Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849. Zweite Beilage.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

haben, sagt man, ein Fort überrumpelt und es mit allem Geschütz eingenommen, von wo sie sich vertheidigen wollen. Gegen 2 Uhr erschienen die ersten Deputirten auf ihren Plätzen. Die Agitation ist ausserordentlich. Berard, der Schreiber des Klubs der Poitierstraße, tritt eben in den Saal und wird von einigen Gliedern der Linken hart angefahren. Wir können jedoch nichts verstehen. Caussidiere, Louis Blanc und Thore, heißt es, seien in Paris betroffen und arretirt worden (?). Um 2 Uhr nimmt Marrast den Präsidentenstuhl ein; er ist aussergewöhnlich blaß und sieht sehr aufgeregt aus. Er hat, erfahren wir, mit Changarnier eine heftige Scene gehabt, weil Changarnier seine Amtsgewalt überschritten. Ihm (Marrast) als Präsidenten der Nationalversammlung, komme die Anordnung des militärischen Schutzes für den Sitz der Nationalversammlung allein zu. General Lamoriciere sei heißt es mit dem Oberbefehl über alle Kräfte um den Sitzungssaal von Marrast betraut worden.

Das Protokoll der letzten Sitzung wird vorgelesen. Lebreton, Quästor der Nationalversammlung, erscheint in der Uniform eines Generallieutenants auf seinem Platze.

Buchez überreicht einen ganzen Petitionsstoß mit 6000 Unterschriften gegen die Auflösung der Versammlung.

B. Grandin überreicht 2 Petitionen aus der Nieder-Seine mit 1045 Unterschriften für baldige Auflösung.

Blin de Bourdon, A. Rousseau, Degeorges, Sainte-Beuve, Mauguin und Grery überreichen unter manigfachen Exklamationen ebenfalls Petitionen für oder gegen die Auflösung.

Odilon Barrot (tiefe Stille.) Ich muß im Namen der Exekutivgewalt über die Regressivmaßregeln Rechenschaft ablegen welche zur Aufrechthaltung der Ordnung in der Stadt Paris und zum Schutze der Nationalversammlung ergriffen worden sind. Nach dieser Einleitung geht der Minister in eine Geschichte der Mobilgarde über. Es sei der Moment gekommen, dieses Korps zu reorganisiren; viele ihrer Offiziere seien von gewöhnlichen Unteroffizieren zu Hauptleuten u. s. w. gemacht worden; dies sei mit der militärischen Disziplin unverträglich und die Regierung daher zur Reorganisation genöthigt gewesen. Diejenigen, welche sich im vorigen Juni ausgezeichnet, wurden beibehalten u. s. w. Es scheine aber; als sei diese Maßregel von den ewigen Feinden des öffentlichen Friedens zu neuen Umwälzungsplänen ausgebeutet worden.....

Stimmen links: Nein, vom Ministerium!.....

Stimmen rechts: Schweigen Sie! Zur Ordnung!.....

Odilon Barrot: In voriger Nacht sind wir auf neue Umstürzungsprojekte gestoßen ... Hierin liegt der Grund zu den außerordentlichen Maßregeln. Jetzt sei es dem Präsidenten der Nationalversammlung überlassen, sich mit den militärischen Oberbefehlshabern zu verständigen, damit die Sicherheit der Versammlung völlig garantirt bleibe. In einem Punkte sind Mehrheit und Minderheit einig, nämlich in der Aufrechterhaltung und Respektirung der Verfassung. (Zweideutiger Beifall.)

Degousee, Quästor. Ich war nicht wenig erstaunt, eine solche Truppenmacht um das Sitzungsgebäude entfaltet zu sehen, ohne daß die Quästur auch nur davon benachrichtigt worden wäre. Hierin liegt ein Mangel an Achtung, gegen welchen die Versammlung gewiß protestiren wird. (Ja ja.)

Marrast. Ich schulde der Versammlung einige Aufklärungen. Ich vermuthe, daß schon im Laufe der vorigen Nacht die Truppen um das Gebäude gestellt wurden. Ich wurde aber erst heute früh davon benachrichtigt. (Ah! Ah!) Ohne Zweifel wollte Hr. Changarnier mich nicht im Schlafe stören. (Ah! Ah!) Ich empfing, wie gesagt, erst heute früh ein Schreiben Changarnier's, worin er mir anzeigt, daß die Truppen zum Schutze der Nationalversammlung aufgeboten seien. Ich habe hierauf den General Lebreton (also nicht Lamoriciere?) zum Kommandanten derselben ernannt. (Lärm. Eine Pause.)

Billault. Ich übergebe hiermit den Bericht über das Wahlgesetz (Beifall) und trage bei dieser Gelegenheit darauf an, daß es der Versammlung gefallen möge, am nächsten Mittwoch meinen Antrag rücksichtlich des Einnahmebüdgets zu berathen. (Ja! Ja!)

(In diesem Augenblick erfahren wir auf der Journalistenbühne: daß Clement Thomas in einem Degenkampfe gegen den edlen v. Coetlogon, Redakteur des Corsairen, lebensgefährlich verwundet wurde und so eben gestorben ist.)

