, Rodbertus und die andern Parteiführer. Endlich läßt der Vice-Präsident Kosch die Klingel ertönen und zeigt an, daß der Präsident Grabow noch durch Krankheit zurückgehalten sei, den Vorsitz zu führen. Die Minister haben ihre Plätze am Ministertisch eingenommen. Da verlangt der Minister-Präsident das Wort. Die größte Spannung und athemlose Stille herrschte im Saal und auf den gefüllten Tribünen.

Minister-Präsident v. Auerswald: Das Ministerium hat in Verfolg der Verhandlungen vom 7. d. M keinen Augenblick gezögert, bei des Königs Majestät seine Entlassung einzureichen, und dieselbe folgendermaßen begründet:

[Spaltenumbruch]

Ew. Königlichen Majestät haben wir bereits die ehrerbietige Bitte um Entbindung von den uns anvertrauten Aemtern vorgetragen. Indem wir dieses Gesuch hierdurch ehrfurchtsvoll wiederholen, erlauben wir uns, zur Begründung desselben Folgendes anzuführen:

Unserer Ansicht nach muß das von uns vertretene und in der Sitzung der National-Versammlung vom 7. d. M. vertheidigte Prinzip:

daß derselben die Festsetzung von Verwaltungs-Maßregeln nicht zustehe,

aufrecht erhalten werden, weil ohne dasselbe die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Wir glauben aber, aus dem in jener Sitzung gefaßten Beschlusse der National-Versammlung einen Mangel an Vertrauen zu unseren Personen folgern zu müssen, welcher es uns in hohem Grade schwierig machen würde, jenes Prinzip aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde bitten wir Ew. Königl. Majestät ehrfurchtsvoll, uns die nachgesuchte Dienst-Entlassung Allergnädigst ertheilen zu wollen.

Berlin, 9. September 1848.

Die Staats-Minister

(gez.) von Auerswald. Hansemann Frhr. von Schreckenstein. Milde. Märcker. Gierke Kühlwetter.

An des Königs Majestät.

Es haben des Königs Majestät darauf erklärt:

"Ich bin mit der in Ihrem Berichte vom 9. d. M. ausgesprochenen Ansicht einverstanden, daß ohne Aufrechterhaltung des darin aufgestellten Prinzips die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Gleichwohl werde Ich Ihnen aus dem von Ihnen angeführten Grunde die nachgesuchte Dienst-Entlassung ertheilen. Bis zur Bildung eines neuen Ministeriums haben Sie Ihre Geschäfte fortzuführen.

Sanssouci, den 10. September 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(contras.) von Auerswald.

An sämmtliche Mitglieder des Staats-Ministeriums.

Ich habe Ihnen ferner mitzutheilen, daß der Abgeordnete in der deutschen National-Versammlung, Herr von Beckerath, zu Sr. Majestät berufen worden; hiernächst ersuche ich die hohe Versammlung, Ihre Sitzungen auf eine angemessene Zeit aussetzen zu wollen. Da der Umzug aus diesem Sitzungssaal nach dem neueingerichteten vom nächsten Freitag bis Dienstag stattfindet in Folge dessen ihre Sitzungen bis Dienstag über acht Tage aussetzen zu wollen.

Abg. Temme: Ich glaube, daß wir in einer Zeit, die so kritisch ist, wie die jetzige, keinen Augenblick uns vertagen dürfen. Ich schlage vor, daß wir unsere Sitzungen nach wie vor halten; es wird uns nicht an solchem Material fehlen, bei dessen Bearbeitung die Minister nicht nöthig sind.

Abg. Tamnau: Es ist Hauptgrundsatz des konstitutionellen Systems, daß die Krone bei allen gesetzgeberischen Arbeiten der Versammlung vertreten sein muß. Auch die Geschaftsordnung giebt den Ministern das Recht, ihre Stimme bei den Verhandlungen abzugeben; wir müssen ihnen also die Möglichkeit dazu lassen.

Abg. v. Berg: Auch ich meine wir können nicht ohne die Organe der Krone verhandeln. Wenn Sie aber Zwischenfälle ins Auge fassen, die zu zarter Natur sind, um sie hier in die Verhandlung zu ziehen, so werden Sie meinem Antrag beistimmen, nur die heutige Sitzung zu schließen. Wir werden uns dann morgen früh wieder hier versammeln und von Neuem, wenn nichts Wichtiges vorliegt, die Sitzung bis auf den nächsten Tag schließen.

Abg. Waldeck. Es ist nicht das konstitutionelle Prinzip, daß die Sitzungen vielleicht vier Wochen wegen einer Ministerkrisis ausgesetzt werden. Sie haben gehört, daß den Ministern aufgegeben worden ist, ihre Geschäfte provisorisch fortzuführen; sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt, denn sie haben ihre Plätze in dieser Versammlung verlassen. Ich denke wir machen es anders; wir können dringende Fragen erörtern, bei denen das Ministerium nicht interessirt ist.

Abg. D'Ester: Dieser Augenblick ist für alle Verhältnisse des Staats sehr wichtig und darum werden Sie Alle mit mir einverstanden sein, daß wir unsre Sitzungen nicht vertagen, denn wir sind deswegen hierher geschickt, die Rechte des Volkes zu jeder Zeit zu vertreten, deshalb kommen wir morgen früh hier wieder zusammen, damit wir täglich die nöthigen Beschlüsse fassen können. - Es ist hier von dem konstitutionellen Prinzip die Rede gewesen, wir haben aber nur nach unsrer Ueberzeugung zu stimmen. Ich muß mich sogar dagegen verwahren, daß stets die Worte in diese Versammlung geschleudert werden: "Das konstitutionelle Prinzip ist in Gefahr!" - Lassen Sie sich nicht bange machen; die Verhandlungen in der denkwürdigen Sitzung vom 7. d. M. haben dargethan, daß gewisse Einschüchterungsmittel verbraucht sind.

Abg. v. Auerswald: Wir sollen uns ja nicht auflösen, sondern nur unsere Sitzung in der Art aussetzen, daß wir jeden Augenblick wieder zusammenberufen werden können.

Abg. Schramm (Langensalza) beantragt, daß die Minister ersucht werden sollen, entweder selbst in der Versammlung zu erscheinen, da sie noch die Geschäfte zu versehen hatten, oder ihre Kommissarien zu schicken.

Der Antrag auf Vertagung bis Dienstag über acht Tage wird zurückgenommen; dagegen hat der Abg. Dunker den Antrag gestellt; "daß die nächste Sitzung Donnerstag den 14. d. M. stattfinden solle."

Jetzt erhebt sich aber eine hitzige Debatte über die Fragestellung, ob nämlich der Dunker'sche Antrag oder der Berg'sche auf Schluß der heutigen Sitzung zuerst zur Abstimmung kommen soll. Die Majorität beschließt zuerst über den Dunker'schen Antrag abzustimmen und dadurch sieht sich der Abg. v. Berg genöthigt seinen Antrag zurückzunehmen.

Hierauf wir der Antrag des Abg. Dunker angenommen und die nächste Sitzung findet demnach Donnerstag statt. -

Vor dem Schluß der Sitzung gibt der Präsident noch dem Abg. Unruh das Wort, um den Bericht der Wahlprüfungskommission über zwei Nachwahlen abzustatten. Darüber entsteht ein fürchterlicher Tumult, indem die rechte Seite keinem das Wort lassen will, da sie der Meinung ist, daß durch Annahme des Dunker'schen Antrags die Sitzung geschlossen sei.

Die Rechte schickt mehrere Redner, um den Abg. Unruh von der Tribüne zu verdrängen; der Abg. v. Meusebach will reden, ohne vom Präsidenten das Wort erhalten zu haben, die Linke trommelt ihn wieder herunter und die Prasident gibt Niemand das Wort, indem er fest darauf beharrt, daß der Bericht noch verlesen werden soll. Um die Rechte zu beruhigen, verliest der Sekretär den Dunckerschen Antrag noch einmal, woraus keinesfalls hervorgeht, daß die heutige Sitzung sogleich geschlossen werden müsse.

Endlich kommt der Abg. v. Unruh zum Worte. Er erstattet Bericht über die Wahl des frühern Ministers Bornemann und des Abg. Temme und tragt auf Genehmigung an, welche auch von der Versammlung ertheilt wird. Die gegen die Wahl Bornemanns eingegangenen Proteste konnen nicht berucksichtigt werden, da die Gründe nicht als genügend erkannt worden sind. Sie heben besonders hervor, daß 5 Wahlmanner gar nicht mehr in den Wahlbezirken wohnten. Da aber die Wahl mit so großer Majorität statt gefunden habe, daß, wenn auch diese 5 Stimmen davon abgerechnet würden, sie dennoch zu Gunsten des Gewählten ausgefallen, so kann dieser Einwand nicht berücksichtigt werden. Ebenso der Einwand, daß noch einmal neue Urwahlen statt finden müssen. Der bisherige Gebrauch spreche dagegen.

30 Berlin, 11. Sept.

(Der "Sun" über die Wiederherstellung Polens.) Es war zu erwarten, daß die Gerüchte über den Ausbruch einer Revolution in Moskau und St. Petersburg sich nicht bestätigen würden. Es gehört noch eine beträchtliche Zeit dazu, bis die Russen im Stande sind, die Segnungen der Freiheit und das Elend ihres blinden Gehorsams zu begreifen. Bis dahin aber bleibt es völlig ungewiß, ob die Kosaken und Kalmüken nicht bestimmt sind, Deutschland, Italien und die spanische Halbinsel zu verwüsten. - Schon im Frühling 1813 hatte der Kaiser Napoleon Ideen gefaßt, welche später zu einer der merkwürdigsten Prophezeihungen gereift sind. Napoleon erwog die männliche Kraft der russischen Barbaren und die Entnervung der Bewohner des westlichen Europa's. Er erkannte demnächst, daß die Soldaten von 1814 und 1815 Nachrichten von dem Reichthum der civilisirten Länder nach Rußland bringen würden und daß die Sage diese Erzählungen bis in's Unglaubliche steigern müßte. Daher die tiefsinnigen und prophetischen Unterhaltungen auf Longwood, die noch mehr als seine heroischen Thaten die Größe seines Geistes bekannten. Und diese Weissagung wird in Erfüllung gehen, wenn die Reiche des westlichen Europa's den Schlag nicht abwenden durch einen großen Akt der Gerechtigkeit, durch die Wiederherstellung Polens, und auf keine andere Weise. Der Zustand Deutschlands, Italiens, Ungarns, der Wallachei und Bulgarei treiben den Kaiser Nikolaus, seine Pläne zu beschleunigen. Bei der Leichtigkeit, mit welcher den Russen die Theilungen Polens geglückt sind, kann man sich jetzt kaum zu ominöser Ausdrücke bedienen. Wenn wir bemerken, daß der letzte diabolische Akt des an Polen verübten Raubes Rußland auf 60 deutsche Meilen an Wien und auf 50 an Berlin heranrückte, so dürfen wir wohl, mit Rücksicht [Spaltenumbruch] auf die furchtbare Uebermacht des Czaren, die Lage Oestreichs und Preußens für äußerst gefährlich halten. Mit Hülfe des Dampfes kann Rußland in wenig Stunden eine furchtbare Armee aus dem fernsten Winkel Podoliens oder Wolhyniens in's Centrum von Galizien bringen. In gleicher Weise können die russischen Truppen Breslau und ganz Schlesien nehmen. Wie die Sachen stehen, gibt's jetzt keine Hülfe gegen eine solche Invasion des Czaren. Nur eine Hülfe konnte sich das Festland Europa's und somit die Civilisation schaffen, das ist die Herstellung des Königreichs und der Nationalität Polens.

Berlin, 11. Sept.

Der Kaufmann Korn hat vorige Woche, schon wieder der Majestätsbeleidigung angeklagt, vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts gestanden. Der Gerichtshof hat ihn diesmal freigesprochen, weil derselbe in dem, in einem Plakat des Angeklagten gebrauchten Ausdrucke: der alte Dünkel und absolutistische Stolz der Hohenzollern keine Majestätsbeleidigung, sondern nur eine allgemeine historische Bemerkung fand. - Der Kaufmann Herold ist in derselben Sitzung zu 6 Monat Festungsarrest verurtheilt worden, weil er das Volk aufgeregt haben soll, sich dem Einzuge des 12. Regiments zu widersetzen. Vorläufig wurde derselbe jedoch seiner Haft entlassen.

61 Wien, 9. Sept.

Durch die Abstimmung vom 6. ist der Reichstag aus einem politischen Wesen zu einem bloßen kaiserlichen Projektenmacher hinabgesunken. Es dürfte nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie sich die einzelnen Provinzen dabei betheiligt haben und ich habe darum nach meinen Notizen folgende bis auf etwa 10 Stimmen ganz genaue Aufstellung darüber gemacht. Sie ersehen daraus den Stand der politischen Bildung im Lande.

Diejenigen, welche mit "Nein" gestimmt, haben, trotz ihrer konstituirenden Eigenschaft, zur Proklamation des Beschlusses über Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse die kaiserliche Sanktion für nöthig gehalten, sind also "Vereinbarer" geworden.

