Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Vogt. Du hast durchaus Recht; aber es ist
gar nicht leicht.

Vögtinn. Es mag schwer seyn oder nicht,
es muß seyn; sie müssen dir vom Hals.

Vogt. Du weissest wohl, wie viel mich an
sie bindet, und was sie wissen.

Vögtinn. Du weissest noch viel mehr von ih-
nen: sie sind Schelmen, und dürfen nichts sagen;
du mußst dich von ihnen losmachen.

Der Vogt seufzet; die Frau aber fährt fort:
Sie fressen und saufen immer bey dir, und zahlen
dich nicht. Und wenn du besoffen bist, so lassest du
dich noch von ihnen anführen, wie ein Tropf --
Denk doch, um Gottes willen! nur wie es gestern mit
dem Joseph gegangen ist: Ich habe dir, ach mein
Gott! wie gut hab ich's gemeynt, rathen wollen,
aber wie bist du mit mir umgegangen? Und ohne
das sind auch gestern zween Thaler aus deinem
Camisolsack weiter spatziert, und sind nicht einmal
aufgeschrieben -- Wie lang kann das noch gehn?
Wenn du bey deinen schlimmen Händeln nachrechnest,
was nebenhin gegangen ist, so hast du bey allem ver-
loren; und doch fährst du noch immer fort mit
diesen Leuten, und oft und viel nur um deines
gottlosen Hochmuths willen. Bald muß dir so ein
Hund reden, was du willst, und bald ein ande-
rer schweigen, wo du willst; darfür dann fressen und
saufen sie bey dir, und zum schönen Dank, wenn

dich

Vogt. Du haſt durchaus Recht; aber es iſt
gar nicht leicht.

Voͤgtinn. Es mag ſchwer ſeyn oder nicht,
es muß ſeyn; ſie muͤſſen dir vom Hals.

Vogt. Du weiſſeſt wohl, wie viel mich an
ſie bindet, und was ſie wiſſen.

Voͤgtinn. Du weiſſeſt noch viel mehr von ih-
nen: ſie ſind Schelmen, und duͤrfen nichts ſagen;
du mußſt dich von ihnen losmachen.

Der Vogt ſeufzet; die Frau aber faͤhrt fort:
Sie freſſen und ſaufen immer bey dir, und zahlen
dich nicht. Und wenn du beſoffen biſt, ſo laſſeſt du
dich noch von ihnen anfuͤhren, wie ein Tropf —
Denk doch, um Gottes willen! nur wie es geſtern mit
dem Joſeph gegangen iſt: Ich habe dir, ach mein
Gott! wie gut hab ich’s gemeynt, rathen wollen,
aber wie biſt du mit mir umgegangen? Und ohne
das ſind auch geſtern zween Thaler aus deinem
Camiſolſack weiter ſpatziert, und ſind nicht einmal
aufgeſchrieben — Wie lang kann das noch gehn?
Wenn du bey deinen ſchlimmen Haͤndeln nachrechneſt,
was nebenhin gegangen iſt, ſo haſt du bey allem ver-
loren; und doch faͤhrſt du noch immer fort mit
dieſen Leuten, und oft und viel nur um deines
gottloſen Hochmuths willen. Bald muß dir ſo ein
Hund reden, was du willſt, und bald ein ande-
rer ſchweigen, wo du willſt; darfuͤr dann freſſen und
ſaufen ſie bey dir, und zum ſchoͤnen Dank, wenn

