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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Cap. Von der
Offenbah-
rung eines
dritten Un-
schuld an
den Tag zubringen.
§. XXIII.

Die Beichte kan man offenbahren/ wenn
dadurch die Unschuld eines dritten/ der zu einer Straf-
fe soll gezogen werden/ ja gar zum Tode verdammet ist/
an den Tag gebracht wird. Wenn man solche dem Beicht-
Vater in der Beichte kund gemacht/ so kan er ein solches der
Obrigkeit anzeigen. Denn es ereignet sich zum öfftern/ daß
ein ehrlicher Mensch vielerley Verbrechen beschuldiget wird.
Wenn sich nun derselbe bloß aus Unvorsichtigkeit verdächtig
gemacht/ so kommt es gar offt/ daß ihm die tortur dictiret
wird. Ja man verdammet ihn gar zum Tode. Es kommt
sodann einer in den Beicht-Stuhl/ und saget/ daß er alles
dasjenige gethan/ was man dem Gefangenen Schuld giebt/
und worüber derselbe zum Tod verdammet worden.
Sodann ist der Beicht-Vater allerdings gehalten/ es der
Obrigkeit anzuzeigen. Jedoch hierinn muß derselbe gar
behutsam verfahren. Er darf nicht entdecken/ wer es ge-
than/ sondern nur so viel sagen/ daß der Gefangene Un-
schuldig,
und ein anderer der Thäter. Beyer hat hievon
einen Casum angeführet a). Dieses Zeugnüß halten sie

darum
a) Wird mit ei-
nem Exempel
erläutert.
Beyer cit. l. §. 12. Er saget daselbst, daß ein Mensch zu einem
Priester gekommen, und ihm gebeichtet, er habe denjenigen Tod-
schlag begangen, weswegen der Gefangene solte geköpfft werden.
Darauf wäre der Priester vor das Gerichte gegangen, und ge-
sprochen: Er wüste das der Gefangene unschuldig. Er kennete,
den rechten Thäter. Ehe er aber solchen verrathen wolte, so
möchten sie ihn hinnehmen, richten, verdammen, und gar am Le-
ben straffen. Er wolte hiermit nochmahls biß an seinen Tod
ausruffen, der arme Gefangene sey unschuldig. Hierdurch hät-
te er auch den Gefangenen loß gebracht, der sonst hätte sterben
müssen. Er hätte aber anbey den rechten Thäter nicht verra-
then, weil ihm derselbe seine Ubelthat in der Beichte offenbah-
ret. Conf. Panormitan. ad C. dilectus 13. de excess. Praelat. Go-
mez ad eund. loc.

a) So
II. Abth. IV. Cap. Von der
Offenbah-
rung eines
dritten Un-
ſchuld an
den Tag zubringen.
§. XXIII.

Die Beichte kan man offenbahren/ wenn
dadurch die Unſchuld eines dritten/ der zu einer Straf-
fe ſoll gezogen werden/ ja gar zum Tode verdammet iſt/
an den Tag gebracht wird. Wenn man ſolche dem Beicht-
Vater in der Beichte kund gemacht/ ſo kan er ein ſolches der
Obrigkeit anzeigen. Denn es ereignet ſich zum oͤfftern/ daß
ein ehrlicher Menſch vielerley Verbrechen beſchuldiget wird.
Wenn ſich nun derſelbe bloß aus Unvorſichtigkeit verdaͤchtig
gemacht/ ſo kommt es gar offt/ daß ihm die tortur dictiret
wird. Ja man verdammet ihn gar zum Tode. Es kommt
ſodann einer in den Beicht-Stuhl/ und ſaget/ daß er alles
dasjenige gethan/ was man dem Gefangenen Schuld giebt/
und woruͤber derſelbe zum Tod verdammet worden.
Sodann iſt der Beicht-Vater allerdings gehalten/ es der
Obrigkeit anzuzeigen. Jedoch hierinn muß derſelbe gar
behutſam verfahren. Er darf nicht entdecken/ wer es ge-
than/ ſondern nur ſo viel ſagen/ daß der Gefangene Un-
ſchuldig,
und ein anderer der Thaͤter. Beyer hat hievon
einen Caſum angefuͤhret a). Dieſes Zeugnuͤß halten ſie