Die Versammlung schreitet zur eigentlichen Tagesordnung, nämlich zu der großen Rateauschlacht. Man entsinne sich, daß alle Anträge darauf zielen, das Dekret vom 15. Dezember, das die organischen Gesetze feststellt, abzuändern und die neuen Kammerwahlen zu beschleunigen, mithin die Nationalversammlung so bald als möglich aufzulösen.

Fresneau (Ex-Souspräfekt unter Louis Philipp) erhält zuerst das Wort. Er vertheidigt natürlich die Auflösungsanträge. Die Lage des Handels und der Industrie (ah! ah!) erheischten, so rasch wie möglich in einen stabilen Stand hineinzukommen. (Ah, ah!) Unser Mandat, unsere Mission sei geendet, und man dürfe die Dauer der Versammlung nicht verewigen, das wäre Usurpation. (Lärm.) Ja Usurpation und Tyrannei der Minorität gegen die Majorität des Landes. (Tumult.) Als Verfassungsmacher seid Ihr unverletzlich, nicht so als organische Gesetzmacher. (Oh, oh!) Diese könnten und würden wahrscheinlich von der legislativen Kammer verworfen werden (Dufaure, Malleville, Grandin und Coquerel gerathen in diesem Augenblick unter unserer Bühne in solchen Wortstreit, daß wir den Redner nicht weiter verstehen.)

Jules Favre spricht gegen die Auflösungs- und Petitionswuth. Er ist besser, schärfer und witziger wie gewöhnlich, und erntet vielen Beifall.

Ihm (Favre) zufolge solle die Nationalversammlung den Sommationen der gepriesenen 173,000 Petenten nicht folgen, sondern zur Tagesordnung schreiten. Nachgeben hieße desertiren ... vor dem Feinde desertiren. (Beifall links; Rechts stürmische Unterbrechung). Die Dissidenz zwischen dem Kabinet und der Versammlung muß diskutirt werden; das Kabinet sei nicht der Erwählte des Volks; ihm gegenüber sei volle Kritik erlaubt. Es habe das Vereinsrecht angetastet; dieser Angriff lasse andere befürchten. Ein anderes Faktum sei, daß der Finanzminister ein Defizit von 600 Millionen Franken zugestanden habe, ohne die Quelle anzugeben, wie er es decken wolle und könne, wenigstens will er uns seine Pläne nicht enthüllen. (Lärm) Die Klub- und Finanzfrage haben eine unbeschreibliche Gährung hervorgerufen und Leidenschaften wieder geweckt, welche bereits schliefen. (Oh! Oh! Ja! Ja!) Wohlan, die Lage ist ernst, doch will die Versammlung dem Kabinet seine Unterstützung leihen, wenn es in die Verfassung -- und die Majorität zurücktrete. (Unterbrechung). Ich und gewiß wir Alle haben keinen persönlichen Haß gegen das Kabinet. Wenn ich das Wort ergriff, so geschah es nur im Interesse und zum Heil der Republik, daß ich die Conklusionen des Ausschußberichts unterstütze. (Diese Rede, die sehr lange dauerte, fand großen Anklang und wurde durch häufige Beifallscenen unterbrochen),

Victor Hugo (der Dichter) folgt ihm auf der Bühne. Er verspricht, die Debatte nicht zu erhitzen, sondern zu beruhigen. Aber es scheine ihm doch, daß die Versammlung vom Volke nicht ein begränztes und unbegränztes Mandat zugleich erhalten haben könne. (Gelächter.) Für die Ruhe des Landes, für Auflebung deb Handels und der Industrie sei es nöthig, daß die Versammlung nicht in denselben Fehler falle wie die provisorische Regierung. (Lärm.) Er beschwört sie, sich aufzulösen.

Stimmen rechts: Zum Schluß! Zum Schluß!

Stimmen links: Nein! Nein!

Flocon: Die Lage des Landes ist zu wichtig, als daß wir im Interesse der Arbeit und Industrie diese Debatte auch nur einen Augenblick verschöben..... (Beifall.)

Unterstützt! Unterstützt!

Es wird die Fortsetzung der Debatte beschlossen, ungeachtet es bereits 6 Uhr schlägt.

Combarel de Leyval, ein Ultra-Conservateur, spricht rasch und heftig gegen die Ausschußanträge, also für die Auflösung. Die Versammlung habe ein schlechtes Gewissen. (Lärm.) Sie erneure das Schauspiel der Restauration. (Lärm.) Nehme zu geheimen Kugelabstimmungen bei wichtigen Voten ihre Zuflucht. (Tumult. Charras schreit: Unverschämt, das verlangt Genugthuung.

Andere: Zur Ordnung! Zur Ordnung!

Cavaignac erhebt sich und sagt: Ich höre von Besiegten und von Siegern sprechen. Für jeden ächten Republikaner giebt es in Wahlfragen weder Sieger noch Besiegte. Er protestire daher gegen die Bezeichnung des 10. Dezember die man ihm gebe. (Fanatischer Beifall.)

Marrast will zur Abstimmung schreiten lassen. (Durcheinanderrufen: Ja! Ja! Nein! Nein!)

Lamartine besteigt die Bühne. (Es ist nahe an 7 Uhr.)

Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]

Der Gerant: Korff.
Druck J W. Dietz, unter Hutmacher 17.

haben, sagt man, ein Fort überrumpelt und es mit allem Geschütz eingenommen, von wo sie sich vertheidigen wollen. Gegen 2 Uhr erschienen die ersten Deputirten auf ihren Plätzen. Die Agitation ist ausserordentlich. Berard, der Schreiber des Klubs der Poitierstraße, tritt eben in den Saal und wird von einigen Gliedern der Linken hart angefahren. Wir können jedoch nichts verstehen. Caussidière, Louis Blanc und Thoré, heißt es, seien in Paris betroffen und arretirt worden (?). Um 2 Uhr nimmt Marrast den Präsidentenstuhl ein; er ist aussergewöhnlich blaß und sieht sehr aufgeregt aus. Er hat, erfahren wir, mit Changarnier eine heftige Scene gehabt, weil Changarnier seine Amtsgewalt überschritten. Ihm (Marrast) als Präsidenten der Nationalversammlung, komme die Anordnung des militärischen Schutzes für den Sitz der Nationalversammlung allein zu. General Lamoricière sei heißt es mit dem Oberbefehl über alle Kräfte um den Sitzungssaal von Marrast betraut worden.

Das Protokoll der letzten Sitzung wird vorgelesen. Lebreton, Quästor der Nationalversammlung, erscheint in der Uniform eines Generallieutenants auf seinem Platze.

Buchez überreicht einen ganzen Petitionsstoß mit 6000 Unterschriften gegen die Auflösung der Versammlung.

B. Grandin überreicht 2 Petitionen aus der Nieder-Seine mit 1045 Unterschriften für baldige Auflösung.

Blin de Bourdon, A. Rousseau, Degeorges, Sainte-Beuve, Mauguin und Grery überreichen unter manigfachen Exklamationen ebenfalls Petitionen für oder gegen die Auflösung.

Odilon Barrot (tiefe Stille.) Ich muß im Namen der Exekutivgewalt über die Regressivmaßregeln Rechenschaft ablegen welche zur Aufrechthaltung der Ordnung in der Stadt Paris und zum Schutze der Nationalversammlung ergriffen worden sind. Nach dieser Einleitung geht der Minister in eine Geschichte der Mobilgarde über. Es sei der Moment gekommen, dieses Korps zu reorganisiren; viele ihrer Offiziere seien von gewöhnlichen Unteroffizieren zu Hauptleuten u. s. w. gemacht worden; dies sei mit der militärischen Disziplin unverträglich und die Regierung daher zur Reorganisation genöthigt gewesen. Diejenigen, welche sich im vorigen Juni ausgezeichnet, wurden beibehalten u. s. w. Es scheine aber; als sei diese Maßregel von den ewigen Feinden des öffentlichen Friedens zu neuen Umwälzungsplänen ausgebeutet worden‥…

Stimmen links: Nein, vom Ministerium!‥…

Stimmen rechts: Schweigen Sie! Zur Ordnung!‥…

Odilon Barrot: In voriger Nacht sind wir auf neue Umstürzungsprojekte gestoßen … Hierin liegt der Grund zu den außerordentlichen Maßregeln. Jetzt sei es dem Präsidenten der Nationalversammlung überlassen, sich mit den militärischen Oberbefehlshabern zu verständigen, damit die Sicherheit der Versammlung völlig garantirt bleibe. In einem Punkte sind Mehrheit und Minderheit einig, nämlich in der Aufrechterhaltung und Respektirung der Verfassung. (Zweideutiger Beifall.)

Degousée, Quästor. Ich war nicht wenig erstaunt, eine solche Truppenmacht um das Sitzungsgebäude entfaltet zu sehen, ohne daß die Quästur auch nur davon benachrichtigt worden wäre. Hierin liegt ein Mangel an Achtung, gegen welchen die Versammlung gewiß protestiren wird. (Ja ja.)

Marrast. Ich schulde der Versammlung einige Aufklärungen. Ich vermuthe, daß schon im Laufe der vorigen Nacht die Truppen um das Gebäude gestellt wurden. Ich wurde aber erst heute früh davon benachrichtigt. (Ah! Ah!) Ohne Zweifel wollte Hr. Changarnier mich nicht im Schlafe stören. (Ah! Ah!) Ich empfing, wie gesagt, erst heute früh ein Schreiben Changarnier's, worin er mir anzeigt, daß die Truppen zum Schutze der Nationalversammlung aufgeboten seien. Ich habe hierauf den General Lebreton (also nicht Lamoriciere?) zum Kommandanten derselben ernannt. (Lärm. Eine Pause.)

Billault. Ich übergebe hiermit den Bericht über das Wahlgesetz (Beifall) und trage bei dieser Gelegenheit darauf an, daß es der Versammlung gefallen möge, am nächsten Mittwoch meinen Antrag rücksichtlich des Einnahmebüdgets zu berathen. (Ja! Ja!)

(In diesem Augenblick erfahren wir auf der Journalistenbühne: daß Clement Thomas in einem Degenkampfe gegen den edlen v. Coetlogon, Redakteur des Corsairen, lebensgefährlich verwundet wurde und so eben gestorben ist.)

Die Versammlung schreitet zur eigentlichen Tagesordnung, nämlich zu der großen Rateauschlacht. Man entsinne sich, daß alle Anträge darauf zielen, das Dekret vom 15. Dezember, das die organischen Gesetze feststellt, abzuändern und die neuen Kammerwahlen zu beschleunigen, mithin die Nationalversammlung so bald als möglich aufzulösen.