Galizien, Krakau, Bukowina.- Nein - Ja -Enthielten sich des Abstimmens oder waren abwesend.
483620
Nieder-Oestreich10222
Ober-Oestreich3145
Tirol14-3
Böhmen571514
Mähren19119
Schlesien431
Illyrien472
Steiermark776
Dalmatien262
Küstenland552
Total17312666

Das Lieblingsland der Aerndte, das deutsche Kernland Tirol spielt hierbei ohnstreitig die pikanteste Rolle; es hat nicht einen Streiter für die Freiheit gestellt; ihm ist schon die Vereinbarung ein Greuel.

Sämmtliche Juden haben natürlich mit Nein gestimmt, oder sich, um auf alle Fälle gedeckt zu sein, wie der Ministerialrath Fischoff, rechtzeitig aus dem Staube gemacht.

Unter den Polen, welche auf Seite der Freiheit geblieben sind und dem Nationalhaß der Czechen kein Gehör gegeben haben, befinden sich auch die Grafen Borkowski, Drieduszycki, ferner Hubicki, Sierakowski u. s. w.; sämmtliche galizischen Pfarrer haben mit dem Ministerium gestimmt; sie und Stadion wußten einige Bauern ebendazu zu beschwatzen. - Fürst Lubomirski hatte ebenfalls das polnische Lager verlassen und viele Landsleute, wie andere Slaven, zur Abtrünnigkeit zu überreden keinen Anstand genommen. Viele Bauern, denen die Verhandlung, weil deutsch, unverständlich geblieben war, und die sich weder an Stadion noch Lubomirski anschließen wollten, hatten sich aus Depit entfernt. Sie werden bei andern Gelegenheiten vielleicht einen andern Ausschlag geben und die 76 giftgeschwollenen Czechen aus Böhmen und Mähren mit ihrer neuerfundenen Nationalität unschädlich machen. Wären die 126 Stimmen der Minorität nur halb so entschieden und muthvoll, wie der Pole Hubicki, so würden sie insgesammt gegen die Abstimmung protestirt haben und dann den Reichstag nicht ferner besuchen; es würde dann an der Majorität von 191 Stimmen fehlen, man müßte andere Saiten aufziehen, um fortbeschließen und fortberathen zu können.

Die ungarische Deputation hatte heute Morgen Audienz beim Kaiser - Kaiser in Schönbrunn. Sie erhielt den Bescheid, die Gesundheit des Kaiser-Königs erlaube nicht, daß er in Budapesth residire; was das Uebrige anbelange, so werde er seinen Willen durch das östreichische Ministerium demnächst kundgeben lassen. Also eine ausweichende Antwort. Die Deputation, welche unter Anführung Pasmandy's aus den ausgewähltesten magyarischen Deputirten und Magnaten besteht, hatte die sofortige Uebersiedelung des Kaisers nach Budapesth und den Befehl verlangt, daß von Seite Jellachichs die Feindseligkeiten in Ungarn eingestellt würden. - Jetzt muß Ungarn sich vollends von Oestreich losreißen, es wird Kossuth zum Diktator ernennen und alle östreichischen Beamten aus dem Lande jagen. Die Werbungen, welche hier für Ungarn gehalten werden, finden ungeheuren Zuspruch; ich habe so eben einen Magyaren gesprochen, der seinen Dienst in Rom aufgegeben und sich hier hat anwerben lassen. Möchte das französische Juden-Bourgeoisthum doch diese Gelegenheit benutzen, den morschen Bau Oestreichs vollends über den Haufen werfen zu helfen!

Die "Geißel" ein reaktionäres Blatt, welches an gemeiner Schamlosigkeit alles überbietet, was jemals gedruckt worden ist, erkühnte sich, heute eine schwarzgelbe Fahne aus den unter den Tuchlauben befindlichen Redaktionslokalen zu stecken. Sogleich sammelte sich das Volk in der Straße und begann zu murren. Eben sollte das Haus gestürmt werden, als ein Garde der akademischen Legion sich in die Redaktion begab und unter dem Triumphgeschrei der Menge die Fahne hinwegnahm, um sie als Beute zur Universität zu bringen. - Nun war aber das Volk nicht länger zu halten; es stürzte in die Redaktionslokale, aus welcher der Redakteur Böhringer sich bereits geflüchtet hatte, und warf Alles zum Fenster hinaus, was von Schriften und Drucksachen vorräthig war.

Morgen halten sämmtliche demokratischen Vereine Wiens im Odeon, einem Saal der seine 15,000 Menschen faßt, eine große Versammlung zur Besprechung der dringendsten Tagesfragen, die den Sturz des Ministeriums vorbereiten sollen.

Uebermorgen wird Ungarn eine Republik sein.

Nachschrift. Beim Empfang der 200 Ungarn war das Schloß von Schönbrunn von Militär und Nationalgarde umringt; man fürchtete bei Hofe gewiß einen Handstreich.

Die Begeisterung der Magyaren geht soweit, daß Pfaffen sogar sich in die Regimenter einreihen lassen und Frauenzimmer sich nicht scheuen, die Waffen zu ergreifen.

Wien, 9. Sept.

Die amtliche Zeitung enthält folgende Mittheilung:

"Noch haben die Unterhandlungen zur Herstellung des Friedens mit dem König von Sardinien wenig Fortgang gehabt. Indessen hat aber die kaiserliche Regierung den Entschluß gefaßt, mit der Konstituirung des lombardisch-venetianischen Königreichs nicht mehr länger zu zögern, und zu diesem Behuf in Bälde Deputirte aus den verschiedenen Provinzen desselben nach Verona zu berufen,

[Spaltenumbruch] fort, daß Herr Bassermann für das was auf der rechten Seite vorgeht ein so schlechtes Gedächtniß hat. (Bassermann vom Platz: Ich habe immer mit Ihnen gestimmt!) Meine Herren! Herr Bassermann meint, er habe immer mit uns gestimmt. (Gelächter.) Am 29. Juni hat er gerade das Gegentheil von seinen heutigen Meinungen aufgestellt. (Allgemeines Gelächter; sogar der Edle lacht.) Ich freue mich, daß Hr. Bassermann jetzt auf einmal links geworden. (Gelächter.) Der Zweck der Bassermannschen Anträge scheint zu sein, nach schneller Abfertigung der Volksrechte, zu den Rechten der Regierung, zur fixen Bildung der Centralgewalt überzugehen. (Bravo!) Es ist nur die Frage, ob sie das Werk der Einheit durch das Volk, oder durch die Regierungen zu gründen gedenken. Wenn Sie das letzte wollen, nehmen Sie Hrn. Bassermanns Anträge an. (Gelächter. Bravo!) Herr Löwe hat von Ungeduld nichts im Volke gesehen; da muß er wohl nur nach Oben gesehen haben. (Bravo!) Ehe Sie die Spitze des Baues, den wir vorhaben, die Centralgewalt, bilden, lassen Sie uns erst die Säulen, die das Gebäude tragen sollen, die Rechte des Volkes, gründen. (Sehr brav!) In Bezug auf das, was Herr Bassermann von den Interpellationen gesagt, muß ich bedauern, daß Hr. v. Hermann nicht da ist, um Hrn. Bassermann dafür zu danken, daß er dem neuen Ministerium die Interpellationen ersparen will. Ich bin der Meinung die Minister sind dazu da, um interpellirt zu werden. Man hat ferner gesagt, die Volksrechte seien in den Einzelstaaten schon garantirt; darauf antworte ich nein. (Bravo!) Man sagt, die definitive Centralgewalt müsse zuerst hergestellt werden; diese würde die Sicherheit geben. Dies ist nicht wahr, und trotzdem ich kein Freund von Provisorien bin, muß ich doch sagen, daß, wenn man schon gegen das Provisorium rebellirt, wie dies geschieht, man gegen das Definitivum sich noch viel mehr auflehnen wird. Jetzt macht zwar jene Seite (nach rechts), die gegen das Provisorium rebellirt, den Antrag, das Definitivum schleunigst herzustellen, aber warum? um das Definitivum an sich zu reißen. (Gelächter und Bravo).

Moritz Mohl beantragt Tagesordnung über sämmtliche Anträge.

Wird nicht unterstützt und ausgelacht.

Schaffrath: Nicht blos für seine Aeußerung, auch für die Anderer hat Hr. Bassermann ein schlechtes Gedächtniß. Schaffrath braucht gegen Hrn. Bassermann das Wort „unwahr“

Der edle Gagern findet hierin eine Beleidigung.

Schaffrath: Wenn ich nicht mehr sagen darf, was wahr oder unwahr ist, dann steht es schlimm mit der Redefreiheit. Die Einheit, die Hr. Bassermann vorschlägt, will auch ich, aber nur als Mittel zum Zweck der Freiheit. Bassermann hat als ein Motiv für seine Anträge die Unzufriedenheit des Volkes mit unsern Beschlüssen angeführt. Bis zum heutigen Tage hat die Rechte des Hauses die Majorität gehabt. Von ihr also gehen die Beschlüsse aus. Wenn das Volk also damit unzufrieden ist, so ist es unzufrieden mit der Majorität. (Lautes Bravo der Gallerien).

Präsident: Die Gallerien haben sich des Beifalls zu enthalten.

Schneer (Assessor aus Preußen) stellt Amendements zu Bassermanns Anträgen.

Die Debatte wird geschlossen und es sprechen noch die beiden Antragsteller.

Abstimmung,

Präsident will über Bassermanns Anträge zuerst abstimmen.

Schoder verlangt die erste Abstimmung über seinen Antrag.

Schwerin beantragt, die Abstimmung zu vertagen, bis die Anträge alle gedruckt sind. (Wird gleich verworfen).

v. Bincke will Künsbergs Antrag zuerst.

Die Versammlung entschließt sich über Schoders Antrag zuerst abzustimmen. (Es hat sich nämlich der Theil der gemäßigten Linken, welcher Herr Schoder anhängt, mit der äußersten Linken vereinigt, und diese beiden Parteien bilden zu knapper Noth die Majorität). Bei zweifelhaftem Resultat wird gezählt und Schoders Antrag mit 243 gegen 209 Stimmen unter lautem Bravo angenommen. Rechts ruft man nach namentlicher Abstimmung, wird aber zur Ruhe verwiesen. Viele Mitglieder der Rechten, empört über ihre augenscheinliche Niederlage, umstürmen den Präsidenten, der auch nicht übel geneigt scheint noch einmal abstimmen zu lassen. Bei der drohenden Haltung der Linken jedoch beruhigt man sich endlich.

Punkt I. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.

Schneer's Amendement dazu wird angenommen. Dasselbe lautet:

„Der Präsident ist zu ermächtigen, nach Abstimmung des § 14 die Frage zu stellen, ob auf Diskussion der folgenden Paragraphen verzichtet wird; und dann, außer dem Antrag des Ausschusses, den der Minorität und den der andern hierher bezüglichen Ausschüsse, so wie z. B. des volkswirthschaftlichen, wie auch die eingebrachten, und von 20 Mitgliedern unterstützten Einzel-Amendements, sogleich zur Abstimmung zu bringen, wenn nicht 100 Mitglieder die Diskussion beantragen.“

Punkt II. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.

Simon aus Trier stellt den Antrag: „die Nationalversammlung solle der Berliner Versammlung ihre Anerkennung aussprechen in Betracht der über die Offiziere des preußischen Heeres nach Steins Antrag gefaßten Beschlüsse. (Links und im linken Centrum Bravo! Rechts: Zischen!) Die Versammlung beschließt zur Begründung der Dringlichkeit dieses Antrags Hrn. Simon das Wort nicht zu gestatten. (Links und Gallerien: Oh!)

Tagesordnung. Abstimmung über § 14 der Grundrechte. Es entspinnt sich eine stundenlange dürre Debatte über die Reihenfolge der Fragen. Dieselben, (30 an der Zahl) werden bis auf drei in theils gewöhnlicher, theils namentlicher Abstimmung verworfen, z. B. das Minoritätserachten des Hrn. Lassaulx und Konsorten, wird zum großen Verdruß des Hrn. Professors mit 357 gegen 99 Stimmen verworfen.

Die 3 angenommenen Anträge lauten:

1. „Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den Staatsgesetzen unterworfen.“ (Antrag von Kuenzer und Genossen).

2. „Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“ (Antrag des Verfassungs-Ausschusses).

3. „Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche.“ (Viertes Minoritäts-Erachten).

Diese 3 Punkte bilden also die Fassung des § 14.

Ein Amendement von Esterle, Unbescheiden u. s. w.: „Die Pfarrer und Kirchenvorsteher der Gemeinden werden von diesen gewählt und ernannt, ohne daß es hierzu der Bestätigung von Seiten des Staats bedarf“ wird mit 320 gegen 134 Stimmen verworfen

Schluß der Sitzung 3 Uhr. Tagesordnung für morgen, (wenn noch nichts Besonderes vorliegt): Fortsetzung der Grundrechte.

!!! Frankfurt, 10. Sept.

Abends. Heute fand eine große Volksversammlung in Bergen, 2 Stunden von Frankfurt, statt. Simon von Trier wurde zum Präsidenten und Pflüger von Hanau zum Vicepräsidenten gewählt. ‒ Es sprachen Hörfel, Präsident des Arbeitervereins aus Frankfurt und Professor Winkelblech aus Cassel unter vielem Beifall, über ein Programm zur Zusammenberufung eines socialen Vorparlaments. ‒ Simon von Trier sprach über die gegenwärtigen politischen Zustände. ‒ Nach ihm sprach noch Essler aus Frankfurt. Port, Präsident des Frankfurter demokr. republik. Vereins, brachte Hecker, und Metternich aus Mainz den deutschen Flüchtlingen in der Schweiz ein Lebehoch!

