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Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892.

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man ihm leider tagelang Zeit gelassen hatte, erwies sich als eine geschickte Mache, durch die sich Polizeikommissar Wolff aber nicht hinters Licht führen ließ. Durch die ein Vierteljahr nach der Blutthat erfolgte Verhaftung Buschoffs hatten auch die Staatsanwälte die Unhaltbarkeit dieses Entlastungsversuchs anerkennen müssen. Und jetzt kommen dieselben Herren her und beeilen sich, den "unglücklichen" Schächter, der es "ja unmöglich gewesen sein kann", wohlgemut auf freien Fuß zu setzen!! Von einer vorläufigen Entlassung auf Kaution kann bei einer Kapitalanklage, wie die vorliegende, keine Rede sein. Folglich handelt es sich - es klingt unglaublich! - um die Einstellung des Verfahrens ohne weitere Angabe der Gründe!! Hier drängt sich die Frage auf: Wer waren die Herren Anwälte, welche dies Kunststück zuwege gebracht haben? Bereits werden die Namen laut, welche an sich eine ganze Reihe von Ausrufungszeichen herausfordern. Alle diese dunklen Punkte benötigen dringend der Aufklärung, um so mehr, da die Juden immer wieder unterstellen, sie hätten es hier mit einer fanatischen Katholiken-Bevölkerung zu thun. In Wahrheit aber wird es zwischen Rhein und Weichsel wohl kaum eine friedlichere und - worauf es ankommt - intelligentere Einwohnerschaft geben als hier in Xanten. Dieselbe ist nachweislich sowohl in politischer wie religiöser Hinsicht extrem-liberal, und die hier lebenden Juden, die jetzt wie Ratten nach allen Richtungen der Windrose flüchten, pflegten Xanten bis zum Jahre 1891 stets als eine Art Eldorado zu bezeichnen. Kein religiöser oder sonstiger Mißklang hat je das treffliche Einvernehmen getrübt, in welchem sie mit aller Welt lebten. Also von antisemitischen Machenschaften, mit denen sich die Juden jetzt zu entlasten trachten, kann ernsthaft nicht die Rede sein. Daß die ganze niederrheinische Bevölkerung heute, nach solchen ungeheuerlichen Erfahrungen in diese asiatischen Gäste nicht geradezu verliebt ist, daß sie einstimmig darauf dringt, daß die Untersuchung wider Buschoff, seine Frau, seine Tochter und den Sohn Siegmund wieder aufgenommen wird, diesen Umschwung wird am Ende jeder Unbefangene begreifen. Um so charakteristischer muß es erscheinen, wenn die Juden es selbst gewagt haben, unsern vortrefflichen

man ihm leider tagelang Zeit gelassen hatte, erwies sich als eine geschickte Mache, durch die sich Polizeikommissar Wolff aber nicht hinters Licht führen ließ. Durch die ein Vierteljahr nach der Blutthat erfolgte Verhaftung Buschoffs hatten auch die Staatsanwälte die Unhaltbarkeit dieses Entlastungsversuchs anerkennen müssen. Und jetzt kommen dieselben Herren her und beeilen sich, den „unglücklichen“ Schächter, der es „ja unmöglich gewesen sein kann“, wohlgemut auf freien Fuß zu setzen!! Von einer vorläufigen Entlassung auf Kaution kann bei einer Kapitalanklage, wie die vorliegende, keine Rede sein. Folglich handelt es sich – es klingt unglaublich! – um die Einstellung des Verfahrens ohne weitere Angabe der Gründe!! Hier drängt sich die Frage auf: Wer waren die Herren Anwälte, welche dies Kunststück zuwege gebracht haben? Bereits werden die Namen laut, welche an sich eine ganze Reihe von Ausrufungszeichen herausfordern. Alle diese dunklen Punkte benötigen dringend der Aufklärung, um so mehr, da die Juden immer wieder unterstellen, sie hätten es hier mit einer fanatischen Katholiken-Bevölkerung zu thun. In Wahrheit aber wird es zwischen Rhein und Weichsel wohl kaum eine friedlichere und – worauf es ankommt – intelligentere Einwohnerschaft geben als hier in Xanten. Dieselbe ist nachweislich sowohl in politischer wie religiöser Hinsicht extrem-liberal, und die hier lebenden Juden, die jetzt wie Ratten nach allen Richtungen der Windrose flüchten, pflegten Xanten bis zum Jahre 1891 stets als eine Art Eldorado zu bezeichnen. Kein religiöser oder sonstiger Mißklang hat je das treffliche Einvernehmen getrübt, in welchem sie mit aller Welt lebten. Also von antisemitischen Machenschaften, mit denen sich die Juden jetzt zu entlasten trachten, kann ernsthaft nicht die Rede sein. Daß die ganze niederrheinische Bevölkerung heute, nach solchen ungeheuerlichen Erfahrungen in diese asiatischen Gäste nicht geradezu verliebt ist, daß sie einstimmig darauf dringt, daß die Untersuchung wider Buschoff, seine Frau, seine Tochter und den Sohn Siegmund wieder aufgenommen wird, diesen Umschwung wird am Ende jeder Unbefangene begreifen. Um so charakteristischer muß es erscheinen, wenn die Juden es selbst gewagt haben, unsern vortrefflichen

