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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der Islam.
widerstanden noch um 1640 wiewohl vergeblich, die Buginesen
ihrer dortigen Ausbreitung. Noch immer setzt der Islam seine
Wanderung gegen Morgen fort. Sein äusserstes östliches Ziel be-
zeichnet vorläufig eine kleine Moschee auf Dobo unter den Aru-
inseln, einem Zubehör von Neu Guinea1). Doch gibt es auf
Neu Guinea selbst unter den Papuanen der Landschaft Namototte
eine Anzahl Neubekehrter2).

In Afrika hat die Lehre des Propheten sich zuerst in dem
Mittelmeergebiete eingebürgert. Ueber die Wüste drang sie
1086--1097 n. Chr. in Bornu ein, am Beginn desselben Jahr-
hunderts hatte sie sich aber schon nach dem grossen Reiche
der Sonrhay am mittleren und am Beginn des 13. Jahrhunderts
am oberen Niger unter den Herrschern von Melli verbreitet3).
Nach Wadai, Darfur und Kordofan gelangte sie erst am Beginn
und um die Mitte des 17. Jahrhunderts4). Ob die Tuareg vormals
Christen waren, wie Barth vermuthete, bedarf noch strengerer Be-
stätigung, ebenso ob im ehemaligen Reiche Ghana, welches west-
lich von Timbuctu lag, das Christenthum erst 1075 dem Islam er-
legen sei, wie in Nubien, wo es nach guten Berichten noch in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts herrschte5). Noch gegen-
wärtig verdrängt der Islam in Abessinien langsam das Christen-
thum. In unseren Zeiten haben ihn die Fellatah weit ins Innere
des heidnischen Afrika bis nach Adamaua hineingetragen. Die
Lehre des Propheten legt den Afrikanern keine Aenderung der
Lebensgewohnheiten auf. Dem Neger, der den Islam ergreift, wird
obendrein verheissen, dass er höher steige und wegen seiner reinen
Lehre Gott näher stehe, als die Christen. Die Verkündiger der
Prophetenlehre in Afrika endlich sind unbesoldet und arm, während
die christlichen Missionäre, obgleich sie Geringschätzung des Reich-
thums predigen, mit Ueberfluss sich umgeben. Dies sind nach der
Ansicht eines klaren Beobachters die Ursachen, weshalb unter den

1) Wallace, Malay Archipelago. tom. II, p. 278.
2) Otto Finsch, Neu Guinea. Bremen 1865. S. 76.
3) Heinrich Barth, Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 309. Bd. 4.
S. 417, 603, 609.
4) Waitz, Anthropologie. Bd. 2. S. 21.
5) Fr. Kunstmann, Afrika vor den Entdeckungen der Portugiesen.
München 1853. S. 28.
21*

Der Islâm.
widerstanden noch um 1640 wiewohl vergeblich, die Buginesen
ihrer dortigen Ausbreitung. Noch immer setzt der Islam seine
Wanderung gegen Morgen fort. Sein äusserstes östliches Ziel be-
zeichnet vorläufig eine kleine Moschee auf Dobo unter den Aru-
inseln, einem Zubehör von Neu Guinea1). Doch gibt es auf
Neu Guinea selbst unter den Papuanen der Landschaft Namototte
eine Anzahl Neubekehrter2).

