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[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Naturgeschichte. Die Naturbeschreibung setzt die Körper
neben einander nach ihren Verwandschaften. Die Natur-
geschichte dagegen verfolgt sie von ihrem ersten Entstehen
an, in ihre Verbreitung, und sucht die Abänderungen
zu erforschen, die durch äussere Wirkungen entstehen
konnten. Beide Arten der Naturkunde bilden besondere
Wissenschaften, doch zuweilen kann eine nicht ohne die
andere bestehen, wie wir allein die neuern Ansichten
der Geognosie ihrer Geschichte verdanken.

Der Name Naturgeschichte ist vielfältig gemißbraucht
da man allgemein auch die Naturbeschreibung damit be-
legt hat. Die Veranlassung dazu gab ohne Zweifel
Plinius der die Historia naturalis nannte, indem
er den Namen aus dem Griechischen in's Lateinische übertrug.

Die Naturkenntniß ist entweder eine besondere
oder allgemeine. Sie strebt entweder nach dem Ojecte
selbst, oder sie betrachtet alle Körper als ein Ganzes,
und sucht die verschiedenen Verhältnisse auf in denen
sie zur Menschheit stehen. Die Botanik selbst gründet
sich schon auf eine Art objectiver Anschauung, wie z. B.
der Drachenbaum auf Orotava darbietet, der bei seiner
Entdeckung vor 500 Jahren fast dieselbe Stärke wie
jetzt schon hatte. Oder Adansonia des Senegal die

Naturgeſchichte. Die Naturbeſchreibung ſetzt die Körper
neben einander nach ihren Verwandſchaften. Die Natur-
geſchichte dagegen verfolgt ſie von ihrem erſten Entſtehen
an, in ihre Verbreitung, und ſucht die Abänderungen
zu erforſchen, die durch äuſſere Wirkungen entſtehen
konnten. Beide Arten der Naturkunde bilden beſondere
Wiſſenſchaften, doch zuweilen kann eine nicht ohne die
andere beſtehen, wie wir allein die neuern Anſichten
der Geognoſie ihrer Geſchichte verdanken.

Der Name Naturgeſchichte iſt vielfältig gemißbraucht
da man allgemein auch die Naturbeſchreibung damit be-
legt hat. Die Veranlaſſung dazu gab ohne Zweifel
Plinius der die Hiſtoria naturalis nannte, indem
er den Namen aus dem Griechiſchen in’s Lateiniſche übertrug.

Die Naturkenntniß iſt entweder eine beſondere
oder allgemeine. Sie ſtrebt entweder nach dem Ojecte
ſelbſt, oder ſie betrachtet alle Körper als ein Ganzes,
und ſucht die verſchiedenen Verhältniſſe auf in denen
ſie zur Menſchheit ſtehen. Die Botanik ſelbſt gründet
ſich ſchon auf eine Art objectiver Anſchauung, wie z. B.
der Drachenbaum auf Orotava darbietet, der bei ſeiner
Entdeckung vor 500 Jahren faſt dieſelbe Stärke wie
jetzt ſchon hatte. Oder Adanſonia des Senegal die

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[28./0034] Naturgeſchichte. Die Naturbeſchreibung ſetzt die Körper neben einander nach ihren Verwandſchaften. Die Natur- geſchichte dagegen verfolgt ſie von ihrem erſten Entſtehen an, in ihre Verbreitung, und ſucht die Abänderungen zu erforſchen, die durch äuſſere Wirkungen entſtehen konnten. Beide Arten der Naturkunde bilden beſondere Wiſſenſchaften, doch zuweilen kann eine nicht ohne die andere beſtehen, wie wir allein die neuern Anſichten der Geognoſie ihrer Geſchichte verdanken. Der Name Naturgeſchichte iſt vielfältig gemißbraucht da man allgemein auch die Naturbeſchreibung damit be- legt hat. Die Veranlaſſung dazu gab ohne Zweifel Plinius der die Hiſtoria naturalis nannte, indem er den Namen aus dem Griechiſchen in’s Lateiniſche übertrug. Die Naturkenntniß iſt entweder eine beſondere oder allgemeine. Sie ſtrebt entweder nach dem Ojecte ſelbſt, oder ſie betrachtet alle Körper als ein Ganzes, und ſucht die verſchiedenen Verhältniſſe auf in denen ſie zur Menſchheit ſtehen. Die Botanik ſelbſt gründet ſich ſchon auf eine Art objectiver Anſchauung, wie z. B. der Drachenbaum auf Orotava darbietet, der bei ſeiner Entdeckung vor 500 Jahren faſt dieſelbe Stärke wie jetzt ſchon hatte. Oder Adanſonia des Senegal die

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Zitationshilfe: [N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 28.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/34>, abgerufen am 27.04.2024.