Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Philalethie vor, 30 unerzogene Kinder in ei¬
nen Garten einzuzäunen, sie ihrer eignen Entwicke¬
lung zu überlassen und ihnen nur stumme Diener,
die nicht einmal Menschen-Kleidung hätten, zuzuge¬
ben und es dann zu Protokoll zu bringen, was dabei
herauskäme. Die Philosophen sehen vor lauter
Möglichkeit die Wirklichkeit nicht: sonst hätte Base¬
dow bemerken müssen, daß unsere Landschulen und
Dorfpädagogen solche Gärten sind, in denen die Phi¬
losophie den Versuch machen will, was aus Men¬
schen, wenn sie durchaus alle Bildung entbehren, am
Ende werde. Ich gesteh' aber, daß alle diese Ver¬
suche noch so lange unsicher und unvollkommen blei¬
ben als die Schulmeister sich nicht enthalten können,
diesen Seminaristen irgend einen Unterricht -- und
wär' er der kleinste -- zu ertheilen; und besser würde
gefahren mit ganz stummen Schulleuten wie es taub¬
stumme Eleven giebt.

C. siehe K.
D.

Dichter. Der Dichter wird, ob er gleich Lei¬
denschaften mahlt, doch diese am besten in dem Al¬
ter treffen, wo sie kleiner sind, so wie Brennspiegel
gerade in den Sommern, wo die Sonne am wenig¬
sten brannte, am stärksten wirkten und in den heissen
am wenigsten. Die Blumen der Poesie gleichen an¬

ſeiner Philalethie vor, 30 unerzogene Kinder in ei¬
nen Garten einzuzaͤunen, ſie ihrer eignen Entwicke¬
lung zu uͤberlaſſen und ihnen nur ſtumme Diener,
die nicht einmal Menſchen-Kleidung haͤtten, zuzuge¬
ben und es dann zu Protokoll zu bringen, was dabei
herauskaͤme. Die Philoſophen ſehen vor lauter
Moͤglichkeit die Wirklichkeit nicht: ſonſt haͤtte Baſe¬
dow bemerken muͤſſen, daß unſere Landſchulen und
Dorfpaͤdagogen ſolche Gaͤrten ſind, in denen die Phi¬
loſophie den Verſuch machen will, was aus Men¬
ſchen, wenn ſie durchaus alle Bildung entbehren, am
Ende werde. Ich geſteh' aber, daß alle dieſe Ver¬
ſuche noch ſo lange unſicher und unvollkommen blei¬
ben als die Schulmeiſter ſich nicht enthalten koͤnnen,
dieſen Seminariſten irgend einen Unterricht — und
waͤr' er der kleinſte — zu ertheilen; und beſſer wuͤrde
gefahren mit ganz ſtummen Schulleuten wie es taub¬
ſtumme Eleven giebt.

C. ſiehe K.
D.

Dichter. Der Dichter wird, ob er gleich Lei¬
denſchaften mahlt, doch dieſe am beſten in dem Al¬
ter treffen, wo ſie kleiner ſind, ſo wie Brennſpiegel
gerade in den Sommern, wo die Sonne am wenig¬
ſten brannte, am ſtaͤrkſten wirkten und in den heiſſen
am wenigſten. Die Blumen der Poeſie gleichen an¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0400" n="389"/>
&#x017F;einer Philalethie vor, 30 unerzogene Kinder in ei¬<lb/>
nen Garten einzuza&#x0364;unen, &#x017F;ie ihrer eignen Entwicke¬<lb/>
lung zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en und ihnen nur &#x017F;tumme Diener,<lb/>
die nicht einmal Men&#x017F;chen-Kleidung ha&#x0364;tten, zuzuge¬<lb/>
ben und es dann zu Protokoll zu bringen, was dabei<lb/>
herauska&#x0364;me. Die Philo&#x017F;ophen &#x017F;ehen vor lauter<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit die Wirklichkeit nicht: &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte Ba&#x017F;<lb/>
dow bemerken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß un&#x017F;ere Land&#x017F;chulen und<lb/>
Dorfpa&#x0364;dagogen &#x017F;olche Ga&#x0364;rten &#x017F;ind, in denen die Phi¬<lb/>
lo&#x017F;ophie den Ver&#x017F;uch machen will, was aus Men¬<lb/>
&#x017F;chen, wenn &#x017F;ie durchaus alle Bildung entbehren, am<lb/>
Ende werde. Ich ge&#x017F;teh' aber, daß alle die&#x017F;e Ver¬<lb/>
&#x017F;uche noch &#x017F;o lange un&#x017F;icher und unvollkommen blei¬<lb/>
ben als die Schulmei&#x017F;ter &#x017F;ich nicht enthalten ko&#x0364;nnen,<lb/>
die&#x017F;en Seminari&#x017F;ten irgend einen Unterricht &#x2014; und<lb/>
wa&#x0364;r' er der klein&#x017F;te &#x2014; zu ertheilen; und be&#x017F;&#x017F;er wu&#x0364;rde<lb/>
gefahren mit ganz &#x017F;tummen Schulleuten wie es taub¬<lb/>
&#x017F;tumme Eleven giebt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>C. &#x017F;iehe K.<lb/></head>
          </div>
          <div n="3">
            <head>D.<lb/></head>
            <p><hi rendition="#g">Dichter</hi>. Der Dichter wird, ob er gleich Lei¬<lb/>
den&#x017F;chaften mahlt, doch die&#x017F;e am be&#x017F;ten in dem Al¬<lb/>
ter treffen, wo &#x017F;ie kleiner &#x017F;ind, &#x017F;o wie Brenn&#x017F;piegel<lb/>
gerade in den Sommern, wo die Sonne am wenig¬<lb/>
&#x017F;ten brannte, am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten wirkten und in den hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
am wenig&#x017F;ten. Die Blumen der Poe&#x017F;ie gleichen an¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0400] ſeiner Philalethie vor, 30 unerzogene Kinder in ei¬ nen Garten einzuzaͤunen, ſie ihrer eignen Entwicke¬ lung zu uͤberlaſſen und ihnen nur ſtumme Diener, die nicht einmal Menſchen-Kleidung haͤtten, zuzuge¬ ben und es dann zu Protokoll zu bringen, was dabei herauskaͤme. Die Philoſophen ſehen vor lauter Moͤglichkeit die Wirklichkeit nicht: ſonſt haͤtte Baſe¬ dow bemerken muͤſſen, daß unſere Landſchulen und Dorfpaͤdagogen ſolche Gaͤrten ſind, in denen die Phi¬ loſophie den Verſuch machen will, was aus Men¬ ſchen, wenn ſie durchaus alle Bildung entbehren, am Ende werde. Ich geſteh' aber, daß alle dieſe Ver¬ ſuche noch ſo lange unſicher und unvollkommen blei¬ ben als die Schulmeiſter ſich nicht enthalten koͤnnen, dieſen Seminariſten irgend einen Unterricht — und waͤr' er der kleinſte — zu ertheilen; und beſſer wuͤrde gefahren mit ganz ſtummen Schulleuten wie es taub¬ ſtumme Eleven giebt. C. ſiehe K. D. Dichter. Der Dichter wird, ob er gleich Lei¬ denſchaften mahlt, doch dieſe am beſten in dem Al¬ ter treffen, wo ſie kleiner ſind, ſo wie Brennſpiegel gerade in den Sommern, wo die Sonne am wenig¬ ſten brannte, am ſtaͤrkſten wirkten und in den heiſſen am wenigſten. Die Blumen der Poeſie gleichen an¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/400
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/400>, abgerufen am 27.04.2024.