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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
gantze Leben überlegen. Man solte ändern/ was man ver-
brochen/ und also mit reinem Gewissen zu diesem Tisch hin-
zu treten. An einem andern Ort/ da er zur Versöhnlichkeit
mit seinem Nächsten seine Zuhörer angemahnet/ hegt er die-
se Gedancken d): Daß wenn solches geschehen/ könte man
mit reinem Gewissen zu diesem Tisch treten. Er überliesse es
also eines jeden Gewissen. Auf dieses hat es unser Kirchen-
Vater allein ankommen lassen. Er hat nicht an die Beich-
te gedacht/ so vor Geniessung dieses himmlischen Mahls ge-
schehen solte. Ja wenn in der ersten Kirche allezeit vor Ge-
niessung des Nachtmahls die Beiche vorhergehen sollen/ wie
hätte solches geschehen können? Die ersten Christen genos-
sen das Nachtmahl gar offt/ in der einigen Stadt Jerusa-
lem waren viel tausend Seelen/ die sich zu Christo bekehret/
und hätten die Apostel genug mit dem Beichtesitzen zu thun
gehabt. Ja wenn sie auch weiter nichts verrichtet hätten/
und wären den gantzen Tag Beichte gesessen/ so hätte es
doch nicht seyn können/ daß sie alle Christen Beicht hören/
und die absolution ertheilen könnten. Paulus saget: Der
Mensch prüffe sich selbst, und also esse er von diesem Brod und
trincke von diesem Kelch.
Es schiene ihm also frembde Prüf-
fung ungeschickt hiezu zu seyn.

Die Ein-
würffe, so
man wiederdasjenige,
§. XI.

Dieses zum voraus gesetzt/ so sind diejenigen
Gründe/ welche die Patronen der Beichte von ihrem Alter-
thum herfür bringen/ in keinem sonderlichen Wehrt zu ach-

ten.
d) Andere Worte
desselben.
Chrysost. hom. 27. in Gen. Si hoc fecerimus, poterimus pura con-
scientia ad sanctam terribilemque hanc mensam accedere, & ver-
ba illa, quae precationi inserta sunt, cum fiducia dicere. (Intel-
ligunt initiati, quid sit, quod dico.) Proinde vniuscujusque con-
scientiae relinquo, quomodo mandato illo impleto, per terribile
illud tempus haec fidenter dicere possimus.

a) Ei-

I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
gantze Leben uͤberlegen. Man ſolte aͤndern/ was man ver-
brochen/ und alſo mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch hin-
zu treten. An einem andern Ort/ da er zur Verſoͤhnlichkeit
mit ſeinem Naͤchſten ſeine Zuhoͤrer angemahnet/ hegt er die-
ſe Gedancken d): Daß wenn ſolches geſchehen/ koͤnte man
mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch treten. Er uͤberlieſſe es
alſo eines jeden Gewiſſen. Auf dieſes hat es unſer Kirchen-
Vater allein ankommen laſſen. Er hat nicht an die Beich-
te gedacht/ ſo vor Genieſſung dieſes himmliſchen Mahls ge-
ſchehen ſolte. Ja wenn in der erſten Kirche allezeit vor Ge-
nieſſung des Nachtmahls die Beiche vorhergehen ſollen/ wie
haͤtte ſolches geſchehen koͤnnen? Die erſten Chriſten genoſ-
ſen das Nachtmahl gar offt/ in der einigen Stadt Jeruſa-
lem waren viel tauſend Seelen/ die ſich zu Chriſto bekehret/
und haͤtten die Apoſtel genug mit dem Beichteſitzen zu thun
gehabt. Ja wenn ſie auch weiter nichts verrichtet haͤtten/
und waͤren den gantzen Tag Beichte geſeſſen/ ſo haͤtte es
doch nicht ſeyn koͤnnen/ daß ſie alle Chriſten Beicht hoͤren/
und die abſolution ertheilen koͤnnten. Paulus ſaget: Der
Menſch pruͤffe ſich ſelbſt, und alſo eſſe er von dieſem Brod und
trincke von dieſem Kelch.
Es ſchiene ihm alſo frembde Pruͤf-
fung ungeſchickt hiezu zu ſeyn.

Die Ein-
wuͤrffe, ſo
man wiederdasjenige,
§. XI.

Dieſes zum voraus geſetzt/ ſo ſind diejenigen
Gruͤnde/ welche die Patronen der Beichte von ihrem Alter-
thum herfuͤr bringen/ in keinem ſonderlichen Wehrt zu ach-

ten.
d) Andere Worte
deſſelben.
Chryſoſt. hom. 27. in Gen. Si hoc fecerimus, poterimus pura con-
ſcientia ad ſanctam terribilemque hanc menſam accedere, & ver-
ba illa, quæ precationi inſerta ſunt, cum fiducia dicere. (Intel-
ligunt initiati, quid ſit, quod dico.) Proinde vniuscujusque con-
ſcientiæ relinquo, quomodo mandato illo impleto, per terribile
illud tempus hæc fidenter dicere poſſimus.

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[98/0117] I. Abth. II. Cap. Von der Beichte gantze Leben uͤberlegen. Man ſolte aͤndern/ was man ver- brochen/ und alſo mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch hin- zu treten. An einem andern Ort/ da er zur Verſoͤhnlichkeit mit ſeinem Naͤchſten ſeine Zuhoͤrer angemahnet/ hegt er die- ſe Gedancken d): Daß wenn ſolches geſchehen/ koͤnte man mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch treten. Er uͤberlieſſe es alſo eines jeden Gewiſſen. Auf dieſes hat es unſer Kirchen- Vater allein ankommen laſſen. Er hat nicht an die Beich- te gedacht/ ſo vor Genieſſung dieſes himmliſchen Mahls ge- ſchehen ſolte. Ja wenn in der erſten Kirche allezeit vor Ge- nieſſung des Nachtmahls die Beiche vorhergehen ſollen/ wie haͤtte ſolches geſchehen koͤnnen? Die erſten Chriſten genoſ- ſen das Nachtmahl gar offt/ in der einigen Stadt Jeruſa- lem waren viel tauſend Seelen/ die ſich zu Chriſto bekehret/ und haͤtten die Apoſtel genug mit dem Beichteſitzen zu thun gehabt. Ja wenn ſie auch weiter nichts verrichtet haͤtten/ und waͤren den gantzen Tag Beichte geſeſſen/ ſo haͤtte es doch nicht ſeyn koͤnnen/ daß ſie alle Chriſten Beicht hoͤren/ und die abſolution ertheilen koͤnnten. Paulus ſaget: Der Menſch pruͤffe ſich ſelbſt, und alſo eſſe er von dieſem Brod und trincke von dieſem Kelch. Es ſchiene ihm alſo frembde Pruͤf- fung ungeſchickt hiezu zu ſeyn. §. XI. Dieſes zum voraus geſetzt/ ſo ſind diejenigen Gruͤnde/ welche die Patronen der Beichte von ihrem Alter- thum herfuͤr bringen/ in keinem ſonderlichen Wehrt zu ach- ten. d) Chryſoſt. hom. 27. in Gen. Si hoc fecerimus, poterimus pura con- ſcientia ad ſanctam terribilemque hanc menſam accedere, & ver- ba illa, quæ precationi inſerta ſunt, cum fiducia dicere. (Intel- ligunt initiati, quid ſit, quod dico.) Proinde vniuscujusque con- ſcientiæ relinquo, quomodo mandato illo impleto, per terribile illud tempus hæc fidenter dicere poſſimus. a) Ei-

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/117>, abgerufen am 27.04.2024.