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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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"ist in Rom und arbeitet recht brav. --
"Lege Hoftrauer für den lieben alten Für¬
"sten an aus Gefälligkeit. Addio! --

G. de C.

"Ach theuere Schwester!" seufzete er innig,
und zog ihr Medaillon heraus und sah wei¬
nend die Züge eines ihr versagten Alters an,
und las weinend die widerlegte Unterschrift:
wir sehen uns wieder. Jetzt da sich ihm das
Leben lachend und weit aufschließet, gieng es
ihm viel näher, daß das Schicksal die Schwe¬
ster so eng bedeckt; ja der harte Gedanke
kam dazu, ob er nicht Schuld an ihrem Ver¬
schwinden habe, da seinetwegen der fürchter¬
liche Zahuri der Insel vielleicht eine opfernde
Gaukelei getrieben: sogar der Umstand, daß
sie seine schwächliche Zwillingsschwester war,
wurde ein Schmerz. -- Allein kämpfend stan¬
den jetzt die Gefühle in seinem Geiste wie auf
einem Schlachtfelde gegeneinander. Welches
Schicksal zieht mir entgegen! dacht' er. "Nimm
"die Krone!" hatte jene Stimme gesagt; --
"welche?" fragte aufstehend sein ruhmdurstiger
Geist und u[ - 2 Zeichen fehlen]ersuchte kühn, ob sie aus Lorbee¬

„iſt in Rom und arbeitet recht brav. —
„Lege Hoftrauer für den lieben alten Für¬
„ſten an aus Gefälligkeit. Addio! —

G. de C.

„Ach theuere Schweſter!“ ſeufzete er innig,
und zog ihr Medaillon heraus und ſah wei¬
nend die Züge eines ihr verſagten Alters an,
und las weinend die widerlegte Unterſchrift:
wir ſehen uns wieder. Jetzt da ſich ihm das
Leben lachend und weit aufſchließet, gieng es
ihm viel näher, daß das Schickſal die Schwe¬
ſter ſo eng bedeckt; ja der harte Gedanke
kam dazu, ob er nicht Schuld an ihrem Ver¬
ſchwinden habe, da ſeinetwegen der fürchter¬
liche Zahuri der Inſel vielleicht eine opfernde
Gaukelei getrieben: ſogar der Umſtand, daß
ſie ſeine ſchwächliche Zwillingsſchweſter war,
wurde ein Schmerz. — Allein kämpfend ſtan¬
den jetzt die Gefühle in ſeinem Geiſte wie auf
einem Schlachtfelde gegeneinander. Welches
Schickſal zieht mir entgegen! dacht' er. „Nimm
„die Krone!“ hatte jene Stimme geſagt; —
„welche?“ fragte aufſtehend ſein ruhmdurſtiger
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[284/0304] „iſt in Rom und arbeitet recht brav. — „Lege Hoftrauer für den lieben alten Für¬ „ſten an aus Gefälligkeit. Addio! — G. de C. „Ach theuere Schweſter!“ ſeufzete er innig, und zog ihr Medaillon heraus und ſah wei¬ nend die Züge eines ihr verſagten Alters an, und las weinend die widerlegte Unterſchrift: wir ſehen uns wieder. Jetzt da ſich ihm das Leben lachend und weit aufſchließet, gieng es ihm viel näher, daß das Schickſal die Schwe¬ ſter ſo eng bedeckt; ja der harte Gedanke kam dazu, ob er nicht Schuld an ihrem Ver¬ ſchwinden habe, da ſeinetwegen der fürchter¬ liche Zahuri der Inſel vielleicht eine opfernde Gaukelei getrieben: ſogar der Umſtand, daß ſie ſeine ſchwächliche Zwillingsſchweſter war, wurde ein Schmerz. — Allein kämpfend ſtan¬ den jetzt die Gefühle in ſeinem Geiſte wie auf einem Schlachtfelde gegeneinander. Welches Schickſal zieht mir entgegen! dacht' er. „Nimm „die Krone!“ hatte jene Stimme geſagt; — „welche?“ fragte aufſtehend ſein ruhmdurſtiger Geiſt und u__erſuchte kühn, ob ſie aus Lorbee¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/304>, abgerufen am 26.04.2024.