darum
a) Wird mit ei-
nem Exempel
erlaͤutert.
Beyer cit. l. §. 12. Er ſaget daſelbſt, daß ein Menſch zu einem
Prieſter gekommen, und ihm gebeichtet, er habe denjenigen Tod-
ſchlag begangen, weswegen der Gefangene ſolte gekoͤpfft werden.
Darauf waͤre der Prieſter vor das Gerichte gegangen, und ge-
ſprochen: Er wuͤſte das der Gefangene unſchuldig. Er kennete,
den rechten Thaͤter. Ehe er aber ſolchen verrathen wolte, ſo
moͤchten ſie ihn hinnehmen, richten, verdammen, und gar am Le-
ben ſtraffen. Er wolte hiermit nochmahls biß an ſeinen Tod
ausruffen, der arme Gefangene ſey unſchuldig. Hierdurch haͤt-
te er auch den Gefangenen loß gebracht, der ſonſt haͤtte ſterben
muͤſſen. Er haͤtte aber anbey den rechten Thaͤter nicht verra-
then, weil ihm derſelbe ſeine Ubelthat in der Beichte offenbah-
ret. Conf. Panormitan. ad C. dilectus 13. de excesſ. Prælat. Go-
mez ad eund. loc.

a) So
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[334/0353] II. Abth. IV. Cap. Von der §. XXIII. Die Beichte kan man offenbahren/ wenn dadurch die Unſchuld eines dritten/ der zu einer Straf- fe ſoll gezogen werden/ ja gar zum Tode verdammet iſt/ an den Tag gebracht wird. Wenn man ſolche dem Beicht- Vater in der Beichte kund gemacht/ ſo kan er ein ſolches der Obrigkeit anzeigen. Denn es ereignet ſich zum oͤfftern/ daß ein ehrlicher Menſch vielerley Verbrechen beſchuldiget wird. Wenn ſich nun derſelbe bloß aus Unvorſichtigkeit verdaͤchtig gemacht/ ſo kommt es gar offt/ daß ihm die tortur dictiret wird. Ja man verdammet ihn gar zum Tode. Es kommt ſodann einer in den Beicht-Stuhl/ und ſaget/ daß er alles dasjenige gethan/ was man dem Gefangenen Schuld giebt/ und woruͤber derſelbe zum Tod verdammet worden. Sodann iſt der Beicht-Vater allerdings gehalten/ es der Obrigkeit anzuzeigen. Jedoch hierinn muß derſelbe gar behutſam verfahren. Er darf nicht entdecken/ wer es ge- than/ ſondern nur ſo viel ſagen/ daß der Gefangene Un- ſchuldig, und ein anderer der Thaͤter. Beyer hat hievon einen Caſum angefuͤhret a). Dieſes Zeugnuͤß halten ſie darum a) Beyer cit. l. §. 12. Er ſaget daſelbſt, daß ein Menſch zu einem Prieſter gekommen, und ihm gebeichtet, er habe denjenigen Tod- ſchlag begangen, weswegen der Gefangene ſolte gekoͤpfft werden. Darauf waͤre der Prieſter vor das Gerichte gegangen, und ge- ſprochen: Er wuͤſte das der Gefangene unſchuldig. Er kennete, den rechten Thaͤter. Ehe er aber ſolchen verrathen wolte, ſo moͤchten ſie ihn hinnehmen, richten, verdammen, und gar am Le- ben ſtraffen. Er wolte hiermit nochmahls biß an ſeinen Tod ausruffen, der arme Gefangene ſey unſchuldig. Hierdurch haͤt- te er auch den Gefangenen loß gebracht, der ſonſt haͤtte ſterben muͤſſen. Er haͤtte aber anbey den rechten Thaͤter nicht verra- then, weil ihm derſelbe ſeine Ubelthat in der Beichte offenbah- ret. Conf. Panormitan. ad C. dilectus 13. de excesſ. Prælat. Go- mez ad eund. loc. a) So

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/353>, abgerufen am 26.04.2024.