Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gärten Lilars hinaus und es war ihm als
säh' er hinein in seine weiß und roth blühende,
mit Berg- und Fruchtgipfeln aufgeschmückte
Zukunft, ein volles Paradies in die nackte Erde
gebauet. Er sah sich in seiner Zukunft nach
Freuden-Räubern um, die seinen Triumphwa¬
gen anfallen könnten; -- er fand sie Alle
sichtbar zu schwach gegen seine Arme und Waf¬
fen. Er stellte Lianens Eltern und seinen eignen
Vater und das bisherige in der Luft arbei¬
tende Geister-Heer mitten auf seinen Weg
zur Geliebten hin; -- in seinen Muskeln glüh¬
te überflüssige Kraft, sich leicht zu ihr durchzu¬
schlagen und sie in sein Leben mitzunehmen
durch Arbeit und Gewalt. "Ja, (sagt' er,) ich
bin ganz glücklich und brauche nichts mehr,
kein Schicksal, nur mein und ihr Herz!" Al¬
bano, möge dein böser Genius diesen gefähr¬
lichen Gedanken nicht gehöret haben, damit er
ihn nicht zur Nemesis trage! O in diesem wild¬
verwachsenen Leben ist kein Schritt, sogar in
den blühenden Lustgängen, ganz sicher, und
mitten in der Fülle dieses Kunstgartens erwar¬
tet dich ein fremder finsterer Giftbaum und

A 2

und Gärten Lilars hinaus und es war ihm als
ſäh' er hinein in ſeine weiß und roth blühende,
mit Berg- und Fruchtgipfeln aufgeſchmückte
Zukunft, ein volles Paradies in die nackte Erde
gebauet. Er ſah ſich in ſeiner Zukunft nach
Freuden-Räubern um, die ſeinen Triumphwa¬
gen anfallen könnten; — er fand ſie Alle
ſichtbar zu ſchwach gegen ſeine Arme und Waf¬
fen. Er ſtellte Lianens Eltern und ſeinen eignen
Vater und das bisherige in der Luft arbei¬
tende Geiſter-Heer mitten auf ſeinen Weg
zur Geliebten hin; — in ſeinen Muskeln glüh¬
te überflüſſige Kraft, ſich leicht zu ihr durchzu¬
ſchlagen und ſie in ſein Leben mitzunehmen
durch Arbeit und Gewalt. „Ja, (ſagt' er,) ich
bin ganz glücklich und brauche nichts mehr,
kein Schickſal, nur mein und ihr Herz!“ Al¬
bano, möge dein böſer Genius dieſen gefähr¬
lichen Gedanken nicht gehöret haben, damit er
ihn nicht zur Nemeſis trage! O in dieſem wild¬
verwachſenen Leben iſt kein Schritt, ſogar in
den blühenden Luſtgängen, ganz ſicher, und
mitten in der Fülle dieſes Kunſtgartens erwar¬
tet dich ein fremder finſterer Giftbaum und

A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0015" n="3"/>
und Gärten Lilars hinaus und es war ihm als<lb/>
&#x017F;äh' er hinein in &#x017F;eine weiß und roth blühende,<lb/>
mit Berg- und Fruchtgipfeln aufge&#x017F;chmückte<lb/>
Zukunft, ein volles Paradies in die nackte Erde<lb/>
gebauet. Er &#x017F;ah &#x017F;ich in &#x017F;einer Zukunft nach<lb/>
Freuden-Räubern um, die &#x017F;einen Triumphwa¬<lb/>
gen anfallen könnten; &#x2014; er fand &#x017F;ie Alle<lb/>
&#x017F;ichtbar zu &#x017F;chwach gegen &#x017F;eine Arme und Waf¬<lb/>
fen. Er &#x017F;tellte Lianens Eltern und &#x017F;einen eignen<lb/>
Vater und das bisherige in der Luft arbei¬<lb/>
tende Gei&#x017F;ter-Heer mitten auf &#x017F;einen Weg<lb/>
zur Geliebten hin; &#x2014; in &#x017F;einen Muskeln glüh¬<lb/>
te überflü&#x017F;&#x017F;ige Kraft, &#x017F;ich leicht zu ihr durchzu¬<lb/>
&#x017F;chlagen und &#x017F;ie in &#x017F;ein Leben mitzunehmen<lb/>
durch Arbeit und Gewalt. &#x201E;Ja, (&#x017F;agt' er,) ich<lb/>
bin ganz glücklich und brauche nichts mehr,<lb/>
kein Schick&#x017F;al, nur mein und ihr Herz!&#x201C; Al¬<lb/>
bano, möge dein bö&#x017F;er Genius die&#x017F;en gefähr¬<lb/>
lichen Gedanken nicht gehöret haben, damit er<lb/>
ihn nicht zur Neme&#x017F;is trage! O in die&#x017F;em wild¬<lb/>
verwach&#x017F;enen Leben i&#x017F;t kein Schritt, &#x017F;ogar in<lb/>
den blühenden Lu&#x017F;tgängen, ganz &#x017F;icher, und<lb/>
mitten in der Fülle die&#x017F;es Kun&#x017F;tgartens erwar¬<lb/>
tet dich ein fremder fin&#x017F;terer Giftbaum und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0015] und Gärten Lilars hinaus und es war ihm als ſäh' er hinein in ſeine weiß und roth blühende, mit Berg- und Fruchtgipfeln aufgeſchmückte Zukunft, ein volles Paradies in die nackte Erde gebauet. Er ſah ſich in ſeiner Zukunft nach Freuden-Räubern um, die ſeinen Triumphwa¬ gen anfallen könnten; — er fand ſie Alle ſichtbar zu ſchwach gegen ſeine Arme und Waf¬ fen. Er ſtellte Lianens Eltern und ſeinen eignen Vater und das bisherige in der Luft arbei¬ tende Geiſter-Heer mitten auf ſeinen Weg zur Geliebten hin; — in ſeinen Muskeln glüh¬ te überflüſſige Kraft, ſich leicht zu ihr durchzu¬ ſchlagen und ſie in ſein Leben mitzunehmen durch Arbeit und Gewalt. „Ja, (ſagt' er,) ich bin ganz glücklich und brauche nichts mehr, kein Schickſal, nur mein und ihr Herz!“ Al¬ bano, möge dein böſer Genius dieſen gefähr¬ lichen Gedanken nicht gehöret haben, damit er ihn nicht zur Nemeſis trage! O in dieſem wild¬ verwachſenen Leben iſt kein Schritt, ſogar in den blühenden Luſtgängen, ganz ſicher, und mitten in der Fülle dieſes Kunſtgartens erwar¬ tet dich ein fremder finſterer Giftbaum und A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/15
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/15>, abgerufen am 26.04.2024.