Fresneau (Ex-Souspräfekt unter Louis Philipp) erhält zuerst das Wort. Er vertheidigt natürlich die Auflösungsanträge. Die Lage des Handels und der Industrie (ah! ah!) erheischten, so rasch wie möglich in einen stabilen Stand hineinzukommen. (Ah, ah!) Unser Mandat, unsere Mission sei geendet, und man dürfe die Dauer der Versammlung nicht verewigen, das wäre Usurpation. (Lärm.) Ja Usurpation und Tyrannei der Minorität gegen die Majorität des Landes. (Tumult.) Als Verfassungsmacher seid Ihr unverletzlich, nicht so als organische Gesetzmacher. (Oh, oh!) Diese könnten und würden wahrscheinlich von der legislativen Kammer verworfen werden (Dufaure, Malleville, Grandin und Coquerel gerathen in diesem Augenblick unter unserer Bühne in solchen Wortstreit, daß wir den Redner nicht weiter verstehen.)

Jules Favre spricht gegen die Auflösungs- und Petitionswuth. Er ist besser, schärfer und witziger wie gewöhnlich, und erntet vielen Beifall.

Ihm (Favre) zufolge solle die Nationalversammlung den Sommationen der gepriesenen 173,000 Petenten nicht folgen, sondern zur Tagesordnung schreiten. Nachgeben hieße desertiren … vor dem Feinde desertiren. (Beifall links; Rechts stürmische Unterbrechung). Die Dissidenz zwischen dem Kabinet und der Versammlung muß diskutirt werden; das Kabinet sei nicht der Erwählte des Volks; ihm gegenüber sei volle Kritik erlaubt. Es habe das Vereinsrecht angetastet; dieser Angriff lasse andere befürchten. Ein anderes Faktum sei, daß der Finanzminister ein Defizit von 600 Millionen Franken zugestanden habe, ohne die Quelle anzugeben, wie er es decken wolle und könne, wenigstens will er uns seine Pläne nicht enthüllen. (Lärm) Die Klub- und Finanzfrage haben eine unbeschreibliche Gährung hervorgerufen und Leidenschaften wieder geweckt, welche bereits schliefen. (Oh! Oh! Ja! Ja!) Wohlan, die Lage ist ernst, doch will die Versammlung dem Kabinet seine Unterstützung leihen, wenn es in die Verfassung — und die Majorität zurücktrete. (Unterbrechung). Ich und gewiß wir Alle haben keinen persönlichen Haß gegen das Kabinet. Wenn ich das Wort ergriff, so geschah es nur im Interesse und zum Heil der Republik, daß ich die Conklusionen des Ausschußberichts unterstütze. (Diese Rede, die sehr lange dauerte, fand großen Anklang und wurde durch häufige Beifallscenen unterbrochen),

Victor Hugo (der Dichter) folgt ihm auf der Bühne. Er verspricht, die Debatte nicht zu erhitzen, sondern zu beruhigen. Aber es scheine ihm doch, daß die Versammlung vom Volke nicht ein begränztes und unbegränztes Mandat zugleich erhalten haben könne. (Gelächter.) Für die Ruhe des Landes, für Auflebung deb Handels und der Industrie sei es nöthig, daß die Versammlung nicht in denselben Fehler falle wie die provisorische Regierung. (Lärm.) Er beschwört sie, sich aufzulösen.

Stimmen rechts: Zum Schluß! Zum Schluß!

Stimmen links: Nein! Nein!

Flocon: Die Lage des Landes ist zu wichtig, als daß wir im Interesse der Arbeit und Industrie diese Debatte auch nur einen Augenblick verschöben.‥‥ (Beifall.)

Unterstützt! Unterstützt!

Es wird die Fortsetzung der Debatte beschlossen, ungeachtet es bereits 6 Uhr schlägt.

Combarel de Leyval, ein Ultra-Conservateur, spricht rasch und heftig gegen die Ausschußanträge, also für die Auflösung. Die Versammlung habe ein schlechtes Gewissen. (Lärm.) Sie erneure das Schauspiel der Restauration. (Lärm.) Nehme zu geheimen Kugelabstimmungen bei wichtigen Voten ihre Zuflucht. (Tumult. Charras schreit: Unverschämt, das verlangt Genugthuung.

Andere: Zur Ordnung! Zur Ordnung!

Cavaignac erhebt sich und sagt: Ich höre von Besiegten und von Siegern sprechen. Für jeden ächten Republikaner giebt es in Wahlfragen weder Sieger noch Besiegte. Er protestire daher gegen die Bezeichnung des 10. Dezember die man ihm gebe. (Fanatischer Beifall.)

Marrast will zur Abstimmung schreiten lassen. (Durcheinanderrufen: Ja! Ja! Nein! Nein!)

Lamartine besteigt die Bühne. (Es ist nahe an 7 Uhr.)

Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]

Der Gerant: Korff.
Druck J W. Dietz, unter Hutmacher 17.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar209b2_004" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0002" n="1150"/>
haben, sagt man, ein Fort überrumpelt und es mit allem Geschütz eingenommen, von wo sie sich vertheidigen wollen. Gegen 2 Uhr erschienen die ersten Deputirten auf ihren Plätzen. Die Agitation ist ausserordentlich. Berard, der Schreiber des Klubs der Poitierstraße, tritt eben in den Saal und wird von einigen Gliedern der Linken hart angefahren. Wir können jedoch nichts verstehen. Caussidière, Louis Blanc und Thoré, heißt es, seien in Paris betroffen und arretirt worden (?). Um 2 Uhr nimmt Marrast den Präsidentenstuhl ein; er ist aussergewöhnlich blaß und sieht sehr aufgeregt aus. Er hat, erfahren wir, mit Changarnier eine heftige Scene gehabt, weil Changarnier seine Amtsgewalt überschritten. Ihm (Marrast) als Präsidenten der Nationalversammlung, komme die Anordnung des militärischen Schutzes für den Sitz der Nationalversammlung allein zu. General Lamoricière sei heißt es mit dem Oberbefehl über alle Kräfte um den Sitzungssaal von Marrast betraut worden.</p>
          <p>Das Protokoll der letzten Sitzung wird vorgelesen. Lebreton, Quästor der Nationalversammlung, erscheint in der Uniform eines Generallieutenants auf seinem Platze.</p>
          <p>Buchez überreicht einen ganzen Petitionsstoß mit 6000 Unterschriften gegen die Auflösung der Versammlung.</p>
          <p>B. Grandin überreicht 2 Petitionen aus der Nieder-Seine mit 1045 Unterschriften für baldige Auflösung.</p>
          <p>Blin de Bourdon, A. Rousseau, Degeorges, Sainte-Beuve, Mauguin und Grery überreichen unter manigfachen Exklamationen ebenfalls Petitionen für oder gegen die Auflösung.</p>
          <p>Odilon Barrot (tiefe Stille.) Ich muß im Namen der Exekutivgewalt über die Regressivmaßregeln Rechenschaft ablegen welche zur Aufrechthaltung der Ordnung in der Stadt Paris und zum Schutze der Nationalversammlung ergriffen worden sind. Nach dieser Einleitung geht der Minister in eine Geschichte der Mobilgarde über. Es sei der Moment gekommen, dieses Korps zu reorganisiren; viele ihrer Offiziere seien von gewöhnlichen Unteroffizieren zu Hauptleuten u. s. w. gemacht worden; dies sei mit der militärischen Disziplin unverträglich und die Regierung daher zur Reorganisation genöthigt gewesen. Diejenigen, welche sich im vorigen Juni ausgezeichnet, wurden beibehalten u. s. w. Es scheine aber; als sei diese Maßregel von den ewigen Feinden des öffentlichen Friedens zu neuen Umwälzungsplänen ausgebeutet worden&#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Stimmen links: Nein, vom Ministerium!&#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Stimmen rechts: Schweigen Sie! Zur Ordnung!&#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Odilon Barrot: In voriger Nacht sind wir auf neue Umstürzungsprojekte gestoßen &#x2026; Hierin liegt der Grund zu den außerordentlichen Maßregeln. Jetzt sei es dem Präsidenten der Nationalversammlung überlassen, sich mit den militärischen Oberbefehlshabern zu verständigen, damit die Sicherheit der Versammlung völlig garantirt bleibe. In einem Punkte sind Mehrheit und Minderheit einig, nämlich in der Aufrechterhaltung und Respektirung der Verfassung. (Zweideutiger Beifall.)</p>
          <p>Degousée, Quästor. Ich war nicht wenig erstaunt, eine solche Truppenmacht um das Sitzungsgebäude entfaltet zu sehen, ohne daß die Quästur auch nur davon benachrichtigt worden wäre. Hierin liegt ein Mangel an Achtung, gegen welchen die Versammlung gewiß protestiren wird. (Ja ja.)</p>
          <p>Marrast. Ich schulde der Versammlung einige Aufklärungen. Ich vermuthe, daß schon im Laufe der vorigen Nacht die Truppen um das Gebäude gestellt wurden. Ich wurde aber erst heute früh davon benachrichtigt. (Ah! Ah!) Ohne Zweifel wollte Hr. Changarnier mich nicht im Schlafe stören. (Ah! Ah!) Ich empfing, wie gesagt, erst heute früh ein Schreiben Changarnier's, worin er mir anzeigt, daß die Truppen zum Schutze der Nationalversammlung aufgeboten seien. Ich habe hierauf den General Lebreton (also nicht Lamoriciere?) zum Kommandanten derselben ernannt. (Lärm. Eine Pause.)</p>
          <p>Billault. Ich übergebe hiermit den Bericht über das Wahlgesetz (Beifall) und trage bei dieser Gelegenheit darauf an, daß es der Versammlung gefallen möge, am nächsten Mittwoch meinen Antrag rücksichtlich des Einnahmebüdgets zu berathen. (Ja! Ja!)</p>