Vor Schluß der Versammlung sprach Wesendonk aus Düsseldorf. ‒ Gegen 9 Uhr zog man unter Sang und Klang nach der freien Reichsstadt zurück, ‒ um wieder schlafen zu gehen!

* Frankfurt, 11. Sept.

Aus folgender Mittheilung der F. O. P. A. Z., der offiziellen Reichsverweser-Zeitung, wird man entnehmen, wie Alles in der kurzen Zeit vorbereitet worden, um Deutschlands tiefste Schmach und den Sieg der potsdam-berlin-frankfurter Reaktion parlamentarisch zu besiegeln. Dieses kurze Artikelchen, das die reaktionäre Bande als Fühlhorn unters Publikum hinausstreckt, lautet:

„Dem Vernehmen nach hat sich in den kombinirten Ausschüssen für Centralgewalt und internationale Angelegenheiten eine Mehrheit von 10 gegen 9 Stimmen für die Nichtverwerfung des Waffenstillstandes erklärt, nachdem die Ausschüsse die Akten geprüft haben. Herr Stedtmann wird Bericht für die Mehrheit erstatten.“

103 Berlin, 11. September.

Vereinbarerversammlung.

Die Vereinbarer hatten sich vor der Eröffnung der heutigen Sitzung, erwartungsvoll in großen Kreisen versammelt. Im Sitzungssaal wogte die Menge unruhig um die entlassenen Minister sowohl, die sämmtlich erschienen waren, als um die Herren Waldeck, Rodbertus und die andern Parteiführer. Endlich läßt der Vice-Präsident Kosch die Klingel ertönen und zeigt an, daß der Präsident Grabow noch durch Krankheit zurückgehalten sei, den Vorsitz zu führen. Die Minister haben ihre Plätze am Ministertisch eingenommen. Da verlangt der Minister-Präsident das Wort. Die größte Spannung und athemlose Stille herrschte im Saal und auf den gefüllten Tribünen.

Minister-Präsident v. Auerswald: Das Ministerium hat in Verfolg der Verhandlungen vom 7. d. M keinen Augenblick gezögert, bei des Königs Majestät seine Entlassung einzureichen, und dieselbe folgendermaßen begründet:

[Spaltenumbruch]

Ew. Königlichen Majestät haben wir bereits die ehrerbietige Bitte um Entbindung von den uns anvertrauten Aemtern vorgetragen. Indem wir dieses Gesuch hierdurch ehrfurchtsvoll wiederholen, erlauben wir uns, zur Begründung desselben Folgendes anzuführen:

Unserer Ansicht nach muß das von uns vertretene und in der Sitzung der National-Versammlung vom 7. d. M. vertheidigte Prinzip:

daß derselben die Festsetzung von Verwaltungs-Maßregeln nicht zustehe,

aufrecht erhalten werden, weil ohne dasselbe die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Wir glauben aber, aus dem in jener Sitzung gefaßten Beschlusse der National-Versammlung einen Mangel an Vertrauen zu unseren Personen folgern zu müssen, welcher es uns in hohem Grade schwierig machen würde, jenes Prinzip aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde bitten wir Ew. Königl. Majestät ehrfurchtsvoll, uns die nachgesuchte Dienst-Entlassung Allergnädigst ertheilen zu wollen.

Berlin, 9. September 1848.

Die Staats-Minister

(gez.) von Auerswald. Hansemann Frhr. von Schreckenstein. Milde. Märcker. Gierke Kühlwetter.

An des Königs Majestät.

Es haben des Königs Majestät darauf erklärt:

„Ich bin mit der in Ihrem Berichte vom 9. d. M. ausgesprochenen Ansicht einverstanden, daß ohne Aufrechterhaltung des darin aufgestellten Prinzips die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Gleichwohl werde Ich Ihnen aus dem von Ihnen angeführten Grunde die nachgesuchte Dienst-Entlassung ertheilen. Bis zur Bildung eines neuen Ministeriums haben Sie Ihre Geschäfte fortzuführen.

Sanssouci, den 10. September 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(contras.) von Auerswald.

An sämmtliche Mitglieder des Staats-Ministeriums.

Ich habe Ihnen ferner mitzutheilen, daß der Abgeordnete in der deutschen National-Versammlung, Herr von Beckerath, zu Sr. Majestät berufen worden; hiernächst ersuche ich die hohe Versammlung, Ihre Sitzungen auf eine angemessene Zeit aussetzen zu wollen. Da der Umzug aus diesem Sitzungssaal nach dem neueingerichteten vom nächsten Freitag bis Dienstag stattfindet in Folge dessen ihre Sitzungen bis Dienstag über acht Tage aussetzen zu wollen.

Abg. Temme: Ich glaube, daß wir in einer Zeit, die so kritisch ist, wie die jetzige, keinen Augenblick uns vertagen dürfen. Ich schlage vor, daß wir unsere Sitzungen nach wie vor halten; es wird uns nicht an solchem Material fehlen, bei dessen Bearbeitung die Minister nicht nöthig sind.

Abg. Tamnau: Es ist Hauptgrundsatz des konstitutionellen Systems, daß die Krone bei allen gesetzgeberischen Arbeiten der Versammlung vertreten sein muß. Auch die Geschaftsordnung giebt den Ministern das Recht, ihre Stimme bei den Verhandlungen abzugeben; wir müssen ihnen also die Möglichkeit dazu lassen.

Abg. v. Berg: Auch ich meine wir können nicht ohne die Organe der Krone verhandeln. Wenn Sie aber Zwischenfälle ins Auge fassen, die zu zarter Natur sind, um sie hier in die Verhandlung zu ziehen, so werden Sie meinem Antrag beistimmen, nur die heutige Sitzung zu schließen. Wir werden uns dann morgen früh wieder hier versammeln und von Neuem, wenn nichts Wichtiges vorliegt, die Sitzung bis auf den nächsten Tag schließen.

Abg. Waldeck. Es ist nicht das konstitutionelle Prinzip, daß die Sitzungen vielleicht vier Wochen wegen einer Ministerkrisis ausgesetzt werden. Sie haben gehört, daß den Ministern aufgegeben worden ist, ihre Geschäfte provisorisch fortzuführen; sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt, denn sie haben ihre Plätze in dieser Versammlung verlassen. Ich denke wir machen es anders; wir können dringende Fragen erörtern, bei denen das Ministerium nicht interessirt ist.

Abg. D'Ester: Dieser Augenblick ist für alle Verhältnisse des Staats sehr wichtig und darum werden Sie Alle mit mir einverstanden sein, daß wir unsre Sitzungen nicht vertagen, denn wir sind deswegen hierher geschickt, die Rechte des Volkes zu jeder Zeit zu vertreten, deshalb kommen wir morgen früh hier wieder zusammen, damit wir täglich die nöthigen Beschlüsse fassen können. ‒ Es ist hier von dem konstitutionellen Prinzip die Rede gewesen, wir haben aber nur nach unsrer Ueberzeugung zu stimmen. Ich muß mich sogar dagegen verwahren, daß stets die Worte in diese Versammlung geschleudert werden: „Das konstitutionelle Prinzip ist in Gefahr!“ ‒ Lassen Sie sich nicht bange machen; die Verhandlungen in der denkwürdigen Sitzung vom 7. d. M. haben dargethan, daß gewisse Einschüchterungsmittel verbraucht sind.

Abg. v. Auerswald: Wir sollen uns ja nicht auflösen, sondern nur unsere Sitzung in der Art aussetzen, daß wir jeden Augenblick wieder zusammenberufen werden können.

Abg. Schramm (Langensalza) beantragt, daß die Minister ersucht werden sollen, entweder selbst in der Versammlung zu erscheinen, da sie noch die Geschäfte zu versehen hatten, oder ihre Kommissarien zu schicken.

Der Antrag auf Vertagung bis Dienstag über acht Tage wird zurückgenommen; dagegen hat der Abg. Dunker den Antrag gestellt; „daß die nächste Sitzung Donnerstag den 14. d. M. stattfinden solle.“

Jetzt erhebt sich aber eine hitzige Debatte über die Fragestellung, ob nämlich der Dunker'sche Antrag oder der Berg'sche auf Schluß der heutigen Sitzung zuerst zur Abstimmung kommen soll. Die Majorität beschließt zuerst über den Dunker'schen Antrag abzustimmen und dadurch sieht sich der Abg. v. Berg genöthigt seinen Antrag zurückzunehmen.

Hierauf wir der Antrag des Abg. Dunker angenommen und die nächste Sitzung findet demnach Donnerstag statt. ‒

Vor dem Schluß der Sitzung gibt der Präsident noch dem Abg. Unruh das Wort, um den Bericht der Wahlprüfungskommission über zwei Nachwahlen abzustatten. Darüber entsteht ein fürchterlicher Tumult, indem die rechte Seite keinem das Wort lassen will, da sie der Meinung ist, daß durch Annahme des Dunker'schen Antrags die Sitzung geschlossen sei.

Die Rechte schickt mehrere Redner, um den Abg. Unruh von der Tribüne zu verdrängen; der Abg. v. Meusebach will reden, ohne vom Präsidenten das Wort erhalten zu haben, die Linke trommelt ihn wieder herunter und die Prasident gibt Niemand das Wort, indem er fest darauf beharrt, daß der Bericht noch verlesen werden soll. Um die Rechte zu beruhigen, verliest der Sekretär den Dunckerschen Antrag noch einmal, woraus keinesfalls hervorgeht, daß die heutige Sitzung sogleich geschlossen werden müsse.

Endlich kommt der Abg. v. Unruh zum Worte. Er erstattet Bericht über die Wahl des frühern Ministers Bornemann und des Abg. Temme und tragt auf Genehmigung an, welche auch von der Versammlung ertheilt wird. Die gegen die Wahl Bornemanns eingegangenen Proteste konnen nicht berucksichtigt werden, da die Gründe nicht als genügend erkannt worden sind. Sie heben besonders hervor, daß 5 Wahlmanner gar nicht mehr in den Wahlbezirken wohnten. Da aber die Wahl mit so großer Majorität statt gefunden habe, daß, wenn auch diese 5 Stimmen davon abgerechnet würden, sie dennoch zu Gunsten des Gewählten ausgefallen, so kann dieser Einwand nicht berücksichtigt werden. Ebenso der Einwand, daß noch einmal neue Urwahlen statt finden müssen. Der bisherige Gebrauch spreche dagegen.

30 Berlin, 11. Sept.

(Der „Sun“ über die Wiederherstellung Polens.) Es war zu erwarten, daß die Gerüchte über den Ausbruch einer Revolution in Moskau und St. Petersburg sich nicht bestätigen würden. Es gehört noch eine beträchtliche Zeit dazu, bis die Russen im Stande sind, die Segnungen der Freiheit und das Elend ihres blinden Gehorsams zu begreifen. Bis dahin aber bleibt es völlig ungewiß, ob die Kosaken und Kalmüken nicht bestimmt sind, Deutschland, Italien und die spanische Halbinsel zu verwüsten. ‒ Schon im Frühling 1813 hatte der Kaiser Napoleon Ideen gefaßt, welche später zu einer der merkwürdigsten Prophezeihungen gereift sind. Napoleon erwog die männliche Kraft der russischen Barbaren und die Entnervung der Bewohner des westlichen Europa's. Er erkannte demnächst, daß die Soldaten von 1814 und 1815 Nachrichten von dem Reichthum der civilisirten Länder nach Rußland bringen würden und daß die Sage diese Erzählungen bis in's Unglaubliche steigern müßte. Daher die tiefsinnigen und prophetischen Unterhaltungen auf Longwood, die noch mehr als seine heroischen Thaten die Größe seines Geistes bekannten. Und diese Weissagung wird in Erfüllung gehen, wenn die Reiche des westlichen Europa's den Schlag nicht abwenden durch einen großen Akt der Gerechtigkeit, durch die Wiederherstellung Polens, und auf keine andere Weise. Der Zustand Deutschlands, Italiens, Ungarns, der Wallachei und Bulgarei treiben den Kaiser Nikolaus, seine Pläne zu beschleunigen. Bei der Leichtigkeit, mit welcher den Russen die Theilungen Polens geglückt sind, kann man sich jetzt kaum zu ominöser Ausdrücke bedienen. Wenn wir bemerken, daß der letzte diabolische Akt des an Polen verübten Raubes Rußland auf 60 deutsche Meilen an Wien und auf 50 an Berlin heranrückte, so dürfen wir wohl, mit Rücksicht [Spaltenumbruch] auf die furchtbare Uebermacht des Czaren, die Lage Oestreichs und Preußens für äußerst gefährlich halten. Mit Hülfe des Dampfes kann Rußland in wenig Stunden eine furchtbare Armee aus dem fernsten Winkel Podoliens oder Wolhyniens in's Centrum von Galizien bringen. In gleicher Weise können die russischen Truppen Breslau und ganz Schlesien nehmen. Wie die Sachen stehen, gibt's jetzt keine Hülfe gegen eine solche Invasion des Czaren. Nur eine Hülfe konnte sich das Festland Europa's und somit die Civilisation schaffen, das ist die Herstellung des Königreichs und der Nationalität Polens.

