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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Capitel. Von der
Man darff
nicht das al-
lergeringste
aus der
Beichteschwatzen.
§. XII.

Es ist ein Beicht-Vater zum Stillschweigen
verbunden/ wenn diejenigen Laster und Sünden/ so man
ihm bekennet/ gleich nicht unter die groben gehören. Wenn
gleich nicht zu befürchten/ daß man dem Beicht-Kind deß-
wegen das geringste werde in dem Wege legen. Denn
auch solches ausplaudern könnte die Leute von der Beicht
und Offenbahrung abhalten a). Hiermit aber ist der Geist-
lichkeit nichts gedienet. Darum so wollen sie/ daß nicht der
geringste Umstand, so gebeichtet worden/ wiederum andern
zu offenbahren sey. Man könnte auch von einem solchen
Menschen schliessen/ daß er grössere Dinge mit gleicher
Leichtsinnigkeit ausplaudern würde. Denn wenn ein
Sack einmahl Löcher kriegt/ so ist es leicht geschehen/ daß
noch grössere und mehrere hinein reissen. Wer sich ein-
mahl in einer Sache nicht allzu gut aufgeführet/ dem darf
man auch fernerhin nicht allzuwohl trauen b).

§. XIII.
nicht: Denn man muß Kirchen und weltliche Regiment un-
terscheiden. Sintemahl sie mir nicht gebeichtet, sondern
dem HErrn Christo etc. Jch wolte aber,
fähret er fort, zu
ihr sagen: Du Hur thue es nicht mehr.
vid. Dedeken. vol.
1. cons. p. 925.
Wenn also ein Priester die Beichte geheim halten
soll, wenn gleich die Obrigkeit etwas zu wissen verlangt, (wovon
bald mit mehrern) wie vielmehr ist er dazu gehalten, wenn nie-
mand von ihm begehret, etwas auszuschwatzen.
a) Erste Ursache.Die Leute können so dann nicht ohne Grund muthmassen, der
Beicht-Vater könnte eben so leicht grosse und wichtige ihm an-
vertraute Dinge offenbahren, als er ein und das andere, so von
keiner sonderlichen importanz gewesen, ausgeschwatzet. vid. Me-
nochius cit. l. nr. 6.
b) Andere Ursach.Man kan einen solchen Beicht-Vater nach der Canonisten
Meinung alsobald verklagen, er habe das Siegel der Beichte
gebrochen. Der geringste Umstand, so aus der Beichte ge-
plaudert worden, könnte dem weltlichen Richter Gelegenheit ge-
ben,
II. Abth. IV. Capitel. Von der
Man darff
nicht das al-
lergeringſte
aus der
Beichteſchwatzen.
§. XII.

Es iſt ein Beicht-Vater zum Stillſchweigen
verbunden/ wenn diejenigen Laſter und Suͤnden/ ſo man
ihm bekennet/ gleich nicht unter die groben gehoͤren. Wenn
gleich nicht zu befuͤrchten/ daß man dem Beicht-Kind deß-
wegen das geringſte werde in dem Wege legen. Denn
auch ſolches ausplaudern koͤnnte die Leute von der Beicht
und Offenbahrung abhalten a). Hiermit aber iſt der Geiſt-
lichkeit nichts gedienet. Darum ſo wollen ſie/ daß nicht der
geringſte Umſtand, ſo gebeichtet worden/ wiederum andern
zu offenbahren ſey. Man koͤnnte auch von einem ſolchen
Menſchen ſchlieſſen/ daß er groͤſſere Dinge mit gleicher
Leichtſinnigkeit ausplaudern wuͤrde. Denn wenn ein
Sack einmahl Loͤcher kriegt/ ſo iſt es leicht geſchehen/ daß
noch groͤſſere und mehrere hinein reiſſen. Wer ſich ein-
mahl in einer Sache nicht allzu gut aufgefuͤhret/ dem darf
man auch fernerhin nicht allzuwohl trauen b).