          <p>(In diesem Augenblick erfahren wir auf der Journalistenbühne: daß Clement Thomas in einem Degenkampfe gegen den edlen v. Coetlogon, Redakteur des Corsairen, lebensgefährlich verwundet wurde und so eben gestorben ist.)</p>
          <p>Die Versammlung schreitet zur eigentlichen Tagesordnung, nämlich zu der großen Rateauschlacht. Man entsinne sich, daß alle Anträge darauf zielen, das Dekret vom 15. Dezember, das die organischen Gesetze feststellt, abzuändern und die neuen Kammerwahlen zu beschleunigen, mithin die Nationalversammlung so bald als möglich aufzulösen.</p>
          <p>Fresneau (Ex-Souspräfekt unter Louis Philipp) erhält zuerst das Wort. Er vertheidigt natürlich die Auflösungsanträge. Die Lage des Handels und der Industrie (ah! ah!) erheischten, so rasch wie möglich in einen stabilen Stand hineinzukommen. (Ah, ah!) Unser Mandat, unsere Mission sei geendet, und man dürfe die Dauer der Versammlung nicht verewigen, das wäre Usurpation. (Lärm.) Ja Usurpation und Tyrannei der Minorität gegen die Majorität des Landes. (Tumult.) Als Verfassungsmacher seid Ihr unverletzlich, nicht so als organische Gesetzmacher. (Oh, oh!) Diese könnten und würden wahrscheinlich von der legislativen Kammer verworfen werden (Dufaure, Malleville, Grandin und Coquerel gerathen in diesem Augenblick unter unserer Bühne in solchen Wortstreit, daß wir den Redner nicht weiter verstehen.)</p>
          <p>Jules Favre spricht gegen die Auflösungs- und Petitionswuth. Er ist besser, schärfer und witziger wie gewöhnlich, und erntet vielen Beifall.</p>
          <p>Ihm (Favre) zufolge solle die Nationalversammlung den Sommationen der gepriesenen 173,000 Petenten nicht folgen, sondern zur Tagesordnung schreiten. Nachgeben hieße desertiren &#x2026; vor dem Feinde desertiren. (Beifall links; Rechts stürmische Unterbrechung). Die Dissidenz zwischen dem Kabinet und der Versammlung muß diskutirt werden; das Kabinet sei nicht der Erwählte des Volks; ihm gegenüber sei volle Kritik erlaubt. Es habe das Vereinsrecht angetastet; dieser Angriff lasse andere befürchten. Ein anderes Faktum sei, daß der Finanzminister ein Defizit von 600 Millionen Franken zugestanden habe, ohne die Quelle anzugeben, wie er es decken wolle und könne, wenigstens will er uns seine Pläne nicht enthüllen. (Lärm) Die Klub- und Finanzfrage haben eine unbeschreibliche Gährung hervorgerufen und Leidenschaften wieder geweckt, welche bereits schliefen. (Oh! Oh! Ja! Ja!) Wohlan, die Lage ist ernst, doch will die Versammlung dem Kabinet seine Unterstützung leihen, wenn es in die Verfassung &#x2014; und die Majorität zurücktrete. (Unterbrechung). Ich und gewiß wir Alle haben keinen persönlichen Haß gegen das Kabinet. Wenn ich das Wort ergriff, so geschah es nur im Interesse und zum Heil der Republik, daß ich die Conklusionen des Ausschußberichts unterstütze. (Diese Rede, die sehr lange dauerte, fand großen Anklang und wurde durch häufige Beifallscenen unterbrochen),</p>
          <p><hi rendition="#g">Victor Hugo</hi> (der Dichter) folgt ihm auf der Bühne. Er verspricht, die Debatte nicht zu erhitzen, sondern zu beruhigen. Aber es scheine ihm doch, daß die Versammlung vom Volke nicht ein begränztes und unbegränztes Mandat zugleich erhalten haben könne. (Gelächter.) Für die Ruhe des Landes, für Auflebung deb Handels und der Industrie sei es nöthig, daß die Versammlung nicht in denselben Fehler falle wie die provisorische Regierung. (Lärm.) Er beschwört sie, sich aufzulösen.</p>
          <p>Stimmen rechts: Zum Schluß! Zum Schluß!</p>
          <p>Stimmen links: Nein! Nein!</p>
          <p><hi rendition="#g">Flocon:</hi> Die Lage des Landes ist zu wichtig, als daß wir im Interesse der Arbeit und Industrie diese Debatte auch nur einen Augenblick verschöben.&#x2025;&#x2025; (Beifall.)</p>
          <p>Unterstützt! Unterstützt!</p>
          <p>Es wird die Fortsetzung der Debatte beschlossen, ungeachtet es bereits 6 Uhr schlägt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Combarel de Leyval,</hi> ein Ultra-Conservateur, spricht rasch und heftig gegen die Ausschußanträge, also für die Auflösung. Die Versammlung habe ein schlechtes Gewissen. (Lärm.) Sie erneure das Schauspiel der Restauration. (Lärm.) Nehme zu geheimen Kugelabstimmungen bei wichtigen Voten ihre Zuflucht. (Tumult. Charras schreit: Unverschämt, das verlangt Genugthuung.</p>
          <p>Andere: Zur Ordnung! Zur Ordnung!</p>
          <p>Cavaignac erhebt sich und sagt: Ich höre von Besiegten und von Siegern sprechen. Für jeden ächten Republikaner giebt es in Wahlfragen weder Sieger noch Besiegte. Er protestire daher gegen die Bezeichnung des 10. Dezember die man ihm gebe. (Fanatischer Beifall.)</p>
          <p>Marrast will zur Abstimmung schreiten lassen. (Durcheinanderrufen: Ja! Ja! Nein! Nein!)</p>