Berlin, 11. Sept.

Der Kaufmann Korn hat vorige Woche, schon wieder der Majestätsbeleidigung angeklagt, vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts gestanden. Der Gerichtshof hat ihn diesmal freigesprochen, weil derselbe in dem, in einem Plakat des Angeklagten gebrauchten Ausdrucke: der alte Dünkel und absolutistische Stolz der Hohenzollern keine Majestätsbeleidigung, sondern nur eine allgemeine historische Bemerkung fand. ‒ Der Kaufmann Herold ist in derselben Sitzung zu 6 Monat Festungsarrest verurtheilt worden, weil er das Volk aufgeregt haben soll, sich dem Einzuge des 12. Regiments zu widersetzen. Vorläufig wurde derselbe jedoch seiner Haft entlassen.

61 Wien, 9. Sept.

Durch die Abstimmung vom 6. ist der Reichstag aus einem politischen Wesen zu einem bloßen kaiserlichen Projektenmacher hinabgesunken. Es dürfte nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie sich die einzelnen Provinzen dabei betheiligt haben und ich habe darum nach meinen Notizen folgende bis auf etwa 10 Stimmen ganz genaue Aufstellung darüber gemacht. Sie ersehen daraus den Stand der politischen Bildung im Lande.

Diejenigen, welche mit „Nein“ gestimmt, haben, trotz ihrer konstituirenden Eigenschaft, zur Proklamation des Beschlusses über Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse die kaiserliche Sanktion für nöthig gehalten, sind also „Vereinbarer“ geworden.

Galizien, Krakau, Bukowina. Nein Ja Enthielten sich des Abstimmens oder waren abwesend.
483620
Nieder-Oestreich10222
Ober-Oestreich3145
Tirol14-3
Böhmen571514
Mähren19119
Schlesien431
Illyrien472
Steiermark776
Dalmatien262
Küstenland552
Total17312666

Das Lieblingsland der Aerndte, das deutsche Kernland Tirol spielt hierbei ohnstreitig die pikanteste Rolle; es hat nicht einen Streiter für die Freiheit gestellt; ihm ist schon die Vereinbarung ein Greuel.

Sämmtliche Juden haben natürlich mit Nein gestimmt, oder sich, um auf alle Fälle gedeckt zu sein, wie der Ministerialrath Fischoff, rechtzeitig aus dem Staube gemacht.

Unter den Polen, welche auf Seite der Freiheit geblieben sind und dem Nationalhaß der Czechen kein Gehör gegeben haben, befinden sich auch die Grafen Borkowski, Drieduszycki, ferner Hubicki, Sierakowski u. s. w.; sämmtliche galizischen Pfarrer haben mit dem Ministerium gestimmt; sie und Stadion wußten einige Bauern ebendazu zu beschwatzen. ‒ Fürst Lubomirski hatte ebenfalls das polnische Lager verlassen und viele Landsleute, wie andere Slaven, zur Abtrünnigkeit zu überreden keinen Anstand genommen. Viele Bauern, denen die Verhandlung, weil deutsch, unverständlich geblieben war, und die sich weder an Stadion noch Lubomirski anschließen wollten, hatten sich aus Depit entfernt. Sie werden bei andern Gelegenheiten vielleicht einen andern Ausschlag geben und die 76 giftgeschwollenen Czechen aus Böhmen und Mähren mit ihrer neuerfundenen Nationalität unschädlich machen. Wären die 126 Stimmen der Minorität nur halb so entschieden und muthvoll, wie der Pole Hubicki, so würden sie insgesammt gegen die Abstimmung protestirt haben und dann den Reichstag nicht ferner besuchen; es würde dann an der Majorität von 191 Stimmen fehlen, man müßte andere Saiten aufziehen, um fortbeschließen und fortberathen zu können.

Die ungarische Deputation hatte heute Morgen Audienz beim Kaiser ‒ Kaiser in Schönbrunn. Sie erhielt den Bescheid, die Gesundheit des Kaiser-Königs erlaube nicht, daß er in Budapesth residire; was das Uebrige anbelange, so werde er seinen Willen durch das östreichische Ministerium demnächst kundgeben lassen. Also eine ausweichende Antwort. Die Deputation, welche unter Anführung Pasmandy's aus den ausgewähltesten magyarischen Deputirten und Magnaten besteht, hatte die sofortige Uebersiedelung des Kaisers nach Budapesth und den Befehl verlangt, daß von Seite Jellachichs die Feindseligkeiten in Ungarn eingestellt würden. ‒ Jetzt muß Ungarn sich vollends von Oestreich losreißen, es wird Kossuth zum Diktator ernennen und alle östreichischen Beamten aus dem Lande jagen. Die Werbungen, welche hier für Ungarn gehalten werden, finden ungeheuren Zuspruch; ich habe so eben einen Magyaren gesprochen, der seinen Dienst in Rom aufgegeben und sich hier hat anwerben lassen. Möchte das französische Juden-Bourgeoisthum doch diese Gelegenheit benutzen, den morschen Bau Oestreichs vollends über den Haufen werfen zu helfen!

Die „Geißel“ ein reaktionäres Blatt, welches an gemeiner Schamlosigkeit alles überbietet, was jemals gedruckt worden ist, erkühnte sich, heute eine schwarzgelbe Fahne aus den unter den Tuchlauben befindlichen Redaktionslokalen zu stecken. Sogleich sammelte sich das Volk in der Straße und begann zu murren. Eben sollte das Haus gestürmt werden, als ein Garde der akademischen Legion sich in die Redaktion begab und unter dem Triumphgeschrei der Menge die Fahne hinwegnahm, um sie als Beute zur Universität zu bringen. ‒ Nun war aber das Volk nicht länger zu halten; es stürzte in die Redaktionslokale, aus welcher der Redakteur Böhringer sich bereits geflüchtet hatte, und warf Alles zum Fenster hinaus, was von Schriften und Drucksachen vorräthig war.

Morgen halten sämmtliche demokratischen Vereine Wiens im Odeon, einem Saal der seine 15,000 Menschen faßt, eine große Versammlung zur Besprechung der dringendsten Tagesfragen, die den Sturz des Ministeriums vorbereiten sollen.

Uebermorgen wird Ungarn eine Republik sein.

Nachschrift. Beim Empfang der 200 Ungarn war das Schloß von Schönbrunn von Militär und Nationalgarde umringt; man fürchtete bei Hofe gewiß einen Handstreich.

Die Begeisterung der Magyaren geht soweit, daß Pfaffen sogar sich in die Regimenter einreihen lassen und Frauenzimmer sich nicht scheuen, die Waffen zu ergreifen.

Wien, 9. Sept.

Die amtliche Zeitung enthält folgende Mittheilung:

„Noch haben die Unterhandlungen zur Herstellung des Friedens mit dem König von Sardinien wenig Fortgang gehabt. Indessen hat aber die kaiserliche Regierung den Entschluß gefaßt, mit der Konstituirung des lombardisch-venetianischen Königreichs nicht mehr länger zu zögern, und zu diesem Behuf in Bälde Deputirte aus den verschiedenen Provinzen desselben nach Verona zu berufen,

