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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Du willst noch Ketten durch die Ketten zie¬
hen?" -- Roquairol hatte darauf immer die¬
selbe Antwort: "Umgekehrt! Durch Körper be¬
"freie ich mich eben von Körpern, z. B. durch
"Wein von Blut. Sobald Du aus der Leib¬
"eigenschaft der leiblichen Sinne nie heraus¬
"kannst und all Dein Bewußtseyn und Dein Den¬
"ken nur durch körperliche Dienstbarkeit, die
"auf dem Grundstück der Erde haftet, bei ih¬
"rem Adel bleiben: so seh' ich nicht ab, warum
"Du nicht diese Rebellen und Despoten recht zu
"Deinen Dienern brauchst? -- Warum soll ich
"den Körper nur schlimm auf mich wirken las¬
"sen und nicht eben sowohl vortheilhaft?" --
Albano blieb dabei, das stille Licht der Ge¬
sundheit sey würdiger als die Mohnöl-Flamme
eines Opiums-Sklaven; und die körperliche
Kriegsgefangenschaft, die unser Geist mit der
ganzen menschlichen Mannschaft leide, sey eh¬
renvoller als der persönlich-krummschliessende
Arrest.

Indeß heute konnte nicht einmal das spiri¬
tuöse geschwefelte Theewasser eine gewisse Un¬
behaglichkelt aus Roquairol verwaschen, den

Du willſt noch Ketten durch die Ketten zie¬
hen?“ — Roquairol hatte darauf immer die¬
ſelbe Antwort: „Umgekehrt! Durch Körper be¬
„freie ich mich eben von Körpern, z. B. durch
„Wein von Blut. Sobald Du aus der Leib¬
„eigenſchaft der leiblichen Sinne nie heraus¬
„kannſt und all Dein Bewußtſeyn und Dein Den¬
„ken nur durch körperliche Dienſtbarkeit, die
„auf dem Grundſtück der Erde haftet, bei ih¬
„rem Adel bleiben: ſo ſeh' ich nicht ab, warum
„Du nicht dieſe Rebellen und Deſpoten recht zu
„Deinen Dienern brauchſt? — Warum ſoll ich
„den Körper nur ſchlimm auf mich wirken las¬
„ſen und nicht eben ſowohl vortheilhaft?„ —
Albano blieb dabei, das ſtille Licht der Ge¬
ſundheit ſey würdiger als die Mohnöl-Flamme
eines Opiums-Sklaven; und die körperliche
Kriegsgefangenſchaft, die unſer Geiſt mit der
ganzen menſchlichen Mannſchaft leide, ſey eh¬
renvoller als der perſönlich-krummſchlieſſende
Arreſt.

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[29/0041] Du willſt noch Ketten durch die Ketten zie¬ hen?“ — Roquairol hatte darauf immer die¬ ſelbe Antwort: „Umgekehrt! Durch Körper be¬ „freie ich mich eben von Körpern, z. B. durch „Wein von Blut. Sobald Du aus der Leib¬ „eigenſchaft der leiblichen Sinne nie heraus¬ „kannſt und all Dein Bewußtſeyn und Dein Den¬ „ken nur durch körperliche Dienſtbarkeit, die „auf dem Grundſtück der Erde haftet, bei ih¬ „rem Adel bleiben: ſo ſeh' ich nicht ab, warum „Du nicht dieſe Rebellen und Deſpoten recht zu „Deinen Dienern brauchſt? — Warum ſoll ich „den Körper nur ſchlimm auf mich wirken las¬ „ſen und nicht eben ſowohl vortheilhaft?„ — Albano blieb dabei, das ſtille Licht der Ge¬ ſundheit ſey würdiger als die Mohnöl-Flamme eines Opiums-Sklaven; und die körperliche Kriegsgefangenſchaft, die unſer Geiſt mit der ganzen menſchlichen Mannſchaft leide, ſey eh¬ renvoller als der perſönlich-krummſchlieſſende Arreſt. Indeß heute konnte nicht einmal das ſpiri¬ tuöſe geſchwefelte Theewaſſer eine gewiſſe Un¬ behaglichkelt aus Roquairol verwaſchen, den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/41>, abgerufen am 26.04.2024.