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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt
Es soll de-
nen Leuten
frey stehen,
ob sie beich-
ten wollenoder nicht.
§. VI.

Dannenhero solte bey uns keine solche Noth-
wendigkeit
aus dem Beichtgehen gemacht werden. Die-
jenigen/ so darüber sich ein Bedencken machen/ solten die
Freyheit haben/ ohne vorhergegangene Beichte zum A-
bendmahl zu gehen. Solches solte man ihnen um so viel mehr
verstatten/ wenn sie in ihrem Christenthum wohlgegründet
wären. Denn auf solche weise wissen sie ohnehin schon/
was vor Eigenschafften zu einem würdigen Gast des Tisches
des HErrn erfordert werden. Es scheinet auch/ daß bey
der Reformation die Beichte sonderlich um des gemeinen
Pöbels
willen beybehalten worden. Dieser ist/ wie be-
kannt/ roh und unerfahren. Er ist in dem Christenthum
nicht sonderlich gesetzet. Man hat ihm also durch die Beichte
zu statten kommen/ und dadurch zum Nachtmahl des
HErrn zubereiten wollen a). Lutherus bekennet selbsten/

daß
und nach weniger Vermahnung, auch wohl gar unbekann-
te Personen
absolviren, weil alles in der Eil und in kurtzer
Zeit geschehen soll. Damit kan ich in Wahrheit sagen,
geschicht es, daß man den rechten Gebrauch der Beicht
und Absolution nicht hat, wohl aber den Mißbrauch, wel-
cher darinn bestehet, daß die Leuthe, weil sie gleichwohl
absolviret worden, sich in ihrer Sicherheit stärcken, daß
an vielen Orten etwa besser wäre, man hätte die Beicht
und Absolution gar nicht, als mit solchem Mißbrauch.
a) Die Beichte
soll absonder-
lich dem gemei-
nen Volck zum
besten dienen.
Das gemeine Volck ist zuweilen so roh und unerfahren, daß es
nicht einmahl die allernöthigsten Articul des Christlichen Glau-
bens weißt. Es weißt nicht, was eine rechte Reue, und wie man
sich zu würdiger Genießung des Abendmahls geschickt machen soll.
Darum scheinet es gut zu seyn, solches in den Beicht-Stuhl zu
ziehen. Allein wird diesen Fehlern durch das Beichten abge-
holffen? Keinesweges. Jch könnte solches gar weitläufftig dar-
thun. Jedoch weil ich befürchte, ich möchte manchen, der ein in-
teresse
dabey hat, wieder mich erbittern, so enthalte ich mich da-
von
II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt
Es ſoll de-
nen Leuten
frey ſtehen,
ob ſie beich-
ten wollenoder nicht.
§. VI.

Dannenhero ſolte bey uns keine ſolche Noth-
wendigkeit
aus dem Beichtgehen gemacht werden. Die-
jenigen/ ſo daruͤber ſich ein Bedencken machen/ ſolten die
Freyheit haben/ ohne vorhergegangene Beichte zum A-
bendmahl zu gehen. Solches ſolte man ihnen um ſo viel mehr
verſtatten/ wenn ſie in ihrem Chriſtenthum wohlgegruͤndet
waͤren. Denn auf ſolche weiſe wiſſen ſie ohnehin ſchon/
was vor Eigenſchafften zu einem wuͤrdigen Gaſt des Tiſches
des HErrn erfordert werden. Es ſcheinet auch/ daß bey
der Reformation die Beichte ſonderlich um des gemeinen
Poͤbels
willen beybehalten worden. Dieſer iſt/ wie be-
kannt/ roh und unerfahren. Er iſt in dem Chriſtenthum
nicht ſonderlich geſetzet. Man hat ihm alſo durch die Beichte
zu ſtatten kommen/ und dadurch zum Nachtmahl des
HErrn zubereiten wollen a). Lutherus bekennet ſelbſten/