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fort, daß Herr Bassermann für das was auf der rechten Seite vorgeht ein so       schlechtes Gedächtniß hat. (Bassermann vom Platz: Ich habe immer mit Ihnen gestimmt!) Meine       Herren! Herr Bassermann meint, er habe immer mit uns gestimmt. (Gelächter.) Am 29. Juni hat er       gerade das Gegentheil von seinen heutigen Meinungen aufgestellt. (Allgemeines Gelächter; sogar       der Edle lacht.) Ich freue mich, daß Hr. Bassermann jetzt auf einmal links geworden.       (Gelächter.) Der Zweck der Bassermannschen Anträge scheint zu sein, nach schneller Abfertigung       der Volksrechte, zu den Rechten der Regierung, zur fixen Bildung der Centralgewalt       überzugehen. (Bravo!) Es ist nur die Frage, ob sie das Werk der Einheit durch das Volk, oder       durch die Regierungen zu gründen gedenken. Wenn Sie das letzte wollen, nehmen Sie Hrn.       Bassermanns Anträge an. (Gelächter. Bravo!) Herr Löwe hat von Ungeduld nichts im Volke       gesehen; da muß er wohl nur nach Oben gesehen haben. (Bravo!) Ehe Sie die Spitze des Baues,       den wir vorhaben, die Centralgewalt, bilden, lassen Sie uns erst die Säulen, die das Gebäude       tragen sollen, die Rechte des Volkes, gründen. (Sehr brav!) In Bezug auf das, was Herr       Bassermann von den Interpellationen gesagt, muß ich bedauern, daß Hr. v. Hermann nicht da ist,       um Hrn. Bassermann dafür zu danken, daß er dem neuen Ministerium die Interpellationen ersparen       will. Ich bin der Meinung die Minister sind dazu da, um interpellirt zu werden. Man hat ferner       gesagt, die Volksrechte seien in den Einzelstaaten schon garantirt; darauf antworte ich nein.       (Bravo!) Man sagt, die definitive Centralgewalt müsse zuerst hergestellt werden; diese würde       die Sicherheit geben. Dies ist nicht wahr, und trotzdem ich kein Freund von Provisorien bin,       muß ich doch sagen, daß, wenn man schon gegen das Provisorium rebellirt, wie dies geschieht,       man gegen das Definitivum sich noch viel mehr auflehnen wird. Jetzt macht zwar jene Seite       (nach rechts), die gegen das Provisorium rebellirt, den Antrag, das Definitivum schleunigst       herzustellen, aber warum? um das Definitivum an sich zu reißen. (Gelächter und Bravo).</p>
          <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi> beantragt Tagesordnung über sämmtliche Anträge. </p>
          <p>Wird nicht unterstützt und ausgelacht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath:</hi> Nicht blos für seine Aeußerung, auch für die Anderer hat       Hr. Bassermann ein schlechtes Gedächtniß. Schaffrath braucht gegen Hrn. Bassermann das Wort       &#x201E;unwahr&#x201C; </p>
          <p>Der edle Gagern findet hierin eine Beleidigung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath:</hi> Wenn ich nicht mehr sagen darf, was wahr oder unwahr       ist, dann steht es schlimm mit der Redefreiheit. Die Einheit, die Hr. Bassermann vorschlägt,       will auch ich, aber nur als Mittel zum Zweck der Freiheit. Bassermann hat als ein Motiv für       seine Anträge die Unzufriedenheit des Volkes mit unsern Beschlüssen angeführt. Bis zum       heutigen Tage hat die Rechte des Hauses die Majorität gehabt. Von ihr also gehen die       Beschlüsse aus. Wenn das Volk also damit unzufrieden ist, so ist es unzufrieden mit der       Majorität. (Lautes Bravo der Gallerien).</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Die Gallerien haben sich des Beifalls zu enthalten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneer</hi> (Assessor aus Preußen) stellt Amendements zu Bassermanns       Anträgen.</p>
          <p>Die Debatte wird geschlossen und es sprechen noch die beiden Antragsteller.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Abstimmung,</hi> </p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> will über Bassermanns Anträge zuerst abstimmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schoder</hi> verlangt die erste Abstimmung über seinen Antrag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schwerin</hi> beantragt, die Abstimmung zu vertagen, bis die Anträge alle       gedruckt sind. (Wird gleich verworfen).</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Bincke</hi> will Künsbergs Antrag zuerst.</p>
          <p>Die Versammlung entschließt sich über Schoders Antrag zuerst abzustimmen. (Es hat sich       nämlich der Theil der gemäßigten Linken, welcher Herr Schoder anhängt, mit der äußersten       Linken vereinigt, und diese beiden Parteien bilden zu knapper Noth die Majorität). Bei       zweifelhaftem Resultat wird gezählt und Schoders Antrag mit 243 gegen 209 Stimmen unter lautem       Bravo angenommen. Rechts ruft man nach namentlicher Abstimmung, wird aber zur Ruhe verwiesen.       Viele Mitglieder der Rechten, empört über ihre augenscheinliche Niederlage, umstürmen den       Präsidenten, der auch nicht übel geneigt scheint noch einmal abstimmen zu lassen. Bei der       drohenden Haltung der Linken jedoch beruhigt man sich endlich.</p>
          <p>Punkt I. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.</p>
          <p>Schneer's Amendement dazu wird angenommen. Dasselbe lautet:</p>
          <p>&#x201E;Der Präsident ist zu ermächtigen, nach Abstimmung des § 14 die Frage zu stellen, ob auf       Diskussion der folgenden Paragraphen verzichtet wird; und dann, außer dem Antrag des       Ausschusses, den der Minorität und den der andern hierher bezüglichen Ausschüsse, so wie z. B.       des volkswirthschaftlichen, wie auch die eingebrachten, und von 20 Mitgliedern unterstützten       Einzel-Amendements, sogleich zur Abstimmung zu bringen, wenn nicht 100 Mitglieder die       Diskussion beantragen.&#x201C;</p>
          <p>Punkt II. von Bassermanns Anträgen wird verworfen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Simon</hi> aus Trier stellt den Antrag: &#x201E;die Nationalversammlung solle       der Berliner Versammlung ihre Anerkennung aussprechen in Betracht der über die Offiziere des       preußischen Heeres nach Steins Antrag gefaßten Beschlüsse. (Links und im linken Centrum Bravo!       Rechts: Zischen!) Die Versammlung beschließt zur Begründung der Dringlichkeit dieses Antrags       Hrn. Simon das Wort nicht zu gestatten. (Links und Gallerien: Oh!)</p>
          <p>Tagesordnung. Abstimmung über § 14 der Grundrechte. Es entspinnt sich eine stundenlange       dürre Debatte über die Reihenfolge der Fragen. Dieselben, (30 an der Zahl) werden bis auf drei       in theils gewöhnlicher, theils namentlicher Abstimmung verworfen, z. B. das Minoritätserachten       des Hrn. Lassaulx und Konsorten, wird zum großen Verdruß des Hrn. Professors mit 357 gegen 99       Stimmen verworfen.</p>
          <p>Die 3 angenommenen Anträge lauten:</p>
          <p>1. &#x201E;Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten       selbstständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den Staatsgesetzen       unterworfen.&#x201C; (Antrag von Kuenzer und Genossen).</p>
          <p>2. &#x201E;Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Anerkennung ihres Bekenntnisses       durch den Staat bedarf es nicht.&#x201C; (Antrag des Verfassungs-Ausschusses).</p>
          <p>3. &#x201E;Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. Es besteht       fernerhin keine Staatskirche.&#x201C; (Viertes Minoritäts-Erachten).</p>
          <p>Diese 3 Punkte bilden also die Fassung des § 14.</p>
          <p>Ein Amendement von Esterle, Unbescheiden u. s. w.: &#x201E;Die Pfarrer und Kirchenvorsteher der       Gemeinden werden von diesen gewählt und ernannt, ohne daß es hierzu der Bestätigung von Seiten       des Staats bedarf&#x201C; wird mit 320 gegen 134 Stimmen verworfen</p>
          <p>Schluß der Sitzung 3 Uhr. Tagesordnung für morgen, (wenn noch nichts Besonderes vorliegt):       Fortsetzung der Grundrechte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 10. Sept. </head>
          <p>Abends. Heute fand eine große Volksversammlung in Bergen, 2 Stunden von Frankfurt, statt.       Simon von Trier wurde zum Präsidenten und Pflüger von Hanau zum Vicepräsidenten gewählt. &#x2012; Es       sprachen Hörfel, Präsident des Arbeitervereins aus Frankfurt und Professor Winkelblech aus       Cassel unter vielem Beifall, über ein Programm zur Zusammenberufung eines socialen       Vorparlaments. &#x2012; <hi rendition="#g">Simon</hi> von Trier sprach über die gegenwärtigen       politischen Zustände. &#x2012; Nach ihm sprach noch Essler aus Frankfurt. Port, Präsident des       Frankfurter demokr. republik. Vereins, brachte Hecker, und Metternich aus Mainz den deutschen       Flüchtlingen in der Schweiz ein Lebehoch! </p>
          <p>Vor Schluß der Versammlung sprach Wesendonk aus Düsseldorf. &#x2012; Gegen 9 Uhr zog man unter Sang       und Klang nach der freien Reichsstadt zurück, &#x2012; um wieder schlafen zu gehen! </p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 11. Sept. </head>
          <p>Aus folgender Mittheilung der F. O. P. A. Z., der offiziellen Reichsverweser-Zeitung, wird       man entnehmen, wie Alles in der kurzen Zeit vorbereitet worden, um Deutschlands tiefste       Schmach und den Sieg der potsdam-berlin-frankfurter Reaktion parlamentarisch zu besiegeln.       Dieses kurze Artikelchen, das die reaktionäre Bande als Fühlhorn unters Publikum       hinausstreckt, lautet:</p>
          <p>&#x201E;Dem Vernehmen nach hat sich in den kombinirten Ausschüssen für Centralgewalt und       internationale Angelegenheiten eine Mehrheit von 10 gegen 9 Stimmen für die Nichtverwerfung       des Waffenstillstandes erklärt, nachdem die Ausschüsse die Akten geprüft haben. Herr Stedtmann       wird Bericht für die Mehrheit erstatten.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl>Berlin, 11. September. </head>
          <p>Vereinbarerversammlung.</p>
          <p>Die Vereinbarer hatten sich vor der Eröffnung der heutigen Sitzung, erwartungsvoll in großen       Kreisen versammelt. Im Sitzungssaal wogte die Menge unruhig um die entlassenen Minister       sowohl, die sämmtlich erschienen waren, als um die Herren Waldeck, Rodbertus und die andern       Parteiführer. Endlich läßt der Vice-Präsident Kosch die Klingel ertönen und zeigt an, daß der       Präsident Grabow noch durch Krankheit zurückgehalten sei, den Vorsitz zu führen. Die Minister       haben ihre Plätze am Ministertisch eingenommen. Da verlangt der Minister-Präsident das Wort.       Die größte Spannung und athemlose Stille herrschte im Saal und auf den gefüllten Tribünen.</p>
          <p>Minister-Präsident v. <hi rendition="#g">Auerswald:</hi> Das Ministerium hat in Verfolg der       Verhandlungen vom 7. d. M keinen Augenblick gezögert, bei des Königs Majestät seine Entlassung       einzureichen, und dieselbe folgendermaßen begründet: </p>
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          <p>Ew. Königlichen Majestät haben wir bereits die ehrerbietige Bitte um Entbindung von den uns       anvertrauten Aemtern vorgetragen. Indem wir dieses Gesuch hierdurch ehrfurchtsvoll       wiederholen, erlauben wir uns, zur Begründung desselben Folgendes anzuführen:</p>
          <p>Unserer Ansicht nach muß das von uns vertretene und in der Sitzung der National-Versammlung       vom 7. d. M. vertheidigte Prinzip:</p>
          <p>daß derselben die Festsetzung von Verwaltungs-Maßregeln nicht zustehe,</p>
          <p>aufrecht erhalten werden, weil ohne dasselbe die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen       kann. Wir glauben aber, aus dem in jener Sitzung gefaßten Beschlusse der National-Versammlung       einen Mangel an Vertrauen zu unseren Personen folgern zu müssen, welcher es uns in hohem Grade       schwierig machen würde, jenes Prinzip aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde bitten wir Ew.       Königl. Majestät ehrfurchtsvoll, uns die nachgesuchte Dienst-Entlassung Allergnädigst       ertheilen zu wollen.</p>
          <p>Berlin, 9. September 1848.</p>
          <p>Die Staats-Minister</p>
          <p>(gez.) von Auerswald. Hansemann Frhr. von Schreckenstein. Milde. Märcker. Gierke       Kühlwetter.</p>
          <p>An des Königs Majestät.</p>
          <p>Es haben des Königs Majestät darauf erklärt:</p>
          <p>&#x201E;Ich bin mit der in Ihrem Berichte vom 9. d. M. ausgesprochenen Ansicht einverstanden, daß       ohne Aufrechterhaltung des darin aufgestellten Prinzips die konstitutionelle Monarchie nicht       bestehen kann. Gleichwohl werde Ich Ihnen aus dem von Ihnen angeführten Grunde die       nachgesuchte Dienst-Entlassung ertheilen. Bis zur Bildung eines neuen Ministeriums haben Sie       Ihre Geschäfte fortzuführen.</p>
          <p>Sanssouci, den 10. September 1848.</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm.</hi> </p>
          <p>(contras.) von Auerswald.</p>
          <p>An sämmtliche Mitglieder des Staats-Ministeriums.</p>