          <p>Lamartine besteigt die Bühne. (Es ist nahe an 7 Uhr.)</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Handelsnachrichten.</head>
        <gap reason="insignificant"/>
      </div>
      <div type="imprint">
        <p>Der Gerant: <hi rendition="#g">Korff</hi>.<lb/>
Druck J W. <hi rendition="#g">Dietz</hi>, unter Hutmacher 17.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1150/0002] haben, sagt man, ein Fort überrumpelt und es mit allem Geschütz eingenommen, von wo sie sich vertheidigen wollen. Gegen 2 Uhr erschienen die ersten Deputirten auf ihren Plätzen. Die Agitation ist ausserordentlich. Berard, der Schreiber des Klubs der Poitierstraße, tritt eben in den Saal und wird von einigen Gliedern der Linken hart angefahren. Wir können jedoch nichts verstehen. Caussidière, Louis Blanc und Thoré, heißt es, seien in Paris betroffen und arretirt worden (?). Um 2 Uhr nimmt Marrast den Präsidentenstuhl ein; er ist aussergewöhnlich blaß und sieht sehr aufgeregt aus. Er hat, erfahren wir, mit Changarnier eine heftige Scene gehabt, weil Changarnier seine Amtsgewalt überschritten. Ihm (Marrast) als Präsidenten der Nationalversammlung, komme die Anordnung des militärischen Schutzes für den Sitz der Nationalversammlung allein zu. General Lamoricière sei heißt es mit dem Oberbefehl über alle Kräfte um den Sitzungssaal von Marrast betraut worden. Das Protokoll der letzten Sitzung wird vorgelesen. Lebreton, Quästor der Nationalversammlung, erscheint in der Uniform eines Generallieutenants auf seinem Platze. Buchez überreicht einen ganzen Petitionsstoß mit 6000 Unterschriften gegen die Auflösung der Versammlung. B. Grandin überreicht 2 Petitionen aus der Nieder-Seine mit 1045 Unterschriften für baldige Auflösung. Blin de Bourdon, A. Rousseau, Degeorges, Sainte-Beuve, Mauguin und Grery überreichen unter manigfachen Exklamationen ebenfalls Petitionen für oder gegen die Auflösung. Odilon Barrot (tiefe Stille.) Ich muß im Namen der Exekutivgewalt über die Regressivmaßregeln Rechenschaft ablegen welche zur Aufrechthaltung der Ordnung in der Stadt Paris und zum Schutze der Nationalversammlung ergriffen worden sind. Nach dieser Einleitung geht der Minister in eine Geschichte der Mobilgarde über. Es sei der Moment gekommen, dieses Korps zu reorganisiren; viele ihrer Offiziere seien von gewöhnlichen Unteroffizieren zu Hauptleuten u. s. w. gemacht worden; dies sei mit der militärischen Disziplin unverträglich und die Regierung daher zur Reorganisation genöthigt gewesen. Diejenigen, welche sich im vorigen Juni ausgezeichnet, wurden beibehalten u. s. w. Es scheine aber; als sei diese Maßregel von den ewigen Feinden des öffentlichen Friedens zu neuen Umwälzungsplänen ausgebeutet worden‥… Stimmen links: Nein, vom Ministerium!‥… Stimmen rechts: Schweigen Sie! Zur Ordnung!‥… Odilon Barrot: In voriger Nacht sind wir auf neue Umstürzungsprojekte gestoßen … Hierin liegt der Grund zu den außerordentlichen Maßregeln. Jetzt sei es dem Präsidenten der Nationalversammlung überlassen, sich mit den militärischen Oberbefehlshabern zu verständigen, damit die Sicherheit der Versammlung völlig garantirt bleibe. In einem Punkte sind Mehrheit und Minderheit einig, nämlich in der Aufrechterhaltung und Respektirung der Verfassung. (Zweideutiger Beifall.) Degousée, Quästor. Ich war nicht wenig erstaunt, eine solche Truppenmacht um das Sitzungsgebäude entfaltet zu sehen, ohne daß die Quästur auch nur davon benachrichtigt worden wäre. Hierin liegt ein Mangel an Achtung, gegen welchen die Versammlung gewiß protestiren wird. (Ja ja.) Marrast. Ich schulde der Versammlung einige Aufklärungen. Ich vermuthe, daß schon im Laufe der vorigen Nacht die Truppen um das Gebäude gestellt wurden. Ich wurde aber erst heute früh davon benachrichtigt. (Ah! Ah!) Ohne Zweifel wollte Hr. Changarnier mich nicht im Schlafe stören. (Ah! Ah!) Ich empfing, wie gesagt, erst heute früh ein Schreiben Changarnier's, worin er mir anzeigt, daß die Truppen zum Schutze der Nationalversammlung aufgeboten seien. Ich habe hierauf den General Lebreton (also nicht Lamoriciere?) zum Kommandanten derselben ernannt. (Lärm. Eine Pause.) Billault. Ich übergebe hiermit den Bericht über das Wahlgesetz (Beifall) und trage bei dieser Gelegenheit darauf an, daß es der Versammlung gefallen möge, am nächsten Mittwoch meinen Antrag rücksichtlich des Einnahmebüdgets zu berathen. (Ja! Ja!) (In diesem Augenblick erfahren wir auf der Journalistenbühne: daß Clement Thomas in einem Degenkampfe gegen den edlen v. Coetlogon, Redakteur des Corsairen, lebensgefährlich verwundet wurde und so eben gestorben