daß
und nach weniger Vermahnung, auch wohl gar unbekann-
te Perſonen
abſolviren, weil alles in der Eil und in kurtzer
Zeit geſchehen ſoll. Damit kan ich in Wahrheit ſagen,
geſchicht es, daß man den rechten Gebrauch der Beicht
und Abſolution nicht hat, wohl aber den Mißbrauch, wel-
cher darinn beſtehet, daß die Leuthe, weil ſie gleichwohl
abſolviret worden, ſich in ihrer Sicherheit ſtaͤrcken, daß
an vielen Orten etwa beſſer waͤre, man haͤtte die Beicht
und Abſolution gar nicht, als mit ſolchem Mißbrauch.
a) Die Beichte
ſoll abſonder-
lich dem gemei-
nen Volck zum
beſten dienen.
Das gemeine Volck iſt zuweilen ſo roh und unerfahren, daß es
nicht einmahl die allernoͤthigſten Articul des Chriſtlichen Glau-
bens weißt. Es weißt nicht, was eine rechte Reue, und wie man
ſich zu wuͤrdiger Genießung des Abendmahls geſchickt machen ſoll.
Darum ſcheinet es gut zu ſeyn, ſolches in den Beicht-Stuhl zu
ziehen. Allein wird dieſen Fehlern durch das Beichten abge-
holffen? Keinesweges. Jch koͤnnte ſolches gar weitlaͤufftig dar-
thun. Jedoch weil ich befuͤrchte, ich moͤchte manchen, der ein in-
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dabey hat, wieder mich erbittern, ſo enthalte ich mich da-
von
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[228/0247] II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt §. VI. Dannenhero ſolte bey uns keine ſolche Noth- wendigkeit aus dem Beichtgehen gemacht werden. Die- jenigen/ ſo daruͤber ſich ein Bedencken machen/ ſolten die Freyheit haben/ ohne vorhergegangene Beichte zum A- bendmahl zu gehen. Solches ſolte man ihnen um ſo viel mehr verſtatten/ wenn ſie in ihrem Chriſtenthum wohlgegruͤndet waͤren. Denn auf ſolche weiſe wiſſen ſie ohnehin ſchon/ was vor Eigenſchafften zu einem wuͤrdigen Gaſt des Tiſches des HErrn erfordert werden. Es ſcheinet auch/ daß bey der Reformation die Beichte ſonderlich um des gemeinen Poͤbels willen beybehalten worden. Dieſer iſt/ wie be- kannt/ roh und unerfahren. Er iſt in dem Chriſtenthum nicht ſonderlich geſetzet. Man hat ihm alſo durch die Beichte zu ſtatten kommen/ und dadurch zum Nachtmahl des HErrn zubereiten wollen a). Lutherus bekennet ſelbſten/ daß (c) a) Das gemeine Volck iſt zuweilen ſo roh und unerfahren, daß es nicht einmahl die allernoͤthigſten Articul des Chriſtlichen Glau- bens weißt. Es weißt nicht, was eine rechte Reue, und wie man ſich zu wuͤrdiger Genießung des Abendmahls geſchickt machen ſoll. Darum ſcheinet es gut zu ſeyn, ſolches in den Beicht-Stuhl zu ziehen. Allein wird dieſen Fehlern durch das Beichten abge- holffen? Keinesweges. Jch koͤnnte ſolches gar weitlaͤufftig dar- thun. Jedoch weil ich befuͤrchte, ich moͤchte manchen, der ein in- tereſſe dabey hat, wieder mich erbittern, ſo enthalte ich mich da- von (c) und nach weniger Vermahnung, auch wohl gar unbekann- te Perſonen abſolviren, weil alles in der Eil und in kurtzer Zeit geſchehen ſoll. Damit kan ich in Wahrheit ſagen, geſchicht es, daß man den rechten Gebrauch der Beicht und Abſolution nicht hat, wohl aber den Mißbrauch, wel- cher darinn beſtehet, daß die Leuthe, weil ſie gleichwohl abſolviret worden, ſich in ihrer Sicherheit ſtaͤrcken, daß an vielen Orten etwa beſſer waͤre, man haͤtte die Beicht und Abſolution gar nicht, als mit ſolchem Mißbrauch.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/247>, abgerufen am 26.04.2024.