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[11/0011] man ihm leider tagelang Zeit gelassen hatte, erwies sich als eine geschickte Mache, durch die sich Polizeikommissar Wolff aber nicht hinters Licht führen ließ. Durch die ein Vierteljahr nach der Blutthat erfolgte Verhaftung Buschoffs hatten auch die Staatsanwälte die Unhaltbarkeit dieses Entlastungsversuchs anerkennen müssen. Und jetzt kommen dieselben Herren her und beeilen sich, den „unglücklichen“ Schächter, der es „ja unmöglich gewesen sein kann“, wohlgemut auf freien Fuß zu setzen!! Von einer vorläufigen Entlassung auf Kaution kann bei einer Kapitalanklage, wie die vorliegende, keine Rede sein. Folglich handelt es sich – es klingt unglaublich! – um die Einstellung des Verfahrens ohne weitere Angabe der Gründe!! Hier drängt sich die Frage auf: Wer waren die Herren Anwälte, welche dies Kunststück zuwege gebracht haben? Bereits werden die Namen laut, welche an sich eine ganze Reihe von Ausrufungszeichen herausfordern. Alle diese dunklen Punkte benötigen dringend der Aufklärung, um so mehr, da die Juden immer wieder unterstellen, sie hätten es hier mit einer fanatischen Katholiken-Bevölkerung zu thun. In Wahrheit aber wird es zwischen Rhein und Weichsel wohl kaum eine friedlichere und – worauf es ankommt – intelligentere Einwohnerschaft geben als hier in Xanten. Dieselbe ist nachweislich sowohl in politischer wie religiöser Hinsicht extrem-liberal, und die hier lebenden Juden, die jetzt wie Ratten nach allen Richtungen der Windrose flüchten, pflegten Xanten bis zum Jahre 1891 stets als eine Art Eldorado zu bezeichnen. Kein religiöser oder sonstiger Mißklang hat je das treffliche Einvernehmen getrübt, in welchem sie mit aller Welt lebten. Also von antisemitischen Machenschaften, mit denen sich die Juden jetzt zu entlasten trachten, kann ernsthaft nicht die Rede sein. Daß die ganze niederrheinische Bevölkerung heute, nach solchen ungeheuerlichen Erfahrungen in diese asiatischen Gäste nicht geradezu verliebt ist, daß sie einstimmig darauf dringt, daß die Untersuchung wider Buschoff, seine Frau, seine Tochter und den Sohn Siegmund wieder aufgenommen wird, diesen Umschwung wird am Ende jeder Unbefangene begreifen. Um so charakteristischer muß es erscheinen, wenn die Juden es selbst gewagt haben, unsern vortrefflichen

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Zitationshilfe: Oberwinder, Heinrich: Der Fall Buschoff. Berlin, 1892, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oberwinder_buschoff_1892/11>, abgerufen am 27.04.2024.