          <p>Ich habe Ihnen ferner mitzutheilen, daß der Abgeordnete in der deutschen       National-Versammlung, Herr von Beckerath, zu Sr. Majestät berufen worden; hiernächst ersuche       ich die hohe Versammlung, Ihre Sitzungen auf eine angemessene Zeit aussetzen zu wollen. Da der       Umzug aus diesem Sitzungssaal nach dem neueingerichteten vom nächsten Freitag bis Dienstag       stattfindet in Folge dessen ihre Sitzungen bis Dienstag über acht Tage aussetzen zu       wollen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Temme: </hi>Ich glaube, daß wir in einer Zeit, die so kritisch ist,       wie die jetzige, keinen Augenblick uns vertagen dürfen. Ich schlage vor, daß wir unsere       Sitzungen nach wie vor halten; es wird uns nicht an solchem Material fehlen, bei dessen       Bearbeitung die Minister nicht nöthig sind.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Tamnau: </hi>Es ist Hauptgrundsatz des konstitutionellen Systems,       daß die Krone bei allen gesetzgeberischen Arbeiten der Versammlung vertreten sein muß. Auch       die Geschaftsordnung giebt den Ministern das Recht, ihre Stimme bei den Verhandlungen       abzugeben; wir müssen ihnen also die Möglichkeit dazu lassen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Berg: </hi>Auch ich meine wir können nicht ohne die Organe der       Krone verhandeln. Wenn Sie aber Zwischenfälle ins Auge fassen, die zu zarter Natur sind, um       sie hier in die Verhandlung zu ziehen, so werden Sie meinem Antrag beistimmen, nur die heutige       Sitzung zu schließen. Wir werden uns dann morgen früh wieder hier versammeln und von Neuem,       wenn nichts Wichtiges vorliegt, die Sitzung bis auf den nächsten Tag schließen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Waldeck. </hi>Es ist nicht das konstitutionelle Prinzip, daß die       Sitzungen vielleicht vier Wochen wegen einer Ministerkrisis ausgesetzt werden. Sie haben       gehört, daß den Ministern aufgegeben worden ist, ihre Geschäfte provisorisch fortzuführen; sie       haben diese Aufgabe nicht erfüllt, denn sie haben ihre Plätze in dieser Versammlung verlassen.       Ich denke wir machen es anders; wir können dringende Fragen erörtern, bei denen das       Ministerium nicht interessirt ist.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">D'Ester: </hi>Dieser Augenblick ist für alle Verhältnisse des Staats       sehr wichtig und darum werden Sie Alle mit mir einverstanden sein, daß wir unsre Sitzungen       nicht vertagen, denn wir sind deswegen hierher geschickt, die Rechte des Volkes zu jeder Zeit       zu vertreten, deshalb kommen wir morgen früh hier wieder zusammen, damit wir täglich die       nöthigen Beschlüsse fassen können. &#x2012; Es ist hier von dem konstitutionellen Prinzip die Rede       gewesen, wir haben aber nur nach unsrer Ueberzeugung zu stimmen. Ich muß mich sogar dagegen       verwahren, daß stets die Worte in diese Versammlung geschleudert werden: &#x201E;Das konstitutionelle       Prinzip ist in Gefahr!&#x201C; &#x2012; Lassen Sie sich nicht bange machen; die Verhandlungen in der       denkwürdigen Sitzung vom 7. d. M. haben dargethan, daß gewisse Einschüchterungsmittel       verbraucht sind.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Auerswald: </hi> Wir sollen uns ja nicht auflösen, sondern nur       unsere Sitzung in der Art aussetzen, daß wir jeden Augenblick wieder zusammenberufen werden       können.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Schramm</hi> (Langensalza) beantragt, daß die Minister ersucht       werden sollen, entweder selbst in der Versammlung zu erscheinen, da sie noch die Geschäfte zu       versehen hatten, oder ihre Kommissarien zu schicken.</p>
          <p>Der Antrag auf Vertagung bis Dienstag über acht Tage wird zurückgenommen; dagegen hat der       Abg. Dunker den Antrag gestellt; &#x201E;daß die nächste Sitzung Donnerstag den 14. d. M. stattfinden       solle.&#x201C; </p>
          <p>Jetzt erhebt sich aber eine hitzige Debatte über die Fragestellung, ob nämlich der       Dunker'sche Antrag oder der Berg'sche auf Schluß der heutigen Sitzung zuerst zur Abstimmung       kommen soll. Die Majorität beschließt zuerst über den Dunker'schen Antrag abzustimmen und       dadurch sieht sich der Abg. v. Berg genöthigt seinen Antrag zurückzunehmen.</p>
          <p>Hierauf wir der Antrag des Abg. Dunker angenommen und die nächste Sitzung findet demnach       Donnerstag statt. &#x2012; </p>
          <p>Vor dem Schluß der Sitzung gibt der Präsident noch dem Abg. Unruh das Wort, um den Bericht       der Wahlprüfungskommission über zwei Nachwahlen abzustatten. Darüber entsteht ein       fürchterlicher Tumult, indem die rechte Seite keinem das Wort lassen will, da sie der Meinung       ist, daß durch Annahme des Dunker'schen Antrags die Sitzung geschlossen sei.</p>
          <p>Die Rechte schickt mehrere Redner, um den Abg. Unruh von der Tribüne zu verdrängen; der Abg.       v. Meusebach will reden, ohne vom Präsidenten das Wort erhalten zu haben, die Linke trommelt       ihn wieder herunter und die Prasident gibt Niemand das Wort, indem er fest darauf beharrt, daß       der Bericht noch verlesen werden soll. Um die Rechte zu beruhigen, verliest der Sekretär den       Dunckerschen Antrag noch einmal, woraus keinesfalls hervorgeht, daß die heutige Sitzung       sogleich geschlossen werden müsse. </p>
          <p>Endlich kommt der Abg. v. Unruh zum Worte. Er erstattet Bericht über die Wahl des frühern       Ministers Bornemann und des Abg. Temme und tragt auf Genehmigung an, welche auch von der       Versammlung ertheilt wird. Die gegen die Wahl Bornemanns eingegangenen Proteste konnen nicht       berucksichtigt werden, da die Gründe nicht als genügend erkannt worden sind. Sie heben       besonders hervor, daß 5 Wahlmanner gar nicht mehr in den Wahlbezirken wohnten. Da aber die       Wahl mit so großer Majorität statt gefunden habe, daß, wenn auch diese 5 Stimmen davon       abgerechnet würden, sie dennoch zu Gunsten des Gewählten ausgefallen, so kann dieser Einwand       nicht berücksichtigt werden. Ebenso der Einwand, daß noch einmal neue Urwahlen statt finden       müssen. Der bisherige Gebrauch spreche dagegen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>30</author></bibl> Berlin, 11. Sept.</head>
          <p>(Der &#x201E;Sun&#x201C; über die Wiederherstellung Polens.) Es war zu erwarten, daß die Gerüchte über den       Ausbruch einer Revolution in Moskau und St. Petersburg sich nicht bestätigen würden. Es gehört       noch eine beträchtliche Zeit dazu, bis die Russen im Stande sind, die Segnungen der Freiheit       und das Elend ihres blinden Gehorsams zu begreifen. Bis dahin aber bleibt es völlig ungewiß,       ob die Kosaken und Kalmüken nicht bestimmt sind, Deutschland, Italien und die spanische       Halbinsel zu verwüsten. &#x2012; Schon im Frühling 1813 hatte der Kaiser Napoleon Ideen gefaßt,       welche später zu einer der merkwürdigsten Prophezeihungen gereift sind. Napoleon erwog die       männliche Kraft der russischen Barbaren und die Entnervung der Bewohner des westlichen       Europa's. Er erkannte demnächst, daß die Soldaten von 1814 und 1815 Nachrichten von dem       Reichthum der civilisirten Länder nach Rußland bringen würden und daß die Sage diese       Erzählungen bis in's Unglaubliche steigern müßte. Daher die tiefsinnigen und prophetischen       Unterhaltungen auf Longwood, die noch mehr als seine heroischen Thaten die Größe seines       Geistes bekannten. Und diese Weissagung wird in Erfüllung gehen, wenn die Reiche des       westlichen Europa's den Schlag nicht abwenden durch einen großen Akt der Gerechtigkeit, durch       die Wiederherstellung Polens, und auf keine andere Weise. Der Zustand Deutschlands, Italiens,       Ungarns, der Wallachei und Bulgarei treiben den Kaiser Nikolaus, seine Pläne zu beschleunigen.       Bei der Leichtigkeit, mit welcher den Russen die Theilungen Polens geglückt sind, kann man       sich jetzt kaum zu ominöser Ausdrücke bedienen. Wenn wir bemerken, daß der letzte diabolische       Akt des an Polen verübten Raubes Rußland auf 60 deutsche Meilen an Wien und auf 50 an Berlin       heranrückte, so dürfen wir wohl, mit Rücksicht <cb n="3"/>
auf die furchtbare Uebermacht des       Czaren, die Lage Oestreichs und Preußens für äußerst gefährlich halten. Mit Hülfe des Dampfes       kann Rußland in wenig Stunden eine furchtbare Armee aus dem fernsten Winkel Podoliens oder       Wolhyniens in's Centrum von Galizien bringen. In gleicher Weise können die russischen Truppen       Breslau und ganz Schlesien nehmen. Wie die Sachen stehen, gibt's jetzt keine Hülfe gegen eine       solche Invasion des Czaren. Nur eine Hülfe konnte sich das Festland Europa's und somit die       Civilisation schaffen, das ist die Herstellung des Königreichs und der Nationalität       Polens.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_007" type="jArticle">
          <head>Berlin, 11. Sept.</head>
          <p>Der Kaufmann Korn hat vorige Woche, schon wieder der Majestätsbeleidigung angeklagt, vor der       ersten Abtheilung des Kriminalgerichts gestanden. Der Gerichtshof hat ihn diesmal       freigesprochen, weil derselbe in dem, in einem Plakat des Angeklagten gebrauchten Ausdrucke: <hi rendition="#g">der alte Dünkel und absolutistische Stolz der Hohenzollern</hi> keine       Majestätsbeleidigung, sondern nur eine allgemeine historische Bemerkung fand. &#x2012; Der Kaufmann       Herold ist in derselben Sitzung zu 6 Monat Festungsarrest verurtheilt worden, weil er das Volk       aufgeregt haben soll, sich dem Einzuge des 12. Regiments zu widersetzen. Vorläufig wurde       derselbe jedoch seiner Haft entlassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 9. Sept.</head>
          <p>Durch die Abstimmung vom 6. ist der Reichstag aus einem politischen Wesen zu einem bloßen       kaiserlichen Projektenmacher hinabgesunken. Es dürfte nicht uninteressant sein, zu erfahren,       wie sich die einzelnen Provinzen dabei betheiligt haben und ich habe darum nach meinen Notizen       folgende bis auf etwa 10 Stimmen ganz genaue Aufstellung darüber gemacht. Sie ersehen daraus       den Stand der politischen Bildung im Lande.</p>
          <p>Diejenigen, welche mit &#x201E;Nein&#x201C; gestimmt, haben, trotz ihrer konstituirenden Eigenschaft, zur       Proklamation des Beschlusses über Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse die kaiserliche       Sanktion für nöthig gehalten, sind also &#x201E;<hi rendition="#g">Vereinbarer</hi>&#x201C; geworden. </p>
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              <cell> Galizien, Krakau, Bukowina.</cell>
              <cell>&#x2012;</cell>
              <cell> <hi rendition="#g">Nein</hi> </cell>
              <cell>&#x2012;</cell>
              <cell> <hi rendition="#g">Ja</hi> </cell>
              <cell>&#x2012;</cell>
              <cell>Enthielten sich des Abstimmens oder waren abwesend.</cell>
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          <p>Das Lieblingsland der Aerndte, das deutsche Kernland Tirol spielt hierbei ohnstreitig die       pikanteste Rolle; es hat nicht einen Streiter für die Freiheit gestellt; ihm ist schon die       Vereinbarung ein Greuel. </p>
          <p>Sämmtliche <hi rendition="#g">Juden</hi> haben natürlich mit <hi rendition="#g">Nein</hi> gestimmt, oder sich, um auf alle Fälle gedeckt zu sein, wie der Ministerialrath Fischoff,       rechtzeitig aus dem Staube gemacht.</p>
          <p>Unter den Polen, welche auf Seite der Freiheit geblieben sind und dem Nationalhaß der       Czechen kein Gehör gegeben haben, befinden sich auch die Grafen Borkowski, Drieduszycki,       ferner Hubicki, Sierakowski u. s. w.; sämmtliche galizischen Pfarrer haben mit dem Ministerium       gestimmt; sie und Stadion wußten einige Bauern ebendazu zu beschwatzen. &#x2012; Fürst Lubomirski       hatte ebenfalls das polnische Lager verlassen und viele Landsleute, wie andere Slaven, zur       Abtrünnigkeit zu überreden keinen Anstand genommen. Viele Bauern, denen die Verhandlung, weil       deutsch, unverständlich geblieben war, und die sich weder an Stadion noch Lubomirski       anschließen wollten, hatten sich aus Depit entfernt. Sie werden bei andern Gelegenheiten       vielleicht einen andern Ausschlag geben und die 76 giftgeschwollenen Czechen aus Böhmen und       Mähren mit ihrer neuerfundenen Nationalität unschädlich machen. Wären die 126 Stimmen der       Minorität nur halb so entschieden und muthvoll, wie der Pole Hubicki, so würden sie insgesammt       gegen die Abstimmung protestirt haben und dann den Reichstag nicht ferner besuchen; es würde       dann an der Majorität von 191 Stimmen fehlen, man müßte andere Saiten aufziehen, um       fortbeschließen und fortberathen zu können.</p>
          <p>Die ungarische Deputation hatte heute Morgen Audienz beim Kaiser &#x2012; Kaiser in Schönbrunn. Sie       erhielt den Bescheid, die Gesundheit des Kaiser-Königs erlaube nicht, daß er in Budapesth       residire; was das Uebrige anbelange, so werde er seinen Willen durch das östreichische       Ministerium demnächst kundgeben lassen. Also eine ausweichende Antwort. Die Deputation, welche       unter Anführung Pasmandy's aus den ausgewähltesten magyarischen Deputirten und Magnaten       besteht, hatte die sofortige Uebersiedelung des Kaisers nach Budapesth und den Befehl       verlangt, daß von Seite Jellachichs die Feindseligkeiten in Ungarn eingestellt würden. &#x2012; Jetzt       muß Ungarn sich vollends von Oestreich losreißen, es wird Kossuth zum Diktator ernennen und       alle östreichischen Beamten aus dem Lande jagen. Die Werbungen, welche hier für Ungarn       gehalten werden, finden ungeheuren Zuspruch; ich habe so eben einen Magyaren gesprochen, der       seinen Dienst in Rom aufgegeben und sich hier hat anwerben lassen. Möchte das französische       Juden-Bourgeoisthum doch diese Gelegenheit benutzen, den morschen Bau Oestreichs vollends über       den Haufen werfen zu helfen!</p>
