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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
und ihre Praetensiones und Gründe zu beantworten/ wird
zum öfftern eine gute Einsicht in die Theologie erfordert. (b)
So haben also auch aus angeführten Gründen/ die Juristen
Fug und Macht von Theologischen Sachen zu reden und
zu schreiben.

Sechste Ur-
sache, warum
ein Jurist die
Theologie
zu studirenhat.
§. XXXIII.

Ein Juriste hat mit Erklärung und
Applicirung der Gesetze zu thun. Die Gesetze werden in
göttliche und menschliche eingetheilet: Die göttlichen sind
wiederum zweyerley: natürliche und geoffenbahrte. Bey-
de kommen in der heiligen Schrifft häuffig vor. Beyder
Betrachtung/ kan man denen Juristen nicht absprechen.
Was zwar die Ceremonial-Gesetze in der Bibel anbetrifft/
dürffte man dencken/ die Juristen würden sich um solche we-
nig zu bekümmern haben. Jch halte aber dennoch dafür/
daß sie von Betrachtung derselben nicht auszuschliessen.
Solten sie nicht befugt seyn/ den Endzweck solcher Gesetze
zu untersuchen? Wären sie zu verdencken/ wenn sie zuschau-
ten/ ob GOtt in Gebung derselben/ nicht auch politische
Absichten
gehabt? Könte man es ihnen verübeln/ wenn
sie nachdächten/ ob in diesem oder jenem Ceremonial-Ge-
setz ein Vorbild stecket/ oder ob keines darunter verborgen? (a)

Jch
(b) Einige Schein-
Gründe der
Geistlichkeit
ihr Thün zu-
bemänteln.
Jch will anietzo nur eines eintzigen Falls gedencken. Wenn sich
mancher Geistlicher seine fleischliche Begierden verleiten lassen, daß
er mit rechten Pasquillen auf die Cantzel kommt, so heist es ein gött-
licher Eyffer.
Wenn die Obrigkeit blosse Adiaphora, oder solche
Dinge anbefiehlet, die allerdings durch Gesetze gebothen werden können,
und mancher Priester hat keine Lust zu gehorchen, so wendet er für,
es lieffe wieder sein Gewissen. Anderer Dinge zu geschweigen. Daß
aber hierdurch keine Unordnung entstehe, müssen die Juristen sorgen.
Sollen sie aber in dergleichen Fällen tüchtige Consilia geben, und die
Einwürffe wiederlegen, so müssen sie die Theologie verstehen.
(a) Von denen
Vorbildern in
denen Cermo-
nial.
Gesetzen.
Spencer in legibus Ebraeorum ritual. hat viel herrliche Anmerckungen.
Dieses ist nur an ihn zu tadeln, daß er an seiner Hypothesi allzusehr
hen-

Vorbericht von der Juriſten
und ihre Prætenſiones und Gruͤnde zu beantworten/ wird
zum oͤfftern eine gute Einſicht in die Theologie erfordert. (b)
So haben alſo auch aus angefuͤhrten Gruͤnden/ die Juriſten
Fug und Macht von Theologiſchen Sachen zu reden und
zu ſchreiben.

Sechſte Ur-
ſache, warum
ein Juriſt die
Theologie
zu ſtudirenhat.
§. XXXIII.

Ein Juriſte hat mit Erklaͤrung und
Applicirung der Geſetze zu thun. Die Geſetze werden in
goͤttliche und menſchliche eingetheilet: Die goͤttlichen ſind
wiederum zweyerley: natuͤrliche und geoffenbahrte. Bey-
de kommen in der heiligen Schrifft haͤuffig vor. Beyder
Betrachtung/ kan man denen Juriſten nicht abſprechen.
Was zwar die Ceremonial-Geſetze in der Bibel anbetrifft/
duͤrffte man dencken/ die Juriſten wuͤrden ſich um ſolche we-
nig zu bekuͤmmern haben. Jch halte aber dennoch dafuͤr/
daß ſie von Betrachtung derſelben nicht auszuſchlieſſen.
Solten ſie nicht befugt ſeyn/ den Endzweck ſolcher Geſetze
zu unterſuchen? Waͤren ſie zu verdencken/ wenn ſie zuſchau-
ten/ ob GOtt in Gebung derſelben/ nicht auch politiſche
Abſichten
gehabt? Koͤnte man es ihnen veruͤbeln/ wenn
ſie nachdaͤchten/ ob in dieſem oder jenem Ceremonial-Ge-
ſetz ein Vorbild ſtecket/ oder ob keines darunter verborgen? (a)