dich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0251" n="226"/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Du ha&#x017F;t durchaus Recht; aber es i&#x017F;t<lb/>
gar nicht leicht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtinn.</hi> Es mag &#x017F;chwer &#x017F;eyn oder nicht,<lb/>
es muß &#x017F;eyn; &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en dir vom Hals.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Du wei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t wohl, wie viel mich an<lb/>
&#x017F;ie bindet, und was &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtinn.</hi> Du wei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t noch viel mehr von ih-<lb/>
nen: &#x017F;ie &#x017F;ind Schelmen, und du&#x0364;rfen nichts &#x017F;agen;<lb/>
du muß&#x017F;t dich von ihnen losmachen.</p><lb/>
          <p>Der Vogt &#x017F;eufzet; die Frau aber fa&#x0364;hrt fort:<lb/>
Sie fre&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;aufen immer bey dir, und zahlen<lb/>
dich nicht. Und wenn du be&#x017F;offen bi&#x017F;t, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du<lb/>
dich noch von ihnen anfu&#x0364;hren, wie ein Tropf &#x2014;<lb/>
Denk doch, um Gottes willen! nur wie es ge&#x017F;tern mit<lb/>
dem Jo&#x017F;eph gegangen i&#x017F;t: Ich habe dir, ach mein<lb/>
Gott! wie gut hab ich&#x2019;s gemeynt, rathen wollen,<lb/>
aber wie bi&#x017F;t du mit mir umgegangen? Und ohne<lb/>
das &#x017F;ind auch ge&#x017F;tern zween Thaler aus deinem<lb/>
Cami&#x017F;ol&#x017F;ack weiter &#x017F;patziert, und &#x017F;ind nicht einmal<lb/>
aufge&#x017F;chrieben &#x2014; Wie lang kann das noch gehn?<lb/>
Wenn du bey deinen &#x017F;chlimmen Ha&#x0364;ndeln nachrechne&#x017F;t,<lb/>
was nebenhin gegangen i&#x017F;t, &#x017F;o ha&#x017F;t du bey allem ver-<lb/>
loren; und doch fa&#x0364;hr&#x017F;t du noch immer fort mit<lb/>
die&#x017F;en Leuten, und oft und viel nur um deines<lb/>
gottlo&#x017F;en Hochmuths willen. Bald muß dir &#x017F;o ein<lb/>
Hund reden, was du will&#x017F;t, und bald ein ande-<lb/>
rer &#x017F;chweigen, wo du will&#x017F;t; darfu&#x0364;r dann fre&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;aufen &#x017F;ie bey dir, und zum &#x017F;cho&#x0364;nen Dank, wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0251] Vogt. Du haſt durchaus Recht; aber es iſt gar nicht leicht. Voͤgtinn. Es mag ſchwer ſeyn oder nicht, es muß ſeyn; ſie muͤſſen dir vom Hals. Vogt. Du weiſſeſt wohl, wie viel mich an ſie bindet, und was ſie wiſſen. Voͤgtinn. Du weiſſeſt noch viel mehr von ih- nen: ſie ſind Schelmen, und duͤrfen nichts ſagen; du mußſt dich von ihnen losmachen. Der Vogt ſeufzet; die Frau aber faͤhrt fort: Sie freſſen und ſaufen immer bey dir, und zahlen dich nicht. Und wenn du beſoffen biſt, ſo laſſeſt du dich noch von ihnen anfuͤhren, wie ein Tropf — Denk doch, um Gottes willen! nur wie es geſtern mit dem Joſeph gegangen iſt: Ich habe dir, ach mein Gott! wie gut hab ich’s gemeynt, rathen wollen, aber wie biſt du mit mir umgegangen? Und ohne das ſind auch geſtern zween Thaler aus deinem Camiſolſack weiter ſpatziert, und ſind nicht einmal aufgeſchrieben — Wie lang kann das noch gehn? Wenn du bey deinen ſchlimmen Haͤndeln nachrechneſt, was nebenhin gegangen iſt, ſo haſt du bey allem ver- loren; und doch faͤhrſt du noch immer fort mit dieſen Leuten, und oft und viel nur um deines gottloſen Hochmuths willen. Bald muß dir ſo ein Hund reden, was du willſt, und bald ein ande- rer ſchweigen, wo du willſt; darfuͤr dann freſſen und ſaufen ſie bey dir, und zum ſchoͤnen Dank, wenn dich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/251
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/251>, abgerufen am 26.04.2024.