          <p>Die &#x201E;<hi rendition="#g">Geißel</hi>&#x201C; ein reaktionäres Blatt, welches an gemeiner       Schamlosigkeit alles überbietet, was jemals gedruckt worden ist, erkühnte sich, heute eine       schwarzgelbe Fahne aus den unter den Tuchlauben befindlichen Redaktionslokalen zu stecken.       Sogleich sammelte sich das Volk in der Straße und begann zu murren. Eben sollte das Haus       gestürmt werden, als ein Garde der akademischen Legion sich in die Redaktion begab und unter       dem Triumphgeschrei der Menge die Fahne hinwegnahm, um sie als Beute zur Universität zu       bringen. &#x2012; Nun war aber das Volk nicht länger zu halten; es stürzte in die Redaktionslokale,       aus welcher der Redakteur Böhringer sich bereits geflüchtet hatte, und warf Alles zum Fenster       hinaus, was von Schriften und Drucksachen vorräthig war.</p>
          <p>Morgen halten sämmtliche demokratischen Vereine Wiens im Odeon, einem Saal der seine 15,000       Menschen faßt, eine große Versammlung zur Besprechung der dringendsten Tagesfragen, die den       Sturz des Ministeriums vorbereiten sollen.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Uebermorgen wird Ungarn eine Republik sein. </hi> </p>
          <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Beim Empfang der 200 Ungarn war das Schloß von       Schönbrunn von Militär und Nationalgarde umringt; man fürchtete bei Hofe gewiß einen       Handstreich.</p>
          <p>Die Begeisterung der Magyaren geht soweit, daß Pfaffen sogar sich in die Regimenter       einreihen lassen und Frauenzimmer sich nicht scheuen, die Waffen zu ergreifen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar102_009" type="jArticle">
          <head>Wien, 9. Sept.</head>
          <p>Die amtliche Zeitung enthält folgende Mittheilung:</p>
          <p>&#x201E;Noch haben die Unterhandlungen zur Herstellung des Friedens mit dem König von Sardinien       wenig Fortgang gehabt. Indessen hat aber die kaiserliche Regierung den Entschluß gefaßt, mit       der Konstituirung des lombardisch-venetianischen Königreichs nicht mehr länger zu zögern, und       zu diesem Behuf in Bälde Deputirte aus den verschiedenen Provinzen desselben nach Verona zu berufen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510/0002] fort, daß Herr Bassermann für das was auf der rechten Seite vorgeht ein so schlechtes Gedächtniß hat. (Bassermann vom Platz: Ich habe immer mit Ihnen gestimmt!) Meine Herren! Herr Bassermann meint, er habe immer mit uns gestimmt. (Gelächter.) Am 29. Juni hat er gerade das Gegentheil von seinen heutigen Meinungen aufgestellt. (Allgemeines Gelächter; sogar der Edle lacht.) Ich freue mich, daß Hr. Bassermann jetzt auf einmal links geworden. (Gelächter.) Der Zweck der Bassermannschen Anträge scheint zu sein, nach schneller Abfertigung der Volksrechte, zu den Rechten der Regierung, zur fixen Bildung der Centralgewalt überzugehen. (Bravo!) Es ist nur die Frage, ob sie das Werk der Einheit durch das Volk, oder durch die Regierungen zu gründen gedenken. Wenn Sie das letzte wollen, nehmen Sie Hrn. Bassermanns Anträge an. (Gelächter. Bravo!) Herr Löwe hat von Ungeduld nichts im Volke gesehen; da muß er wohl nur nach Oben gesehen haben. (Bravo!) Ehe Sie die Spitze des Baues, den wir vorhaben, die Centralgewalt, bilden, lassen Sie uns erst die Säulen, die das Gebäude tragen sollen, die Rechte des Volkes, gründen. (Sehr brav!) In Bezug auf das, was Herr Bassermann von den Interpellationen gesagt, muß ich bedauern, daß Hr. v. Hermann nicht da ist, um Hrn. Bassermann dafür zu danken, daß er dem neuen Ministerium die Interpellationen ersparen will. Ich bin der Meinung die Minister sind dazu da, um interpellirt zu werden. Man hat ferner gesagt, die Volksrechte seien in den Einzelstaaten schon garantirt; darauf antworte ich nein. (Bravo!) Man sagt, die definitive Centralgewalt müsse zuerst hergestellt werden; diese würde die Sicherheit geben. Dies ist nicht wahr, und trotzdem ich kein Freund von Provisorien bin, muß ich doch sagen, daß, wenn man schon gegen das Provisorium rebellirt, wie dies geschieht, man gegen das Definitivum sich noch viel mehr auflehnen wird. Jetzt macht zwar jene Seite (nach rechts), die gegen das Provisorium rebellirt, den Antrag, das Definitivum schleunigst herzustellen, aber warum? um das Definitivum an sich zu reißen. (Gelächter und Bravo). Moritz Mohl beantragt Tagesordnung über sämmtliche Anträge. Wird nicht unterstützt und ausgelacht. Schaffrath: Nicht blos für seine Aeußerung, auch für die Anderer hat Hr. Bassermann ein schlechtes Gedächtniß. Schaffrath braucht gegen Hrn. Bassermann das Wort „unwahr“ Der edle Gagern findet hierin eine Beleidigung. Schaffrath: Wenn ich nicht mehr sagen darf, was wahr oder unwahr ist, dann steht es schlimm mit der Redefreiheit. Die Einheit, die Hr. Bassermann vorschlägt, will auch ich, aber nur als Mittel zum Zweck der Freiheit. Bassermann hat als ein Motiv für seine Anträge die Unzufriedenheit des Volkes mit unsern Beschlüssen angeführt. Bis zum heutigen Tage hat die Rechte des Hauses die Majorität gehabt. Von ihr also gehen die Beschlüsse aus. Wenn das Volk also damit unzufrieden ist, so ist es unzufrieden mit der Majorität. (Lautes Bravo der Gallerien). Präsident: Die Gallerien haben sich des Beifalls zu enthalten. Schneer (Assessor aus Preußen) stellt Amendements zu Bassermanns Anträgen. Die Debatte wird geschlossen und es sprechen noch die beiden Antragsteller. Abstimmung, Präsident will über Bassermanns Anträge zuerst abstimmen. Schoder verlangt die erste Abstimmung über seinen Antrag. Schwerin beantragt, die Abstimmung zu vertagen, bis die Anträge alle gedruckt sind. (Wird gleich verworfen). v. Bincke will Künsbergs Antrag zuerst. Die Versammlung entschließt sich über Schoders Antrag zuerst abzustimmen. (Es hat sich nämlich der Theil der gemäßigten Linken, welcher Herr Schoder anhängt, mit der äußersten Linken vereinigt, und diese beiden Parteien bilden zu knapper Noth die Majorität). Bei zweifelhaftem Resultat wird gezählt und Schoders Antrag mit 243 gegen 209 Stimmen unter lautem Bravo angenommen. Rechts ruft man nach namentlicher Abstimmung, wird aber zur Ruhe verwiesen. Viele Mitglieder der Rechten, empört über ihre augenscheinliche Niederlage, umstürmen den Präsidenten, der auch nicht übel geneigt scheint noch einmal abstimmen zu lassen. Bei der drohenden Haltung der Linken jedoch beruhigt man sich endlich. Punkt I. von Bassermanns Anträgen wird verworfen. Schneer's Amendement dazu wird angenommen. Dasselbe lautet: „Der Präsident ist zu ermächtigen, nach Abstimmung des § 14 die Frage zu stellen, ob auf Diskussion der folgenden Paragraphen verzichtet wird; und dann, außer dem Antrag des Ausschusses, den der Minorität und den der andern hierher bezüglichen Ausschüsse, so wie z. B. des volkswirthschaftlichen, wie auch die eingebrachten, und von 20 Mitgliedern unterstützten Einzel-Amendements, sogleich zur Abstimmung zu bringen, wenn nicht 100 Mitglieder die Diskussion beantragen.“ Punkt II. von Bassermanns Anträgen wird verworfen. Simon aus Trier stellt den Antrag: „die Nationalversammlung solle der Berliner Versammlung ihre Anerkennung aussprechen in Betracht der über die Offiziere des preußischen Heeres nach Steins Antrag gefaßten Beschlüsse. (Links und im linken Centrum Bravo! Rechts: Zischen!) Die Versammlung beschließt zur Begründung der Dringlichkeit dieses Antrags Hrn. Simon das Wort nicht zu gestatten. (Links und Gallerien: Oh!) Tagesordnung. Abstimmung über § 14 der Grundrechte. Es entspinnt sich eine stundenlange dürre Debatte über die Reihenfolge der Fragen. Dieselben, (30 an der Zahl) werden bis auf drei in theils gewöhnlicher, theils namentlicher Abstimmung verworfen, z. B. das Minoritätserachten des Hrn. Lassaulx und Konsorten, wird zum großen Verdruß des Hrn. Professors mit 357 gegen 99 Stimmen verworfen. Die 3 angenommenen Anträge lauten: 1. „Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den Staatsgesetzen unterworfen.“ (Antrag von Kuenzer und Genossen). 2. „Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“ (Antrag des Verfassungs-Ausschusses). 3. „Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche.“ (Viertes Minoritäts-Erachten). Diese 3 Punkte bilden also die Fassung des § 14. Ein Amendement von Esterle, Unbescheiden u. s. w.: „Die Pfarrer und Kirchenvorsteher der Gemeinden werden von diesen gewählt und ernannt, ohne daß es hierzu der Bestätigung von Seiten des Staats bedarf“ wird mit 320 gegen 134 Stimmen verworfen Schluß der Sitzung 3 Uhr. Tagesordnung für morgen, (wenn noch nichts Besonderes vorliegt): Fortsetzung der Grundrechte. !!! Frankfurt, 10. Sept. Abends. Heute fand eine große Volksversammlung in Bergen, 2 Stunden von Frankfurt, statt. Simon von Trier wurde zum Präsidenten und Pflüger von Hanau zum Vicepräsidenten gewählt. ‒ Es sprachen Hörfel, Präsident des Arbeitervereins aus Frankfurt und Professor Winkelblech aus Cassel unter vielem Beifall, über ein Programm zur Zusammenberufung eines socialen Vorparlaments. ‒ Simon von Trier sprach über die gegenwärtigen politischen Zustände. ‒ Nach ihm sprach noch Essler aus Frankfurt. Port, Präsident des Frankfurter demokr. republik. Vereins, brachte Hecker, und Metternich aus Mainz den deutschen Flüchtlingen in der Schweiz ein Lebehoch! Vor Schluß der Versammlung sprach Wesendonk aus Düsseldorf. ‒ Gegen 9 Uhr zog man unter Sang und Klang nach der freien Reichsstadt zurück, ‒ um wieder schlafen zu gehen! * Frankfurt, 11. Sept. Aus folgender Mittheilung der F. O. P. A. Z., der offiziellen Reichsverweser-Zeitung, wird man entnehmen, wie Alles in der kurzen Zeit vorbereitet worden, um Deutschlands tiefste Schmach und den Sieg der potsdam-berlin-frankfurter Reaktion parlamentarisch zu besiegeln. Dieses kurze Artikelchen, das die reaktionäre Bande als Fühlhorn unters Publikum hinausstreckt, lautet: „Dem Vernehmen nach hat sich in den kombinirten Ausschüssen für Centralgewalt und internationale Angelegenheiten eine Mehrheit von 10 gegen 9 Stimmen für die Nichtverwerfung des Waffenstillstandes erklärt, nachdem die Ausschüsse die Akten geprüft haben. Herr Stedtmann wird Bericht für die Mehrheit erstatten.“ 103 Berlin, 11. September. Vereinbarerversammlung. Die Vereinbarer hatten sich vor der Eröffnung der heutigen Sitzung, erwartungsvoll in großen Kreisen versammelt. Im Sitzungssaal wogte die Menge unruhig um die entlassenen Minister sowohl, die sämmtlich erschienen waren, als um die Herren Waldeck, Rodbertus und die andern Parteiführer. Endlich läßt der Vice-Präsident Kosch die Klingel ertönen und zeigt an, daß der Präsident Grabow noch durch Krankheit zurückgehalten sei, den Vorsitz zu führen. Die Minister haben ihre Plätze am Ministertisch eingenommen. Da verlangt der Minister-Präsident das Wort. Die größte Spannung und athemlose Stille herrschte im Saal und auf den gefüllten Tribünen. Minister-Präsident v. Auerswald: Das Ministerium hat in Verfolg der Verhandlungen vom 7. d. M keinen Augenblick gezögert, bei des Königs Majestät seine Entlassung einzureichen, und dieselbe folgendermaßen begründet: Ew. Königlichen Majestät haben wir bereits die ehrerbietige Bitte um Entbindung von den uns anvertrauten Aemtern vorgetragen. Indem wir dieses Gesuch hierdurch ehrfurchtsvoll wiederholen, erlauben wir uns, zur Begründung desselben Folgendes anzuführen: Unserer Ansicht nach muß das von uns vertretene und in der Sitzung der National-Versammlung vom 7. d. M. vertheidigte Prinzip: daß derselben die Festsetzung von Verwaltungs-Maßregeln nicht zustehe, aufrecht erhalten werden, weil ohne dasselbe die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Wir glauben aber, aus dem in jener Sitzung gefaßten Beschlusse der National-Versammlung einen Mangel an Vertrauen zu unseren Personen folgern zu müssen, welcher es uns in hohem Grade schwierig machen würde, jenes Prinzip aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde bitten wir Ew. Königl. Majestät ehrfurchtsvoll, uns die nachgesuchte Dienst-Entlassung Allergnädigst ertheilen zu wollen. Berlin, 9. September 1848. Die Staats-Minister (gez.) von Auerswald. Hansemann Frhr. von Schreckenstein. Milde. Märcker. Gierke Kühlwetter. An des Königs Majestät. Es haben des Königs Majestät darauf erklärt: „Ich bin mit der in Ihrem Berichte vom 9. d. M. ausgesprochenen Ansicht einverstanden, daß ohne Aufrechterhaltung des darin aufgestellten Prinzips die konstitutionelle Monarchie nicht bestehen kann. Gleichwohl werde Ich Ihnen aus dem von Ihnen angeführten Grunde die nachgesuchte Dienst-Entlassung ertheilen. Bis zur Bildung eines neuen Ministeriums haben Sie Ihre Geschäfte fortzuführen. Sanssouci, den 10. September 1848. (gez.) Friedrich Wilhelm. (contras.) von Auerswald. An sämmtliche Mitglieder des Staats-Ministeriums. Ich habe Ihnen ferner mitzutheilen, daß der Abgeordnete in der deutschen National-Versammlung, Herr von Beckerath, zu Sr. Majestät berufen worden; hiernächst ersuche ich die hohe Versammlung, Ihre Sitzungen auf eine angemessene Zeit aussetzen zu wollen. Da der Umzug aus diesem Sitzungssaal nach dem neueingerichteten vom nächsten Freitag bis Dienstag stattfindet in Folge dessen ihre Sitzungen bis Dienstag über acht Tage aussetzen zu wollen. Abg. Temme: Ich glaube, daß wir in einer Zeit, die so kritisch ist, wie die jetzige, keinen Augenblick uns vertagen dürfen. Ich schlage vor, daß wir unsere Sitzungen nach wie vor halten; es wird uns nicht an solchem Material fehlen, bei dessen Bearbeitung die Minister nicht nöthig sind. Abg. Tamnau: Es ist Hauptgrundsatz des konstitutionellen Systems, daß die Krone bei allen gesetzgeberischen Arbeiten der Versammlung vertreten sein muß. Auch die Geschaftsordnung giebt den Ministern das Recht, ihre Stimme bei den Verhandlungen abzugeben; wir müssen ihnen also die Möglichkeit dazu lassen. Abg. v. Berg: Auch ich meine wir können nicht ohne die Organe der Krone verhandeln. Wenn Sie aber Zwischenfälle ins Auge fassen, die zu zarter Natur sind, um sie hier in die Verhandlung zu ziehen, so werden Sie meinem Antrag beistimmen, nur die heutige Sitzung zu schließen. Wir werden uns dann morgen früh wieder hier versammeln und von Neuem, wenn nichts Wichtiges vorliegt, die Sitzung bis auf den nächsten Tag schließen. Abg. Waldeck. Es ist nicht das konstitutionelle Prinzip, daß die Sitzungen vielleicht vier Wochen wegen einer Ministerkrisis ausgesetzt werden. Sie haben gehört, daß den Ministern aufgegeben worden ist, ihre Geschäfte provisorisch fortzuführen; sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt, denn sie haben ihre Plätze in dieser Versammlung verlassen. Ich denke wir machen es anders; wir können dringende Fragen erörtern, bei denen das Ministerium nicht interessirt ist. Abg. D'Ester: Dieser Augenblick ist für alle Verhältnisse des Staats sehr wichtig und darum werden Sie Alle mit mir einverstanden sein, daß wir unsre Sitzungen nicht vertagen, denn wir sind deswegen hierher geschickt, die Rechte des Volkes zu jeder Zeit zu vertreten, deshalb kommen wir morgen früh hier wieder zusammen, damit wir täglich die nöthigen Beschlüsse fassen können. ‒ Es ist hier von dem konstitutionellen Prinzip die Rede gewesen, wir haben aber nur nach unsrer Ueberzeugung zu stimmen. Ich muß mich sogar dagegen verwahren, daß stets die Worte in diese Versammlung geschleudert werden: „Das konstitutionelle Prinzip ist in Gefahr!