In Afrika hat die Lehre des Propheten sich zuerst in dem
Mittelmeergebiete eingebürgert. Ueber die Wüste drang sie
1086—1097 n. Chr. in Bornu ein, am Beginn desselben Jahr-
hunderts hatte sie sich aber schon nach dem grossen Reiche
der Sonrhay am mittleren und am Beginn des 13. Jahrhunderts
am oberen Niger unter den Herrschern von Melli verbreitet3).
Nach Wadai, Darfur und Kordofan gelangte sie erst am Beginn
und um die Mitte des 17. Jahrhunderts4). Ob die Tuareg vormals
Christen waren, wie Barth vermuthete, bedarf noch strengerer Be-
stätigung, ebenso ob im ehemaligen Reiche Ghana, welches west-
lich von Timbuctu lag, das Christenthum erst 1075 dem Islam er-
legen sei, wie in Nubien, wo es nach guten Berichten noch in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts herrschte5). Noch gegen-
wärtig verdrängt der Islam in Abessinien langsam das Christen-
thum. In unseren Zeiten haben ihn die Fellatah weit ins Innere
des heidnischen Afrika bis nach Adamaua hineingetragen. Die
Lehre des Propheten legt den Afrikanern keine Aenderung der
Lebensgewohnheiten auf. Dem Neger, der den Islâm ergreift, wird
obendrein verheissen, dass er höher steige und wegen seiner reinen
Lehre Gott näher stehe, als die Christen. Die Verkündiger der
Prophetenlehre in Afrika endlich sind unbesoldet und arm, während
die christlichen Missionäre, obgleich sie Geringschätzung des Reich-
thums predigen, mit Ueberfluss sich umgeben. Dies sind nach der
Ansicht eines klaren Beobachters die Ursachen, weshalb unter den

1) Wallace, Malay Archipelago. tom. II, p. 278.
2) Otto Finsch, Neu Guinea. Bremen 1865. S. 76.
3) Heinrich Barth, Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 309. Bd. 4.
S. 417, 603, 609.
4) Waitz, Anthropologie. Bd. 2. S. 21.
5) Fr. Kunstmann, Afrika vor den Entdeckungen der Portugiesen.
München 1853. S. 28.
21*
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[323/0341] Der Islâm. widerstanden noch um 1640 wiewohl vergeblich, die Buginesen ihrer dortigen Ausbreitung. Noch immer setzt der Islam seine Wanderung gegen Morgen fort. Sein äusserstes östliches Ziel be- zeichnet vorläufig eine kleine Moschee auf Dobo unter den Aru- inseln, einem Zubehör von Neu Guinea 1). Doch gibt es auf Neu Guinea selbst unter den Papuanen der Landschaft Namototte eine Anzahl Neubekehrter 2). In Afrika hat die Lehre des Propheten sich zuerst in dem Mittelmeergebiete eingebürgert. Ueber die Wüste drang sie 1086—1097 n. Chr. in Bornu ein, am Beginn desselben Jahr- hunderts hatte sie sich aber schon nach dem grossen Reiche der Sonrhay am mittleren und am Beginn des 13. Jahrhunderts am oberen Niger unter den Herrschern von Melli verbreitet 3). Nach Wadai, Darfur und Kordofan gelangte sie erst am Beginn und um die Mitte des 17. Jahrhunderts 4). Ob die Tuareg vormals Christen waren, wie Barth vermuthete, bedarf noch strengerer Be- stätigung, ebenso ob im ehemaligen Reiche Ghana, welches west- lich von Timbuctu lag, das Christenthum erst 1075 dem Islam er- legen sei, wie in Nubien, wo es nach guten Berichten noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts herrschte 5). Noch gegen- wärtig verdrängt der Islam in Abessinien langsam das Christen- thum. In unseren Zeiten haben ihn die Fellatah weit ins Innere des heidnischen Afrika bis nach Adamaua hineingetragen. Die Lehre des Propheten legt den Afrikanern keine Aenderung der Lebensgewohnheiten auf. Dem Neger, der den Islâm ergreift, wird obendrein verheissen, dass er höher steige und wegen seiner reinen Lehre Gott näher stehe, als die Christen. Die Verkündiger der Prophetenlehre in Afrika endlich sind unbesoldet und arm, während die christlichen Missionäre, obgleich sie Geringschätzung des Reich- thums predigen, mit Ueberfluss sich umgeben. Dies sind nach der Ansicht eines klaren Beobachters die Ursachen, weshalb unter den 1) Wallace, Malay Archipelago. tom. II, p. 278. 2) Otto Finsch, Neu Guinea. Bremen 1865. S. 76. 3) Heinrich Barth, Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 309. Bd. 4. S. 417, 603, 609. 4) Waitz, Anthropologie. Bd. 2. S. 21. 5) Fr. Kunstmann, Afrika vor den Entdeckungen der Portugiesen. München 1853. S. 28. 21*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/341>, abgerufen am 26.04.2024.