§. XIII.
nicht: Denn man muß Kirchen und weltliche Regiment un-
terſcheiden. Sintemahl ſie mir nicht gebeichtet, ſondern
dem HErrn Chriſto ꝛc. Jch wolte aber,
faͤhret er fort, zu
ihr ſagen: Du Hur thue es nicht mehr.
vid. Dedeken. vol.
1. conſ. p. 925.
Wenn alſo ein Prieſter die Beichte geheim halten
ſoll, wenn gleich die Obrigkeit etwas zu wiſſen verlangt, (wovon
bald mit mehrern) wie vielmehr iſt er dazu gehalten, wenn nie-
mand von ihm begehret, etwas auszuſchwatzen.
a) Erſte Urſache.Die Leute koͤnnen ſo dann nicht ohne Grund muthmaſſen, der
Beicht-Vater koͤnnte eben ſo leicht groſſe und wichtige ihm an-
vertraute Dinge offenbahren, als er ein und das andere, ſo von
keiner ſonderlichen importanz geweſen, ausgeſchwatzet. vid. Me-
nochius cit. l. nr. 6.
b) Andere Urſach.Man kan einen ſolchen Beicht-Vater nach der Canoniſten
Meinung alſobald verklagen, er habe das Siegel der Beichte
gebrochen. Der geringſte Umſtand, ſo aus der Beichte ge-
plaudert worden, koͤnnte dem weltlichen Richter Gelegenheit ge-
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[316/0335] II. Abth. IV. Capitel. Von der §. XII. Es iſt ein Beicht-Vater zum Stillſchweigen verbunden/ wenn diejenigen Laſter und Suͤnden/ ſo man ihm bekennet/ gleich nicht unter die groben gehoͤren. Wenn gleich nicht zu befuͤrchten/ daß man dem Beicht-Kind deß- wegen das geringſte werde in dem Wege legen. Denn auch ſolches ausplaudern koͤnnte die Leute von der Beicht und Offenbahrung abhalten a). Hiermit aber iſt der Geiſt- lichkeit nichts gedienet. Darum ſo wollen ſie/ daß nicht der geringſte Umſtand, ſo gebeichtet worden/ wiederum andern zu offenbahren ſey. Man koͤnnte auch von einem ſolchen Menſchen ſchlieſſen/ daß er groͤſſere Dinge mit gleicher Leichtſinnigkeit ausplaudern wuͤrde. Denn wenn ein Sack einmahl Loͤcher kriegt/ ſo iſt es leicht geſchehen/ daß noch groͤſſere und mehrere hinein reiſſen. Wer ſich ein- mahl in einer Sache nicht allzu gut aufgefuͤhret/ dem darf man auch fernerhin nicht allzuwohl trauen b). §. XIII. (a) a) Die Leute koͤnnen ſo dann nicht ohne Grund muthmaſſen, der Beicht-Vater koͤnnte eben ſo leicht groſſe und wichtige ihm an- vertraute Dinge offenbahren, als er ein und das andere, ſo von keiner ſonderlichen importanz geweſen, ausgeſchwatzet. vid. Me- nochius cit. l. nr. 6. b) Man kan einen ſolchen Beicht-Vater nach der Canoniſten Meinung alſobald verklagen, er habe das Siegel der Beichte gebrochen. Der geringſte Umſtand, ſo aus der Beichte ge- plaudert worden, koͤnnte dem weltlichen Richter Gelegenheit ge- ben, (a) nicht: Denn man muß Kirchen und weltliche Regiment un- terſcheiden. Sintemahl ſie mir nicht gebeichtet, ſondern dem HErrn Chriſto ꝛc. Jch wolte aber, faͤhret er fort, zu ihr ſagen: Du Hur thue es nicht mehr. vid. Dedeken. vol. 1. conſ. p. 925. Wenn alſo ein Prieſter die Beichte geheim halten ſoll, wenn gleich die Obrigkeit etwas zu wiſſen verlangt, (wovon bald mit mehrern) wie vielmehr iſt er dazu gehalten, wenn nie- mand von ihm begehret, etwas auszuſchwatzen.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/335>, abgerufen am 27.04.2024.