ist.) Die Versammlung schreitet zur eigentlichen Tagesordnung, nämlich zu der großen Rateauschlacht. Man entsinne sich, daß alle Anträge darauf zielen, das Dekret vom 15. Dezember, das die organischen Gesetze feststellt, abzuändern und die neuen Kammerwahlen zu beschleunigen, mithin die Nationalversammlung so bald als möglich aufzulösen. Fresneau (Ex-Souspräfekt unter Louis Philipp) erhält zuerst das Wort. Er vertheidigt natürlich die Auflösungsanträge. Die Lage des Handels und der Industrie (ah! ah!) erheischten, so rasch wie möglich in einen stabilen Stand hineinzukommen. (Ah, ah!) Unser Mandat, unsere Mission sei geendet, und man dürfe die Dauer der Versammlung nicht verewigen, das wäre Usurpation. (Lärm.) Ja Usurpation und Tyrannei der Minorität gegen die Majorität des Landes. (Tumult.) Als Verfassungsmacher seid Ihr unverletzlich, nicht so als organische Gesetzmacher. (Oh, oh!) Diese könnten und würden wahrscheinlich von der legislativen Kammer verworfen werden (Dufaure, Malleville, Grandin und Coquerel gerathen in diesem Augenblick unter unserer Bühne in solchen Wortstreit, daß wir den Redner nicht weiter verstehen.) Jules Favre spricht gegen die Auflösungs- und Petitionswuth. Er ist besser, schärfer und witziger wie gewöhnlich, und erntet vielen Beifall. Ihm (Favre) zufolge solle die Nationalversammlung den Sommationen der gepriesenen 173,000 Petenten nicht folgen, sondern zur Tagesordnung schreiten. Nachgeben hieße desertiren … vor dem Feinde desertiren. (Beifall links; Rechts stürmische Unterbrechung). Die Dissidenz zwischen dem Kabinet und der Versammlung muß diskutirt werden; das Kabinet sei nicht der Erwählte des Volks; ihm gegenüber sei volle Kritik erlaubt. Es habe das Vereinsrecht angetastet; dieser Angriff lasse andere befürchten. Ein anderes Faktum sei, daß der Finanzminister ein Defizit von 600 Millionen Franken zugestanden habe, ohne die Quelle anzugeben, wie er es decken wolle und könne, wenigstens will er uns seine Pläne nicht enthüllen. (Lärm) Die Klub- und Finanzfrage haben eine unbeschreibliche Gährung hervorgerufen und Leidenschaften wieder geweckt, welche bereits schliefen. (Oh! Oh! Ja! Ja!) Wohlan, die Lage ist ernst, doch will die Versammlung dem Kabinet seine Unterstützung leihen, wenn es in die Verfassung — und die Majorität zurücktrete. (Unterbrechung). Ich und gewiß wir Alle haben keinen persönlichen Haß gegen das Kabinet. Wenn ich das Wort ergriff, so geschah es nur im Interesse und zum Heil der Republik, daß ich die Conklusionen des Ausschußberichts unterstütze. (Diese Rede, die sehr lange dauerte, fand großen Anklang und wurde durch häufige Beifallscenen unterbrochen), Victor Hugo (der Dichter) folgt ihm auf der Bühne. Er verspricht, die Debatte nicht zu erhitzen, sondern zu beruhigen. Aber es scheine ihm doch, daß die Versammlung vom Volke nicht ein begränztes und unbegränztes Mandat zugleich erhalten haben könne. (Gelächter.) Für die Ruhe des Landes, für Auflebung deb Handels und der Industrie sei es nöthig, daß die Versammlung nicht in denselben Fehler falle wie die provisorische Regierung. (Lärm.) Er beschwört sie, sich aufzulösen. Stimmen rechts: Zum Schluß! Zum Schluß! Stimmen links: Nein! Nein! Flocon: Die Lage des Landes ist zu wichtig, als daß wir im Interesse der Arbeit und Industrie diese Debatte auch nur einen Augenblick verschöben.‥‥ (Beifall.) Unterstützt! Unterstützt! Es wird die Fortsetzung der Debatte beschlossen, ungeachtet es bereits 6 Uhr schlägt. Combarel de Leyval, ein Ultra-Conservateur, spricht rasch und heftig gegen die Ausschußanträge, also für die Auflösung. Die Versammlung habe ein schlechtes Gewissen. (Lärm.) Sie erneure das Schauspiel der Restauration. (Lärm.) Nehme zu geheimen Kugelabstimmungen bei wichtigen Voten ihre Zuflucht. (Tumult. Charras schreit: Unverschämt, das verlangt Genugthuung. Andere: Zur Ordnung! Zur Ordnung! Cavaignac erhebt sich und sagt: Ich höre von Besiegten und von Siegern sprechen. Für jeden ächten Republikaner giebt es in Wahlfragen weder Sieger noch Besiegte. Er protestire daher gegen die Bezeichnung des 10. Dezember die man ihm gebe. (Fanatischer Beifall.) Marrast will zur Abstimmung schreiten lassen. (Durcheinanderrufen: Ja! Ja! Nein! Nein!) Lamartine besteigt die Bühne. (Es ist nahe an 7 Uhr.) Handelsnachrichten. _ Der Gerant: Korff. Druck J W. Dietz, unter Hutmacher 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz209b2_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz209b2_1849/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849. Zweite Beilage, S. 1150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz209b2_1849/2>, abgerufen am 26.04.2024.