“ ‒ Lassen Sie sich nicht bange machen; die Verhandlungen in der denkwürdigen Sitzung vom 7. d. M. haben dargethan, daß gewisse Einschüchterungsmittel verbraucht sind. Abg. v. Auerswald: Wir sollen uns ja nicht auflösen, sondern nur unsere Sitzung in der Art aussetzen, daß wir jeden Augenblick wieder zusammenberufen werden können. Abg. Schramm (Langensalza) beantragt, daß die Minister ersucht werden sollen, entweder selbst in der Versammlung zu erscheinen, da sie noch die Geschäfte zu versehen hatten, oder ihre Kommissarien zu schicken. Der Antrag auf Vertagung bis Dienstag über acht Tage wird zurückgenommen; dagegen hat der Abg. Dunker den Antrag gestellt; „daß die nächste Sitzung Donnerstag den 14. d. M. stattfinden solle.“ Jetzt erhebt sich aber eine hitzige Debatte über die Fragestellung, ob nämlich der Dunker'sche Antrag oder der Berg'sche auf Schluß der heutigen Sitzung zuerst zur Abstimmung kommen soll. Die Majorität beschließt zuerst über den Dunker'schen Antrag abzustimmen und dadurch sieht sich der Abg. v. Berg genöthigt seinen Antrag zurückzunehmen. Hierauf wir der Antrag des Abg. Dunker angenommen und die nächste Sitzung findet demnach Donnerstag statt. ‒ Vor dem Schluß der Sitzung gibt der Präsident noch dem Abg. Unruh das Wort, um den Bericht der Wahlprüfungskommission über zwei Nachwahlen abzustatten. Darüber entsteht ein fürchterlicher Tumult, indem die rechte Seite keinem das Wort lassen will, da sie der Meinung ist, daß durch Annahme des Dunker'schen Antrags die Sitzung geschlossen sei. Die Rechte schickt mehrere Redner, um den Abg. Unruh von der Tribüne zu verdrängen; der Abg. v. Meusebach will reden, ohne vom Präsidenten das Wort erhalten zu haben, die Linke trommelt ihn wieder herunter und die Prasident gibt Niemand das Wort, indem er fest darauf beharrt, daß der Bericht noch verlesen werden soll. Um die Rechte zu beruhigen, verliest der Sekretär den Dunckerschen Antrag noch einmal, woraus keinesfalls hervorgeht, daß die heutige Sitzung sogleich geschlossen werden müsse. Endlich kommt der Abg. v. Unruh zum Worte. Er erstattet Bericht über die Wahl des frühern Ministers Bornemann und des Abg. Temme und tragt auf Genehmigung an, welche auch von der Versammlung ertheilt wird. Die gegen die Wahl Bornemanns eingegangenen Proteste konnen nicht berucksichtigt werden, da die Gründe nicht als genügend erkannt worden sind. Sie heben besonders hervor, daß 5 Wahlmanner gar nicht mehr in den Wahlbezirken wohnten. Da aber die Wahl mit so großer Majorität statt gefunden habe, daß, wenn auch diese 5 Stimmen davon abgerechnet würden, sie dennoch zu Gunsten des Gewählten ausgefallen, so kann dieser Einwand nicht berücksichtigt werden. Ebenso der Einwand, daß noch einmal neue Urwahlen statt finden müssen. Der bisherige Gebrauch spreche dagegen. 30 Berlin, 11. Sept. (Der „Sun“ über die Wiederherstellung Polens.) Es war zu erwarten, daß die Gerüchte über den Ausbruch einer Revolution in Moskau und St. Petersburg sich nicht bestätigen würden. Es gehört noch eine beträchtliche Zeit dazu, bis die Russen im Stande sind, die Segnungen der Freiheit und das Elend ihres blinden Gehorsams zu begreifen. Bis dahin aber bleibt es völlig ungewiß, ob die Kosaken und Kalmüken nicht bestimmt sind, Deutschland, Italien und die spanische Halbinsel zu verwüsten. ‒ Schon im Frühling 1813 hatte der Kaiser Napoleon Ideen gefaßt, welche später zu einer der merkwürdigsten Prophezeihungen gereift sind. Napoleon erwog die männliche Kraft der russischen Barbaren und die Entnervung der Bewohner des westlichen Europa's. Er erkannte demnächst, daß die Soldaten von 1814 und 1815 Nachrichten von dem Reichthum der civilisirten Länder nach Rußland bringen würden und daß die Sage diese Erzählungen bis in's Unglaubliche steigern müßte. Daher die tiefsinnigen und prophetischen Unterhaltungen auf Longwood, die noch mehr als seine heroischen Thaten die Größe seines Geistes bekannten. Und diese Weissagung wird in Erfüllung gehen, wenn die Reiche des westlichen Europa's den Schlag nicht abwenden durch einen großen Akt der Gerechtigkeit, durch die Wiederherstellung Polens, und auf keine andere Weise. Der Zustand Deutschlands, Italiens, Ungarns, der Wallachei und Bulgarei treiben den Kaiser Nikolaus, seine Pläne zu beschleunigen. Bei der Leichtigkeit, mit welcher den Russen die Theilungen Polens geglückt sind, kann man sich jetzt kaum zu ominöser Ausdrücke bedienen. Wenn wir bemerken, daß der letzte diabolische Akt des an Polen verübten Raubes Rußland auf 60 deutsche Meilen an Wien und auf 50 an Berlin heranrückte, so dürfen wir wohl, mit Rücksicht auf die furchtbare Uebermacht des Czaren, die Lage Oestreichs und Preußens für äußerst gefährlich halten. Mit Hülfe des Dampfes kann Rußland in wenig Stunden eine furchtbare Armee aus dem fernsten Winkel Podoliens oder Wolhyniens in's Centrum von Galizien bringen. In gleicher Weise können die russischen Truppen Breslau und ganz Schlesien nehmen. Wie die Sachen stehen, gibt's jetzt keine Hülfe gegen eine solche Invasion des Czaren. Nur eine Hülfe konnte sich das Festland Europa's und somit die Civilisation schaffen, das ist die Herstellung des Königreichs und der Nationalität Polens. Berlin, 11. Sept. Der Kaufmann Korn hat vorige Woche, schon wieder der Majestätsbeleidigung angeklagt, vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts gestanden. Der Gerichtshof hat ihn diesmal freigesprochen, weil derselbe in dem, in einem Plakat des Angeklagten gebrauchten Ausdrucke: der alte Dünkel und absolutistische Stolz der Hohenzollern keine Majestätsbeleidigung, sondern nur eine allgemeine historische Bemerkung fand. ‒ Der Kaufmann Herold ist in derselben Sitzung zu 6 Monat Festungsarrest verurtheilt worden, weil er das Volk aufgeregt haben soll, sich dem Einzuge des 12. Regiments zu widersetzen. Vorläufig wurde derselbe jedoch seiner Haft entlassen. 61 Wien, 9. Sept. Durch die Abstimmung vom 6. ist der Reichstag aus einem politischen Wesen zu einem bloßen kaiserlichen Projektenmacher hinabgesunken. Es dürfte nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie sich die einzelnen Provinzen dabei betheiligt haben und ich habe darum nach meinen Notizen folgende bis auf etwa 10 Stimmen ganz genaue Aufstellung darüber gemacht. Sie ersehen daraus den Stand der politischen Bildung im Lande. Diejenigen, welche mit „Nein“ gestimmt, haben, trotz ihrer konstituirenden Eigenschaft, zur Proklamation des Beschlusses über Aufhebung der Unterthänigkeitsverhältnisse die kaiserliche Sanktion für nöthig gehalten, sind also „Vereinbarer“ geworden. Galizien, Krakau, Bukowina. ‒ Nein ‒ Ja ‒ Enthielten sich des Abstimmens oder waren abwesend. 48 36 20 Nieder-Oestreich 10 22 2 Ober-Oestreich 3 14 5 Tirol 14 - 3 Böhmen 57 15 14 Mähren 19 11 9 Schlesien 4 3 1 Illyrien 4 7 2 Steiermark 7 7 6 Dalmatien 2 6 2 Küstenland 5 5 2 Total 173 126 66 Das Lieblingsland der Aerndte, das deutsche Kernland Tirol spielt hierbei ohnstreitig die pikanteste Rolle; es hat nicht einen Streiter für die Freiheit gestellt; ihm ist schon die Vereinbarung ein Greuel. Sämmtliche Juden haben natürlich mit Nein gestimmt, oder sich, um auf alle Fälle gedeckt zu sein, wie der Ministerialrath Fischoff, rechtzeitig aus dem Staube gemacht. Unter den Polen, welche auf Seite der Freiheit geblieben sind und dem Nationalhaß der Czechen kein Gehör gegeben haben, befinden sich auch die Grafen Borkowski, Drieduszycki, ferner Hubicki, Sierakowski u. s. w.; sämmtliche galizischen Pfarrer haben mit dem Ministerium gestimmt; sie und Stadion wußten einige Bauern ebendazu zu beschwatzen. ‒ Fürst Lubomirski hatte ebenfalls das polnische Lager verlassen und viele Landsleute, wie andere Slaven, zur Abtrünnigkeit zu überreden keinen Anstand genommen. Viele Bauern, denen die Verhandlung, weil deutsch, unverständlich geblieben war, und die sich weder an Stadion noch Lubomirski anschließen wollten, hatten sich aus Depit entfernt. Sie werden bei andern Gelegenheiten vielleicht einen andern Ausschlag geben und die 76 giftgeschwollenen Czechen aus Böhmen und Mähren mit ihrer neuerfundenen Nationalität unschädlich machen. Wären die 126 Stimmen der Minorität nur halb so entschieden und muthvoll, wie der Pole Hubicki, so würden sie insgesammt gegen die Abstimmung protestirt haben und dann den Reichstag nicht ferner besuchen; es würde dann an der Majorität von 191 Stimmen fehlen, man müßte andere Saiten aufziehen, um fortbeschließen und fortberathen zu können. Die ungarische Deputation hatte heute Morgen Audienz beim Kaiser ‒ Kaiser in Schönbrunn. Sie erhielt den Bescheid, die Gesundheit des Kaiser-Königs erlaube nicht, daß er in Budapesth residire; was das Uebrige anbelange, so werde er seinen Willen durch das östreichische Ministerium demnächst kundgeben lassen. Also eine ausweichende Antwort. Die Deputation, welche unter Anführung Pasmandy's aus den ausgewähltesten magyarischen Deputirten und Magnaten besteht, hatte die sofortige Uebersiedelung des Kaisers nach Budapesth und den Befehl verlangt, daß von Seite Jellachichs die Feindseligkeiten in Ungarn eingestellt würden. ‒ Jetzt muß Ungarn sich vollends von Oestreich losreißen, es wird Kossuth zum Diktator ernennen und alle östreichischen Beamten aus dem Lande jagen. Die Werbungen, welche hier für Ungarn gehalten werden, finden ungeheuren Zuspruch; ich habe so eben einen Magyaren gesprochen, der seinen Dienst in Rom aufgegeben und sich hier hat anwerben lassen. Möchte das französische Juden-Bourgeoisthum doch diese Gelegenheit benutzen, den morschen Bau Oestreichs vollends über den Haufen werfen zu helfen! Die „Geißel“ ein reaktionäres Blatt, welches an gemeiner Schamlosigkeit alles überbietet, was jemals gedruckt worden ist, erkühnte sich, heute eine schwarzgelbe Fahne aus den unter den Tuchlauben befindlichen Redaktionslokalen zu stecken. Sogleich sammelte sich das Volk in der Straße und begann zu murren. Eben sollte das Haus gestürmt werden, als ein Garde der akademischen Legion sich in die Redaktion begab und unter dem Triumphgeschrei der Menge die Fahne hinwegnahm, um sie als Beute zur Universität zu bringen. ‒ Nun war aber das Volk nicht länger zu halten; es stürzte in die Redaktionslokale, aus welcher der Redakteur Böhringer sich bereits geflüchtet hatte, und warf Alles zum Fenster hinaus, was von Schriften und Drucksachen vorräthig war. Morgen halten sämmtliche demokratischen Vereine Wiens im Odeon, einem Saal der seine 15,000 Menschen faßt, eine große Versammlung zur Besprechung der dringendsten Tagesfragen, die den Sturz des Ministeriums vorbereiten sollen. Uebermorgen wird Ungarn eine Republik sein. Nachschrift. Beim Empfang der 200 Ungarn war das Schloß von Schönbrunn von Militär und Nationalgarde umringt; man fürchtete bei Hofe gewiß einen Handstreich. Die Begeisterung der Magyaren geht soweit, daß Pfaffen sogar sich in die Regimenter einreihen lassen und Frauenzimmer sich nicht scheuen, die Waffen zu ergreifen. Wien, 9. Sept. Die amtliche Zeitung enthält folgende Mittheilung: „Noch haben die Unterhandlungen zur Herstellung des Friedens mit dem König von Sardinien wenig Fortgang gehabt. Indessen hat aber die kaiserliche Regierung den Entschluß gefaßt, mit der Konstituirung des lombardisch-venetianischen Königreichs nicht mehr länger zu zögern, und zu diesem Behuf in Bälde Deputirte aus den verschiedenen Provinzen desselben nach Verona zu berufen,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 102. Köln, 14. September 1848, S. 0510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz102_1848/2>, abgerufen am 26.04.2024.