Jch
(b) Einige Schein-
Gruͤnde der
Geiſtlichkeit
ihr Thuͤn zu-
bemaͤnteln.
Jch will anietzo nur eines eintzigen Falls gedencken. Wenn ſich
mancher Geiſtlicher ſeine fleiſchliche Begierden verleiten laſſen, daß
er mit rechten Paſquillen auf die Cantzel kommt, ſo heiſt es ein goͤtt-
licher Eyffer.
Wenn die Obrigkeit bloſſe Adiaphora, oder ſolche
Dinge anbefiehlet, die allerdings durch Geſetze gebothen werden koͤnnen,
und mancher Prieſter hat keine Luſt zu gehorchen, ſo wendet er fuͤr,
es lieffe wieder ſein Gewiſſen. Anderer Dinge zu geſchweigen. Daß
aber hierdurch keine Unordnung entſtehe, muͤſſen die Juriſten ſorgen.
Sollen ſie aber in dergleichen Faͤllen tuͤchtige Conſilia geben, und die
Einwuͤrffe wiederlegen, ſo muͤſſen ſie die Theologie verſtehen.
(a) Von denen
Vorbildern in
denen Cermo-
nial.
Geſetzen.
Spencer in legibus Ebræorum ritual. hat viel herrliche Anmerckungen.
Dieſes iſt nur an ihn zu tadeln, daß er an ſeiner Hypotheſi allzuſehr
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[42/0061] Vorbericht von der Juriſten und ihre Prætenſiones und Gruͤnde zu beantworten/ wird zum oͤfftern eine gute Einſicht in die Theologie erfordert. (b) So haben alſo auch aus angefuͤhrten Gruͤnden/ die Juriſten Fug und Macht von Theologiſchen Sachen zu reden und zu ſchreiben. §. XXXIII. Ein Juriſte hat mit Erklaͤrung und Applicirung der Geſetze zu thun. Die Geſetze werden in goͤttliche und menſchliche eingetheilet: Die goͤttlichen ſind wiederum zweyerley: natuͤrliche und geoffenbahrte. Bey- de kommen in der heiligen Schrifft haͤuffig vor. Beyder Betrachtung/ kan man denen Juriſten nicht abſprechen. Was zwar die Ceremonial-Geſetze in der Bibel anbetrifft/ duͤrffte man dencken/ die Juriſten wuͤrden ſich um ſolche we- nig zu bekuͤmmern haben. Jch halte aber dennoch dafuͤr/ daß ſie von Betrachtung derſelben nicht auszuſchlieſſen. Solten ſie nicht befugt ſeyn/ den Endzweck ſolcher Geſetze zu unterſuchen? Waͤren ſie zu verdencken/ wenn ſie zuſchau- ten/ ob GOtt in Gebung derſelben/ nicht auch politiſche Abſichten gehabt? Koͤnte man es ihnen veruͤbeln/ wenn ſie nachdaͤchten/ ob in dieſem oder jenem Ceremonial-Ge- ſetz ein Vorbild ſtecket/ oder ob keines darunter verborgen? (a) Jch (b) Jch will anietzo nur eines eintzigen Falls gedencken. Wenn ſich mancher Geiſtlicher ſeine fleiſchliche Begierden verleiten laſſen, daß er mit rechten Paſquillen auf die Cantzel kommt, ſo heiſt es ein goͤtt- licher Eyffer. Wenn die Obrigkeit bloſſe Adiaphora, oder ſolche Dinge anbefiehlet, die allerdings durch Geſetze gebothen werden koͤnnen, und mancher Prieſter hat keine Luſt zu gehorchen, ſo wendet er fuͤr, es lieffe wieder ſein Gewiſſen. Anderer Dinge zu geſchweigen. Daß aber hierdurch keine Unordnung entſtehe, muͤſſen die Juriſten ſorgen. Sollen ſie aber in dergleichen Faͤllen tuͤchtige Conſilia geben, und die Einwuͤrffe wiederlegen, ſo muͤſſen ſie die Theologie verſtehen. (a) Spencer in legibus Ebræorum ritual. hat viel herrliche Anmerckungen. Dieſes iſt nur an ihn zu tadeln, daß er an ſeiner Hypotheſi allzuſehr hen-

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/61>, abgerufen am 26.04.2024.